Saturday, December 20, 2008

Die ersten vier Tage

Die Schweiz hat mich wieder! Zumindest für drei Wochen. Die Familie reist portionenweise: Tim hat in Winkelried-Manier den Anfang gemacht, Franziska und Linda bilden die Nachhut.
Bis Angetraute und Zweitgeborene im Schneegestöber eintreffen, bleiben mir vier Tage im Zürcher Unterland. 96 Stunden zur Erledigung einiger Weihnachtsgeschäfte und zum Abbau angehäufter Pendenzen in Sachen Steuern und Wohneigentum.
Am Sonntagabend landen Nina und ich kurz vor 20 Uhr auf Klotener Boden. Toni holt uns ab und gemeinsam fahren wir in’s Ackermannsche Domizil. Der Raclette-Ofen steht betriebsbereit auf dem Tisch, die Weissweinflasche ist geköpft, der Schmaus kann losgehen.

1. Tag
Am nächsten Morgen geht’s zu den Schwiegereltern ins Emmental. Toni anerbietet sich als Chauffeur. Franziskas Vater hat unseren Wagen aus dem Diemtigtal geholt und mit vier neuen Winterreifen bestücken lassen. Kurz vor dem Mittag erreichen wir das Ziel. Begrüssungskaffee, kurzer Schwatz, dann machen sich Toni und Andrea wieder auf den Weg. Nina und ich bleiben zum Mittagessen. Bevor wir die Heimreise antreten drückt mir der Schwiegervater einen Stapel Briefe in die Hand. Das Erledigen von Pendenzen ist Bestandteil jedes Schweiz-Aufenthaltes.
Gegen vier Uhr lade ich Nina bei einer Schulfreundin in Stadel ab. Sie wird dort übernachten. Während sich die Mädchen freudig begrüssen, bin ich in Gedanken bereits bei meinem nächsten Ziel: In einer halben Stunde erwartet mich der SWISS Airbus-Chefpilot zwecks Besprechung einer allfälligen Rückkehr im Rahmen der „Option to return“. Ich deponiere meinen schriftlichen Antrag für eine Verlängerung derselben, konkrete Resultate ergeben sich in der Diskussion allerdings keine. Dann treffe ich meinen Bruder an seinem Arbeitsplatz in Oerlikon. Nach einem gemeinsamen Kaffee machen wir uns auf ins Squash-Center. Zu viert jagen wir in zwei Courts während 90 Minuten den kleinen grünen Ball. Das anschliessende Bier wird zum Hochgenuss und entschädigt für die inzwischen nagende Müdigkeit. Abu Dhabi ist uns drei Stunden voraus, mein Körper schwebt irgendwo zwischen den Emiraten und der Schweiz.

2. Tag
Ein böses Erwachen. Mein Laptop, unentbehrlicher Freund und steter Begleiter, bockt. Lässt sich nicht mehr starten. Hilflosigkeit, Panik. Dank eines Tipps per SMS gelingt es mir, die bösen Viren, die ich nicht rief und die auf meiner Festplatte ausgelassen festen, zu vertreiben. Dann wollen Nina und ich uns die Haare schneiden lassen. Anschliessend Mittagessen mit Schwägerin und ihrem Sohn. Der Espresso-Schaum klebt noch an meinen Lippen, als wir uns auf den Weg zur Steuerberaterin machen, wo wir Dokumente und gute Wünsche zum Jahreswechsel austauschen. Nachher will Nina Bastelmaterial kaufen. Keine einfache Sache für einen wie mich, der mit seinen Händen gerade einmal eine Glühbirne auswechseln kann und von Farbenlehre keine Ahnung hat.
Am Abend Nachtessen mit Tim, meinem Bruder und dessen Söhnen im australischen Lokal in Winterthurs ehemaligem Industriequartier. Ob es Zufall ist, dass das AEROPERS-Contolling Team lediglich drei Tische neben uns tafelt...?

3. Tag
Es ist noch dunkel, als der Wecker klingelt. Der Wagen ist schneebedeckt. Die Strassen ebenfalls. Es schneit seit dem frühen Morgen. Nina will der Oberstufe Stadel einen Besuch abstatten. Um 07.30 Uhr hüpft sie vor dem Schulhaus gutgelaunt aus dem Auto. Meinerseits tuckert in Schneetreiben und Morgenverkehr nach Neftenbach, wo Tim zusteigt. Gemeinsam wollen wir in der Eishalle Dübendorf die Staffel 13 beim traditionellen UeG-Hockeyturnier unterstützen. Doch Frau Holle macht allen einen Strich durch die Rechnung. Auf der Autobahn dominieren Stau, Stillstand und Stagnation. Viel zu spät erreichen wir das Ziel. Das Spiel ist bereits fortgeschritten und nach wenigen Minuten ertönt die Schluss-Sirene. Die Dreizehner gewinnen, zumindest das Resultat stimmt. Kurzer Kaffee in der Stadionbeiz, dann bringe ich Tim zum Bahnhof. Er will in der Kanti Bülach Freunde treffen. Es folgt das zweite Spiel der Staffel 13. Ich stehe an der Bande. Die Schlacht tobt hin und her und endet schliesslich unentschieden. Ein letzter Schwatz auf dem Parkplatz und weiter gehts. Zurück zur Wochenbasis im Zürcher Unterland. Zeit für Mandarinen und Nüsse mit den Gastgebern. Auch Nina und Tim sind zugegen. Am frühen Abend holen wir meinen Patensohn ab. Anschliessend Besuch der Aufführung „Ewigi Liebi“ in der Maag-Eventhalle in Zürich. Standing Ovation, Begleichung der Parkgebühr und Rückfahrt über Neftenbach mit Ablad der beiden Jungs. Wieder in Neerach falle ich kurz nach Mitternacht todmüde ins Bett.

4. Tag
Wieder früh aufstehen. Und wieder auf nach Neftenbach. Mein Wagen sollte die Route längst auswendig kennen! Ein verschlafener Tim setzt sich neben mich, dann brausen wir über die Autobahn nach Zürich. Für einmal gibt der Verkehr kein Grund zum Klagen. Wir finden sogar einen Parkplatz. Caffé Latte bei Starbucks, dann auf zur „Sport Clinic“, wo Tim für eine sportärztliche Untersuchung angemeldet ist. Er strampelt sich auf dem Velo unzählige Schweisstropfen aus dem volljährigen Körper. Derweilen die Nadel zwecks Messung der Laktat-Werte immer wieder in sein rechtes Ohrläppchen sticht. Nachdem uns Babs die Resultate ausführlich erklärt hat, geniessen wir mit ihr ein kurzes Mittagessen. Dann gehts weiter nach Embrach zum grössten schweizer Hockeyausrüster. Einkauf von Hockeytasche, Helmvisier und Mundschutz. Die Schlittschuhe werden neu geschliffen, die Rechnung beglichen. Tim nach Neftenbach gebracht, später in Neerach Papier geordnet. Um 1800 Uhr Besuch der WG, die unser Stadler Haus bewohnt. Die Zusammensetzung hat geändert, der Mietvertrag muss angepasst werden. Viel Zeit bleibt nicht, denn bereits um 1900 Uhr wartet eine gemütliche Runde aufs gemeinsame Nachtessen. Nina zeigt Anzeichen von Grippe: Kopfschmerzen, Schluckweh und Fieber. Der Zeitpunkt ist schlecht gewählt, aber das ist er in solchen Fällen eigentlich immer. Wir versuchen es mit einer Brausetablette, wie sie in TV-Spots immer wieder angeboten wird und rasche Linderung verspricht. Ein Arzt oder Apotheker zur Rückfrage ist leider nicht zugegen. Die Zeit drängt, mein Handy bimmelt; ein SMS von Franziska und Linda, die in Abu Dhabi soeben das Flugzeug bestiegen haben. Wir erwarten sie morgen um 09.30 Uhr in Kloten.
Dann werden wir ins Diemtigtal fahren. Dann werden wir Verwandte treffen. Dann werden wir Weihnachten feiern. Und dann werden wir Ski fahren. Spätestens jetzt sollten es alle erkannt haben: „Expatrioten“ leben unbeständig.

