Saturday, November 01, 2008

Schuleinweihung und Kappadokien

Der November hat begonnen, die Temperaturen in Abu Dhabi sinken auf angenehmere Werte. Und mit den abnehmenden Hitzeeinheiten steigt die Anzahl unserer Besucher. Die Wintermonate, oder einen Teil davon in den Emiraten verbringen zu können, ist ein Privileg. T-Shirt statt Daunenjacke. Laue „Winter“-Abende im Freien, dazu Gegrilltes und Rotwein, abgerundet mit Zigarre oder – wie’s der lokalen Tradition entspricht – Shisha.

Verständlich also, dass es manch unterkühlte Schweizer Seele in die Wüste zieht. Vor wenigen Tagen sind Franziskas Eltern bei uns eingetroffen. Sie werden bis Mitte November bleiben, dann räumen sie das Gästezimmer für meinen Bruder und einen seiner beiden Söhne. Eine Woche später bereits, noch vor der Abreise meines Bruders, erwarten wir auch Toni und Andrea, unsere „ex Nachbarn“ im Ruhestand. Und zum Abschluss beehren uns zwei besondere Gäste: unser „Hochzeitspfarrer“ und seine Frau. Just zu unserem 20-jährigen Ehejubiläum machen die beiden auf der Rückreise von Australien Zwischenhalt im Al Qurm Compound. Der Talar hängt allerdings bereits seit langer Zeit am ominösen Nagel. Heute amtet der ehemalige Pfarrer als Direktor der Strafanstalt Thorberg. Und da können einige Tage Erholung in den Emiraten sicher nicht schaden...
Bei Toni und Andrea könnte man von Missbrauch im klassischen Sinne sprechen, haben die beiden doch den wichtigen Auftrag, eine Kofferladung „Tannenreisig“ und Lebkuchen für den Weihnachtsmarkt der Deutschen Schule anzuliefern. Franziska steckt zusammen mit dem Festkomitee bereits knöcheltief in den Fest-Vorbereitungen. Zum ersten Mal wird der stimmige Anlass in der neuen Schulanlage durchgeführt. Und da die Schule die Gebäulichkeiten von der lokalen Regierung gratis zur Verfügung gestellt erhält, verpflichten Anstand und Dankbarkeit zur Einhaltung strengerer Vorschriften. Auf Alkohol-Ausschank beispielsweise, wird verzichtet. Was nicht alle frohlocken lässt.

Obwohl die Kinder bereits seit Anfangs September in den neuen Räumlichkeiten unterrichtet werden, findet die offizielle Eröffnung erst dieser Tage statt. Am vergangenen Mittwoch, um 15.30 Uhr, sitzen Kinder, Eltern und weitere Gäste gespannt in der stimmungsvoll geschmückten Turnhalle des neuen Schulhauses. Mit der, solch gewichtigen Delegationen eigenen Verzögerung marschieren der deutsche Aussenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier und sein emiratischer Amtskollege Sheikh Abdullah bin Zayed Al Nahyan schliesslich über den faltenlos ausgelegten roten Teppich. Dann lassen sie sich unter stürmischem Beifall auf ihre Plätze in der ersten Reihe geleiten. Blitzlichter machen ihrem Namen Ehre und blitzen um die Wette, während schwitzende Kameramänner mit ihren gebuckelten Arbeitsgeräten durch die Gänge hetzen. Die Feier ist würdig, ausgewogen und in der Länge sogar erträglich. Wessen Lebensgeister dennoch eingeschlummert sind, dem verleiht das Buffet neue Energien. Und wären da im Vorfeld nicht dummerweise einige Steuermillionen dissidenter Bundesdeutscher ins vermaledeite Helvetien abgeflossen, die dargebotenen Speisen hätten mit Sicherheit gar noch den einen oder anderen hungrigen Gaumen mehr stopfen können. Der politisch arg kritisierte Gelderfluss vermag zumindest moralisch dafür ein bisschen zu kompensieren, dass die (Schweizer) Leiterin der (Deutschen) Schulbücherei ihre Arbeit gratis und franko verrichtet. Dass es sich dabei um meine Frau handelt, ist reiner Zufall.

