Vielleicht sollte ich einmal von meinen Innereien schreiben. Nicht von den Därmen, sondern von meinem Gefühlsleben. Oder von Franziskas Freuden, von Lindas Ängsten oder Ninas Zweifeln. Diese Kombinationen sind willkürlich und wechseln stündlich. Es holpert und poltert in der Psyche. Die Herzen schmerzen, die Emotionen wallen, die Sinne flattern.
Vielleicht aber sollte ich ganz einfach aufhören, unseren langsamen Abschied auf diesem Kanal zu zelebrieren, und zukünftig meine oder unsere Hochs und Tiefs in den eigenen vier Wänden abhandeln. Das fällt mir manchmal schwer, denn schreiben tut gut. Es ist eine Wohltat, den Frust, die Freude oder das Wanken zwischen den beiden von der Seele in die Tastatur meines unvoreingenommenen und geduldigen Laptops zu hacken. Auch wenn es, wie schon so oft, nur fürs private Archiv ist. Denn beileibe nicht alle meine Ergüsse kann und will ich euch zumuten. Die einen sind zu uninteressant, zu launenhaft, zu fad oder ganz einfach zu privat.
In diesen Tagen rattern wir alle den Berg der Emotionen rauf und runter. Noch zwei Abende, dann wird Linda mit gepackten Koffern am Flughafen stehen. Ein Schulabschluss in der Schweiz geht in der Regel mit Veränderungen einher. Doch normalerweise verlassen nicht gleich sämtliche Freunde und Klassenkameradinnen innert Wochenfrist die Stadt, um sich in alle Ecken dieser Welt abzusetzen. Anders in den Emiraten: Das Ende der High School heisst hierzulande unwiderruflich, sich für lange Zeit – wenn nicht gar für immer – von lieb gewonnenen Weggefährten zu trennen. Dementsprechend verbringt die Tochter ihre letzten Tage in Abu Dhabi mit Freundinnen aus der Schule. Und natürlich mit ihrem Freund Neemo, den sie, wie so viele(s) andere, nicht im Handgepäck mit in die Schweiz nehmen kann. Die beiden zählen die Stunden rückwärts. Ähnlich wie beim Countdown eines Raketenstarts.
Noch zwei Abende. Morgen, am 2. Juni, findet die Graduation statt. In den traditionell grünen ACS-gowns und caps werden die Seniors ihre High School Diplome entgegennehmen. Anschliessend wird ausgiebig getafelt. Später geht die Feier weiter, allerdings ohne die zugewandten Orte. Am Hafen wartet ein Schiff auf die frisch Diplomierten.
Bereits 24 Stunden später – es mögen auch einige weniger sein – fliegt Linda in die Schweiz. Damit endet ihre Zeit in Abu Dhabi nach knapp fünf Jahren. Die Löschung ihres Residence-Visums hat mich heute vier Stunden Zeit, eine Fahrt an den Flughafen, zwei Fahrten zum Immigration Departement, viel Ärger und noch mehr Schweiss gekostet. Kunststück bei 45 Grad Celsius.
Es rumpelt im Magen. Am Abend von Lindas Abflug nach Genf organisieren Franziska und ich, zusammen mit den Hirschhäusers, die im Sommer nach Doha ziehen, eine Abschiedsfeier für Freunde und Kollegen. Das lenkt ein bisschen ab und erlaubt ungefragten, unlimitierten Alkoholkonsum. Der Anlass hindert uns aber auch daran, die Tochter an den Flughafen zu begleiten. Vielleicht ist es auch besser so. Vorerst gehts ja erst in die Schweiz. Ernst gilt es dann Ende August, wenn das Bündel für Vancouver gepackt wird. Bis dahin rattern wir noch mehrmals über die Achterbahn der Gefühle. Jede Steigung setzt mir mehr zu. Offenbar augenscheinlich.
„Hey Dieter, what’s wrong with you?“, wurde ich kürzlich von einem Kollegen angesprochen.
„I’m allright“, lüge ich, um einen Atemzug später zu gestehen „...or maybe it’s the beginning of my PPADD – my Pre-Post Abu Dhabi Depression…“
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11 comments:
Ja, da ist eine Menge an Abschied drin.
Nun, ober weiterhin Blog schreibend, veröffentlichend oder nicht: Die kreative Eppler'sche (Gold)Ader wird weiterhin zutage treten, wo und wie auch immer.
Nun lese ich auch diesen Blog schon seit fast dem ersten Tag ( bin über nff vorbeigeflogen ) und leide irgendwie innerlich mit, soweit möglich.
Das "flügge werden" der Kinder ist sicherlich nach deren Geburt die größte Veränderung, die einer Familie zuteil werden kann, ob in den UAE, der Schweiz oder im Nordkanton.
Von daher würde ich es verstehen, wenn der Blog an dieser Stelle ein Ende fände, auch wenn mir dann etwas fehlen würde.
