Thursday, December 24, 2009

Feiertage















Einmal mehr haben wir es geschafft, uns für die Weihnachtstage in familiärer Einigkeit im Diemtigtal zu versammeln. Im Wissen, dass im Juni der Auszug von Tim und im kommenden Dezember Arbeit und keine (Weihnachts)Ferien anstehen, geniessen wir diese Zeit um so bewusster.

Die flotte Kadenz der eingehenden SMS kündet die unmittelbar bevorstehenden Festtage an. Die Geschenke sind eingepackt, der Tannenbaum für seine letzten Tage geschmückt.
Noch liegt der Schnee nicht in gewünschten Mengen, noch ist unser Ausblick vernebelt, noch droht der Föhn, uns heute Nacht zu verblasen – doch noch geben wir die Hoffnung auf sonnige Pistenstunden nicht auf und freuen uns auf die Höhepunkte der kommenden Tage: der Besuch von Lindas Freund Nemo, Schokolade, Wein, Besuche, Fondue, Wein, Raclette, Diskussionen, Wein, Skifahren, Schümli-Pflüümli, Ausflüge an den Spenglercup und ins Technorama, Sonne, mehr Wein und Silvester im Schnee mit Mehlsuppe um Mitternacht.

Euch allen wünschen wir frohe und entspannte Feiertage, und natürlich einen sanften Start in ein noch besseres, gesundes 2010!

Saturday, December 19, 2009

"Posso aiutarla?"

Nach zwei Tagen in der norditalienischen Metropole bin ich dem Cappuccino endgültig verfallen! Nicht all den vielen schaumlos-schwachen Kopien, wie ich sie überall in der Welt mehrfach schon getrunken habe, sondern dem „Original“.
Es ist nicht nur die klirrende Kälte, die mich im Stundentakt in die typisch italienischen Kaffeebars in Mailands Innenstadt treibt. Fasziniert vom filigranen Tun der "Baristas" klebe ich an der Theke; klappernde Unterteller bestimmen den Rhythmus. Bevor die Milch in die mit wenig Kaffee gefüllte Tasse kommt, wird der silberne Krug kurz auf die Bar geklopft, dann leicht im Kreis geschwenkt. Das Endprodukt ist eine köstliche, in der Temperatur perfekte Kaffee-Milch-Schaum-Kreation mit einer weiss-braunen Oberfläche. Auf Wunsch des Kunden mit etwas Kakao verfeinert, je nach Begabung und Lust des "Kaffeekünstlers" mit herzförmigem Muster versehen. Die Italiener halten lediglich kurz für den Cappuccino- oder Espressostop an der Bar inne. Mir scheint, als würden sie ihr „Kaffeereservoir“ füllen, ähnlich wie wir dies mit den Benzintanks unserer Autos tun. Ein Schwatz mit dem Personal, ein flüchtiges „Ciao, buona giornata“ und weiter geht’s mit dem Tagesgeschäft.

Meine Cappuccino-Genüsse werden eigentlich nur durch die kläglichen Versuche unterbrochen, meine Weihnachtseinkaufsliste abzuarbeiten. Eine Liste, die in früheren Jahren auch schon länger war. Schliesslich werden die Kinder älter. Und vernünftiger. Sie beginnen mitunter die elterliche Zuwendung und Unterstützung dergestalt zu schätzen, dass die Ära überdimensionierter Spielzeug- und Geschenkschachteln zu Ende geht. Geschenke werden nicht nach Grösse und materiellem Wert beurteilt, sondern häufiger nach ideellen Grundsätzen...

Genug des Träumens – zurück zur Realität. Nicht nur der Kaffee, auch die Sprache beschäftigen mich in diesen zwei Tagen. In Mailand, wie eigentlich überall auf diesem Planeten, ist ungestörtes Stöbern in Einkaufsläden kaum möglich. Unvermittelt werde ich von freundlichen Damen, oft hinter meinem Rücken stehend, mit der Frage aufgeschreckt, ob ich Hilfe benötige. Allerdings bin ich ob ihrem „Posso aiutarla?“ stets etwas verwirrt. Anfänglich reagiere ich nicht, in der Annahme, die Frage wäre an eine Dame gerichtet. Als auch im nächsten, und übernächsten Geschäft das weibliche Pronomen nicht ändert, prüfe ich sicherheitshalber mein Äusseres in einem der vielen Spiegel. Auf die Schnelle kann ich keinen Zerfall meiner herb-maskulinen Ausstrahlung erkennen. Wieso also das „aiutarLA“? Ein „LO“ wäre mir lieber gewesen. Zur Not hätte ich auch ein „LE“ akzeptiert. Doch die Mailänder Verkäuferinnen wollen partout nicht. Kurz überlege ich, ob allenfalls der gezielte Wurf einer Domfigur die verwirrten Geister erlösen könnte, verwerfe dann aber den Gedanken beim Anblick einer vor dem Fenster patrouillierenden Carabinieri-Einheit.

Später, bei einem weiteren Cappuccino, lasse ich mir aus kompetentem Mund erläutern, dass es sich hierbei um die Höflichkeitsform handle und die Anwendung eigentlich korrekt, wenn auch grammatikalisch nicht ganz richtig sei. Logischer wird die Sache deshalb nicht für mich. Doch was will ich die Italiener denn beim Gebrauch ihrer ansonsten so wunderbellaschönen Sprache kritisieren. Sie werden schon wissen, was sie tun. Und sonst kann ihnen sicher Herr Berlusconi weiterhelfen. Frei nach dem Motto "Posso aiutarla?"

Wednesday, December 16, 2009

Die Maske des Schreckens

Der näher rückende Jahreswechsel löst bei mir regelmässig philosophische Wandelgänge aus. Gedanken an die nahe und ferne Zukunft, verbunden mit vielen Fragen und wenig Antworten. Dazwischen mischen sich Hoffnungen und Wünsche, ebenso wie Ängste und Zweifel. In der Regel überwiegen erstere, und mit der Zeit entsteht der irreführende Glaube, die unsichtbaren Lebensfäden instinktiv günstig zu spinnen. Doch das Schicksal (oder die Bestimmung?) schmiedet seine eigenen Pläne. Ohne sich um unsere Meinung zu scheren.
Die Krankheit unseres Nachbarn, meines Arbeitskollegen, hat sich verschlimmert und ihn und seine Familie abrupt gezwungen, ihre unmittelbaren Absichten zu ändern. Kurz vor Weihnachten, in einer Zeit, in der wir eher das Festessen als den Spitalaufenthalt zu planen pflegen. Das eigene Leben bewusst zu leben, bleibt eine hohe Kunst. Ein Spagat, der immer wieder höchste Ansprüche an unsere Flexibilität und Balance stellt.

Vor solchem Hintergrund geraten gedankliche Höhenflüge mitunter ins Trudeln und erreichen nicht immer die gewünschte Flughöhe. Ich bin froh, kann ich mich mindestens mit dem Airbus A330 wie gewünscht vom Boden lösen und auf den ursprünglich geplanten „Flight Level“ steigen.
Der Dezember-Einsatz hat mir einen besonderen Leckerbissen beschert. Es mag seltsam klingen, aber ich musste zuerst nach Abu Dhabi „auswandern“, um endlich anständige „Nightstops“ in Europa zu erhalten. In diesem Fall handelt es sich um eine „lange“ Mailand-Rotation: Abflug in Abu Dhabi um 0850 Uhr, Ankunft in Malpensa um 12.45 Uhr. Dann zwei volle Tage frei (zwei Striche), und wieder mit einem Tagflug zurück in die Wüste. Während ich diesen Eintrag verfasse, pendle ich noch immer von einer Espresso-Bar zur anderen. Eine Destination passend zur Advents- und Guetzlizeit. Die „Mailänderli“ – die Rede ist bitteschön von den Backwaren – gehörten schon immer zu meinen Favoriten. Und wer geniesst denn schon das Privileg, in Abu Dhabi zu leben, Weihnachtseinkäufe in "Milano"zu tätigen und die Festtage im verschneiten Berner Oberland verbringen zu dürfen...?
In meinem Crewbag verstaut habe ich Unterlagen, um mein Schul-Italienisch aufzubessern. Denn wer seine Rente in Lugano zu geniessen beabsichtigt, sollte der italienischen Sprache mächtig sein. So studiere ich neben dem Stadtplan Mailands Konjugationstabellen, stolpere über indefinite und finite Modi und stelle fest, dass unsere südlichen Nachbarn – anders als im Deutschen – bei den Objektpronomen zwischen betonten und unbetonten Formen unterscheiden. Zur Auflockerung stürze ich mich in einen italienischen Lernkrimi mit dem verheissungsvollen Titel „Die Maske des Schreckens“. Ob die Überschrift in direktem Zusammenhang mit den Tücken der Sprache steht, oder sich ausschliesslich auf inhaltliche Begebenheiten bezieht, kann ich im Moment noch nicht mit letzter Sicherheit feststellen.

Im mailändischen Hotelzimmer angekommen, muss ich mich zuerst etwas erwärmen. Die Po-Ebene erstarrt im Kälteschock, das Thermometer bei 3 Grad Celsius. Die MailänderInnen eilen mit raschem Schritt und gesenktem Blick durch die Stadt. Bei diesen klimatischen Verhältnissen verkommt der gemütliche Bummel zum frostigen Ladenhüpfen. Ich packe jede Gelegenheit, um in beheizten Räumen Füsse, Ohren und Nasenspitze aufzuwärmen. Ungeachtet der Temperaturen geniesse ich italienische Wortfetzen, die mich in quadrophonischer Vielfalt linguistisch inspirieren; Flüchtige „Ciao’s“ oder hoffnungsvolle „A più tardi’s“. Wie herrlich diese Sprache doch klingt; rhythmisch, abgerundet mit einer Melodie, die sowohl Temperament als auch Sanftmut in ihren Lauten vereint. Unverfälschte Italianità, der in diesem Fall auch die herrschende Unterkühlung keinen Abbruch tut. Einzig die blutende Nase Berlusconis, noch immer omnipräsent in den lokalen Medien, wirkt etwas störend, und weckt letztlich Assoziationen an den Titel meiner Lern-Lektüre: „La maschera del terrore“.