Kappadokien
(Vorläufig) Keine Probleme mit der Schweizer Steuerverordnung haben die Amerikaner. Dafür müssen sie einen neuen Präsidenten wählen, was angesichts der in den amerikanischen Stimmlokalen vorhandenen Infrastrukturen auch keine einfache Aufgabe ist. Die sind mindestens so aus der Mode gekommen wie der eine der beiden Kandidaten.
US-Wahlpolemik wird in Abu Dhabi wenig betrieben. Auch an der „American Community School“. Schon gar nicht in den Klassen der „Middle School“ – dazu gehören die „Grades“ sechs bis acht. Diese sind dafür, im Rahmen der Mission „Week without walls“, zu Reisen ins Ausland aufgebrochen. Sämtliche SiebtklässlerInnen, zu denen auch Nina gehört, verbringen die ganze Woche in der Türkei, und zwar im Südanatolischen Kappadokien, das wegen seiner aus dem weichen Tuff herausgehauenen Höhlenkirchen und wegen der unterirdischen Städte Touristen aus der ganzen Welt ins Land bringt.


















Der Trip verspricht Aufregung und Spannung. Allein die Hinreise ist aussergewöhnlich: Um 0230 Uhr, mitten in der Nacht, besammeln sich die rund 80 Kinder vor der Schule. Dort starten sie zur ersten Etappe mit dem Bus nach Dubai. Der Abflug mit Turkish Airlines erfolgt am frühen Morgen. Nach der Landung in Istanbul ist warten angesagt. Nach fünf Stunden geht es auf dem Luftweg weiter nach Kayseri. Das letzte Teilstück wird wieder gefahren. Dann endlich, um 1800 Uhr Lokalzeit (1900 Uhr Abu Dhabi), treffen die Kinder im Hotel in Goreme ein. Nina scheint es zu gefallen. Sie schickt ein SMS mit folgendem Wortlaut: „Just arrived in the hotel... we have the biggest room!! The weather reminds me of Switzerland… Kinda cold but ok! Cu love u!

4 comments:

Anonymous said...

Hier kommt der unvermeidliche und obligate "Crowi" - ich kann es nicht lassen zu kommentieren, schon gar nicht hier,...aber dass der Dr. Frank-Walter, bzw. der Steinmeier zur offiziellen Eröffnung erschien, dessen gewichtigem Vortrag sie, Mr.Eppler, beizuwohnen die Ehre hatten: Das hat insofern zum ominösen Herrn Steinbrück gepasst, den sie in ihrem Beitrag zwar nicht namentlich erwähnen, aber "politisch geldfluss"-mässig andeuten.
Passen tut es auch insofern, als die beiden in ihrem SPD Club "Die Stones" genannt werden, wobei der eine in der Schweiz seinem Namen gerecht wurde und entsprechend "versteinerte" Mienen zurückliess.

Und sollte ich jemals in eine Strafanstalt eingewiesen werden: Ich würde "Thorberg" bevorzugen! Dass ein ehemaliger Pfarrer an so einem Ort als Direktor amtet, das ist mir neu, das scheint kein schlechtes Konzept zu sein - vielleicht läuft es dann nicht ganz so gnadenlos ab.

Und zum Schluss noch ein Hoch auf das unbezahlte, geldlose, unvergütete Ehrenamt, so wie es Ihre Frau ausübt, in der (Deutschen) Schulbücherei im Nahen Osten!

Dide said...

Lieber "crowi" - dieses Feedback lässt mich mehr als einmal schmunzeln und verleitet meine Frau gar zur Vermutung, dass eben dieser "crowi" sicher einen deutschen Pass hat...

Anonymous said...

Auslandschweizer inkl. Schweizerpass, lieber Herr Eppler -früher auch mal in der Nähe von Stadel wohnhaft...die Welt ist manchmal klein.
Steht noch immer dieser Aussichtsturm auf dem Stadlerberg? Man konnte von dort bei guter Witterung stets den Anflugverkehr nach Züri bestens verfolgen.
Bei schlechter Witterung wars oft auch faszinierend, nachts, weil ca. auf der Höhe von Stadel jeweils die Schweinwerfer der Flieger mit tastenden Lichtfingern aus der Wolkenuntergrenze auftauchten, was recht imposant anzusehen war.

Die Aviatik hat schon ihre aesthetischen Seiten.

Gruss
Crowi

Dide said...

Der Aussichtsturm steht immer noch, und auch die Flugzeuge fliegen nach wie vor in gleicher Höhe über den Stadlerberg. Als langjähriger Bewohner der Zürcher Unterländer Gemeinde weiss ich allerdings, dass dieses "Spektakel" nicht alle Seelen gleichermassen erfreut.