Wie auch immer sich die Eppler Family entscheidet, ich sage auf alle Fälle dankeschön für die schelmisch-unterhaltsamen Beiträge der vergangenen Jahre und wünsche euch, daß alles möglichst glatt über die Bühne geht.
user68
Nein, bitte nicht aufhören!!!
hpv
@tutti:
Ihr sprecht mir alle ein bisschen aus der Seele. Vielen Dank! Ja, es ist eine Menge Abschied drin (Crowi). Das "flügge" werden der Kinder ist eine grosse Veränderung (user68). Und eigentlich will ich ja auch nicht aufhören (hpv).
Doch eine Weiterführung im gleichen Format steht ausser Frage. Dann müsste ich ja, analog der urprünglichen Idee, in englischer Sprache bloggen, um meine zurückgebliebenen Kollegen und Freunde hier in Abu Dhabi über mein Tun und Wirken in der Schweiz zu informieren. Das Ganze vielleicht unter dem Titel "Snow traces" oder ähnlich...
Ich habe keine Ahnung. Zerschreibe weiter den Moment und lasse mich ein bisschen treiben von Wehmut und Neugier. Es gibt nämlich Dinge, die habe ich wirklich im Verlauf der vergangenen fünf Jahre bei den Arabern gelernt. Beispielsweise, dass es ganz gut sein kann, die Dinge etwas gelassener anzugehen und sich selber nicht so Ernst zu nehmen. Auch wenn man ständig über sich und sein Leben in der Wüste berichtet!
Das klingt jetzt vielleicht banal, allein, die Umsetzung erfordert harte Knochenarbeit...
Wüstengruss
"every landing you can walk away was a good landing!"
Richtig lieber fmu! Und jeder pensionierte Pilot ist ein guter Pilot...
Ich drehe sanft auf die Zielgerade ein!
Gruss
Ja, "eine Menge Abschied", oder wie die Franzosen sagen "partir c'est mourir un peut". Aber es gibt auch eine Menge Wiedersehen, das Eine geht, das Andere kommt (so banal das auch tönen mag).
Heraklit, der alte Grieche, sagte: "Alles fliesst" und meint damit, dass das Prinzip der Welt das Werden und nicht das Sein ist.
In diesem Sinne wünsche ich Euch ein gute Werden und freue mich, euch wieder zu sehen.
Zumindest die (Wieder-)eingliederung in die LX und der Umzug in unsere schöne Stadt dürfte reichlich bloggenderweise zu verarbeitenden Stoff bieten...
Auch als nicht Aerophiler, bloggender Pilot und Nicht-Wüsten- und Hitzeaffiner hat mich dieser Blog seit Beginn nicht mehr losgelassen. Neben der gekonnten Schreibe lag es wohl vor allem am augenzwinkernden Humor ("Kommt ein Schweizer in die Mercedes-Werkstatt...") und der Vielfalt der Themen, die oft eine spannende Horizonterweiterung waren (wo liest man sonst über den Anflug auf Kathmandu und die Namensgebung von australischen Waypoints?).
Wo auch immer dieser Blog noch hinführt - ein herzliches Danke für diese Einblicke in Euer Leben und alles Gute!
Christoph
Thorberg's Kommentar lesend, ist mir Goethe eingefallen;
Zitat:
"Und so lang du das nicht hast:
Dieses: Stirb und Werde!
Bist du nur ein trüber Gast
auf der dunklen Erde."
@Thorberg: Manchmal habe ich wahrlich den Eindruck, als wäre unsere Heimkehr ein "Tauschgeschäft". Mit Heraklits Worten tue ich mich, so wahr sie scheinen, ein wenig schwer. Im ständigen Bestreben, dem "Werden" gerecht zu werden, geht das "Sein" manchmal vollkommen unter. Getrieben von Ehrgeiz, von falschen Idealen jagen wir durch den Tag, die Woche, das Jahr - durchs ganze Leben beinahe, und vergessen daneben, den Moment zu geniessen. Ist es nicht viel mehr die Balance zwischen den Beiden, die erstrebenswert wäre? Auf jeden Fall eine spannende Frage, die wir vielleicht in naher Zukunft einmal gemeinsam diskutieren können...
@Christoph: Herzlichen Dank für deine positiven Worte. Du hast zweifellos Recht. An Stoff für neue Geschichten wird es auch in der Schweiz nicht mangeln. Besonders die ersten Wochen dürften ziemlich turbulent werden...
@Crowi: Werden, Sein, Sterben. Darob sollten wir nicht auch die banalen Dinge dieses Lebens vergessen. Ganz im Sinne von Konfuzius, der sagt, "Essen und Beischlaf sind die beiden grossen Begierden des Mannes", verlasse ich jetzt mein Hotelzimmer in Melbourne und begebe mich auf Nahrungssuche. Ausschliesslich! Meine Frau liest schliesslich mit.
عندما نذهب إلى الرياضة يجب ارتداء الرياضة حزمة
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