Thursday, December 23, 2010

Fröhliche Weihnachten

Der Mercedes ist verkauft. Seit wenigen Tagen steht ein Volvo vor unserem Haus an der Delma Street. Nicht weiss, sondern grau. Mit der Möglichkeit, bei Bedarf das Dach herunterzukurbeln, eigentlich mehr herunterzufahren. Automatisch, auf Knopfdruck. Das Auto kommt im nächsten Jahr mit in den Container. Ab dem Juli werde ich damit über Schweizer Strassen cruisen. Den Dachöffnungsmechanismus wirds freuen. Ihm wird mit Sicherheit etwas mehr Ruhe gegönnt sein in Zentraleuropa...

A propos: In diesen Tagen muss ich den Wagen den Mechanikern im Stadtteil Musaffah abtreten. Service, Reifenwechsel (nein, keine Winterreifen!!!), Einbau eines Navi-Geräts.
Zum Glück gibts Taxis. Ein Verkehrsmittel, auf das die Mitglieder unserer Familie ohnehin öfters zurückgreifen. Allein schon, weil in den Emiraten die Null-Promille-Regel gilt. Bislang haben Franziska und ich uns strikt daran gehalten. Im Gegensatz zu vielen Freunden und Bekannten. Die Polizei führt zwar keine Kontrollen durch, wer aber in einen Unfall verwickelt wird und getrunken hat, muss mit Ärger rechnen.
Überdies gehören Abu Dhabi-Taxis wahrscheinlich (noch) zu den günstigsten auf dieser Welt. Doch was die Fahrgäste freut, ärgert die Taxifahrer. Lashanta ist einer von ihnen. Seit er unsere Freunde Michele und Mario seinerzeit an den Flughafen von Dubai gefahren hat, haben Franziska und ich seine Nummer auf unseren Handys gespeichert. Wir schätzen seine Freundlichkeit und seine Zuverlässigkeit. Auf die Dienste eines Vertrauensfahrers zählen zu können, ist nicht unbedingt nur Luxus.

Gestern hat mich Lashanta ins Büro gefahren. Wie am Vorabend vereinbart, wartet er um viertel nach Sieben vor dem Haus. Er plappert munter drauflos. In Anbetracht der Tageszeit für mich beinahe etwas zu munter. Er ereifert sich über die verschärften Arbeitsbedingungen. Im November kam es während zwei Tagen zu heftigen Prostesten der Fahrer. Ein verzweifelter wie hoffnungsloser Versuch, sich gegen die reduzierten Provisionssätze zu wehren.
Ich will es etwas genauer wissen und erkundige mich nach konkreten Zahlen. Lashanta rechnet vor: Wenn er seine Vorgabe von 10’000 Dirham pro Monat umsetzt, nach heutigem Kurs rund 2600 Schweizer Franken, hat er bislang 2700 Dirham in die eigene Tasche erhalten. Dafür arbeitet er mindestens 15 Stunden täglich. Den ganzen Monat, ohne einen Freitag notabene! Das entspricht 700 Franken. Tritt der neue Vertrag in Kraft, so reduziert sich sein persönlicher Lohn auf 1900 Dirham. Es bleiben ihm also lediglich noch 490 Franken. Das ist zwar wesentlich mehr, als er in seiner Heimat Sri Lanka verdienen könnte, entspricht aber einem Salärabbau von beinahe 30 Prozent!
Zusätzlich ärgert sich Lashanta über die Tatsache, dass ihn die verantwortliche Agentur in Colombo seinerzeit mit einem Monatsgehalt von über 4000 Dirham gelockt hat. “I was cheated by my own people!”, entrüstet er sich. Und als möchte er seinen Worten eine zusätzliche Protestnote verleihen, krempelt er die Hemdsärmel nach hinten und entledigt sich seiner Dienstkrawatte.

Ich bin zwischenzeitlich etwas beunruhigt und frage mich, inwiefern Lashantas Ärger seine Fahrtüchtigkeit beinträchtigt. Schliesslich stecken wir im Morgenverkehr und die Ausfallstrasse zum Etihad Headquarter verfügt über vier Spuren.
“And you know…” fährt er fort, “…there will be many more coming from my country.”
Tja, die Stadt sucht Taxifahrer. Und ungeachtet Lashantas Verwünschungen werden auch in Zukunft Männer aus Sri Lanka, Pakistan, Bangladesh und den Philippinen nach Abu Dhabi strömen und nach kurzer Zeit in silberfarbenen Wagen Fahrgäste zwischen Malls, Hotels, Banken und privaten Adressen herumchauffieren. Nicht selten werden sie dabei bei der Routenwahl auf die Hilfe ihrer Passagiere im Fonds angewiesen sein. Erstaunen darf das nicht. Man möge den Fahrern die Unzulänglichkeiten verzeihen.