Friday, December 12, 2008

Feiertage

Nach dem Samichlaus – in dessen Namen ich übrigens auch auf eine Kurzmission geschickt wurde – und Volljährigkeit baumeln unsere Seelen in den UAE bereits wieder in der ansteckenden Gelassenheit wichtiger Feiertage. Am 2. Dezember zelebrierten die Emirate ihren 37sten Nationalfeiertag.

Es ist für einen Zentraleuropäer schwer vorstellbar, wie üppig sich der bunte Lichterschmuck der Stadt präsentiert. Jedes der unzähligen „Roundabouts“ ist bestückt mit grellen, weiss oder hellblau leuchtenden Strahlenbündeln, und um die Stämme sämtlicher Palmen entlang der Strassen sind schlangengleich dichte Leuchtketten geschlungen. Zwischen den einzelnen Bäumen liessen die Stadt-Dekorateure Tafeln mit einer rot oder blau leuchtenden Zahl „37“ oder dem diagonal angeordneten Schriftzug „UAE“ platzieren. Die Summe aller Leuchtkörper lässt die Nacht förmlich zum Tag erstrahlen und es kann vorkommen, dass der eine oder andere Autofahrer darob vergisst, sich nach Sonnenuntergang seiner Sonnenbrille zu entledigen. Was bei den „Locals“ allerdings nicht aussergewöhnlich ist, denn die Sonnenbrille, vornehmlich aus den Häusern Guggi, Armani oder Pierre Cardin, wie auch das Handy gehören eh zu ihren ständigen Begleitern. Wer zu Fuss unterwegs ist – was nur in Notfällen vorkommt – montiert sich gleich ein ganzes Set bestehend aus Kopfhörer, Mikrofon und Verbindkungskabeln unter die flatternde „Gatra“, „Kufiya“ oder "Abbaya" und ist auf diese Weise auch mit gefüllten Einkaufstaschen jederzeit „kommunikationsbereit“.
Auch die nächtliche Fahrt entlang Abu Dhabis Renommierstrasse wird zum besonderen Erlebnis, erstrahlen doch die Hochhäuser entlang der Corniche ebenfalls in ausgefallenem Lichterglanz. Am Abend des Nationalfeiertages würde ich allerdings von dieser Route abraten, denn der Verkehr erreicht unerträgliche Spitzenwerte. Selbstverständlich sind auch die Autos entsprechend dekoriert und beklebt; wild flatternde Fahnen und Kleber in den Farben Rot, Grün, Weiss und Schwarz. Die Priorität ist unmissverständlich: Es geht um die Grösse der bunten Insignien, und weniger um die Sicht des Fahrers oder der Fahrerin. Schliesslich wird der „National Day“ nur einmal im Jahr gefeiert. Mit dem monumentalen Feuerwerk beim Hotel Emirates Palace schliesslich erreichen die Feierlichkeiten den absoluten Höhepunkt.

Eid al Adha
Die Wogen des Nationalfeiertages haben sich kaum geglättet, da kündigt sich „Eid al Adha“ an. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, sei hier nochmals angefügt, dass es sich dabei um das wichtigste islamische Fest handelt: Es wird zum Höhepunkt des „Hadj“, der Pilgerfahrt nach Mekka, und findet in der Regel rund 70 Tage nach dem Ende des Ramadans statt. Aufgrund des islamischen Mondkalenders kann das Opferfest zu jeder Jahreszeit stattfinden, die Verschiebung findet rückwärts im Sonnenkalender um meist elf Tage statt. Und heuer sind diese Feiertage eben vom 8. bis 10. Dezember. Diese Kumulation von Festivitäten ist auch der Grund, weshalb die Amerikanische Schule den ganzen Monat geschlossen hat, während die Deutsche Schule ihre Klassenzimmer vor Weihnachten nochmals eine Woche „reaktiviert“. Linda nimmt es knurrend zur Kenntnis.
Auch mich straft das Schicksal, bin ich doch während „Eid al Adha“ im Flight Safety-Büro eingesetzt. Und ich sitze ziemlich verlassen und einsam in meiner bescheidenen Ecke. In weiser Voraussicht erkundige ich mich zwar am Vorabend des ersten Bürotages bei einem Kollegen über die zu erwartenden Arbeitszeiten. Doch der meint, für uns würde sich nichts ändern; internationale Airlines bewegen ihre Apparate ungeachtet aller Welt-Religionen. Die Erklärung leuchtet ein, und so kämpfe ich mich am nächsten Morgen aus den Federn, unter die Dusche und hinters Lenkrad unseres ungewaschenen Zweitwagens. Um wenig später im Büro festzustellen, dass der nette Kollege die Lage definitiv falsch beurteilt hat. Er selber hat übrigens frei, was ich ihm von Herzen gönne, schliesslich ist er praktizierender Muslim.
Um 0800 Uhr hauche ich meinem Computer die Lebensgeister ein, dann dauert es beinahe zwei Stunden bis sich die nächste Seele ins Gebäude verirrt. Es handelt sich dabei um eine der Assistentinnen, welche für den „Upload“ der Flugzeugdisketten verantwortlich sind. Erst jetzt kann ich langsam ans Arbeiten denken, bin ich doch auf Gedeih und Verderben auf diese Datenflüsse angewiesen.

Es zeigt sich einmal mehr, wie angenehm wir Piloten doch leben: Am Monatsende wird uns der Einsatz des kommenden Monats zugestellt. Darin sind sämtliche überlebenswichtigen Angaben enthalten wie Destinationen, oder die Zeiten, wann wir uns vor den Flügen am Flughafen zu melden haben. Welch herrliche Entlastung des geschundenen Denkapparates!

Sunday, December 07, 2008

Der Samichlaus wird volljährig!

Der Samichlaus-Tag hat es in sich. Im Besonderen seit 18 Jahren. Am 6. Dezember 1990 erblickt unsere „Erst-Kreation“ Tim das Licht der Welt. Heute wird er volljährig.

Etwas seltsam mutet es schon an. Das älteste Kind macht einen grossen Schritt in die Welt der Erwachsenen. Juristisch ist die Chose gelaufen. Tim kann, ungeachtet elterlicher Einwürfe sein Bankkonto plündern, das Geld verprassen und danach einen Kredit aufnehmen. Zur Feier der neu gewonnenen Freiheit fliegt er mit einem Freund aus seiner Schule bereits am 9. Dezember in die Schweiz. Die beiden haben sich für eine Woche in der Jugendherberge im Zürcher Niederdorf eingemietet.

Vorerst wird in den Emiraten gefeiert: Am Vorabend mit einem Konzertbesuch von „Simple Plan“ in Dubai. Heute Abend im kleinen Familienrahmen in einer „Churrascheria“ im Interkonti. Anschliessend deponieren wir Tim und Linda am „Public Beach“, wo sie Freunde am Lagerfeuer (Bonfire) treffen, bevor schliesslich – kurz vor Mitternacht – zu Hause gemeinsam der obligate Schaumwein gekillt wird.















Ready to celebrate





























Fleisch vom Spiess

Für morgen hat Tim Freunde eingeladen. Es soll gegrillt, gelacht und gefeiert werden. Den Grill bedienen will er selber, Erwachsen sein verpflichtet. Zur selben Zeit erwarten wir neuen Schweizer Besuch: Der Pfarrer, der Franziska und mich vor genau 20 Jahren auf dem Vierwaldstättersee getraut hat, kommt eingeflogen. Auf der Rückreise von Australien. Er und seine Frau werden einen viertägigen Zwischenstopp im Al Qurm Compound einlegen. Wir haben uns seit dem Tag der Hochzeit nie mehr gesehen, lediglich hie und da eine Neujahrskarte oder eine Geburtsanzeige geschickt.

Grund zum Feiern gibt es allemal: Der erwachsene Sohn und die „Porzellan-Hochzeit“ der Eltern. Dazu der Besuch – nicht der alten Dame – sondern des weisen Pfarrers, der übrigens schon lange nicht mehr als Pfarrer wirkt.

Er waltet bereits seit 14 Jahren als Direktor der Strafanstalt Thorberg. Wenn das kein gutes Omen ist....



















Früher gabs Literatur zur Volljährigkeit, heute haben sich die Prioritäten verschoben



















"Cheers!"