Saturday, December 05, 2009

Wüsten-Camp

Soeben sind wir aus der Wüste zurückgekehrt. Nach einer wild-abenteuerlich-romantischen Camping-Nacht. Lediglich zwei Autostunden entfernt von Abu Dhabi. In der Gegend von Liwa, nicht unweit der Grenze zu Saudi Arabien, hat sich unser Konvoi zwischen den Dünen eingenistet.
Bizarre Mondlandschaft, roter Sand, geheimnisvolle Spuren.
Das geschriebene Wort erübrigt sich - die Bilder, wenn auch von Laienhand geschossen, sind aussagekräftiger, stärker.
Erlebt haben wir viel; im Sand stecken gebliebene Fahrzeuge, vom Wüstenwind verwehte Zeltteile und ein heftig loderndes Lagerfeuer. Schweisstreibende Temperaturen am Tag und unangenehm feucht-kühle 15 Grad in der Nacht.

Ein tolles Erlebnis für die ganze Familie - wenn auch verbunden mit einiger körperlicher Arbeit und viel Sand in Schuhen und Kleidern. Wie haben wir doch die anschliessende Dusche genossen...









































































































































































Tuesday, December 01, 2009

Mit Nina in Paris

Freitagnachmittag ist Sonntagnachmittag in den Emiraten. Aber im Moment sind sowieso Schulferien: Wegen Eid al Adha und dem UAE-Nationalfeiertag am 2. und 3. Dezember.
Linda möchte unbedingt aufs Boot. Zusammen mit einer Schulfreundin. Hoch erfreut über das nautische Interesse meiner Tochter, lassen wir „LITINA“ kurz vor dem Mittag sanft vom Trailer ins Wasser gleiten. Die beiden Mädchen machen es sich auf den Liegesitzen im offenen Bug bequem, dann rauschen wir in flotter Fahrt zwischen zwei kleinen, namenlosen Inseln Richtung „Bahraini Island“, wo sich zahlreiche Ankerplätze befinden. Nach einem erfrischenden Bad im 25° Grad warmen Salzwasser und einer geruhsamen Verpflegungspause schippern wir los in der Hoffnung, einigen Delphinen zu begegnen. Leider erfolglos. Zwar ortet der „Fishfinder“ immer wieder grössere Fischgruppen, doch die Delphine üben sich in moderater Zurückhaltung. Keine Rückenflosse weit und breit. Da ich heute Nacht fliegen muss/darf, steuern wir bereits kurz nach 1500 Uhr wieder in den Hafen. Ich will mich unbedingt noch einige Stunden aufs Ohr legen, denn auf dem anstehenden Paris-Flug wird mich die jüngste Tochter Nina begleiten. Und da werden erquickliche Ruhestunden eher rar sein.

Wir starten um halb drei in der Nacht. Das Fluggerät ist ein A340-600. Nicht irgend einer, sondern die A6-EHJ. Die Maschine im auffälligen Formel 1-Look, die vor dem Rennen in Abu Dhabi mit einem tiefen Überflug für Spektakel und hauseigene Werbung gesorgt hat. Unser Flug nach Paris verläuft weniger spektakulär, trotz stürmischer Westwinde, die über Europa fegen. Im Anflug auf die Piste 26R des Flughafens Charles de Gaulle kämpfe ich mit Turbulenzen und ruppigem Seitenwind. Der 76m lange Rumpf giert und windet sich, die Automatik kompensiert die Windböen mit erhöhter Geschwindigkeit. Trotz Müdigkeit gelingt die Landung erstaunlich gut, was sich letztlich daran zeigt, dass bis zum Einchecken im Marriott keine einzige kritische Bemerkung von Seite der Kabinenbesatzung vorgebracht wird.

Da die Crew in Paris mit dem Bus vom Flugzeug direkt zum Hotel gefahren wird, muss sich Nina selber ihren Weg durch Passkontrolle und Zoll suchen. Eine gute Gelegenheit, ihr Französisch zu verbessern. Dann wartet sie auf den Shuttle-Bus, der sie zum Marriott bringen soll. Mit einer kleinen Verzögerung (erster Bus verpasst) trifft sie schliesslich strahlend in der Lobby ein.
Ich lege mich lediglich eine Stunde aufs Ohr, denn wir wollen mit dem vom Hotel betriebenen Bus in die Stadt. Abfahrt um 10 Uhr. Leider spielt das Wetter nicht ganz mit. Das Thermometer stockt bei 10° Grad, der Wind bläst uns noch immer unanständig ins Gesicht. Wir lösen Tickets für den „Bus Rouge“; Doppeldecker-Busse, die in kurzen Abständen die immer gleiche Rundfahrtroute abspulen. Jede Haltestelle bietet die Möglichleit auszusteigen (hop off), um später in einem der folgenden Busse die Tour fortzusetzen (hop on). In etwas mehr als zwei Stunden ziehen vor unseren schläfrigen Augen die Champs-Elysées, der Eiffelturm, der Arc de Triomphe und der Louvre vorbei. Bei der Haltestelle Notre Dame steigen wir aus. Zusammen mit Hunderten von anderen Touristen bestaunen wir das Innenleben dieser Kathedrale. Ein kurzer Shopping-Halt noch, und um 15 Uhr sitzen wir im Hotelbus, der uns wieder zum Marriott-Roissy fährt. Nach einem Snack an der Hotelbar ziehen sich Nina und ich ins Zimmer zurück, und noch vor 19 Uhr falle ich in einen Koma ähnlichen Tiefschlaf, an dem jeder Anästhesist seine Freude gehabt hätte. Die Tochter hält sich eine TV-Einheit länger wach, dann wird auch sie von der Müdigkeit übermannt (oder müsste ich hier „überfraut“ schreiben...?)
Erst nach dreizehn Stunden wachen wir wieder auf. Mit Sand in den Augen und schlaffen Gliedern kämpfen wir uns aus den Federn unter die Dusche ohne Duschvorhang. Wie unangenehm sind doch jene Badewannen-Duschen, bei denen lediglich eine viel zu knapp bemessene Glasscheibe die Wasserspritzer abhalten soll. Was sie – die Glasscheiben – natürlich nicht in der Lage sind, zu tun.
Trotz überschwemmtem Bad und nassen Socken sind wir rechtzeitig für die Fahrt mit dem Bus in die Stadt gerichtet. Nach der Ankunft schlendern wir von der Porte Maillot die Champs-Elysées hinunter und bestaunen den stimmungsvollen Weihnachtsmarkt mit seinen zauberhaften Ständen. Nina lässt sich ihren Namen in ein Reiskorn ritzen, wenig später besteigen wir eine Gondel des Riesenrads beim Place de la Concorde. In drei Umläufen schiesst die Tochter Dutzende von Fotos, vorzugsweise vom Eiffelturm. Wenig später sitzen wir erneut im roten Bus. Beim Trocadero stärken wir uns mit Kaffee und heisser Schokolade im „Le Malakoff“, bevor wir die Treppen zum Eiffelturm hinunter steigen.
Der Tag vergeht in Windeseile. Nicht nur, weil eben besagter Wind immer noch sehr heftig bläst. Ich geniesse die Stunden in der fremden Stadt, alleine mit Nina. Solche Momente empfinde ich immer als besonders bereichernd, denn es drängen sich weder Telefon, Internet noch Freunde zwischen Vater und Tocher (oder Sohn). Und sie sind so herrlich unpolitisch...

In der selben Nacht, kurz nach 22 Uhr Ortszeit, starten wir Richtung Abu Dhabi. Als ich in der Hälfte des Fluges nach Nina schaue, schläft sie tief und fest. Sie sei eingenickt, ohne gegessen zu haben, berichtet mir ein Flight Attendant. Beseelt von den Eindrücken der vergangenen zwei Tage, denke ich schmunzelnd, drehe mich um, und mache mich wieder auf den Weg zu meinem Arbeitsplatz.

Nina's Gesichter in Paris














In der Métro



















Vor dem Eiffelturm















Bei der heissen Schokolade im Le Malakoff















Auf der Bustour















Auf dem Riesenrad















...immer noch auf dem Riesenrad















Der "Bus Rouge"















Weihnachts-Stand an der Champs-Elysées

Sunday, November 29, 2009

Peinlich!

Sorry, aber ich muss mir diesen Frust von der Seele schreiben. Wenn auch nur in vier Sätzen.

Die Annahme der Anti-Minarett-Initiative ist peinlich! Und eigentlich ein Grund, vorerst nicht in die Schweiz zurückzukehren...

Wednesday, November 25, 2009

Morgengrauen

Wer „Reserve (oder„Standby“) schiebt“, wird bei Etihad in diesen Monaten eher selten für einen Flug aufgeboten. Was nichts anderes bedeutet, als dass die aktuellen Pilotenbestände ausreichend sind. Mich hat es gestern trotzdem erwischt. Zu früher Stunde, beim Morgengrauen.

