Saturday, March 20, 2010

Im Garten

Nach dem nicht unbedingt schmeichelhaften Foto im letzten Beitrag bin ich unter Druck. Ein neuer Eintrag muss her, der die Coiffeur-Story mit der Gruselfratze unter dem Pilzhut in den Hintergrund drängt: Ein kurrliger Event, eine interessante Begegnung, ein Aufstand der Kinder, zur Not tuts auch eine banale Geschichte. Doch nichts von alledem trifft ein. Hätte ich meine journalistischen Lehrjahre als Kantischüler beim "Blick" und nicht beim Winterthurer „Landboten“ absolviert, würde ich meiner Tastatur mühelos eine reisserische Schlagzeile entlocken. Doch es tut sich nichts, kein müdes Schreiblüftchen weht mir durch die Hirnwindungen. Vermutlich Folgeschäden meines kürzlich erfolgten Besuchs im „Ruby’s Salon“.

Piloten lernen, sich bei unklaren Situationen mit reduzierter Übersicht aufs Wesentliche zu konzentrieren; Flughöhe, Geschwindigkeit, Position, Schubleistung. Was unnötig scheint und verwirrt, wird ausgeschaltet oder ausgeblendet. Die Analogie in der Bloggerei hiesse, mich alltäglichen und einfachen (nicht simplen!) Themen zuzuwenden.
Unserem Gartensitzplatz beispielsweise, den wir vor fünf Monaten mit kleinen umbaulichen Retouchen aufgefrischt und von pakistanischer Hand erweitern liessen. Mit Pflanzentöpfen, einer Lichterkette sowie einem raffiniert hinter dem einzigen Baum versteckten Spot. Bei den angenehmen Temperaturen dieser Tage lässt sich herrlich verweilen, diskutieren und philosophieren. Die Kinder zeigen etwas weniger Sitzleder. Hormonelle Schwingungen und kommunikative Dringlichkeiten geniessen höhere Priorität. Wenn nicht der Freund oder die Freundin wartet, dann bedarf die „Wand im Gesichtsbuch“ einer Überprüfung.

Die Sitzecke im Garten eignet sich übrigens auch ganz ausgezeichnet zum Schreiben. Im Schatten des Baumes, dessen Gattung mir bis heute unbekannt ist, fühle ich mich ungestört. Abgesehen von einzelnen Grillen, die abends hinter der Gartenmauer zirpen. Manchmal rattert auch ein Kompressor auf der nahen Baustelle. Oder es beschleunigt ein Business-Jet auf der Piste des benachbarten Al Bateen-Airports. Dann wiederum vermögen sich die Grillen akustisch kaum durchzusetzen.
Dazwischen – da herrscht die totale Stille. Für kurze Momente nur, dafür um so intensiver.



















Oase der Stille; am Tag...













...und am Abend

5 comments:

Anonymous said...

Aha, vom Journalisten zum Langstreckenpiloten - nicht schlecht! Als nächstes empfehle ich, die "Stille Oase" mit Teppich, Shisha und weichen Kissen auszustatten - es könnten lange Schreibnächte werden ... :-) VW

Dide said...

Ich war ja bloss ein "Journalisten-Praktikant", dafür bin ich ein "echter" Langstreckenpilot geworden. Teppiche und weiche Kissen warten in einer anderen Ecke des Hauses. Die Shisha stört beim Schreiben, vernebelt nicht nur die Tastatur, sondern auch die Sinne. Bin eben kein Peter Bichsel...

Crowi said...

Ich ziehe die Botschaften des "Landboten" den "Blick" Aufreissern und Drucksachen vor.
Der Druck ist gewichen.
Windstille:
"Was unnötig scheint und verwirrt, wird ausgeschaltet oder ausgeblendet"
Ein Gartensitzplatz.
Zen?

Dide said...

@crowi:
Interessante Betrachtungsweise. Zen? Kaum. Diese Allegorie zeigt letztlich das leicht beeinflussbare und fragile Gefüge zwischen Aussage und Zusammenhang. Da geraten wir ja beinahe in philosophische Sphären...

Übrigens - mir ist der Landbote auch lieber als das Ringier-Produkt. Nicht nur wegen meiner Heimatstadt Winterthur...

Gruss

Anonymous said...

Mann, das sieht aber toll aus! Verlängerung des Sitzplatzes, ganz gute Idee. Diese gemütliche Ecke wartet nur darauf, von biertrinkenden philosophen "benutzt" zu werden. freu mich, irgendwann.........
greez üse