Saturday, December 06, 2008

Flug-Lust

Ein Blick ins elektronisch sauber aktualisierte Flugbuch bestätigt mein Gefühl: Der letzte Flug liegt schon lange zurück. Am 15. November ist es, als ich, von Frankfurt kommend, zum letzten Mal einen Airbus zu Boden bringe. Dann gibts einen fehlgeschlagenen Kathmandu-Trainingsversuch im Simulator, einige Freitage sowie einen „Stand by“-Block. Doch die Leute vom Crew Control sind gnädig und lassen mich in Ruh. Die Familie beginnt sich bereits zu beklagen: "Wann gehst du endlich wieder einmal fliegen?" Die lieben Kinderlein, offenbar genervt ob meiner edukativen Einwürfe, scheinen langsam mit ihrer Geduld am Ende. Und bei Franziska meine ich leises Kopfnicken zu erkennen, doch vielleicht unterliege ich hier einer optischen Täuschung.

Ausfälle
Gestern habe ich mein dreitägiges Simulator-Paket mit einem erfolgreich bestandenen OPC (Operator Proficiency Check) abgeschlossen. Al Hamdullilah!
Immerhin gibt mir dies Gelegenheit, wieder einmal Hand an den Sidestick zu legen. Wenn auch die Simulator-Szenarien nur selten entspanntes und genussvolles Steuern zulassen. In drei Tagen, an denen je eine vierstündige Übung ansteht, wissen die Instruktoren virtuos auf ihrer Tastatur zu spielen. Der Anflug unter „Electrical Emergency Power“ fordert mich ebenso wie der simulierte Einflug in die Vulkanasche, gefolgt von einem Ausfall sämtlicher Triebwerke, verbunden mit unverlässlicher Geschwindigkeitsanzeige ("Unreliable Airspeed") und jeder Menge akkustischer Warnungen. Zwar können wir später eines der Aggregate aus seinem „Vulkanschlaf“ erwecken, doch dafür verlangt das ausgeklügelte Drehbuch kurz darauf einen Kollaps des Kapitäns und der Copi muss den angeschlagenen Vogel mit dem noch angeschlageneren Kommandanten alleine landen. Für mich ein eher lockeres Übungselement, bei dem ich, angesichts des konstanten leichten Rüttelns des Simulators, beinahe einschlafe.
Bei anderer Gelegenheit fallen zwei von drei hydraulischen Systemen aus, oder die „Kabinenbesatzung“ meldet nach dem Start einen ausser Kontrolle geratenen Toilettenbrand, der uns zu einer sofortigen Rückkehr zwingt. Geradezu eintönig nimmt sich da der Checkflug mit lediglich einzelnen Triebwerksausfällen oder Startabbrüchen aus.
Die Instruktoren wechseln jeden Tag; mal ist es ein Österreicher, dann ein Australier, und den Check absolviere ich... bei einem Helvetier! Die europäische Übermacht verleiht der ganzen Angelegenheit beinahe Kaffeekränzchen-Charakter. Auf der anderen Seite mahnt mich diese Konstellation an die in wenigen Tagen anstehende Unterredung mit dem SWISS-Chefpiloten zwecks Planung unserer dereinstigen Rückkehr in die Schweiz. Mich beschleicht ein mulmiges Gefühl.

Der Copi bleibt der gleiche, er kommt aus Trinidad und ist dermassen akkurat, dass auch der exakteste aller Schweizer Uhrenmacher nicht mithalten könnte. Meine Wenigkeit schon gar nicht, habe ich mir doch im Laufe der Jahre angewöhnt, gewisse Dinge als gegeben zu betrachten und nicht ständig zu hinterfragen. Als Pilot eines modernen Flugapparates mit vernetzten Systemen läuft mann oder frau bei „Mehrfach-Ausfällen“ in Gefahr, sich in Details zu verlieren. Die Kunst des Handlings besteht unter anderem darin, Unwichtiges auszufiltern und Prioritäten zu setzen. Die elektronischen Warnsysteme präsentieren einem mitunter endlose Checklisten und Statusangaben, die es unmöglich machen, jede Zeile oder jedes Wort zu lesen und zu verarbeiten. Manchmal – bei Rauch oder Feuer beispielsweise – fehlt auch schlicht die Zeit dazu. In solchen Situationen müssen Briefings auf das Wesentliche reduziert werden. Mein Kollege zur Rechten steht unmittelbar vor seiner Kapitänsausbildung. Da ist es nicht nur verständlich, sondern auch vorbildlich, wenn einer die Dinge gründlich angehen will. Vielleicht habe ich mich einfach schon zu sehr an eine gewisse Grosszügigkeit gewöhnt, so dass mich derartiges Präzisions- und Detailstreben manchmal leicht irritiert.

Vol de nuit
Nun habe ich also wieder für sechs Monate Ruhe. Doch in die Luft lassen sie mich immer noch nicht. Nach drei Freitagen steht eine Bürowoche an. Die Kinder haben alle Ferien, die Frau schläft – auch in diesem Fall solidarisch mit dem Nachwuchs – ebenfalls einige Stunden länger, während ich mich frühmorgendlich als einziger aus den Federn kämpfe. Und als Zückerchen gibt es dann Ende der Woche doch noch den lang ersehnten Flugeinsatz. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um einen Nachtflug nach Beirut – und zurück. Doch ich bin aviatisch ausgetrocknet und daher bereit, alles zu akzeptieren. Ab Mitte Monat sind Weihnachtsferien angesagt, der nächste Flug wird frühestens anfangs Januar stattfinden. Ein Grund mehr, die Nachtmission in den Libanon zu geniessen; Mit „Vol de nuit“ hat Antoine de Saint-Exupéry seinerzeit einen Literaturpreis eingeheimst. Für den wirds wohl nicht reichen, „Wüstenspuren“ hin oder her. Dafür werde ich mir im Dutyfree des "Rafic Hariri International Airport" drei Flaschen „Château Kefraya“ kaufen. Und das ist schliesslich auch nicht ohne, oder...?

Sunday, November 30, 2008

Sie kommen, und sie gehen...

Gestern Abend sind mein Bruder und sein Sohn Chris wieder nach Genf abgeflogen. Zuvor haben wir gefeiert; nicht seine bevorstehende Abreise, sondern Andrea’s Geburtstag.

Schweizer Ingredienzen
Es ist eben so eine Sache mit dem Besuch. Der eigene, rhythmisch eingespielte Tagesablauf gerät immer wieder ins Straucheln, verkommt manchmal zum Spagat. Gegensätze prallen aufeinander: die Gäste geniessen das „Laissez-Faire“ während wir unser Standardprogramm abspulen. Die Tagesabläufe unterscheiden sich markant: Aufstehen um 0615 Uhr oder Ausschlafen bis 1100 Uhr; Wein- und Zigarettengenuss in lauer Mitternachtsluft oder vor Müdigkeit tränende Augen kurz nach Sonnenuntergang. Da muss man den viel zitierten Gemeinsamen Nenner förmlich aus dem Sand buddeln.
Man soll mich aber keinesfalls falsch verstehen: Wir lieben Besuch und freuen uns jedesmal, wenn neue Gäste eintreffen. Pflichterfüllung und die Extra-Portion an häuslicher Geselligkeit grenzen sich nicht aus – mit Sicherheit aber sorgen sie für einen aktiven Lebensstil! Die vergangenen zehn Tage stand so einiges an: Diverse Stadt- und Shoppingtouren, auswärts essen beim Italiener, beim Japaner, beim Chinesen. Opulentes arabisch-mediterranes Buffett und kulinarischer „Ausrutscher“ bei TGI Fridays. Besuche in mehreren Sisha-Cafés, weils eben genau in dieser Jahreszeit entspannend (wenn auch nicht unbedingt gesund) ist, zu später Stunde die Abgase der Grossraumlimousinen mit dem Rauch der Wasserpfeife aufzumischen. Weiter fordern uns lange Diskussionen am Frühstückstisch, sportliche Aktivitäten wie Tennis und Flaschenöffnen, der Besuch der „Emirates Boatshow“ und natürlich, wie bereits beschrieben, einige Bootsausflüge.