Meine „Standby“ beginnt um sieben Uhr. Die Tagesaktivitäten – in diesem Fall mag der Begriff „Aktivitäten“ nicht ganz zutreffen – beginnen in unserem Haus um halb sieben. Ich habe mit Franziska vereinbart, etwas länger zu schlafen, um auch für längere Flüge gewappnet zu sein. Expect the unexpected. Um sieben Uhr höre ich im Halbschlaf, wie sich Nina in unser Badezimmer schleicht. Dabei realisiere ich, dass mein Handy auf lautlos gestellt ist. Es geht eben nichts über einen gesunden, erholsamen Nachtschlaf. Mit geübtem Griff wechsle ich trotz vernebelten Blickes die Einstellung, und noch bevor ich das Mobiltelefon wieder zur Seite gelegt habe, klingelt es. Perfektes Timing. Die auf dem Display angezeigte Nummer lässt auf einen Arbeitseinsatz deuten. „Good morning, is this Captain Dietrrrr speaking...?“ Die freundliche Dame spricht mit dem für Philippinen charakteristischen „R“, bei dem die Zunge nach hinten gerollt und an den oberen Gaumen gepresst wird. Die freundliche Dame will mich auch geich für einen "Bahrain-Turnaround" gewinnen. Wobei sie mir sanft zu verstehen gibt, dass meine „Reporting time“ eigentlich jetzt wäre. Um 07.05 Uhr!
Wie lange ich denn brauchen würde, um einzuchecken, forscht sie neugierig weiter. Ich verspreche ihr, in 40 Minuten vor dem Schalter zu stehen und beschliesse in diesem Moment, auf die Morgenrasur zu verzichten. Ab unter die Dusche und in die Uniform. Und schon sitze ich in meinem frisch reparierten Zweitwagen: Der neue Kompressor und der jüngst ersetzte Alternator verrichten zuverlässige Dienste. Einzig die Uhr im Tacho, so fällt mir auf, tickt mit 20 Minuten Verzögerung. Wäre vom Workshop-Personal auch zuviel verlangt, nach einer Reparatur die Zeiger richtig zu justieren...
Auch mit schleppenden Zeigern treffe ich, wie angekündigt, in weniger als einer Stunde am Flughafen ein. Die Kabinenbesatzung befindet sich mitten im Briefing, der koreanische Copi sortiert die Flugunterlagen. Der ursprünglich für diesen Einsatz geplante A320 hatte wohl ein Alternator-Problem (kleiner Scherz meinerseits) und musste in der Folge durch einen A330 ersetzt werden. Die meisten Besatzungskollegen wurden jedenfalls aus der Reserve aufgeboten, allerdings bereits um 0615 Uhr, was bei mir aufgrund meines Standby-Beginns um Sieben Uhr leider nicht möglich war.

Trotz anfänglicher Frühhektik heben wir pünktlich ab. Der kurze Hüpfer nach Bahrain verläuft problemlos, ebenso der Rückflug. Kurz nach Mittag bin ich bereits wieder auf dem Heimweg Richtung Al Qurm Compound und freue mich auf einen freien Nachmittag: Zwei Stunden am Pool, eine halbe Stunde auf dem Laufband, eine Pizza im Garten mit der ganzen Familie und den Schwiegereltern vereint am langen Holztisch sowie einige Gläser Chardonnay runden den Tag ab. Relativ früh verziehe ich mich in die Federn. Nein – nicht wegen der Schwiegereltern, sondern weil ich bereits am nächsten Morgen wieder früh einchecken muss.

Wieder klingelt das Handy im Morgengrauen. Der Tag bringt mich wieder einmal nach Kathmandu. Die Jahreszeit ist perfekt. Kein Monsun, keine Gewitterwolken. Der Himmel am Himalaja präsentiert sich unbewölkt, die Sicht ist ausgezeichnet. Noch nie bin ich bei solch traumhaften Wetterbedingungen hier angeflogen. Zum ersten Mal realisiere ich, wieso der aussergewöhnlich steile Anflugwinkel von 5.8 Grad unabdingbar ist.
Das Panorama verschlägt mir beinahe den Atem. Leider ist fotografieren während dieses Anfluges unmöglich. Auch wenn Bilder diese Szenerie kaum in derselben Dichte aufzeigen könnten. Unter uns die Hügel, zum Greifen nah. Vor uns die Ebene mit der Stadt Kathmandu und dem Flughafen. Im Hintergrund die beindruckende Kette des Himalaja, wo sich die Schnee bedeckten Achttausender Schulter an Schulter präsentieren. Im Angesicht von Nanga Parbat, Dhaulagiri, Annapurna, K2 und Mount Everest fädeln wir für den Eindanflug auf die Piste 02 ein. Und es fällt sowohl meinem französischen Copi als auch mir schwer, uns ausschliesslich auf den anspruchsvollen Anflug zu konzentrieren. Keine Aussichtsterrasse offeriert einen solchen Rundblick, bei dem sich die Landschaft unter und vor uns ständig verschiebt. Wir kratzen am "Dach der Welt". Ohne zu übertreiben - ich habe noch selten eine derart beindruckende Kulisse erlebt!

Es hat sich fürwahr gelohnt, im Morgengrauen aufzustehen.





























Mit dem Handy geknipst - kurz nach dem Start

Tuesday, November 24, 2009

Glückssträhne

Während mir das Geld sprichwörtlich zwischen den vom Pech verklebten Fingern zerrinnt, ich vom monetären Tief verfolgt bin, suhlt sich wenigstens der Sohn im sportlichen Hoch.

Nach sechs mageren Varsity-Fussball Jahren ist der diesjährigen Mannschaft nämlich ein sensationeller Turniersieg gelungen. Während die Auswahl 2008 in Kairo noch den letzten Platz im jährlichen Varsity-Turnier belegte, ritten die Jungs heuer auf einer Erfolgswelle. Einerseits gewannen sie vor ACS-Heimpublikum das dreitägige Turnier in Abu Dhabi, andererseits schlossen sie diese Saison ohne eine einzige Niederlage ab. Ein toller Erfolg, der Tim nachträglich half, die eine oder andere schmerzende Körperstelle zu vergessen!

Mindestens so erfreulich verlief der am vergangenen Wochenende ebenfalls in Abu Dhabi ausgetragene "Capital Cup 2009". Hier reden wir von Eishockey.
Tim durfte einmal mehr im A-Team mittun, das sich mit einem just auf diesen Event zugezogenen jungen Ex-College Spieler aus den USA verstärkte. Ein technisch und läuferisch hervorragender Hockeyaner, der wohl auch in der Nati A eine gute Figur abgeben würde.

Derart gestärkt lief die "Scorpions"-Maschinerie immer besser. Trotz missglücktem Start kämpfte sich die Mannschaft wieder in die entscheidenden Ränge. Der Final am Samstagnachmittag gegen die top motivierten "Dubai Mighty Camels" geriet zum Schaulaufen. Für einmal fiel der Kampf gegen den ewigen Erzrivalen aus dem Emirat Dubai eindeutig zu Gunsten der Einheimischen aus. Mit einem 6:2 Sieg liessen die Skorpione aus der Hauptstadt nichts anbrennen. In aller Bescheidenheit darf ich anfügen, ebenfalls einen Bruchteil zum Erfolg beigetragen zu haben, denn während zwei Tagen amtete ich quasi ohne Unterbruch als Stadionspeaker. Den ersten Einsatz absolvierte ich direkt nach der Rückkehr von Melbourne, mit knapp 14 Flugstunden und wenig Schlaf in den Knochen.

Wie auch immer; So gibt es zumindest sportliche Erfolge zu vermelden. Noch warte ich auf das Überschwappen der Erfolgs-Welle. Doch so schnell lasse ich mich nicht entmutigen...
























Monday, November 23, 2009

Geiziger ATM-Kasten

Möglicherweise handelt es sich um eine simple Pechsträhne. Oder um eine schicksalshafte Fügung mit Symbolcharakter.

Zur Begleichung der Rechnung für den Alternatorersatz beim Automobil will ich am Sonntagmorgen beim ATM-Kasten 5000 Dirham beziehen. Nach Eintippen des sechsstelligen Geheimcodes öffnet die Maschine zwar den Schlitz zur Geldausgabe, Banknoten spuckt sie allerdings keine einzige aus. Ganz schön knauserig dieser Protzkasten. Kaum sitze ich im Auto, bestätigt mir ein automatisch generiertes SMS meiner Hausbank die Abbuchung des soeben „bezogenen“ Geldbetrags.
Keine Zeit verlieren, die Bank anrufen und den Fehler melden. Wohl wissend, was mich hier erwartet...

Nach Tonbandbegrüssung, einem Hinweis auf eventuelle Aufzeichnung des Gesprächs zur Qualitätsförderung sowie einer Aufforderung zum Drücken einer Tastenkombination, meldet sich schliesslich eine weibliche Stimme:
„ HSBC, good morning Ranja speaking (in der Regel ein indischer Name). What can I do for you?”
“Good morning this is Dieter speaking. I just tried to withdraw 5000 Dirham but the ATM machine did not dispense one single bill. However the amount was deducted from my account. Are you able to refund the 5000 Dirham on my account?”
“I’m sorry Mister Dieter but I’m from the credit card section. To get connected to the personal account section you need to press 3.”
“But I did press 3!”
“Ok, let me try to connect you.”

An meinem gestressten Ohr erklingen klassische Musikklänge

“All the lines are very busy. Please hold the line.”
"Ok."

Eine neue Stimme meldet sich:
„Good morning, Prasitha speaking, how can I assist you?“
“Good morning this is Dieter speaking. I just tried to withdraw 5000 Dirham but the ATM machine did not dispense one single bill. However the amount was deducted from my account. Are you able to refund the 5000 Dirham on my account?”
“I’m very sorry Mister Dieter. Let me please verify your account details. Do you have a six digit phone banking number?”
“Yes I do but since I’m never using phone banking I forgot the number.”
“No problem Mister Dieter, let me just ask you a few verification questions. Are you holding any joint accounts?”
“Yes I do – together with my wife Franziska.”
“Ok, what is your date of birth?”
“January 19th, 1957.”

