Monday, March 08, 2010

Lebenskreise

Die Lembachs gehören zu unseren Abu Dhabi-Freunden der ersten Stunde. Ursprünglich für ein Jahr nur angereist, sind mittlerweile deren vier daraus geworden. Erste Berührungspunkte bietet im Sommer 2006 die Deutsche Schule. Zwei ihrer drei Kinder teilen nicht nur das Klassenzimmer mit Nina und Tim, sondern auch die Freuden und Leiden mittelöstlicher Lernkultur. Den elterlichen Diskussionsrunden fällt die eine oder andere Weinflasche und Bierbüchse zum Opfer. Manchmal vergreifen wir uns auch am Ramazzotti (der Flasche, nicht dem Sänger...). Angehäufte Pfunde werden auf dem Tennisplatz wieder abgerackert. Das heisst, rackern tue ich, Peter verteilt lediglich die Bälle.

Wir alle haben im Laufe der Expat-Zeit gelernt, wiederholt Abschied zu nehmen. Von Menschen, mit denen wir ein Stück weit unser Schicksal geteilt haben, mit denen wir über imaginäre Dünen gewandert, und nicht selten dabei im lockeren Sand stecken geblieben sind.
Von der frankophonen Dichtung wissen wir, dass weggehen immer auch ein bisschen sterben bedeutet. Und wer nur „ein bisschen“ stirbt, darf weiterhin irdische Freuden geniessen und aus der Ferne sein Schicksal mit uns teilen.

Doch nicht allen bleiben diese Optionen. Das vergangene Jahr hat uns in Erinnerung gerufen, dass weggehen endgültig sein, und der Mensch auch mehr als nur „ein bisschen“ sterben kann.
Beinahe zur gleichen Zeit wie unser Nachbar von seinem Hirntumor erfährt, wird ein deutscher Arbeitskollege, der mit Peter an der gleichen Klinik arbeitet, mit einer Krebskrankheit konfrontiert. Bei der für die Verlängerung des UAE-Visums erforderlichen Lungen-Röntgenaufnahme entdecken die Ärzte verdächtige Schatten. Weitere Abklärungen bringen nicht die erhoffte Entwarnung. Im Gegenteil. Der Herzchirurg wird unerwartet und unvermittelt selbst zum Patienten.
Die Tragik beider Familienväter bringt uns in Grübeln. An vorderster Front erleben wir ein ständiges Auf und Ab. Ein Bangen und Hoffen zwischen der manchmal irrealen Expat-Welt des Mittleren Ostens und der Hightech-Medizin des europäischen Mutterlandes. Nach ersten Behandlungen kehren beide Kollegen an ihren Arbeitsplatz zurück; der eine in den Operationssaal, der andere muss den Cockpitsessel mit dem Bürostuhl tauschen.

Es ist der beeindruckende Versuch, in die Normalität zu finden, das Unheilvolle zu vergessen. Wir alle hoffen mit, und klammern uns einen Herbst an den dünnsten aller Strohhalme.
Dann kommt der Winter – und mit ihm die Realität.
Unser Nachbar stirbt nach einer zweiten Operation in der Schweiz, unmittelbar nach dem Jahreswechsel, der Freund der Lembachs in den letzten Tagen des Februars. Zurück bleiben Ehefrauen mit kleinen Kindern. Freunde, Verwandte Arbeitskollegen.
Die zeitlichen und schicksalshaften Parallelen stimmen nachdenklich. Der Begriff Abschied erscheint in einem neuen Licht. Schroff, bestimmt, endgültig.

2 comments:

Crowi said...

Was soll man dazu sagen? Geschweige denn kommentieren, blogmässig?
Aber möglicherweise beinhaltet ihr liebevolles Gedenken eine Unterstützung. Für die betroffenen und verbliebenen Familien.

Anonymous said...

Liebe Familie Eppler

Ja, was soll man dazu sagen? Ich war mit Ihrem Nachbarn Mitte der 90er-Jahre in einer Beziehung, die dann leider zerbrach. Ich trauere mit um diesen herzensguten, fürsorglichen Menschen, mit dem ich so vieles entdecken durfte. Ich denke fast tagtäglich an seine Frau, die eine so schwierige Zeit durchleben muss, an seine beiden Buben, die ohne ihren Papa durchs Leben kommen müssen. Es tut mir im Herzen weh. Sein Vater, seine Mutter, Bruder, Schwester. Schicksal. Hart. Erbarmungslos. Ja, was soll man dazu sagen?

Nachdenkliche Grüsse aus Baden