Erfreulicherweise hat die Einsatzplanung - wenn auch mehr zufällig - ein Einsehen mit mir. Ausserdem sorgen operationell bedingte Änderungen im Verlauf des Monats dafür, dass meine Uniform über all die Tage im Schrank hängen bleibt. Einige Tage Büro, während fünf Tagen „Stand by“ ruft mich niemand an, mein Kathmandu-Simulator fällt ins Wasser, so auch der geplante Einführungsflug, daneben gibts noch einige gewöhnliche Freitage. Alles passt perfekt!
Im Wochenverlauf treffen Andrea und Toni in Abu Dhabi ein und verleihen mit ihrer kontaktfreudigen Art unserem Sozialleben neue Impulse. Die beiden führen haufenweise Weihnachts-Utensilien im Gepäck, denn an der Deutschen Schule plant das Festkomitee bereits intensiv den Weihnachtsmarkt. Andrea fühlt sich sogleich wieder zu Hause und stürzt sich – als wäre sie nie weg gewesen – an der Schule in Bastel- und Vorbereitungsarbeiten. Am Donnerstagabend ist es dann soweit: Bei angenehmen 24 Grad singen Kinder im bunten T-Shirt vor dem reich geschmückten künstlichen Tannenbaum Weihnachtslieder. Emsige VerkäuferInnen bieten Christstollen und anderes Weihnachtsgebäck feil, derweil die Besucher an (alkoholfreiem) Rum- und Orangenpunsch nippen. Auch diese Mixturen sind im Handgepäck der Ackermanns in den Golf gereist, genau so wie beinahe 20 Kilogramm Tannenreisig, Tannzapfen, Zimtstangen und getrockneten Orangen!















Der künstliche Weihnachtsbaum















Lichterketten und Holzbänke

Nächtliches Gedränge am Check-In
Und gestern Abend eben haben wir Andrea’s Geburtstag gefeiert. Den letzten vor der grossen Wende...
Im Hotel Shangri-La, das so herrlich nahe an unserem Compound liegt, staufrei zu erreichen ist und einen fantastischen Blick auf die Sheikh Zayed-Moschee bietet. Sogar Chris, Tim, Linda und Nina kommen mit, wenn auch die vier älteren das immer wieder faszinierende Buffett in rascher Abfolge abgrasen, um vor dem Start des Genfer-Fluges noch einmal ihre Freunde in der Stadt treffen zu können. Das ambitiöse Unternehmen gelingt, für einmal finden sie problemlos ein Taxi und kurz vor Mitternacht sitzen die vier wieder bei uns am Tisch.















Geburtstagsimpressionen















Nächtlicher Blick auf die "Sheikh Zayed Mosque"

Dann fahre ich meinen Bruder Urs und Chris an den Flughafen. Tim und Linda begleiten uns. Als wir dort eintreffen, herrscht ein Riesenchaos. Um diese Zeit starten die meisten Flüge. Das neue Terminal ist noch immer nicht betriebsbereit. Bereits vor der ersten Security-Kontrolle müssen wir uns in eine endlose Schlange einreihen. Bei den Check-In Schaltern sieht es nicht viel besser aus. Die Leute drängen, viele sind nervös, einige agressiv. Üse steht die Ungeduld ins gebräunte Gesicht geschrieben und er meint, bei solchen Zuständen wäre die Erholung der vergangenen Tage bald verflogen. Glücklicherweise wird es nicht gar so schlimm und die Maschine hebt ab, bevor die Nerven völlig blank liegen.
Am nächsten Morgen – ich habe mich kaum aus den Federn gekämpft – zwitschert mein Handy: Es ist mein Buder, der nach durchflogener Nacht bereits im Zug nach Zürich sitzt. Mein Tag hat eben erst begonnen. Noch immer kämpfe ich mit den Vorbereitungen für meinen Simulator-Check der nächsten Woche. Warum müssen es diesmal auch gleich drei Übungen sein.
In zwei Tagen werden Andrea und Toni in die Schweiz fliegen. Und in einer Woche erwarten wir den nächsten Besuch.

Wednesday, November 26, 2008

Eine Bootsfahrt...

In den vergangenen Tagen erreichten uns zahlreiche Mails, die, ähnlich wie helvetische Bäume unter den Schneemassen, unter der Last pixelreicher Attachments beinahe kollabierten. Sie berichteten von romantischen Spaziergängen in traumhaften Winterlandschaften.

Uns sind hier in Abu Dhabi andere Freuden vergönnt – beispielsweise eine Bootsfahrt auf arabischen Gewässern. Das Element Wasser bleibt das gleiche, jedoch bei verändertem Aggregatszustand. Abgesehen davon erweisen sich solche Ausflüge immer wieder als angenehme Abwechslung zu den eher zähen Vorbereitungen auf meine Anfangs nächster Woche anstehenden Simulator-Übungen, inklusive -Check.

Und deshalb erlaube ich mir an dieser Stelle - im Sinne eines Erlebnisaustausches, wie auch einer Flucht aus der "Lern-Folterkammer" - eine Bilderreihe unseres letzten Wasserausflugs zu zeigen: Zusammen mit unseren Besuchern Toni, Andrea, Urs und dessen Sohn Chris sind wir in See gestochen, ausgerüstet mit Sandwiches, Früchten und nicht alkoholischen Getränken. Lufttemperatur 29 Grad, das Wasser war mit rund 24 Grad doch etwas kühler...


































































































































































































































Monday, November 24, 2008

Ein Bergsteiger bin ich nicht

Ich habe ihn bereits vorbereitet: den Beitrag über mein „Kathmandu-Training“. Es wäre für Aviatik Fans ein Leckerbissen geworden. Zweifelsohne. Denn der Anflug in die nepalesische Stadt am Fusse des Himalaja stellt ausserordentliche Anforderungen. Während auf „normalen“ Flughäfen die Piste mit einem Anflugwinkel von 3 Grad angepeilt wird, geschieht dies in Kathmandu phasenweise mit 5.8 Grad! Dass solche Werte eines jeden Piloten Schweissproduktion zusätzlich anregen, dürfte demzufolge verständlich sein. Anflug, Landung und Start werden ausschliesslich vom Kapitän geflogen. Doch bevor dieser die Gelegenheit dazu erhält, ist Training angesagt: Eine Einheit im Simulator, eine Streckeneinführung auf dem "Jump Seat" und anschliessend ein „Checkflug“ am Sidestick mit einem überwachenden Instruktor auf dem rechten Sitz.

Bereits zwei Mal habe ich Anlauf genommen. Und zwei Mal bin ich kläglich gescheitert. Nicht einmal bis in den Simulator habe ich es geschafft, und ich muss mir angesichts dieses trostlosen Resultates ernsthaft die Frage stellen, ob hier höhere Mächte ihre spirituellen Hände im Spiel haben. Die erste Übung wurde einen Tag vorher kurzfristig annuliert. Gerüchteweise habe ich vernommen, dass technische Probleme mit dem Simulator dafür verantwortlich waren.
Beim zweiten Versuch bin ich zumindest etwas weiter Richtung erstes Basislager am Fusse des Mount Everest vorgedrungen; bis in die Training Academy nämlich.
Infolge der zusätzlich gebotenen Chance überdurchschnittlich vorbereitet, erscheine ich an besagtem Tag kurz vor elf Uhr im Aufenthaltsraum (Pilots Lounge) des Trainingsgebäudes. Etihad-Piloten absolvieren ihr gesamtes Ground Training, also auch die Übungen im Simulator, in Uniform. Auf diese Weise wird geschickt verhindert, dass durch allzu lockere Kleidung der Fokus aufs Wesentliche verlorengeht. Ich plaudere unbeschwert mit Kollegen, trinke Kaffee und werfe zwischendurch einen Blick in die diversen Briefingräume. Doch ich finde keinen meiner heutigen Trainings-Partner. Also warte ich weiter. Wie bereits früher angekündigt, fördern längere Aufenthalte im Arabischen Raum die Gelassenheit in solchen Momenten und noch bin ich in keinster Weise beunruhigt.

Als dann aber auch 20 Minuten nach offiziellem Briefing-Beginn noch immer keine Seele zugegen ist, beginne ich stutzig zu werden. Zu weiteren Abklärungszwecken begebe ich mich in die höher gelegenen Räumlichkeiten, in denen Chef-Instruktoren ihre hinterhältigen Fantasien ausleben und immer kompliziertere und gemeinere Simulator-Szenarien entwerfen. Hier arbeiten auch die netten Damen der Planung, und an eben eine solche wende ich mich in meiner unklaren Lage. Ob sie etwas über meine Kathmandu-Übung wisse, erkundige ich mich. Worauf sie in einer Ansammlung von Blättern zu wühlen beginnt, gezielt eines herauspickt und mir dann ohne mit der Wimper zu zucken mitteilt, dass diese „Session“ bereits um 08.30 Uhr begonnen hätte. Ein Strohhalm bleibt noch, und so frage ich: „But you’re talking about UTC-times, am I right...?“ Doch der Halm knickt rasch ein und ich bin nicht „right“ – die Zeiten sind lokal, was nichts anderes heisst, als dass ich mindestens drei Stunden zu spät bin.