“Are you holding any HSBC credit cards?”
“Visa platinum and Mastercard gold.”
“Thank you Mister Dieter, you successfully passed the verification test. So where did you try to withdraw the money?”
“At a Mashreq bank ATM Machine in the Khalifa Park area.”
“And you did not get the money?”
“No – that’s why I’m calling you…”
“I’m very sorry for the inconvenience Mister Dieter but at this time there is nothing I can do. Normally the respective amount should be credited to your account within 24 hours. However if this is not going to happen, you can download a dispute form from the HSBC-website. I can guide you if you want…”
“… Thank you but this won’t be necessary. I’ll be able to find it myself. So I have to wait 24 hours…?”
“Yes Mister Dieter, I’m sorry. As I already said, the amount should be credited to your account within 24 hours.”
“Ok, so I’ll wait.”
“Thank you Mister Dieter. Anything else I can do for you today?”
“No thank you.”
“Let me tell you that HSBC has a great offer for term deposit accounts offering up to 4 percent interest rate.”
“Thank you, not now. All I want is my money back on my account.”
“I understand Mister Dieter. Can I assist you with anything else Mister Dieter?”
“No thank you. I’ll keep an eye on my account then… Bye bye!”
“Thank you for calling HSBC Mister Dieter. Have a great day…”

Den habe ich natürlich nicht, den “Great day”. Den haben sie mir alle gründlich verdorben. Bereits um 0900 Uhr in der Früh. Und die 5000 Dirham werden natürlich auch nicht innerhalb von 24 Stunden auf mein Konto verbucht. Am folgenden Tag klicke ich mich auf die HSBC Homepage, lade wie geheissen das „Dispute Formular“ herunter und fülle die leeren Felder aus. Dann fahre ich, in Ermangelung eines hauseigenen Faxgeräts, zu einem Hotel in unserer Nähe. Dort kämpfe ich mich zum Business-Center vor, wo es mir dank der Hilfe einer freundlichen Philippina letztlich gelingt, das geldrettende Dokument ins System einzuspeisen. Al Hamdullillah.
Nun ist Geduld gefragt. Zurücklehnen und warten. Im besten Fall einige Stunden (eher unwahrscheinlich), möglicherweise einige Tage (anzunehmen), vielleicht aber auch mehrere Wochen (nicht auszuschliessen).

Im Orient zählt nicht die Zeit, sondern das Resultat.

Friday, November 20, 2009

Von Motoren und Schweizer Uhren

Zum Teufel mit der terrestrischen Antriebstechnik!

Es muss sich um eine Verschwörung handeln. Beinahe gleichzeitig geraten die Antriebsaggregate meines erst vierjährigen C-Klasse Mercedes und des zwei Jahre jüngeren Bootes ins Stottern. „Unnötiger Luxus – selber schuld!“ Ich hör sie schon, die kritischen (teuflischen) Stimmen. Dabei handelt es sich gemäss Fachleuten bei ersterem um ein bescheidenes Modell mit „stierer Grundausrüstung“ (Originalzitat). Dennoch hätte ich in Sachen Zuverlässigkeit etwas mehr erwartet. Erst recht in Sachen Betreuung! Nachdem erst vor wenigen Wochen der Kompressor ersetzt werden musste (stiere Grundgebühr 4000 Franken plus Kosten für Mietwagen 500 Franken), hat sich jetzt der Alternator abgemeldet (1200 Franken). Und die Batterie gleich dazu (400 Franken). Die Mercedes-Leute parieren diese technischen Unzulänglichkeiten mit generöser Gelassenheit. Ihr kundenfreundliches Motto: „Pech gehabt. Kann Ihnen auch mit einem Neuwagen passieren – wenn’s dumm läuft...!“ Ich muss mir jede kleinste Unterstützung mühsam erkämpfen. Erst als ich entnervt bei jenem freundlichen Ägypter vorspreche, der mir seinerzeit das Auto verkauft hat, gelingt es mir, eine Preisreduktion von 30 Prozent durchzuboxen. Schliesslich darf von einer angeblichen Spitzenmarke erwartet werden, dass der Motor nicht bereits nach 70’000km in seine Einzelteile zerfällt. Grundausrüstung hin oder her.

Nicht viel erfreulicher präsentiert sich die Situation beim Wassergefährt. Erst vor wenigen Wochen erstanden, beginnt der Motor aus skandinavischer Manufaktur bereits zu schwächeln. Die Analyse ergibt ein Leck in der Wasserpumpe. Durch das austretende Wasser wird der Alternator beschädigt und in der Folge die Batterie übermässig strapaziert. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Die umfassenden Reparaturarbeiten sind eben erst angelaufen, familieninterne Schätzungen auf der nach oben offenen Kostenskala lassen mich im Moment (noch) kalt.
Offenbar lassen nicht nur die Deutschen nach. Man stelle sich einmal vor, Schweizer Uhrenhersteller würden vergleichbar unzuverlässige Produkte liefern. Die Welt geriete aus den Fugen: (Mercedes- und Volvo-)Manager würden ihre Meetings und Flüge verpassen, Politiker ihre Zielvorgaben. Ehen gingen in die Brüche wie die Mauer vor zwanzig Jahren. Denn ohne exakte Zeitangabe keine Planung, kein pünktliches „Date“, willkürliche Sieger beim Skirennen und hart gekochte Dreiminuten-Eier.

In Anbetracht von so viel Ärger kommt mir die vom Arbeitgeber gebotene Fluchtmöglichkeit nach Melbourne gerade gelegen. Möglichst weit weg – ans andere Ende der Welt. Die Kabinenbesatzung ist so bunt gemischt wie der Inhalt einer Wundertüte: aus Frankreich, Holland, den Philippinen, Australien, China, Indien, dem Libanon, Luxemburg und Montenegro. Die Cockpitkollegen besitzen Pässe aus Kolumbien, Trinidad & Tobago sowie den Philippinen. Und für einmal bin ich nicht der Älteste...
Erfreulicherweise erfüllen die vier Rolls Royce-Triebwerke ihren Dienst zuverlässiger als die Motoren in Auto und Boot. Keine Aussetzer, keine Warnsignale, lediglich eine leicht erhöhte Temperaturanzeige der Triebwerksgondel während des Steigflugs. Wir schaffen es trotzdem bis nach Melbourne. Über viel Wasser und beinahe so viel Land. Unmengen von Kaffee und Tee trinkend, derweil um mächtige Gewittertürme kurvend.
Der Start am späten Abend erfolgt Richtung Nordwesten und führt uns direkt über die Formel 1-Strecke auf YAS-Island. Die Hotels der grosszügigen Anlage sind hell erleuchtet. Mir kommen Erinnerungen ans Rennen vom 1. November. Meine persönliche Formel 1-Premiere. Zusammen mit Mario, am Tag zuvor aus der Schweiz angereist, verfolge ich das Geschehen von der Tribüne aus. Überwältigt vom immensen Geheul und Dröhnen der Motoren, stopfen wir uns die beim Eingang verteilten Stöpsel in die Hörorgane. Die erste Passage des geschlossenen Fahrerfeldes nach dem Start ist beeindruckend. Doch bereits nach wenigen Runden haben wir den Überblick über den Rennverlauf verloren. Nicht weil wir nichts hören, sondern weil wir nicht in der Lage sind, die Namen auf den diversen Monitoren zu entziffern. Viel zu klein sind sie geschrieben. Die Ansagen des Speakers verhallen im Nichts. So tappen wir in Sachen Boxenstopps, Anzahl der noch zu fahrenden Runden und Rangliste im Dunkeln. Nur dank der grosszügigen Hilfe von Chris, der seines Zeichens im frostig-nebligen Zürcher Oberland den Grand-Prix am TV verfolgt und uns im Viertelstundentakt via SMS die Renndaten übermittelt, bleiben wir dran.
Was für eine verrückte Welt. Internet und Mobiltelephone überbrücken Zeit und Distanz und bieten Zugang zu einer unbegrenzten Informationsflut. Wie erfreulich einfach scheint mir da das unten abgebildete Verbotsschild. Gesichtet vor unserem Hotel in Melbourne. Klar, einfach, unmissverständlich: Auf der Treppe darf nicht geraucht werden! Wir haben lange nach dem Grund gesucht. Denn wir befinden uns hier im Freien, abseits jeglicher Wohn- oder Aufenthaltsräume. Wahrscheinlich handelt es sich um den fürsorglichen Versuch, rauchende Passanten vor einem Sturz zu bewahren. In diesem Sinne ist die Weisung als positiv zu werten. Glücklich, wer sich eines solchen Schutzes erfreut...


Friday, November 13, 2009

Ziemlich beschäftigt

Bin in diesen Tagen gerade ziemlich beschäftigt.

Mit Vorbereitungen für meinen halbjährlichen Simulator-Check, mit gemütlichen, aber Energie raubenden, post-mitternächtlichen Weinrunden zusammen mit Freunden aus der Schweiz, mit dem Verfassen von Untersuchungsberichten für kleinere innerbetriebliche Zwischenfälle, mit dem Verdauen des von der Geschäftsleitung nach Erhalt des "Worlds Leading Airline"-Award offerierten Riesen-Kuchens, mit dem Genuss der jeden Tag angenehmer werdenden Temperaturen, mit dem Versuch, meinen Ärger über diverse Warnlampen in meinem gesternten Automobil und den miserablen Service der örtlichen Monopolfachstelle zu überwinden, mit der Suche nach einer geeigneten Rezeptur zur Rekuperation meiner Formel-1 geschädigten Hörorgane und mit der Aufarbeitung der Spielresultate beim "Varsity Soccer Tournament", das hier in Abu Dhabi durchgeführt wird. Leider während meiner Simulator-Einsätze. Die Jungs schlagen sich beinahe so gut wie unsere "U17"-Cracks in Nigeria. Und das will doch etwas heissen...

http://media.acs.sch.ae/groups/emaceventsacs/wiki/4ed12/Varsity_Soccer_Tournament_November_2009.html

Ich wage keine Prognosen, doch der nächste Blog-Eintrag - in Inhalt und Länge etwas üppiger - folgt bestimmt!

