Friday, November 20, 2009

Von Motoren und Schweizer Uhren

Zum Teufel mit der terrestrischen Antriebstechnik!

Es muss sich um eine Verschwörung handeln. Beinahe gleichzeitig geraten die Antriebsaggregate meines erst vierjährigen C-Klasse Mercedes und des zwei Jahre jüngeren Bootes ins Stottern. „Unnötiger Luxus – selber schuld!“ Ich hör sie schon, die kritischen (teuflischen) Stimmen. Dabei handelt es sich gemäss Fachleuten bei ersterem um ein bescheidenes Modell mit „stierer Grundausrüstung“ (Originalzitat). Dennoch hätte ich in Sachen Zuverlässigkeit etwas mehr erwartet. Erst recht in Sachen Betreuung! Nachdem erst vor wenigen Wochen der Kompressor ersetzt werden musste (stiere Grundgebühr 4000 Franken plus Kosten für Mietwagen 500 Franken), hat sich jetzt der Alternator abgemeldet (1200 Franken). Und die Batterie gleich dazu (400 Franken). Die Mercedes-Leute parieren diese technischen Unzulänglichkeiten mit generöser Gelassenheit. Ihr kundenfreundliches Motto: „Pech gehabt. Kann Ihnen auch mit einem Neuwagen passieren – wenn’s dumm läuft...!“ Ich muss mir jede kleinste Unterstützung mühsam erkämpfen. Erst als ich entnervt bei jenem freundlichen Ägypter vorspreche, der mir seinerzeit das Auto verkauft hat, gelingt es mir, eine Preisreduktion von 30 Prozent durchzuboxen. Schliesslich darf von einer angeblichen Spitzenmarke erwartet werden, dass der Motor nicht bereits nach 70’000km in seine Einzelteile zerfällt. Grundausrüstung hin oder her.

Nicht viel erfreulicher präsentiert sich die Situation beim Wassergefährt. Erst vor wenigen Wochen erstanden, beginnt der Motor aus skandinavischer Manufaktur bereits zu schwächeln. Die Analyse ergibt ein Leck in der Wasserpumpe. Durch das austretende Wasser wird der Alternator beschädigt und in der Folge die Batterie übermässig strapaziert. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Die umfassenden Reparaturarbeiten sind eben erst angelaufen, familieninterne Schätzungen auf der nach oben offenen Kostenskala lassen mich im Moment (noch) kalt.
Offenbar lassen nicht nur die Deutschen nach. Man stelle sich einmal vor, Schweizer Uhrenhersteller würden vergleichbar unzuverlässige Produkte liefern. Die Welt geriete aus den Fugen: (Mercedes- und Volvo-)Manager würden ihre Meetings und Flüge verpassen, Politiker ihre Zielvorgaben. Ehen gingen in die Brüche wie die Mauer vor zwanzig Jahren. Denn ohne exakte Zeitangabe keine Planung, kein pünktliches „Date“, willkürliche Sieger beim Skirennen und hart gekochte Dreiminuten-Eier.

In Anbetracht von so viel Ärger kommt mir die vom Arbeitgeber gebotene Fluchtmöglichkeit nach Melbourne gerade gelegen. Möglichst weit weg – ans andere Ende der Welt. Die Kabinenbesatzung ist so bunt gemischt wie der Inhalt einer Wundertüte: aus Frankreich, Holland, den Philippinen, Australien, China, Indien, dem Libanon, Luxemburg und Montenegro. Die Cockpitkollegen besitzen Pässe aus Kolumbien, Trinidad & Tobago sowie den Philippinen. Und für einmal bin ich nicht der Älteste...
Erfreulicherweise erfüllen die vier Rolls Royce-Triebwerke ihren Dienst zuverlässiger als die Motoren in Auto und Boot. Keine Aussetzer, keine Warnsignale, lediglich eine leicht erhöhte Temperaturanzeige der Triebwerksgondel während des Steigflugs. Wir schaffen es trotzdem bis nach Melbourne. Über viel Wasser und beinahe so viel Land. Unmengen von Kaffee und Tee trinkend, derweil um mächtige Gewittertürme kurvend.
Der Start am späten Abend erfolgt Richtung Nordwesten und führt uns direkt über die Formel 1-Strecke auf YAS-Island. Die Hotels der grosszügigen Anlage sind hell erleuchtet. Mir kommen Erinnerungen ans Rennen vom 1. November. Meine persönliche Formel 1-Premiere. Zusammen mit Mario, am Tag zuvor aus der Schweiz angereist, verfolge ich das Geschehen von der Tribüne aus. Überwältigt vom immensen Geheul und Dröhnen der Motoren, stopfen wir uns die beim Eingang verteilten Stöpsel in die Hörorgane. Die erste Passage des geschlossenen Fahrerfeldes nach dem Start ist beeindruckend. Doch bereits nach wenigen Runden haben wir den Überblick über den Rennverlauf verloren. Nicht weil wir nichts hören, sondern weil wir nicht in der Lage sind, die Namen auf den diversen Monitoren zu entziffern. Viel zu klein sind sie geschrieben. Die Ansagen des Speakers verhallen im Nichts. So tappen wir in Sachen Boxenstopps, Anzahl der noch zu fahrenden Runden und Rangliste im Dunkeln. Nur dank der grosszügigen Hilfe von Chris, der seines Zeichens im frostig-nebligen Zürcher Oberland den Grand-Prix am TV verfolgt und uns im Viertelstundentakt via SMS die Renndaten übermittelt, bleiben wir dran.
Was für eine verrückte Welt. Internet und Mobiltelephone überbrücken Zeit und Distanz und bieten Zugang zu einer unbegrenzten Informationsflut. Wie erfreulich einfach scheint mir da das unten abgebildete Verbotsschild. Gesichtet vor unserem Hotel in Melbourne. Klar, einfach, unmissverständlich: Auf der Treppe darf nicht geraucht werden! Wir haben lange nach dem Grund gesucht. Denn wir befinden uns hier im Freien, abseits jeglicher Wohn- oder Aufenthaltsräume. Wahrscheinlich handelt es sich um den fürsorglichen Versuch, rauchende Passanten vor einem Sturz zu bewahren. In diesem Sinne ist die Weisung als positiv zu werten. Glücklich, wer sich eines solchen Schutzes erfreut...


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