Jetzt geht es nur noch um den Selbstschutz. Ich fordere die Planerin auf, die Angaben im Computer zu überprüfen, insbesondere die Zeiten in meinem elektronischen Einsatz. Glücklicherweise bleibt ihr nichts anderes als die Erkenntnis, dass offenbar die Kollegen vom Crew Control verpasst haben, meinen „Roster“ entsprechend zu aktualisieren. So wasche ich denn meine Hände in sandiger Unschuld. Ich fliege zwar immer noch nicht zum Himalaja, doch damit kann ich problemlos leben. Und was die verpassten Simulatorstunden anbelangt, so kommen ebenfalls keine Ressentiments auf: Anfangs Dezember nämlich sind „Recurrent Training“ und „Operators Proficiency Check“ angesagt. Und da werde ich mit Sicherheit voll auf meine Kosten kommen.

Aber ein Bergsteiger bin ich nun eben einmal nicht.

Wednesday, November 12, 2008

Von Sydney bis Yerevan

Der Flug nach Sydney macht weniger Probleme als die gestrige Fahrt mit der „Lady Ann“. Für den Namen unseres Bootes kann ich keine Verantwortung übernehmen, für die technischen Unzulänglichkeiten, die uns anfänglich wiederfuhren, schon eher. Doch das Schöne an der Macht ist die Willkür. Und weil zumindest die „Macht der Wahrnehmung“ in der Hand der Schreibenden liegt, verzichte ich an dieser Stelle ganz willkürlich auf eine detaillierte Schilderung der Ereignisse auf Abu Dhabis Wassern.

Schwenken wir also zurück zum Flug nach „Down Under“.
Der Anfang harzt: Die Kabinenchefin bleibt im Morgenverkehr stecken und checkt fünf Minuten zu spät ein. Die Verantwortlichen vom Crew Control streichen die Dame kurzerhand von der Besatzungsliste und machen daraus - so will es die Regelung - einen Disziplinarfall. Eine Reserve wird aufgeboten, das Problem ist nur – so befürchte ich – dass sie wohl kaum in absehbarer Zeit am Flughafen eintreffen wird. Deshalb versuche ich Crew Control und „Flight Duty Officer“ zu überzeugen, die ursprüngliche „Cabin Managerin“ nicht ihrer Pflicht zu entheben. Das erweist sich allerdings als kein einfaches Unterfangen. Nach langen Diskussionen lassen sich Hardliner erweichen und Skeptiker umstimmen. Wir haben zwar mindestens eine Viertelstunde verloren, aber alles ist wieder „back to normal“.
Leider hat an gewissen Tagen die Normalität kurze Beine. Kürzere als Lügen. Wenige Minuten nach dem Start reisst uns ein Bimmeln des Warncomputers aus der Routine: Eines der beiden Aggregate unserer Klimaanlage überhitzt und meldet sich ab. Soweit kein Grund zur Beunruhigung. Wir arbeiten die kurze Checkliste durch und hoffen, die Sache sei damit erledigt. Dem ist leider nicht so. Nach zehn Minuten bimmelt es wieder. Auf dem System-Display präsentiert sich dasselbe Bild wie vorher. Wir gehen einen Schritt weiter und entscheiden uns zu einem „Reset“ der entsprechenden Komponente. Doch nach einer weiteren Viertelstunde sind wir abermals mit der gleichen Warnung konfrontiert. Da Fluggeräte der heutigen Zeit mit Satelliten-Telephonen ausgerüstet sind, rufen wir unsere „Maintenance“ in Abu Dhabi an. Die Experten sind zwar auch nicht in der Lage, den Defekt zu beheben, doch immerhin schaffen wir es mit ihrer Hilfe, die Klimaanlage in einem Modus zu nutzen, der einen problemlosen Weiterflug – und ein Steigen auf die ursprünglich geplante Reiseflughöhe – zulässt.

Schaumiges
Nach der Ankunft im frühsommerlichen Sydney, nach einigen Stunden Schlaf und einer 90-minütigen Massage begebe ich mich, mein Buch unter den Arm geklemmt, in den nahe gelegenen Starbucks. Ich bestelle einen Caramel Macchiato und setze mich an eines der kleinen runden Holztischchen. Ich öffne den Deckel meines Kaffeebechers und bin begeistert ob der Konsistenz des Schaumes. Darauf kommt es nämlich an. Guter Kaffee zeichnet sich in erster Linie durch seinen Geschmack und die Dichte des „Schäumchens“ aus. Zumindest für mich. An dritter Stelle erst kommt die Werbung und damit die Erkenntnis, dass auch der Platz an „Mister George Clooney’s“ Seite nur über eben dieses „Schäumchen“ führt.
Mit dem, Kaffeehäusern oben genannter Marke eigenen Holzstäbchen, das mich übrigens immer wieder an dieses „Spachtel“-ähnliche Teil erinnert, das einem der Arzt bei der Untersuchung in den Rachen stösst, beginne ich, den Schaum Schicht um Schicht abzuarbeiten. Derweil lese ich mit Spannung, wie sich der übermüdete Wallander unaufhörlich näher an den diesmal überaus brutalen Mörder tastet. Ich lese so eifrig wie ich Kaffee trinke, und weil der Barristo heute einen so fantastischen Schaum hinkriegt, hole ich mir wenig später einen weiteren Becher. Es ist kurz vor 1800 Uhr, als ich ins Hotel zurückkehre. In einer halben Stunde haben wir uns fürs Nachtessen verabredet.

Kalbshaxen und Oberkrainer
In der Lobby treffe ich auf einen der beiden Copis sowie auf ein Flight Attendant. Beide haben Lust auf Schweinefleisch, das in Abu Dhabi nicht sehr freizügig angeboten wird. Da drängt sich der „Lowenbrau“-Keller in unmittelbarer Nähe des Hotels auf. Ein von Deutschen nach deutscher Art geführtes Lokal, zu dessen Spezialitäten natürlich auch die Schweinshaxen gehören. Bis anhin habe ich mich stets geweigert, nach 14 Stunden Flug ein Restaurant zu besuchen, das ich – im ähnlichen Stil zumindest – von unserem Schweizer Domizil in Stadel in 15 Auto-Minuten erreicht hätte. Heute gebe ich mich für einmal geschlagen. Doch bereits beim Klang des „Oberkrainer-Duplikats“ bereue ich meine Charakterschwäche. Die langen Holzbänke vermitteln Skihütten-Atmosphäre, und das deutsch unterlegte Englisch der Kellnerin im schwarzen Dirndl rundet das Bild perfekt ab. Wir bestellen Löwenbräu, Schweinshaxen und Schweinsschnitzel. Auf die Bretzeln verzichten wir. Der Copi ist aus Sri Lanka, die Hostess aus Armenien. Beide sind begeistert ob der tollen, volkstümlichen Atmosphäre. Ich teile ihre Freude nicht im vollen Ausmass...
Während wir auf das Essen warten, beginnt das Flight Attendant, nennen wir sie Janina, zu erzählen. Die ersten fünf Lebensjahre verbrachte sie in Georgien, wo auch ihre Mutter geboren wurde. Anschliessend zog die junge Familie nach Moskau. Der Vater betrieb ein florierendes Unternehmen mit Mercedes-Ersatzteilen. Auch mit den Autos selber wurde gehandelt. Das Geschäft lief dermassen gut, dass irgendwann die lokale Mafia die Ohren zu spitzen begann. Der Vater weigerte sich zu zahlen, bis eines Tages Janinas Bruder und ein Onkel verschwanden. Erst als die Gelder flossen, tauchten die beiden wieder auf. Doch die Angst blieb, und schliesslich liess der Vater erneut die Koffer packen. Janina erzählt, als wäre dies völlig selbstverständlich. Dazwischen bearbeitet sie unaufhörlich die Schweinshaxe auf ihrem Teller. Im Libanon baute sich die Familie eine neue Existenz auf. Der Vater fand eine Stelle bei der russischen Botschaft. Und weil die Eltern zwar Russisch und Armenisch, nicht aber Arabisch oder Französisch sprachen, war es jeweils Janina, gerade einmal zwölf Jahre alt, die mit ihren Schulkenntnissen immer wieder als Französisch-Dolmetscherin einspringen musste. Dann – im Jahre 2006 – als die Israeli ihre Raketen Richtung Beirut richteten, wurden die Zelte erneut abgebrochen. Die Eltern zog es nach Yerevan, der Hauptstadt Armeniens, wo sie noch heute leben. Derweil sich die Tochter nach Abu Dhabi absetzte und eine Anstellung bei der nationalen Airline der UAE fand.