Das System definiert die Grenzen. Das hat sich in den vergangenen Tagen übrigens auch auf zahlreichen Flughäfen Europas gezeigt. Das Machbare fällt dem Spardruck zum Opfer. Die Angestellten kompensieren mit einer beispielhaften, und vom Management in ebensolcher Gesinnung adäquat honorierten Can do-Haltung, und irgendwann läuft alles weiter wie zuvor. Flugzeuge starten und landen auf parallelen Pisten in atemberaubenden Frequenzen. Und das Taxi findet sein Ziel auch mit Umwegen. Vielleicht kommt das dem Fahrer gar nicht ungelegen. Wir mögen es ihm gönnen.

Fröhliche (weisse) Weihnachten!

8 comments:

Anonymous said...

Ich wünsche Euch ganz schöne Weihnachten und ein guter Rutsch ins Neue Jahr Gruss Päde

Crowi said...

Fröhliche Weihnachten ebenso; Ihnen und ihrer Familie.

"Auf die Dienste eines Vertrauensfahrers zählen zu können, ist nicht unbedingt nur Luxus."

Wirtschafts-wissenschaftlich gesehen: Ein wahres Wort.

Dide said...

@Päde und Crowi: Herzlichen Dank für die guten Wünsche zum anstehenden Weihnachtsfest. Ich gebe sie - die Wünsche - gerne zurück und bin beinahe ein bisschen neidisch, die angesagte weisse Pracht zu verpassen. Hier im Sand fühlt es sich am Morgen des 24. Dezembers nicht unbedingt sehr weihnachtlich an. Immerhin steht ein (künstlicher) Tannenbaum in der Stube und die ganze Familie geniesst das Privileg, gemeinsam feiern zu können!

Frohes Fest!

Anonymous said...

Lieber Dieter,

Deiner Familie und Dir wünsche ich nachträglich noch frohe Weihnachten und alles Gute für das neue Jahr.
Apropos Taxifahren in Abu Dhabi: Als wir vor einigen Wochen dort Urlaub gemacht haben, hatten wir mit einem Fahrer ein Abkommen: Er fährt uns durch die Stadt, zeigt uns die Sehenswürdigkeiten und am Ende bekommt er sein Geld: Am Emirates Palace angekommen bitten wir ihn, etwa 15 min zu warten. Das Ende vom Lied: Er war danach weg und nicht mehr zu finden, natürlich ohne sein Geld bekommen zu haben... einige Stundne später im Hotel auf der Terrasse kreuzte er auf, machte uns vieren eine Szene (alles sehr peinlich, da er uns als Betrüger darstellte) und verlangte 100 Dirham anstatt der 25 vom Taximeter, sonst rufe er die Polizei. Viel Aufsehen, die security vom Hotel+Manager kamen-> Schlussendlich bekam er 50 Dirham und zischte ab. Der Manager (Deutsch) erklärte uns, dass das eine übliche Masche sei, man solle IMMER gleich die Rechnung begleichen.... Viele Grüße

Ahmed

Dide said...

Lieber Ahmed,

Eine interessante Geschichte, die ich in dieser Form noch nie gehört habe. Aber mit Taxifahrern ist in der Tat nie zu spassen. Das gilt nicht nur für Abu Dhabi. Ich könnte da noch einige Müsterchen erzählen...

Auch euch wünsche ich einen besinnlichen Jahresausklang und einen sanften Start ins 2011!

Dieter

Anonymous said...

Ich hoffe das bist nicht du :S :

http://www.pprune.org/middle-east/437597-ey-ceo-forced-crew-use-discretion.html

:S :S :S

Da sind die Weihnachten aber schön versaut :s.

Der Captain tut mir leid!

Gut, wenn doch du bist, für die Rückkehr zur Swiss hast du dich ja schon entschieden und die ist gesichert, oder?

zum CEO sag ich jetzt mal besser nichts .... #!@#@!

Dominic

P.S: Fallst du tatsächlich davon betroffen bist und das hier nicht kommentieren willst/kannst, lösch mein Beitrag einfach.

Dide said...

@Dominic: Ich kann dich beruhigen. Es handelt sich hier um einen anderen Captain. Ich wurde bereits von anderer Stelle auf diesen Event aufmerksam gemacht. Wie sich diese Szene genau abgespielt hat, kann ich dir in diesem Moment nicht sagen. "Rumours spread faster than facts!"

Deshalb äussere ich mich lieber nicht zu JH...

Gruss

Hervé said...

Lieber Dide, so es ist bald so weit, wieder zu LX/SWR? Noch eine Gute Zeit in den UAE und freue mich dich bald hier zu sehen nach all diesen Jahren. En guete Rutsch,nicht auf Eis wie hier wo es kein Salz mehr in der ganzen Stadt Zürich gibt...
Gruss, Hervé