Saturday, October 31, 2009

Kairo, Kuwait und nach Chiang Mai

Eben erst sind die beiden Töchter von ihren Volleyballturnieren in Kuwait und Kairo nach Abu Dhabi zurückgekehrt. Während Linda’s Team den zweiten Platz erkämpfte, landete die JV-Equippe mit Nina ganz oben auf dem Treppchen. Eine tolles Resultat, das den Ausflug nach Ägypten erst recht zum einmaligen Erlebnis macht.








Franziska, Tim und ich entschliessen uns kurzerhand, für das Endspiel der Varsity-Girls nach Kuwait zu fliegen. Der Flug an den Nil hingegen, nach Kairo und zurück am selben Tag, erscheint uns als zu aufwendig. Ausserdem spielt Tims Freundin Savannah im selben Team wie Linda, so dass wir mit einem Kuwait-Abstecher, nach Manier des Tapferen Schneiderleins, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, sämtliche Details dieses Tagesausflugs zu schildern. Eines kann ich allerdings sagen: Für Aufregung war genügend gesorgt. Und dies nicht nur wegen des äusserst spannenden und knappen Final-Spiels. Die Tatsache beispielsweise, dass wir beim Besteigen des Flugzeugs in Abu Dhabi realisieren, dass sämtliche Tickets für den Rückflug (via Dubai) immer noch zuhause auf dem Esstisch liegen, ist einer der Gründe dafür. Dank Internet und „Low Cost“-Airline gelingt es uns allerdings, in der Library der American School Kuwait eine entsprechende Buchung bei „Jazeera Airways“ zu tätigen. Der Aufpreis hält sich in Grenzen und erspart uns immerhin die Taxikosten für die Fahrt von Dubai nach Abu Dhabi.
Das Final-Spiel jedoch geht verloren. Dies, nachdem die ACS-Truppe sämtliche Spiele dieses Turniers gewonnen hat. Ohne Satzverlust. Aber Endspiele funktionieren nach eigenen Gesetzen. Da ändern auch die zahlreich angereisten Eltern aus Abu Dhabi nichts. Immerhin sorgen die Mütter nach der schmerzlichen und äusserst knappen Niederlage (22:25 im dritten Satz) für ausreichenden Nachschub von Kleenex-Taschentüchern...











Nach der Rückkehr am vergangenen Sonntag, ist bei Nina bereits wieder Kofferpacken angesagt. Diesmal geht die Reise nach Thailand, genauer nach Chiang-Mai. Im Rahmen des Schulprojekts „Week Without Walls“ verbringen sämtliche SchülerInnen der achten Klasse eine Woche im Norden des Landes.
Allerdings nicht etwa für Strand- oder Badeplausch, die Jugendlichen erwartet vielmehr ein straff organisiertes Wochenprogramm mit zahlreichen Ausflügen und Besichtigungen: Tempel- und Marktbesuche, „Bamboo rafting“ auf dem Mae Wang Fluss, ein Abstecher ins „Lampang Elephant Conservation Centre“, der Besuch einer lokalen Schule, sowie „Rock climbing“ für die ganz Mutigen.















Koffercheck vor der Abreise

Bereits die Anreise verlangt den Achtklässlern und ihrem riesigen Betreuungstrupp alles ab: Nach einem „normalen“ Schultag trifft sich die Reisegruppe kurz nach 15.00 Uhr in der Turnhalle zu einer letzten kurzen Besprechung. Um 17 Uhr rollen die Busse los Richtung Dubai Airport. Dort angekommen bleibt genügend Zeit für Check-In und Abendessen, denn der Start nach Bangkok erfolgt erst um 22.50 Uhr. Landung in der Thailändischen Hauptstadt am nächsten Morgen um 08.05 Uhr, bereits eine Stunde später startet die Maschine nach Chiang Mai. Dann steht eine weitere Busfahrt ins Hotel an, wo die Truppe kurz nach dem Mittag erwartet wird. Wer nun glaubt, dass die Kinder Zeit zum Schlafen hätten, der täuscht. Denn nach Einchecken und einem kurzen Mittagessen geht’s gleich auf zum ersten Tempelbesuch. Ich meinerseits würde mich nach einem Nachtflug dieser Dimension mit Sicherheit einige Stunden aufs Ohr legen. Von Nina erhalten wir nach der Landung in Chiang Mai ein SMS mit folgendem Wortlaut: „Sind jetzt auf dem Weg zum Hotel. Hatten einen anstrengenden Tag hinter uns und alle sind todmüde.“

Was Franziska und mich eigentlich nicht weiter erstaunt. Da stellt sich doch die Frage, wieviel Aufmerksamkeit die Kinder dem geplanten Tempelbesuch widmen werden.
Wie auch immer – die Reise verspricht Spannung. Eltern und Freunde können die Erlebnisse aus erster Hand mitverfolgen. Auch daran haben die Organisatoren gedacht. Die zuständige Lehrerin für IT-Fächer, ebenfalls Mitglied der Reisegruppe, hat speziell für diesen Zweck eine Facebook-Page aufgesetzt.

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Sunday, October 25, 2009

Canarsie, Streit und Overtime

Was mich seit Beginn unseres Expat-Daseins fasziniert, sind die immer wieder wechselnden Familien-Konstellationen. Zwar leben wir (noch) zumeist gemeinsam in Abu Dhabi, doch vor allem im Sommer und über Weihnachten kommt es in wechselnder Zusammensetzung zur Völkerwanderung. Und manchmal verteilt sich die Familie auch, wenn weit und breit keine Ferien angesagt sind.

Wie am vergangenen Mittwoch etwa; In ihren Team-Trainingsanzügen steigen die Mädchen am Morgen in den Schulbus, der mittlerweile direkt vor unserem Haus anhält. Zwar drücken Nina und Linda bis zum Mittag noch die Schulbank, dann aber rückt der Fokus ausschliesslich auf das Abenteuer „EMAC“. Die Eine fliegt nach Kuwait, die Kleine zu den Pyramiden nach Kairo.
Auf meinem Einsatzplan steht "EY101", was bedeutet, das ich um 08.20 Uhr für den New York-Flug am Airport einchecke. Weil ich in letzter Zeit wenig geflogen bin, will ich den Start und die Landung selber durchführen. Normalerweise sprechen wir uns bei „Ultra-Langstreckenflügen“ so ab, dass sowohl der Captain als auch der Copi je eines der beiden Manöver fliegt. Da die meisten von uns A330 und A340 fliegen (Mixed Fleet Flying), gilt es gewisse Gesetzesvorgaben zu beachten: Innerhalb von 90 Tagen muss jeder Pilot mindestens drei Starts und Landungen selber geflogen haben, davon mindestens einen Sektor auf dem zweiten Flugzeugmuster. Also zwei Starts und Landungen auf A340, und einen Start und eine Landung auf A330 – oder umgekehrt. Bei ungünstiger Einsatzplanung oder Ferienabwesenheit kann diese Restriktion in einzenen Fällen Probleme verursachen.
Keine Probleme macht der Flug nach New York. Wir haben lediglich 79 Passagiere geladen, die sich nach der ersten Mahlzeit mehrheitlich mit dem bordeigenen Unterhaltungsprogramm beschäftigen oder im Schlummerland verlieren.
Der Sinkflug führt uns direkt über Manhattan. Dann weist uns die Anflugkontrolle den eher seltenen, aber fliegerisch interessanten „Canarsie Approach“ auf die Piste 13L zu, der uns vom Meer her über Brooklyn in einem 90 Grad-Winkel zur Pistenachse führt. Es handelt sich um einen VOR-Anflug, bei dem der Gleitweg, also der vertikale Leitstrahl, fehlt. Eine Kette blinkender Lichter weist schliesslich den optimalen Weg für die finale Kurve zum Endanflug. Dumm nur, dass diese weissen Lichter am Tage sehr schlecht erkennbar sind. Da speziell die linke der beiden Pisten 13 durch Flughafengebäude verdeckt wird, ist dieser letzte „Turn“ nicht ohne Tücken. Heute sind die Sichtverhältnisse ausgezeichnet. Mehr als 20 Grad Querlage sind nicht nötig und wenig später zeigt die Nase unseres A340-600 ans richtige Ort. Kurz darauf verlieren 233 Tonnen ihre imaginäre Leichtigkeit, und ein leises, für uns im Cockpit allerdings nicht hörbares, Quietschen bestätigt den Kontakt des Hauptfahrwerks mit der Pistenoberfläche. Die Schubumkehr sowie das „Autobrake System“ auf Stufe 2 sorgen für eine flüssige Reduktion der Geschwindigkeit, so dass wir via Piste 22R zu unserem Parkplatz rollen.



















Anflug über Manhattan













Eindrehen in den Endanflug auf 13L

Die Mädchen in Ägypten und Kuwait, der Vater in Amerika – so sitzen sich Franziska und Tim unvermittelt alleine am Esstisch gegenüber. „Quality time“ für Mutter und Sohn, umso mehr, als auch dessen Freundin mit der Volleyballtruppe verreist ist, und sich ihm so wenig „Fluchtmöglichkeiten“ bieten.

Auch ich lasse es mir gutgehen. Meine Recherchen im Internet haben ergeben, dass am Tage unserer Ankunft die „New York Islanders“ ein Heimspiel gegen die "Carolina Hurricanes" bestreiten. Das Nassau Coliseum liegt nur wenige Taximinuten von unserem Hotel in Garden City entfernt. Zwar muss ich trotzdem hetzen, der Verkehr vom Flughafen nach Long Island erweist sich zu dieser Abendstunde so zähflüssig wie abgekühlte Lava. Anderthalb Stunden dauert die Fahrt im Bus. Dies, obwohl der beleibte Fahrer die Möglichkeiten seines GPS ausreizt und jede erdenkliche Nebenstrasse nutzt. Immerhin kriegen wir bei der Fahrt durch Quartiere mit stattlichen Vorstadtvillen bereits zahlreiche Weihnachtsbeleuchtungen präsentiert. Nur die Philippinen scheinen da noch schneller, denn als mich Anfangs Oktober ein Arbeitskollege und seine Frau ins Flight Safety-Büro fahren, klingen unentwegt Weihnachtslieder aus der Stereoanlage. Meinen fragenden Blick beantwortet die Dame des Hauses ohne Zögern: Ihr Land wäre ab September auf Weihnachten eingestellt. Sogar der (künstliche) Weihnachtsbaum stünde bereits fertig geschmückt in der Stube. Da bleibt auf jeden Fall genügend Zeit, die Texte der Weihnachtslieder einzustudieren.