Die Spannung ihrer Geschichte und die Grösse der gereichten Speisen halten sich die Waage. Der Copi und ich lauschen gespannt, stellen immer wieder Zwischenfragen. Schweinshaxen und Schnitzel sind auch nach einer Viertelstunde immer noch so gross wie die volle Portion eines gutbürgerlichen Restaurants im zentraleuropäischen Raum. Was letztlich auch an den überdimensionierten Fleischbrocken des Hauses liegt. Doch wir geben nicht auf. Angefeuert von der Blaskapelle kämpfen wir tapfer weiter, quer über den Teller, vom einen Rand zum anderen.
Auf den angebotenen Schnaps verzichten wir allerdings. Auch wenn das vielleicht die einzig richtige Massnahme zur Förderung einer erträglichen Verdauung gewesen wäre. Die Klänge der Tuba und der Posaune hallen noch lange in meinen Ohren. Begleitet vom dumpfen Rumoren meines überforderten gastroenterologischen Innenlebens verfolgen sie mich bis in meine tiefsten Träume. Immerhin bleibe ich von der russischen Mafia verschont.

Saturday, November 08, 2008

Schuleinweihung in Bildern

Mit der dem Morgenland eigenen Grosszügigkeit in Sachen "Timing" liefern wir erst jetzt die Bilder zum vorherigen Blogeintrag.
Eindrücke eines besonderen Festtages, der tanzende und Einrad fahrende Kinder auf die Bühne brachte, und der den deutschen Aussenminister bunte Luftballons aufsteigen liess. Nicht 99 waren es, sondern einige mehr. Schon bald nach ihrem Start verkümmerten sie zu winzigen Punkten, um sich wenig später im kräftigen Blau des wolkenlosen Himmels vollständig aufzulösen.















Grosszügiger Innenhof der neuen Schule














Begrüssung der Ehrengäste














Warten in der Bücherei...














Endlich tauchen die illustren Gäste auf













Aufgeräumtes Bücherei-Team













Lesen mit dem Aussenminister














Warten...














Akrobatik














(Noch) jungfräuliches Buffet













Die Luftballons vor dem Aufstieg...
















...die Reise kann beginnen

Saturday, November 01, 2008

Schuleinweihung und Kappadokien

Der November hat begonnen, die Temperaturen in Abu Dhabi sinken auf angenehmere Werte. Und mit den abnehmenden Hitzeeinheiten steigt die Anzahl unserer Besucher. Die Wintermonate, oder einen Teil davon in den Emiraten verbringen zu können, ist ein Privileg. T-Shirt statt Daunenjacke. Laue „Winter“-Abende im Freien, dazu Gegrilltes und Rotwein, abgerundet mit Zigarre oder – wie’s der lokalen Tradition entspricht – Shisha.

Verständlich also, dass es manch unterkühlte Schweizer Seele in die Wüste zieht. Vor wenigen Tagen sind Franziskas Eltern bei uns eingetroffen. Sie werden bis Mitte November bleiben, dann räumen sie das Gästezimmer für meinen Bruder und einen seiner beiden Söhne. Eine Woche später bereits, noch vor der Abreise meines Bruders, erwarten wir auch Toni und Andrea, unsere „ex Nachbarn“ im Ruhestand. Und zum Abschluss beehren uns zwei besondere Gäste: unser „Hochzeitspfarrer“ und seine Frau. Just zu unserem 20-jährigen Ehejubiläum machen die beiden auf der Rückreise von Australien Zwischenhalt im Al Qurm Compound. Der Talar hängt allerdings bereits seit langer Zeit am ominösen Nagel. Heute amtet der ehemalige Pfarrer als Direktor der Strafanstalt Thorberg. Und da können einige Tage Erholung in den Emiraten sicher nicht schaden...
Bei Toni und Andrea könnte man von Missbrauch im klassischen Sinne sprechen, haben die beiden doch den wichtigen Auftrag, eine Kofferladung „Tannenreisig“ und Lebkuchen für den Weihnachtsmarkt der Deutschen Schule anzuliefern. Franziska steckt zusammen mit dem Festkomitee bereits knöcheltief in den Fest-Vorbereitungen. Zum ersten Mal wird der stimmige Anlass in der neuen Schulanlage durchgeführt. Und da die Schule die Gebäulichkeiten von der lokalen Regierung gratis zur Verfügung gestellt erhält, verpflichten Anstand und Dankbarkeit zur Einhaltung strengerer Vorschriften. Auf Alkohol-Ausschank beispielsweise, wird verzichtet. Was nicht alle frohlocken lässt.

Obwohl die Kinder bereits seit Anfangs September in den neuen Räumlichkeiten unterrichtet werden, findet die offizielle Eröffnung erst dieser Tage statt. Am vergangenen Mittwoch, um 15.30 Uhr, sitzen Kinder, Eltern und weitere Gäste gespannt in der stimmungsvoll geschmückten Turnhalle des neuen Schulhauses. Mit der, solch gewichtigen Delegationen eigenen Verzögerung marschieren der deutsche Aussenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier und sein emiratischer Amtskollege Sheikh Abdullah bin Zayed Al Nahyan schliesslich über den faltenlos ausgelegten roten Teppich. Dann lassen sie sich unter stürmischem Beifall auf ihre Plätze in der ersten Reihe geleiten. Blitzlichter machen ihrem Namen Ehre und blitzen um die Wette, während schwitzende Kameramänner mit ihren gebuckelten Arbeitsgeräten durch die Gänge hetzen. Die Feier ist würdig, ausgewogen und in der Länge sogar erträglich. Wessen Lebensgeister dennoch eingeschlummert sind, dem verleiht das Buffet neue Energien. Und wären da im Vorfeld nicht dummerweise einige Steuermillionen dissidenter Bundesdeutscher ins vermaledeite Helvetien abgeflossen, die dargebotenen Speisen hätten mit Sicherheit gar noch den einen oder anderen hungrigen Gaumen mehr stopfen können. Der politisch arg kritisierte Gelderfluss vermag zumindest moralisch dafür ein bisschen zu kompensieren, dass die (Schweizer) Leiterin der (Deutschen) Schulbücherei ihre Arbeit gratis und franko verrichtet. Dass es sich dabei um meine Frau handelt, ist reiner Zufall.

Kappadokien
(Vorläufig) Keine Probleme mit der Schweizer Steuerverordnung haben die Amerikaner. Dafür müssen sie einen neuen Präsidenten wählen, was angesichts der in den amerikanischen Stimmlokalen vorhandenen Infrastrukturen auch keine einfache Aufgabe ist. Die sind mindestens so aus der Mode gekommen wie der eine der beiden Kandidaten.
US-Wahlpolemik wird in Abu Dhabi wenig betrieben. Auch an der „American Community School“. Schon gar nicht in den Klassen der „Middle School“ – dazu gehören die „Grades“ sechs bis acht. Diese sind dafür, im Rahmen der Mission „Week without walls“, zu Reisen ins Ausland aufgebrochen. Sämtliche SiebtklässlerInnen, zu denen auch Nina gehört, verbringen die ganze Woche in der Türkei, und zwar im Südanatolischen Kappadokien, das wegen seiner aus dem weichen Tuff herausgehauenen Höhlenkirchen und wegen der unterirdischen Städte Touristen aus der ganzen Welt ins Land bringt.


















