Monday, November 24, 2008

Ein Bergsteiger bin ich nicht

Ich habe ihn bereits vorbereitet: den Beitrag über mein „Kathmandu-Training“. Es wäre für Aviatik Fans ein Leckerbissen geworden. Zweifelsohne. Denn der Anflug in die nepalesische Stadt am Fusse des Himalaja stellt ausserordentliche Anforderungen. Während auf „normalen“ Flughäfen die Piste mit einem Anflugwinkel von 3 Grad angepeilt wird, geschieht dies in Kathmandu phasenweise mit 5.8 Grad! Dass solche Werte eines jeden Piloten Schweissproduktion zusätzlich anregen, dürfte demzufolge verständlich sein. Anflug, Landung und Start werden ausschliesslich vom Kapitän geflogen. Doch bevor dieser die Gelegenheit dazu erhält, ist Training angesagt: Eine Einheit im Simulator, eine Streckeneinführung auf dem "Jump Seat" und anschliessend ein „Checkflug“ am Sidestick mit einem überwachenden Instruktor auf dem rechten Sitz.

Bereits zwei Mal habe ich Anlauf genommen. Und zwei Mal bin ich kläglich gescheitert. Nicht einmal bis in den Simulator habe ich es geschafft, und ich muss mir angesichts dieses trostlosen Resultates ernsthaft die Frage stellen, ob hier höhere Mächte ihre spirituellen Hände im Spiel haben. Die erste Übung wurde einen Tag vorher kurzfristig annuliert. Gerüchteweise habe ich vernommen, dass technische Probleme mit dem Simulator dafür verantwortlich waren.
Beim zweiten Versuch bin ich zumindest etwas weiter Richtung erstes Basislager am Fusse des Mount Everest vorgedrungen; bis in die Training Academy nämlich.
Infolge der zusätzlich gebotenen Chance überdurchschnittlich vorbereitet, erscheine ich an besagtem Tag kurz vor elf Uhr im Aufenthaltsraum (Pilots Lounge) des Trainingsgebäudes. Etihad-Piloten absolvieren ihr gesamtes Ground Training, also auch die Übungen im Simulator, in Uniform. Auf diese Weise wird geschickt verhindert, dass durch allzu lockere Kleidung der Fokus aufs Wesentliche verlorengeht. Ich plaudere unbeschwert mit Kollegen, trinke Kaffee und werfe zwischendurch einen Blick in die diversen Briefingräume. Doch ich finde keinen meiner heutigen Trainings-Partner. Also warte ich weiter. Wie bereits früher angekündigt, fördern längere Aufenthalte im Arabischen Raum die Gelassenheit in solchen Momenten und noch bin ich in keinster Weise beunruhigt.

Als dann aber auch 20 Minuten nach offiziellem Briefing-Beginn noch immer keine Seele zugegen ist, beginne ich stutzig zu werden. Zu weiteren Abklärungszwecken begebe ich mich in die höher gelegenen Räumlichkeiten, in denen Chef-Instruktoren ihre hinterhältigen Fantasien ausleben und immer kompliziertere und gemeinere Simulator-Szenarien entwerfen. Hier arbeiten auch die netten Damen der Planung, und an eben eine solche wende ich mich in meiner unklaren Lage. Ob sie etwas über meine Kathmandu-Übung wisse, erkundige ich mich. Worauf sie in einer Ansammlung von Blättern zu wühlen beginnt, gezielt eines herauspickt und mir dann ohne mit der Wimper zu zucken mitteilt, dass diese „Session“ bereits um 08.30 Uhr begonnen hätte. Ein Strohhalm bleibt noch, und so frage ich: „But you’re talking about UTC-times, am I right...?“ Doch der Halm knickt rasch ein und ich bin nicht „right“ – die Zeiten sind lokal, was nichts anderes heisst, als dass ich mindestens drei Stunden zu spät bin.

Jetzt geht es nur noch um den Selbstschutz. Ich fordere die Planerin auf, die Angaben im Computer zu überprüfen, insbesondere die Zeiten in meinem elektronischen Einsatz. Glücklicherweise bleibt ihr nichts anderes als die Erkenntnis, dass offenbar die Kollegen vom Crew Control verpasst haben, meinen „Roster“ entsprechend zu aktualisieren. So wasche ich denn meine Hände in sandiger Unschuld. Ich fliege zwar immer noch nicht zum Himalaja, doch damit kann ich problemlos leben. Und was die verpassten Simulatorstunden anbelangt, so kommen ebenfalls keine Ressentiments auf: Anfangs Dezember nämlich sind „Recurrent Training“ und „Operators Proficiency Check“ angesagt. Und da werde ich mit Sicherheit voll auf meine Kosten kommen.

Aber ein Bergsteiger bin ich nun eben einmal nicht.

4 comments:

Anonymous said...

...weiss nicht, ob man Lugano mit Kathmandu vergleichen kann; oder das Himalaya Gebirge mit den Alpen.
Dennoch:
Gehe ich recht in der Annahme, dass der Anflugwinkel auf Lugano-Agno steiler ist als drei Grad?

Dide said...

Es kann absolut sein, dass der Anflug in Agno steiler ist, ich kenne die Werte nicht genau. Ein grosser Unterschied jedoch ist die Tatsache, dass in Kathmandu mit Grossraumflugzeugen vom Typ A330 angeflogen wird. Das aerodynamische Verhalten ist unterschiedlich, die Geschwindigkeit kann bei solchen Anflugwinkeln auch in Landekonfiguration nicht gehalten werden und nimmt zu.
Ausserdem schränkt in Kathmandu das Terrain stark ein. Im Falle eines technischen Defekts, speziell in Kombination mit schlechtem Wetter, führt dies blitzartig zu grossen Problemen.

Der Anflug in Agno ist mit Sicherheit auch kein "Zuckerschleck", die kleineren Flugzeuge und das etwas weniger störende Gelände lassen den Besatzungen aber etwas mehr Luft.

nff said...

Simulatorplanungen haben so ihre Tücken. Selbst im Land der Uhrenmacher und UBS-Retter können Pannen geschehen. So erschienen doch an einem sonnigen Tag tatsächlich einmal zwei Copiloten und ein Kapitän zu einem A330 Check.
Während die Copiloten, - beide mit vielen Enlargerstunden gesegnet -, dies als nicht beunruhigend taxierten, hyperventilierte der Instruktor gesundheitsbedrohlich.
Niemand von uns Copis hatte sich einen Fehler zu Schulden kommen lassen, denn wir waren tatsächlich beide auf diesen Termin geplant. So lösten wir das Problem "basisdemokratisch" mit Münzwurf. Ich gewann und konnte zwischen Check oder Freitag wählen.
Trotz Sonnenschein wählte ich die Uhrmacherlösung und betrat die Geisterbahn erhobenen Hauptes. Vielleicht unterscheiden wir uns in dieser Beziehung noch vom Wüstenstaat.

Gruss aus dem Schnee

Peter

Dide said...

In der Tat erstaunlich. Es muss sich wohl um ein biorhythmisches Hoch gehandelt haben, lieber NFF. Oder dann gehört dieses Erlebnis in deine pilotische "Sturm- und Drangzeit"...

Gruss