Bei mir hingegen wird die Zeit knapp. Das Taxi lässt auf sich warten. Es ist bereits viertel vor Sieben. In einer Viertelstunde wird der Puck zum ersten Bully eingeworfen. Ich freue mich auf „unseren“ Mark Streit, der sich bei den Islanders zu einer wichtigen Teamstütze hochgearbeitet hat. Ob es wohl „Schweizer Discount“ am Ticketschalter gibt? Die Dame schüttelt den Kopf und bietet mir einen Platz für 57 Dollar an. Das Spiel läuft bereits seit wenigen Minuten. Noch während ich für Bier und Hamburger anstehe, gehen die Islanders 1:0 in Führung. Die Sirene heult. Ob’s heute zum ersten Sieg reicht? Bis anhin gingen nämlich sämtliche Partien verloren. Trotz Mark Streit. Ich verziehe mich auf meinen Sitz in bester Lage. Die Halle ist schlecht gefüllt. Kaum habe ich mich auf meinem Klappsitz installiert, lassen auf dem Eis zwei Spieler ihre Fäuste fliegen. Stimmung und Lärmpegel steigen. Dann wird wieder Eishockey gespielt, und es wird ruhiger in der Arena. Ich erkenne Mark Streit mit der Nummer 2 und dem „A“ des Assistenzcaptains auf der Brust. Er kommt oft zum Einsatz und hinterlässt einen soliden Eindruck. Auch wenn er zweimal auf die Strafbank wandert. Das Spiel endet unentschieden und geht in die „Overtime“. Auch nach weiteren fünf Minuten fällt kein Tor. Erst im Penaltyschiessen setzt sich der Heimklub durch. Der erste Sieg der laufenden Saison. Es geht also doch. Mit „doppelter“ Schweizer Beteiligung. Schliesslich habe ich die Islanders auch lautstark angefeuert.
Vielleicht sollte ich einfach mehr nach New York fliegen.

Monday, October 19, 2009

Harte Bandagen

Ich weiss, schon lange nichts mehr geschrieben. Der Wind droht die „Wüstenspuren“ zu verwehen. Dabei gäbe es genug zu berichten, wenn ich denn nur ein bisschen mehr Zeit fände. „Alles eine Frage der Organisation“, flüstert mir der kleine Freund ins Ohr. Der Anfang wird deswegen nicht einfacher. Worüber soll ich schreiben...?

Über den Kauf eines neuen Bootes und dessen Transport von Dubai nach Abu Dhabi? Über den Mega-Ärger mit dem Mercedes? Über die Besuche aus der Schweiz? Oder über die von Franziska und mir forsch in Angriff genommenen Weiterbildungen? Vielleicht ein Wort über die sportlichen Aktivitäten unserer Kinder an der ACS, beziehungsweise über die Geschehnisse rund um die anstehenden EMAC-Turniere? Oder soll ich an dieser Stelle meinen Senf zu den soeben im Schweizer TV angelaufenen „Grössten CH-Hits“ niederschreiben?

Also von allem ein bisschen. Querbeet. Diagonal.
Vor zwei Wochen besuche ich mit Franziskas Bruder Buda in Dubai einen Bootshändler. Dabei verlieben wir uns spontan in „Natasha“. Sie verfügt über Traum-Masse: 24 Fuss Rumpflänge und 275 Pferdestärken. Mit zwei Jahren beinahe noch jungfräulich. Mit meinem Bruder Urs und dem SLS-Kollegen Toni, heute in Emirates-Diensten, verabreden wir eine Probefahrt vor dem Burj Al Arab. Und gestern verschieben der vormalige Boots-Miteigner Peter Lembach und ich die neu erstandene „Sea Beauty“ auf dem Trailer nach Abu Dhabi. Aus „Natasha“ wird „Litina“, die Dubai-Nummer weicht dem Abu Dhabi-Schild. Etwas umständlicher als gedacht gestaltet sich die Registrierung. Den ersten Ämter-Marathon habe ich hinter mir. Die Fortsetzung folgt in den kommenden Tagen.





























Weniger Freude macht mir mein bescheidener C-Klasse Mercedes, Jahrgang 2005. Ein diskretes Rattern unter der Motorhaube hats angekündigt. Dann kommt es knüppeldick. Kompressorschaden – der Ersatz kostet 12'000 Dirham, sprich 3600 Schweizer Franken. Eine Woche fahre ich im Mietwagen des gleichen Herstellers, allerdings B-klassig. Die Nobelmarke mit dem Stern agiert später aber nicht sehr nobel, und will weder für den Mietwagen aufkommen, noch einen Anteil des teuren Kompressors übernehmen. Ich telefoniere mit Vertretern von Werkstatt und Management, koche vor Wut, schäume, laufe über. Schliesslich gewährt man mir zwölf Prozent auf die Gesamtrechnung. Die Kosten für den Mietwagen (500 Franken) werden mit Politur-Gutscheinen im Wert von 170 Franken kompensiert.
Heute – ich verschiebe gerade vom Traffic Department zur Coast Guard – leuchtet es wieder knallrot auf der Instrumentenanzeige: Diesmal deutet die Warnung auf einen Batterie- oder Alternatorschaden. Ich fahre schnurstracks zur Mercedes-Zentrale, wo ich den Empfang links liegenlasse und mich direkt in die Werkstatt vorkämpfe. Der Werkstattchef wirkt betroffen und rät mir schliesslich hinter vorgehaltener Hand, den Batteriewechsel bei einer der vielen kleinen „Hinterhof“-Werkstätten in Auftrag zu geben. Zeitlich schneller und halb so teuer. Zwei Stunden später ist die Sache erledigt; für insgesamt 700 Dirham. Die Originalbatterie allein hätte 1300 Dirham gekostet, den Einbau nicht eingerechnet...

Am Mittwoch fliegen die beiden Mädchen mit ihren Volleyballteams an die EMAC-Turniere (Eastern Mediterranean Activities Conference). Nina reist nach Kairo, Linda verschiebt nach Kuwait. Vier Tage werden sie dort paarweise bei Gastfamilien wohnen und die Farben der ACS verteidigen. Wenn es um solche Sportanlässe geht, scheuen amerikanische Schulen keinen Aufwand. In diesem Fall wird für die Reise gar ein neuer „Track Suit“ mit Schullogo angefertigt. Bezahlen tun natürlich die Eltern, ebenso für den Flug und die Nebenkosten. Durchschnittlich 2000 Dirham pro Teilnehmer. Glücklicherweise findet das Fussball EMAC-Turnier Ende November in Abu Dhabi statt. So sparen wir Tims Ticket, dürfen dafür zwei Jungs anderer Mannschaften bei uns unterbringen.
Doch nicht nur die Schule richtet mit grosser Kelle an, die Eltern verteidigen die Sportlerehren ihrer Sprösslinge hemmungslos und kämpfen mit harten Bandagen. Denn letztlich werden nur je zehn SpielerInnen für die „Traveling Teams“ selektioniert. Für die Team-Members gelten strikte Regeln. Wer mit Alkohol oder beim Rauchen erwischt wird, fliegt sofort aus der Mannschaft. Nun hat Nina dummerweise Fotos von einem Wüstentrip ins Facebook gestellt. Zusammen mit Freundinnen aus der Schweiz pafft sie genüsslich an einer Shisha. Die Bilder stammen allerdings aus dem letzten Schuljahr. Die veröffentlichten Fotos kommen der Mutter oder dem Vater eines nicht im Team aufgenommenen Mädchens trotzdem gelegen. Anonym schickt er oder sie die Bilder an die Schulleitung. Woraufhin Nina kurzerhand ins Büro des sportlichen Leiters zitiert wird. Vorgängig fangen die Verantwortlichen Linda auf dem Schulgelände ab und wollen wissen, wann Nina zum letzten Mal in der Wüste gewesen sei. Die Befragungen der Schulleitung sind fair. Es geht letztlich darum herauszufinden, WANN diese Bilder geschossen wurden. In diesem Fall glücklicherweise VOR dem Beginn der laufenden Volleyballsaison. Die Trainerin stellt sich voll und ganz hinter Nina. Sämtliche Befrager verurteilen diese hinterhältige Anschuldigung. Nina bleibt im Team und kann ihre Taschen fertig packen. Morgen Mittwoch beginnt das Abenteuer. Die beiden Töchter sind vom Volleyball-Virus befallen. Die Spannung ist spürbar. Der Stolz mitzufliegen ebenfalls. Wir sind gespannt auf die Resultate.

Tuesday, September 29, 2009

Neue Mehrheitsverhältnisse

Kein Wahlkommentar, keine politische Propaganda. Nur ein bisschen Familienpolitik: seit Sonntag herrschen neue Mehrheitsverhältnisse bei uns: Die Mehrzahl der Familie hat einen Fahrausweis und darf vierrädrig über die Strassen rollen.

Ein bisschen "Wasta" und eine rund zweiminütige Fahrprüfung haben uns nach sechs Monaten Lehrzeit einen neuen, top motivierten und äusserst billigen Privat-Chauffeur frei Haus geliefert, was in einem Land mit "Nullpromill-Toleranz" auf keinen Fall zu unterschätzen ist...