Der Trip verspricht Aufregung und Spannung. Allein die Hinreise ist aussergewöhnlich: Um 0230 Uhr, mitten in der Nacht, besammeln sich die rund 80 Kinder vor der Schule. Dort starten sie zur ersten Etappe mit dem Bus nach Dubai. Der Abflug mit Turkish Airlines erfolgt am frühen Morgen. Nach der Landung in Istanbul ist warten angesagt. Nach fünf Stunden geht es auf dem Luftweg weiter nach Kayseri. Das letzte Teilstück wird wieder gefahren. Dann endlich, um 1800 Uhr Lokalzeit (1900 Uhr Abu Dhabi), treffen die Kinder im Hotel in Goreme ein. Nina scheint es zu gefallen. Sie schickt ein SMS mit folgendem Wortlaut: „Just arrived in the hotel... we have the biggest room!! The weather reminds me of Switzerland… Kinda cold but ok! Cu love u!

Friday, October 24, 2008

Driving through the desert

Friday morning, 7.30am. Weekend. Empty streets. However three SUV’s driving through the desert; on their way to an Icehockey game in Al Ain. Reddish brown sand and nothing else than sand. Occasionally a single tree, now and then a few camels strolling between the dunes.

Unique aura of piece, breathtaking moments.

Unfortunately Tim and I didn’t take the camera with us, so we had to get by with my mobile.

Pictures of an early morning ride…






























Friday, October 17, 2008

Probleme

New York Flüge bei Etihad beginnen mitten in der Nacht. Eingecheckt wird dann, wenn anständige Leute sich unter die Bettdecke verziehen: um 0020 Uhr. Da gilt es, den Tag vernünftig einzuteilen, was auch immer mann oder frau darunter versteht. Entscheidend ist mitunter die Tatsache, ob bei der nächtlichen Mission zuerst Cockpit oder Crewbunk angesagt ist. Persönlich bevorzuge ich die zweite Variante, erlaubt sie doch gleichsam eine Tagesplanung ohne mühsame „Vorschlaf“-Versuche, die in der Regel eh meist in Frust und Verzweiflung enden.

Internet-Probleme
Bei meinem dieser Tage absolvierten New York-Flug geniesse ich zwar das Privileg des „Erst-Schicht-Schlafes“, dafür gibts Ärger ennet des grossen Wassers. Nach der Ankunft im Hotel stürzt sich unsere Besatzung wie immer gleich auf das Frühstücksbuffet. Denn dieses ist gratis – übrigens nicht nur für Mitglieder der Besatzung, sondern für sämtliche Gäste des Hauses. Ländliche Grosszügigkeit im beinahe idyllisch anmutenden Garden City, von wo aus Charles Lindbergh im Jahre 1927 zu seiner Nordatlantiküberquerung startete. Das Angebot ist zwar nicht üppig, doch nach stundenlangem Nachtflug über Wüste, Gebirge und Ozean sind hart gekochte Eier, Bagels, Muffins und frisch gebackene Waffeln mit Ahornsirup vor dem Schlafengehen eine willkommene Bereicherung.
Im für Kapitäne besonders geräumigen Zimmer angelangt, entledige ich mich der Goldstreifen, dann mache ich mich sogleich an die Installation des Laptops zwecks Erstellung der Internet-Bereitschaft. Doch irgendwie will es nicht so richtig klappen mit dem Einloggen ins „World Wide Web“. Zwar komme ich bis zur Login-Seite des Hotels, dann aber ist Schluss. Auf all meine verzweifelten Versuche kontert der Computer mit einem emotionslosen „This webpage cannot be displayed“. Doch so schnell gebe ich mich – mittlerweile besessen vom Ehrgeiz, diese technische Hürde zu meistern – nicht geschlagen. In der Folge dringe ich immer tiefer in die Eingeweide meines sonst so verlässlichen Laptops. Doch sämtliche „Microsoft-Hilfsprogramme“ nützen nichts und ich komme zur niederschmetternden Einsicht, dass in diesem Fall – zumindest mit meinen Kenntnissen – nichts auszurichten ist. Ärgerlich, nicht zuletzt deswegen, weil ich mir in dieser Situation eingestehen muss, dass ich nicht nur eine Computer-Niete, sondern auch ein Computer-Addict bin.

ATM-Probleme
Irgendwann, einige Stunden (!) und fehlgeschlagene Login-Versuche später, verschiebe ich mich in die Lobby, wo der Besatzung zwei hauseigene Computer-Terminals zur Verfügung stehen. Im gleichen Raum befindet sich ein Geldbezugsautomat. Praktisch, ist auf diese Weise doch stets für entsprechenden Bargeldnachschub gesorgt. Nachdem ich meine Internet-Gelüste befriedigt habe, klaube ich die ATM-Karte aus dem Portemmonnaie und versuche, dem Kasten einige Dollarscheine zu entlocken. Doch auch hier muss ich einen herben Rückschlag einstecken. Statt Bargeld gibts unflätige Sprüche: „Transaction declined“. Ich versuche es ein zweites, dann ein drittes Mal. Vergebens, die Technik scheint mir heute nicht wohlgesinnt (oder etwa "wohlgesonnen"...?). Die weltweite Finanzkrise macht auch vor dem entlegensten Geldkasten nicht halt. Bei der Tankstelle gleich neben dem Hotel gibts einen anderen Automaten. Nichts wie hin. Gleiches Prozedere, gleicher Frust: die wollen mir kein Geld aushändigen. Ob es wohl an der kümmerlichen Performance meiner Pensionskassenfonds liegen mag...?
Wie auch immer. Ich gebe auf und mache mich auf den Rückweg. Kein Internet, kein Bargeld – da kann mir nur noch der Wallander helfen. Und für die Begleichung des Nachtessens bleibt mir immer noch die Kreditkarte.

Gepäck-Probleme
Ungeachtet dieses Ärgers schlafe ich nach Barbeque-Burger und einigen Gläsern „Samuel Adams“ herrlich und erwache am nächsten Morgen um fünf Uhr Lokalzeit – in Abu Dhabi zeigen die Uhren 1300 Uhr – gestärkt und guten Mutes. Wir erreichen den Flughafen wie immer viel zu früh und unsere Girls vertreiben sich die Zeit bis zur Flugvorbereitung mit Einkäufen in den diversen Dutyfree-Shops.
Später – wir sitzen bereits im Cockpit und wühlen uns durch (viel zu) dicke Papierstapel – steht plötzlich der Stations-Manager in der Führerkanzel: „We’ve got a small problem with the loading of the crew bags“, meint er, auf seinem von Natur gegeben breiten Gesicht ein noch breiteres Grinsen. In einem unserer Koffer wird ein vibrierendes Geräusch gortet, der Verlad verzögert sich. Da wir vor jedem Flug unsere Gepäcktag-Nummern auf einer Liste eintragen, kann leicht festgestellt werden, wem der Koffer gehört: Männlein oder Weiblein? Selbstverständlich wird heftig über die Ursache der geheimnisvollen Vibrationen spekuliert... Die Lösung ist weit weniger spektakulär als erhofft: Es handelt sich um die elektrische Reisezahnbürste unseres Kapitänskollegen. Bis zu seinem Eintreffen im Gepäcksortierkeller vibriert jedoch nichts mehr. Die Batterien haben den Geist aufgegeben.

