Etwas ausserhalb der eigentlichen Stadt, ennet der Insel, liegt Mussafah, das Industrie-Mekka von Abu Dhabi. Ein Kleinod der Individualhandwerkerkunst, wie ich es selten erlebt habe. In Mussafah kreuzen sich die Wege der Suchenden mit jenen der bescheidenen, stillen Anbieter. Es gibt nichts was es nicht gibt.
Bereits seit Tagen habe ich mir vorgenommen, meinen Volvo einer gründlichen Innenreinigung zu unterziehen. In Ermangelung von Zeit, Knowhow und geignetem Instrumentarium natürlich nicht selber. In Mussafah soll es ausgezeichnete Adressen dafür geben. Und günstig obendrein. Da passen mir Linda’s Fahrversuche bestens ins Konzept. Die Zweitgeborene, die mir eben noch vom Wickeltisch entgegengelächelt hat, schlängelt sich in diesen Wochen allabendlich durch Slalom-Cones auf dem Gelände der Emirates Driving Company in Mussafah. Die Theorie hat sie innerhalb einer Woche hinter sich gebracht, und auch bei den praktischen Versuchen gibt sie Vollgas. Mittlerweile hat sie den Fahrsimulator erfolgreich absolviert. Der Prüfungstermin rückt in greifbare Nähe.
Nachdem ich also die Tochter für die Doppelstunde beim Fahrgelände abgesetzt habe, fahre ich meinen Volvo auf direktem Weg zum Auto-Reinigungsinstitut. Der Verkehr läuft schleppend, die Strassenbeläge sind löchrig und staubig. Es ist bereits dunkel als ich mein Ziel erreiche. Das grelle Scheinwerferlicht entblösst emsiges Treiben auf einem engen, mit Autos überstellten, Vorplatz.
Kübel, Lappen, diverse Putzmittel in Flaschen, Dosen und Tuben bestärken mich in der Hoffnung, dass den schwarzen Striemen auf meinen Ledersitzen bald der Garaus gemacht wird. Nach kurzem Feilschen um den Preis (zwischen 300 und 500AED, wir einigen uns auf 300 AED plus grosszügiges Trinkgeld falls die Qualität der Arbeit stimmt...) lasse ich den Wagen stehen und schlendere der geschäftigen Industriestrasse entlang Richtung unbekannt. Es ist noch zu früh, ein Taxi zu schnappen und Linda abzuholen. Mein Weg führt vorbei an blockierten Einfahrten und Werkstätten. An Zigaretten rauchenden und Tee trinkenden Gestalten mit finsteren Blicken. Es ist kurz vor 20 Uhr. In den schummrigen Buden klimpern Werkzeug und Kaffeelöffel. Die Arbeit läuft gemächlich. Schmunzelnd studiere ich die grossbuchstabigen Namensschilder über den Eingangstoren: Da reihen sich Elektronikshops an Schreinerbuden und Auspuff-Werkstätten. Dazwischen ein Hairdresser, gleich nebenan eine Tafel, die Upholstery für Autositze anbietet. Banken, Autoersatzteile und Grocery-Stores mit ihren unverkennbaren Plastikvorhängen am Eingang wechseln sich in beliebiger Reihenfolge ab. An einer Kreuzung prangt ein Schild mit der Aufschrift Al Sultan Recovery. Ich frage mich, was der gute Sultan wohl wiederherstellen will: Motoren, Kaffeemaschinen, Staubsauger, Computer?
Die Szenerie wird vorwiegend von Pakistani beherrscht. Auf den Strassen dominieren schwere Lastwagen, die scheppernd ihre Anhänger durch die Roundabouts zirkeln. Dazwischen offene Pick-Ups, alte und weniger alte PW’s und natürlich Taxis.
An einer Ecke leuchtet ein Schild mit der Aufschrift Ghazna Bakery. Hinter dem offenen Fenster kniet der Bäcker und klatscht den Teig gegen einen flachen Stein. Obwohl wir zuhause bereits gegessen haben, kann ich mich dieser Verlockung nicht entziehen. „Kam fulus wahid chubs?“ frage ich. Der Pakistani entgegnet grinsend: „Wahid dirham“. Ein Dirham für ein ofenfrisches Fladenbrot. Der Handel ist schnell getätigt, das warme Brot mundet herrlich. Und verleiht mir Energie für den nächsten Kilometer durch den Jahrmarkt dieser Lebenskünstler.
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4 comments:
Und? Der Striemen weg? :-)
@matzeBT: Es war mehr als einer... Auch nach der Intensivreinigung sind noch einige ganz schwache dunkle Streifen erkennbar. Allerdings nur sehr schwach und - zumindest für mich - nicht störend.
"Mussafah, Kam fulus wahid chubs? Wahit dirham."
So wie's aussieht, sind sie als Ausländer und Migrant mit "Migrationshintergrund" voll integriert...
@Crowi: Expats sind mitnichten "voll" integriert in diesem Land, werden es nie sein...
Die wenigen Wörter in Arabisch sind ein bescheidener Versuch, sich der Sprache jenes Landes sanft anzunähern, in dem ich während der vergangenen fünf Jahre gelebt und mein Geld verdient habe.
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