Tuesday, September 22, 2009

Studenten-Leben

Der Campus wirkt gemütlich; rote Backsteinhäuserzeilen mit weiss gestrichenen Fenster- und Türrahmen und kleinen Vorgärten. Dazwischen Büro- und Unterrichtsgebäude im gleichen Stil, einfach ein bisschen grösser. Wer weiter ins Gelände vorstösst, trifft irgendwann auf moderne Holz- oder Betonbauten mit grosszügigen Glassfassaden. Moderne Baukunst als Zeuge fortwährenden Wachstums der etablierten Cranfield University bei London.

Am Sonntagabend stehen mein Arbeitskollege Azwan und ich, nach knapp acht Stunden Flug, einer Stunde Busfahrt und zwanzig Minuten Holper-Taxi vor der Rezeptionsdame, die uns mit freundlichem Lächeln die Zimmerschlüssel aushändigt. Das Gemach erinnert an eine Mönchskammer; eng, mit kleiner Schlafstatt. Die Bildfläche des Fernsehers verleiht meinem Laptop Flügel und macht ihn glauben, er wäre eine Grossleinwand.
Doch schliesslich sind wir nicht zum entspannten Filmgenuss hier. Auch nicht zum Vergnügen.



























































Lernen sollen wir, uns weiterbilden, den Horizont erweitern. „Flight Data Monitoring (FDM) and Flight Operational Quality Assurance (FOQA) in Commercial Aviation” – so lautet die verheissungsvolle Überschrift dieses viertägigen Lehrgangs. 46 Kandidaten aus der ganzen Welt haben den Weg nach Britannien gefunden; eingeflogen aus fernen Orten wie den Seychellen, Hong Kong, Japan oder Argentinien. Ich werte dies als positives Zeichen; für die Reputation des Instituts, wie auch für die Qualität des Gebotenen. Und ich werde – um es an dieser Stelle gleich vorwegzunehmen – im weiteren Kursverlauf keineswegs enttäuscht.

Die Auswertung von Flugdaten ist eine komplexe Angelegenheit. Es geht um die kritische Betrachtung von bis zu 2500 aufgezeichneten Parametern pro Flug! Was sich in der Luft abspielt, versucht der Experte anhand wild gezackter Linien und Kurven zu rekapitulieren. Dabei richtet sich sein Auge in erster Linie auf Übertretungen von Limiten, auf Abweichungen von Betriebsverfahren oder auf willkürliche Verletzungen von Vorschriften. Die Arbeit verlangt beinahe kriminalistisches Gespür, wenn es gilt, die relevanten Daten miteinander zu vernetzen. Um den Überblick zu erhalten, muss Unwichtiges eliminiert werden. Kombinationsgabe ist genauso wichtig, wie die Erfahrung des Analysten.

Bei Bedarf werden die aufgezeichneten Daten auch zur Erfassung von Trends oder zur Erstellung von Statistiken beigezogen. Wer Zugang zum „Flight Data Monitoring“ hat, verfügt über intimste Kenntnisse der Operation einer Airline. Aufgrund der Vertraulichkeit dieser Daten wird der Kreis der Eingeweihten bewusst möglichst klein gehalten. Nicht zuletzt auch zum Schutz der involvierten Besatzungen. Gerade der Umgang mit dieser Vertraulichkeit wird in unserem Kurs zum wiederholten Diskussionspunkt. Erst bei einer willkürlichen Verletzung von Vorschriften oder bei extremen Vorfällen mit grossem Unfallpotential werden allenfalls weitere Stellen der Flugoperation in die Untersuchung miteinbezogen. Doch wo liegt die Grenze? Jede Airline setzt eigene Massstäbe. Auch hier gilt, dass Piloten, die in einem Berufsverband zusammengeschlossen sind, besseren Rückhalt und in den meisten Fällen wohl auch solidere Vertraulichkeit geniessen.











































Neben Ethik haben wir uns in kurzweiligen Workshops mit zahlreichen Fallbeispielen beschäftigt. „Don’t jump on conclusions“ wird zum geflügelten Wort. Alles wird mehrfach überprüft, um sämtliche Zweifel aus dem Weg zu räumen. Wie peinlich wäre es doch, eine Besatzung eines Fehlverhaltens zu beschuldigen, um später zu realisieren, dass die Daten ungenau oder gar falsch interpretiert wurden.
In der gleichen Bankreihe wie ich sitzt der Vertreter von Air Zimbabwe. Ein bescheidener, ruhiger Mann. Er hört auf den Namen „Hopeful“ und hofft - Nomen es Omen - wie wir alle, mit seinem hier erworbenen Wissen einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit seines Unternehmens leisten zu können.

Die Tage auf dem weitläufigen Campus mit Pub, einem "Café Bookshop" und einem kleinen Einkaufsladen vergehen viel zu schnell. Die Stunden im Theoriesaal sind spannend wie anregend, die Buffets im Speisesaal üppig wie vielfältig. Bereits am zweiten Tag beschliesse ich, Morgen- und Mittagessen durch einen Apfel zu ersetzen. Allfällige Schwächeanfälle kompensiere ich problemlos mit englischem Gerstensaft aus dem Zapfhahn.

Am Schluss gibts ein Zertifikat für jeden Kursteilnehmer; beim offiziellen Schlussessen individuell ausgehändigt. Mit Handschlag. Erinnert ein bisschen an die Offiziersschule. Wenn da nicht der nuancierte britische Humor des Kursleiters wäre, der etwa die ausgemergelten Franzosen mit folgenden Worten nach Hause schickt: „I’m sure you can’t wait to fly home to get a proper meal.“

Wednesday, September 09, 2009

Wegen Renovation geschlossen

Acht Stunden und fünf Minuten dauert der Flug, und er scheint uns endlos lang. Wir starten kurz nach 14 Uhr Lokalzeit in Abu Dhabi. Die Sonne brennt unerbärmlich und treibt das Quecksilber auf schweisstreibende 46 Grad. Die Rollzeit zur Startpiste 13L beträgt eine Viertelstunde, und wegen eines Defekts zweier Ventilatoren zur Kühlung der Bremsen behalte ich die entsprechende Temperaturanzeige aufmerksamer als üblich im Auge.
Ramadan – wir entfliehen der fastenden Welt und drehen die Flugzeugnase Richtung Westen. Steigen auf 40'000 Fuss, überfliegen Bahrain, Saudi Arabien, Jordanien, Syrien und den Libanon. Dann geht es weiter über Zypern und die griechische Inselwelt Richtung Malta. Später folgen wir der Küste Nordafrikas, durchreuzen diverse Lufträume des Maghrebs, bevor der Copi schliesslich unseren A330 kurz vor Sonnenuntergang in Casablanca landet. Die Temperatur beträgt angenehme 25 Grad, die Rollzeit zum Terminal ist diesmal kurz und lässt der Kabinenbesatzung kaum genügend Zeit, die Passagieransagen runterzuspulen. Hastig verlassen die 57 Fluggäste die Kabine und strömen Richtung Ankunftshalle. Wenig später folgen wir ihnen. Das riesige Gebäude wirkt ausgestorben und leer. Viele Schalter sind verwaist, denn es ist immer noch Ramadan. Und wir sind mittendrin!

Vor wenigen Minuten ist die Sonne unter dem Horizont abgetaucht. Iftarzeit: Die Menschen haben sich zurückgezogen, um nach den Stunden des Fastens die trockene Kehle zu netzen und den leeren Magen zu füllen. Sie tun dies nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, gierig und schnell, sondern besinnlich und langsam. Geniessen den ersten Schluck aus der Wasserflasche genauso wie die erste Dattel, die sie förmlich im Mund zergehen lassen.
Derweil steht unsere Besatzung am Zoll und wartet auf Einlass. Gut Ding will Weile haben, die Religion hat sowieso Priorität, denke ich mir, und beginne, die während des Fluges auf meinem – selbstverständlich ausgeschalteten – Handy eingegangenen SMS zu studieren. Wie immer ein vielfältiger Mix aus lästiger Werbung, langweiligen Bankinformationen und lesenswerten Nachrichten von Familie und Freunden.

Eine Meldung stammt von Nina: Sie berichtet von ihrem ersten Volleyballspiel. Obwohl die Schule eben erst vor zwei Wochen wieder begonnen hat, herrscht sportlicher Hochbetrieb. An amerikanischen Schulen laufen die einzelnen Disziplinen und Wettbewerbe jeweils immer nur über einige Monate, bevor anschliessend zu anderen Sportarten gewechselt wird. Auf diese Weise erleben die TeilnehmerInnen die entsprechenden Perioden äusserst intensiv. Sowohl Linda, die sich bereits bestens an der ACS eingelebt hat, als auch Nina haben es nach harten „Try-Outs“ in die Volleyballteams ihrer Jahrgangsgruppen geschafft. Beide trainieren mit ihren Mannschaften viermal in der Woche. Linda muss am Montag gar um 0630 Uhr, vor dem Läuten der ersten Schulglocke, zum Training antraben. Dieser Tage finden die ersten Spiele gegen andere, vorwiegend amerikanische Schulen der Region statt. Höhepunkt und Abschluss der Saison bilden die EMAC-Turniere (Eastern Mediterranean Activities Conference), bei denen US-Schulen aus der gesamten Golfregion gegen einander antreten. Für die JV-Equippe (Junior Varsity) von Nina bedeutet dies eine mehrtägige Reise nach Kairo, während Lindas Varsity-Team Ende Oktober nach Kuwait fliegen wird. Für einmal dominiert also Volleyball die Diskussion am Familientisch, währen Eishockey lediglich eine untergeordnete Rolle einnimmt. Doch Tim und seine Freunde sind bereits in der Aufwärmphase für die in wenigen Tagen beginnende Soccer-Saison. Auch hier freuen wir uns auf das EMAC-Turnier Ende November, heuer ein "Heimspiel" in Abu Dhabi.




