Fuel-Probleme
Schliesslich sind wir bereit zum "Push back", dem Zurückstossen des Flugzeuges. Vorgängige Probleme mit der „Fuel-Anzeige“ haben wir planungsmässig abgedeckt. So, wie es in unseren Handbüchern vorgegeben ist. Just in diesem Moment, ich will gerade die Bremsen lösen, meldet sich einer unserer beiden „Fuel Control and Monitoring Computer“ ab. Dummerweise ist es die Nummer eins, ohne die wir nicht fliegen dürfen. Dreissig Sekunden später steigt auch die Nummer zwei aus. Damit fehlt uns die komplette Übersicht über Kerosinmenge, -transfer und Tankinhalt. Wir versuchen einen „Reset“, den wir selber im Cockpit ausführen können. Der Erfolg ist nur von kurzer Dauer, nach vier Minuten steigen beide Rechner wieder aus. Wir brauchen einen Mechaniker. Der Einfachheit halber kraxelt er via Bugfahrwerkschacht und dem direkt unter uns liegenden Elektronik-Compartment ins Cockpit. Wir öffnen die entsprechende Luke hinter meinem Sitz. Dann gibt es weitere „Resets“, „Rerackings“ sowie einen Austausch der beiden Computer. Als das auch nichts hilft, laden wir alle Passagiere, Handgepäck inklusive, wieder aus und machen das Flugzeug stromlos. Mittlerweile haben die Maintenance-Verantwortlichen in Abu Dhabi mit Airbus in Toulouse Kontakt aufgenommen und im Gegenzug Anweisungen für eine komplizierte Computer Reset-Abfolge erhalten. Wir Cockpitkollegen haben die Angelegenheit eigentlich bereits aufgegeben und diskutieren mit den Stationsvertretern den Rückzug ins Hotel. Ähnliches ist mir bereits vor einem Jahr wiederfahren: Damals war ich mit Toni unterwegs und wir konnten nach dem Start das Fahrwerk nicht einfahren. 60 Tonnen Sprit über dem Nordatlantik versprüht und wieder gelandet, dann waren wir drei Tage in New York blockiert.
Heute haben wir mehr Glück. Die Anweisungen des Herstellers zeigen Wirkung, zumindest der eine „FCMC“ scheint arbeitswillig. Nummer zwei weigert sich standhaft, doch damit können wir leben. Alle Passagiere werden zurückbeordert, das „Re-Boarding“ dauert lediglich 15 Minuten. Mit zwei Stunden und 50 Minuten Verspätung stossen wir den A340-500 vom Gate zurück. Der Flug verläuft problemlos, wir landen nach zwölf Stunden und sieben Minuten in Abu Dhabi, wo sich erst vor einer halben Stunde der dichte Morgennebel verzogen hat. Dies bei einer gesamten "Dutytime" (Check-In bis Check-Out) der Besatzung von 17 Stunden und 39 Minuten! Ein neuer persönlicher Rekord.

Thursday, October 09, 2008

Morgenstau

Träge und schwerfällig rollt die Blechlawine auf dem vierspurigen Highway Richtung Stadt. Stossstange reiht sich an Stossstange. Neben mir sitzt Linda, noch etwas verschlafen und geistesabwesend. In der rechten Ohrmuschel den Kopfhörer ihres hellblauen iPods, das linke Ohr hält sie anstandshalber frei, um auf allfällige Fragen oder Kommentare des Vaters reagieren zu können.

Gestern – etwa um die gleiche Zeit – kam ich von einem bei Besatzungen nicht sehr beliebten „Nacht-Beirut-Turnaround“ zurück. "Check-in" um 23.25 Uhr Lokalzeit, Rückkehr in Abu Dhabi am folgenden Morgen kurz vor neun. Dazwischen der Reiseflug über den Inselstaat Bahrain und über Saudi Arabien. Irgendwann höre ich "SWISS two two nine" am Funk, wenig später auch "SWISS two four three" Für einen kurzen Moment überlege ich, ob ich die Kollegen auf der zweiten Funkbox aufrufen soll. Auf einen kurzen Schwatz zu nächtlicher Stunde. Ich lasse es aber bleiben, die Stimmen klingen unbekannt. Im Sinkflug passieren wir das langgestreckte Libanon-Gebirge, dessen höchster Gipfel “Karnat as Sauda“ 3000 Meter hoch ist. Auch in der Dunkelheit der Nacht ist die feine Silhouette des Gebirgszugs am Horizont deutlich erkennbar. Das Gelände verlangt nach entsprechenden Höhenrestriktionen und einem steilen Sinkflug. Der „Final Approach“ schliesslich verläuft über dem Meer und führt uns präzise zum Aufsetzpunkt der Piste 16. Die libanesische Hauptstadt an der Levanteküste, politisch und wirtschaftlich über Jahre gebeutelt, erinnert mich wegen ihrer bewaldeten Hügellandschaft an meinen angestrebten Alterssitz Lugano. Sie wirkt bei unserer Landung ebenso verschlafen wie Linda im Beifahrersitz unseres Zweitwagens.

Und während die Tochter still mit der morgendlichen Müdigkeit kämpft, führt Abu Dhabi einen ähnlich harten Kampf mit zunehmenden Verkehrsströmen. Jährlich, vermutlich sogar monatlich fluten neue Arbeitskräfte die Stadt. Die Wirtschaftsturbulenzen in Europa, so versichert mir kürzlich ein Insider, würden den Zustrom noch massiv verstärken. Denn hier, wo Milch und Dattel-Honig fliessen, wird munter weiter gewachsen.
Noch vor zwei Jahren, zum Zeitpunkt unserer Ankunft, präsentierten sich die Strassen weniger befahren. Heute mehren sich Stausituationen. Die Betonstreifen werden zwar verbreitert und in der Linienführung optimiert, doch auch diese Anpassungen vermögen die Folgen der Einwandererströme kaum zu kompensieren.
Genauso wie sich die Verhältnisse auf den Strassen ändern, wird auch mein Oktober-Einsatzplan von den verantwortlichen Stellen mehrfach umgebaut. In der Folge fliege ich sehr wenig, derweil Büro- und Standby-Tage in der Überzahl sind. Gerade mal drei Flüge – Dammam, Beirut und eine Ultra-Langstrecke nach New York – überleben die Änderungen. Damit ihr mich nicht falsch versteht: Beklagen will ich mich keinesfalls! Wenig Zeitverschiebung, regelmässig schlafen und nur ein Nachtflug. Ausserdem werden die Temperaturen hier in Abu Dhabi mit jedem Tag angenehmer. Aufenthalte im Freien sind nicht mehr zwingend mit mehrfachem Tenuwechsel wegen Schweisstreiberei verbunden.

Von solchen und ähnlichen Gedanken getragen, lässt sich auch der lange Nachtflug in den Libanon leichter ertragen. Ausserdem sind wir zu dritt im Cockpit. Nicht etwa, weil der Flug so lange dauert und uns die Besatzungsplanung ein zusätzliches Nickerstündchen gönnen würde. Der Copi, ein Neuseeländer, wurde soeben vom A330 auf den A340 quergeschult und hat heute seinen „Final check“. In früheren Jahren, so teilt er mir während der Planung mit, ist er für Moritz Suter geflogen: Saab 2000 und später Embraer 145. Er ist mir trotzdem auf Anhieb sympathisch.
Auf dem dritten Sitz fliegt ein Österreicher mit. Immer wieder verfallen wir in die Deutsche Sprache. So angenehm und praktisch wie unanständig. Der Copi ignorierts, arbeitet vorbildlich und gibt sich jede erdenkliche Mühe. Wir fliegen den A340-300. Etihad operiert lediglich eine einzige Maschine dieses Typs. Im Gegensatz zu den 500er und 600er Typen hat die „EYC“ schon einige Jährchen auf dem Buckel und ist immer wieder mal für eine Überraschung gut. Heute Nacht hält sich die reife Dame (oder sind Airbus-Maschinen männlich?) allerdings erstaunlich tapfer. Keine Lampe, die ungewollt aufleuchtet, kein akkustisches Signal, das uns aus der nächtlichen Ruhe reissen würde. Die Nacht über Syrien und dem Libanon ist sternenklar. Wir lassen das hell erleuchtete Damaskus rechts liegen, während wir auf der linken Seite bereits den Lichterschein von Beirut erkennen. Der Anflug verläuft problemlos, die Landung ebenso.

Auf dem Rückflug blendet uns bereits die aufgehende Sonne wieder. Die Sonnenblende vermag ihrem Namen nicht vollumfänglich gerecht zu werden. Eine Realität, an die sich alle Piloten - ungeachtet des Flugzeugtyps - früher oder später gewöhnen müssen. Sie behelfen sich mit Zeitungen oder anderem Papier, das – über die Jahre geübt – zwischen Cockpitscheibe und Blendvorrichtung geklemmt wird. Bei unserer Landung in Abu Dhabi steht die gleissende Diva schon zu hoch am Himmel, als dass sie uns noch stören würde. Wir setzen auf und rollen zum Abstellplatz. Triebwerke abstellen, Anflugkarten einordnen und dann nichts wie aus dem Flugzeug. Die Augen brennen, der Geist ist träge. Wie ich mich auf der Autobahn der Stadt nähere, nimmt der Verkehr zu. Die Ampel vor unserem Compound wechselt in kurzen Intervallen. Auch das, so meine ich zu glauben, ging vor zwei Jahren wesentlich schneller. Ärgerlicher Morgenstau.