Auf den Besatzungslisten unserer Flüge tauchen immer mehr südkoreanische Namen auf. Das ist kein Zufall. Die Airline plant nämlich, ab Dezember dieses Jahres eine tägliche Verbindung von Abu Dhabi nach Seoul zu eröffnen. Im Gegenzug finden sich deutlich weniger Rumäninnen, Inderinnen oder Schwedinnen in der Kabine. Vor vier Jahren, als ich meinen Dienst bei Etihad begann, dominierten diese Nationen, zusammen mit Araberinnen aus dem Maghreb und asiatischen Vertreterinnen, vorwiegend aus Thailand und den Philippinen. Letztere sind auch heute noch in üppiger Zahl vertreten, während die Thai ebenfalls immer rarer werden.
Die Gründe für diese Wechsel liegen einerseits in der geografischen Ausrichtung der Rekrutierung, andererseits in der gegenseitigen Beeinflussung innerhalb einzelner Länder und Sprachregionen.
Lee ist Südkoreaner. Auf meinem gestrigen Rückflug von Chicago, ich habe mich eben verschlafen aus dem Crewbunk hinter dem Cockpit geschält, plaudern wir im Galley über Gott und die Welt. Er freut sich auf seinen 30. Geburtstag am 4. August. Das Geburtsdatum hätte in seinem Land jedoch lediglich eine untergeordnete Bedeutung, fügt der junge Asiate mit dem struppigem Haar an. Die Südkoreaner zählen ihre Lebensjahre nach eigenem Muster. Das Neugeborene ist bereits ab der ersten Lebenssekunde ein Jahr alt. Anders als bei uns, wo stolze Eltern Tage, Wochen und Monate zählen und feiern.
Am 31. Dezember zelebrieren die Südkoreaner nicht nur den Übergang ins neue Kalenderjahr, sondern auch den Beginn eines weiteren persönlichen Lebensjahres. Alle Menschen altern in Einigkeit, im gleichen Tempo und zur gleichen Stunde. Der Jahreswechsel wird zum gigantischen universellen Geburtstagsfest, bei dem üppig gefeiert, gespiesen und getrunken wird!
Das kann mitunter zu witzigen Konstellationen führen. Für jenes Baby beispielsweise, dass am 31. Dezember das Licht der Welt erblickt. Mit dem ersten Schrei wird es einjährig. Und bereits nach seiner ersten Nacht in der Wiege darf (oder muss) es den zweiten Geburtstag feiern. Noch bevor das Kind sein erstes Wort gesprochen oder den ersten Schritt getan hat.
Ob diese ungewöhnliche Zählweise eher positive oder negative Konsequenzen hat, bleibe dahingestellt. Eines aber ist klar: Wer im Dezember geboren wird, muss weniger lang arbeiten und kriegt seine Rente zwei Jahre früher.
Friday, July 30, 2010
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