Während ich also lese, dass Ninas Team das erste Trainingsspiel gegen die „American International School of Abu Dhabi“ ohne Satzverlust gewonnen hat, stehen wir immer noch vor der marokkanischen Passkontrolle und warten. Die Beamten lassen sich Zeit. Ebenso wie die Koffer zweier Flight Attendants übrigens. Es dauert eine halbe Stunde, bis die Gepäckstücke gefunden und ausgeliefert werden. Dann gehts Richtung Hotel. Mittlerweile ist es dunkel, unser Busfahrer fährt trotzdem ohne Licht. Vielleicht ein neuer, innovativer Ansatz, Energie zu sparen. Schliesslich ist die Strasse relativ hell erleuchtet und die anderen Verkehrsteilnehmer sind meist auch ohne Licht unterwegs.
Nach der Ankunft im Hotel lösen sich die vier marokkanischen Hostessen quasi in Luft auf. Uns bleiben grosszügige 48 Stunden bis zur Heimreise, diese Zeit muss effizient zum Familienbesuch genutzt werden. Von den Zurückgebliebenen treffen sich nach Dusche und Parfümierung sieben Crew-Mitglieder zu einem Nachtessen mit lokalen Spezialitäten. Unter ihnen eine Inderin, die während zwei Jahren für Singapore Airlines geflogen ist, und eine Finnin, die früher im Dienste der Finnair Fluggäste betreute. Der Copi pilotierte Maschinen der in Trinidad und Tobago beheimateten „BWIA“ (British West Indian Airways"), und der „Food and Beverage Manager“ arbeitete vor seiner Zeit bei Etihad in Hotels in Zürich und Montreux.
Wenn auch die Diskussion durch die unmittelbar neben unserem Tisch positionierte arabische Musikgruppe teilweise erschwert wird, ziehen sich die Gespräche lange hin. Zum Schluss trinken wir süssen marokkanischen Tee, den der Kellner mit elegantem Schwung gezielt in die Gläser giesst.
Am nächsten Morgen, nach erquicklichem Schlaf, packe ich mein Bündel in der Absicht, am Hotelpool einige Dokumente für den in der kommenden Woche geplanten „Flight Data Monitoring“-Kurs in London zu studieren. Doch der Pool ist geschlossen. Wegen Renovation. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Was solls, dann verkrieche ich mich zum Lesen halt ins Zimmer, wo die Klimaanlage funktioniert und ich trotz Ramadan ohne schlechtes Gewissen eine marokkanische "Harira Fassia" geniessen kann.

Wednesday, September 02, 2009

Mount Everest und Marienplatz

Hinter der letzen einfachen Häuserzeile von Kathmandu erheben sich die Achttausender dieser Erde, mit dem stolzesten ihrer Gipfel, dem Mount Everest. Im Herzen der Stadt München lockt dieser Tage der Marienplatz Tausende von Touristen in die Strassencafés. Die beiden Städte könnten gegensätzlicher nicht sein. Wer innerhalb 48 Stunden zwischen diesen Welten pendelt, ist zweifellos privilegiert.

Nach zwei Wochen Bürodienst darf ich wieder einmal an den Sidestick. Gleich der Einstieg ins Cockpit sorgt für Spannung; mein erster „Alleinflug“ nach Kathmandu ist angesagt. So ganz alleine steuere ich den Airbus A330 natürlich nicht zum Himalaya, der Arbeitgeber gewährt mir grosszügigerweise Copilot und Kabinenbesatzung. Dafür bleibt der Instruktor zuhause. Aber nach zwei Simulatorübungen, einer Streckeneinführung auf dem dritten Cockpitsitz, sowie zwei Streckeneinweisungen sollte der Flug eigentlich zu schaffen sein.
Noch immer sorgt der Monsun für Unruhe über dem Gebiet des Indischen Subkontinents. Bereits nördlich von Karachi fliegen wir Zick-Zack zwischen hohen Gewittertürmen. Über Delhi zucken gewaltige Blitze, und der soeben ausgeprintete Wetterbericht von Kathmandu verheisst nicht viel Gutes. Ausführlicher als dies bei anderen Destinationen der Fall ist, briefe ich den Copiloten über die Besonderheiten des Anflugs. Vor dem Sinkflug messe ich meinen Puls. Einfach so, aus Neugierde, vielleicht weil am Donnerstag mein Medical Check ansteht; 84 Schläge, na ja – beim Mondfahrer Buzz Aldrin hämmerte das Herz unmittelbar vor dem Apollo 11 Start 110 Mal pro Minute. Er verzeichnete damit übrigens den tiefsten Vergleichswert aller Apollo–Astronauten. Die erste Mondlandung gehört meines Erachtens nach wie vor zu DEN Abenteuern der Menschheit schlechthin. Ich verschlinge im Moment Alles, was mir dazu in die Finger oder auf den Bildschirm gerät! Mit jeder gelesenen Seite steigt meine Faszination, die schon lange in Bewunderung für die involvierten Protagonisten umgeschlagen hat.

Ich befinde mich heute allerdings nicht auf dem Flug zum 384'000 Kilometer entfernten Erdtrabanten, sondern sinke mit 5.8 Grad gegen die hügelige Topografie der nepalesischen Hauptstadt. Die Geschwindigkeit des Flugzeugs nimmt zu, was ich mit dem Ausfahren der Bremsklappen kompensiere. Der Anflug gelingt einwandfrei, doch bei der Landung patzere ich. Der Flughafen liegt auf 4300 Fuss, also knapp 1300 Meter über Meer. Die Wirkung des Höhensteuers ist verzögert, träge, verlangsamt. Dies muss beim Abflachvorgang berücksichtigt werden. Ich habe dies zwar entsprechend gebrieft, doch meine Korrektur fällt zu verhalten aus. Und schon rumpelt es ziemlich unangenehm, als die acht Räder des Hauptfahrwerks die Piste malträtieren.
Beim Zurückrollen zum Parkplatz werden Erinnerungen an meine erste Landung als Kapitän auf dem ehemaligen Flughafen Hong Kong Airport Kai Tak wach. Der IGS-Anflug auf die Piste 13 hat den Puls ebenso beschleunigt wie der aussergewöhnliche VOR-Approach in Kathmandu. Und ein bisschen bin ich stolz, beide Anflüge in meinem Palmares zu notieren. Ist zwar keine Landung auf dem Mond, aber immerhin...













Wir landen erst kurz vor Mitternacht wieder in Abu Dhabi. Hin- und Rückflug dauern je ziemlich genau vier Stunden. Bei einem Glas Rotwein schalte ich zuhause ab, und zerstreue meine Gedanken, indem ich durchs nächtliche Internet surfe. Die Familie hat sich bereits in die Betten verzogen. Morgen ist Schule, meine Wenigkeit wird hingegen ausschlafen. Deshalb stört es mich nicht, dass die Uhr 02.40 zeigt, als ich endlich in die Federn krieche.
In der kommenden Nacht steht bereits der nächste Flug an: diesmal in die andere Richtung, nach München. Ich war sicher über ein Jahr nicht mehr im Einzugsgebiet des Hofbräuhaus und freue mich, denn unser Aufenthalt beträgt ergötzliche 30 Stunden.
Wir landen am frühen Dienstagmorgen, die Heimreise ist erst auf den späten Mittwochabend angesagt. So gönne ich mir zuerst einige Stunden Erholung im bequemen Hotelbett. Wie immer nach solchen Nachtflügen schlafe ich oberflächlich und unruhig, und werde von meiner verwirrten Blase ständig auf die Schüssel gehetzt. Um 14 Uhr kämpfe ich mich unter die Dusche.

Der Himmel ist strahlend blau, der erste Septembertag zeigt sich von seiner allerbesten Seite. Mit der Strassenbahn fahre ich ins Zentrum der Stadt, wo ich mich vom Strom umtriebiger Shopper und Geschäftsleute treiben lasse. Die belebte Theatinerstrasse rauf und runter, bis ich schliesslich in einem Kaffeehaus mit urchigen Holztischen im Freien lande. Ich bestelle einen grossen Latte Macchiato und gönne mir dazu eine kubanische Zigarre, die ich vorgängig in einem schicken Tabakladen erstanden habe. Dazu studiere ich abwechselnd den Stadtplan und die vorüberziehenden schicken Damen. Dann mache ich mich auf den Weg zum Marienplatz, wo ich mich um sieben Uhr mit einigen Mitgliedern der Crew verabredet habe. Vorher reicht die Zeit gerade noch zu einer spontanen Besichtigung der „Heilig Geist“- und der „St. Peter“-Kirche, in welcher ein katholischer Gottesdienst stattfindet. Ich setze mich in einen der hinteren Bänke und lausche fasziniert und ein wenig befremdet den Gesängen der Gläubigen. Getrieben von irdischen Gelüsten wie Durst und Hunger verlasse ich das Gotteshaus nach einer Viertelstunde wieder und genehmige mir am Viktualienmarkt ein Paulaner.
Das gemeinsame Nachtessen mit Kollegen der Besatzung fällt ins Wasser. Dummerweise haben wir am Morgen im Hotel den Treffpunkt nicht präzise genug definiert. Weiter tragisch ist das nicht, ich tröste mich mit zwei „Leberkäs-Semmeln“ und einem weiteren Paulaner. Ganz unkompliziert, im Stehen mitten auf der Gasse. So gefällt es mir – mehr brauche ich nicht. Im Gegenteil. Wie eigenartig ist doch diese Ausgangslage: Als Europäer in der Wüste lebend, versetzt mich ein Flug in den urtümlichen Bayernstaat richtiggehend ins Staunen. Ein Europäer in Europa. Und ich stelle einmal mehr fest, wie wenig es doch braucht, bis die Menschenseele ins Schwärmen gerät!