Friday, March 12, 2010

Der Wind, das himmlische Kind

Manager pflegen Entscheide mitunter spontan zu fällen, auch wenn sie sich dabei auf allerlei Statistiken und Marktanalysen berufen. Dies ist in der Airlinebranche nicht anders – im Gegenteil; das unberechenbare und dynamische Umfeld verlangt Flexibilität und rasche Richtungswechsel, von deren Konsequenzen oftmals selbst jene, die dafür verantwortlich zeichnen, überrumpelt werden.

Der anstehende Wechsel vom Winter- auf den Sommerflugplan hält wie jedes Jahr einige Überraschungen parat; unter anderem verzögert sich die auf Ende März geplante Umstellung der Kathmandu-Flüge vom A330 auf den A320. Wie bereits früher erwähnt, hat lediglich eine reduzierte Anzahl von Piloten die Berechtigung, die Hauptstadt Nepals anzufliegen. Die Planung versucht den Schaden möglichst klein zu halten und beschliesst, die Lücken mit Kapitänen zu schliessen, die in Bürofunktionen beschäftigt sind. Dass solches Hickhack Löcher in anderen Bereichen zur Folge hat, scheint in dieser Phase nur wenige zu interessieren. So komme ich denn zu drei Kathmandu-Einsätzen innerhalb der ersten beiden März-Wochen. Und von ursprünglich zehn geplanten Bürotagen bleiben letztlich mickrige sechs. Dabei gäbe es so Vieles zu erledigen. Meine Proteste verhallen, ähnlich wie der tägliche Ruf des Muezzin, in der Weite des Wüstensandes.















Im Steigflug über "The Palm" Dubai

In diesen Tagen erstreckt sich ein langgezogener und markanter „Subtropen-Jetstream“ vom südlichen Golf über Indien bis nach China. Weniger kräftig als die Windbänder an der Polarfront, zeichnen sich subtropische Ausläufer über eine grössere Beständigkeit in Position und Intensität aus. Auch sie entwickeln sich in den Grenzbereichen von kalten und warmen Luftmassen und können im Winter Geschwindigkeiten bis zu 400km/h entwickeln.






Entstehungsweise der "Jetstreams"

Selbstverständlich versuchen wir, auf dem Hinflug die Route wie auch die Flughöhe möglichst nahe ans Zentrum des „Jets“ zu rücken. Das gelingt unserem Flugplaner nicht schlecht. Für die insgesamt 3300 Kilometer nach Kathmandu benötigen wir lediglich drei Stunden und zehn Minuten. Eine Rekordzeit, ob der die Kabinenbesatzung geradezu ins Schwitzen gerät. Die ausgeprägten Westwinde verfolgen uns bis zum Endanflug, wo wir, aufgrund der topografischen Begebenheiten, von einigen Böen durchgerüttelt werden.











Hinflugroute in roter Farbe, Jetstreams in Gelb

Beim Rückflug ändern sich die Vorzeichen; der Freund wird zum Feind und zwingt uns, mit ausgeklügelter Strategie, die Flugzeit zu minimieren. Unser Flugplan schlägt vor, nach dem Start auf 36000 Fuss zu steigen, später gar noch 2000 Fuss höher. Uns scheint dies, aufgrund der beim Hinflug beobachteten Windstärke, wenig sinnvoll. Zwar tun wir anfänglich so, wie geheissen, doch müssen wir feststellen, dass uns der Wind auf "Flight Level 360" mit einer Stärke von 125 Knoten ins Gesicht bläst. Nach kurzer Diskussion erfragt der Copi bei „Varanasi Control“ eine Bewilligung, um wieder abzusinken. Der Flugverkehrsbeamte scheint verwirrt, doch er lässt uns gewähren. Und siehe da; Auf der tieferen Höhe verbessert sich unsere „Ground Speed“ (Geschwindigkeit über Grund) um satte 50 Knoten. Akribisch vergleichen wir den aktuellen Brennstoffverbrauch mit den ursprünglich gerechneten Zahlen. Wir liegen gut, der gemessene Verbrauch scheint unseren Entscheid zu rechtfertigen! Zudem gewinnen wir Zeit. Zwei Stunden später, als sich unsere Route etwas vom Zentrum des Höhenwindes separiert, steigen wir einen Stock höher, wo wir in finsterer Nacht die zweite Hälfte unseres Heimflugs erdulden. Arbeitsbeginn war 12.30 Uhr, die Landung erfolgt schliesslich kurz nach Mitternacht. Nach einer Flugzeit von vier Stunden und 50 Minuten. Die anfänglich tiefere Reiseflughöhe hat den Rückflug um 25 Minuten verkürzt. Kerosen haben wir ebenfalls gespart. Und auch wenn uns die Geschäftsleitung keinen Fils zurückvergütet, bleibt uns zumindest die Freude darüber, dem Wind, dem himmlischen Kind, ein irdisches Schnippchen geschlagen zu haben.

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