Die Stimmung ist ausgelassen. Die Gläser voll. Der Steward mit Wurzeln in Vietnam und Thailand plappert ebenso angeregt wie die Hostessen aus Sydney, Washington und Camagüey (na, wo liegt das denn schon wieder...?). Der Copi aus Wellington langt genauso herzhaft zu wie mein Kapitänskollege aus Malaysia. Die Steaks auf unseren Tellern sind „overlapping“, das „Sam Adams“ eisgekühlt und der Wein, dessen Traube nach jener persischen Stadt benannt ist, wo sie der Legende nach von den Teilnehmern der Kreuzzüge entdeckt wurde, schmeichelt unserem Gaumen auch nach 14-stündigem Aufenthalt in trockenster Kabinenluft.
Das Lokal in der Innenstadt Chicagos ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Gäste stehen sich an diesem Samstagabend die Füsse platt, frei gewordene Tische werden nach kurzer Reinigungsprozedur sogleich wieder besetzt.
Vor wenigen Stunden noch düsten wir auf 36000 Fuss über dem Nordatlantik. Zusammen mit 249 Passagieren. Der Flug hätte viel länger ausfallen können. Die WindmacherInnen sind uns gnädig gesinnt; statt wie den zu dieser Jahreszeit üblichen schroffen Gegenwinde, zeigt der Flugplan eine durchschnittliche Rückenwindkomponente von zwei Knoten. Bei einer Distanz von rund 11600 Kilometern zahlt sich das aus. Doch kurze Flugzeiten haben ihre Tücken. Denn wer zu früh landet muss damit rechnen, dass kein Standplatz zur Verfügung steht. Zumindest auf stark frequentierten Destinationen wie Chicago. Aus diesem Grund reduzieren wir unsere Geschwindigkeit im Reiseflug. Damit sparen wir zusätzlich teuren Sprit und scheffeln etwas Geld für den Jahresendbonus auf die Seite. Ich weiss, der Scherz ist nicht angebracht, meine Arbeitskollegen mögen mir verzeihen. Boni in der Airlinebranche sind selten geworden, ähnlich wie olympische Goldmedaillen im Schweizer Bobteam.
Noch immer schnitzeln wir an unseren überdimensionierten Steaks herum. Und bevor der letzte Bissen verdrückt ist, bringt ein Heer von weiss berockten Kellnern eine ebenso überdimensionierte Schokoladetorte an unseren Tisch. Dazu schmettern sie einen unverständlichen Geburtstagstoast, mit dem ein jeder General auch die ängstlichsten Krieger seiner Truppe zu Winkelried-Taten beflügelt hätte. Geschmettert wird für Ahmad; Mein Kapitänskollege feiert Geburtstag. Kalendarisch zwar um einen Tag verfrüht, aber morgen fliegen wir bereits wieder zurück, und da lassen weder Zeit noch Alkoholregelung ausgelassenes Festen zu.
Fünf Jahre liegt mein letzter Besuch in der windigen Stadt zurück. Damals noch mit einem Schweizerkreuz auf der Heckflosse. Etihad führt die Metropole am Lake Michigan erst seit wenigen Wochen im Streckennetz. Anders als in New York, wo jede Woche Geschäfte dicht machen und neue Läden ihre Pforten öffnen, zeigt sich Chicago ziemlich unverändert. Einzig meine bevorzugte Starbucks-Filiale an der Michigan-Avenue ist verschwunden. Dafür gibt’s auf der gegenüberliegenden Strassenseite Ersatz. Der Sonntagmorgen ist gerettet.
Nach dem Nachtessen, für das Ahmad selbstlos aufkommt, möchte die kubanische Kollegin das Salsa-Tanzbein schwingen, was uns, in Anbetracht der verschlungenen Kalorie-Einheiten, auf jeden Fall gut getan hätte. Es erweist sich jedoch als schwierig, ein geeignetes Lokal zu finden. So macht sich die kleine Gruppe auf, das 344 Meter hohe John Hancock Center zu erklimmen. Ohne Seil und Haken, lediglich mit Hilfe eines Lifts, der jeglicher Alters- und BMI-Stufe den Zugang zur eindrücklichen Fernsicht über die Dächer Chicagos ermöglicht. Dabei befinden sich die Damen leicht im Vorteil, besonders beim Toilettengang. Die Aussicht soll besonders reizvoll sein. Welch ätzend sexistische Ungerechtigkeit!
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2 comments:
"Camagüey" -> Kuba? ;)
(übrigens sind die Kakteenzäune dort sehr schön)
Muy correcto amigo! Sabroso!
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