Auf den Besatzungslisten unserer Flüge tauchen immer mehr südkoreanische Namen auf. Das ist kein Zufall. Die Airline plant nämlich, ab Dezember dieses Jahres eine tägliche Verbindung von Abu Dhabi nach Seoul zu eröffnen. Im Gegenzug finden sich deutlich weniger Rumäninnen, Inderinnen oder Schwedinnen in der Kabine. Vor vier Jahren, als ich meinen Dienst bei Etihad begann, dominierten diese Nationen, zusammen mit Araberinnen aus dem Maghreb und asiatischen Vertreterinnen, vorwiegend aus Thailand und den Philippinen. Letztere sind auch heute noch in üppiger Zahl vertreten, während die Thai ebenfalls immer rarer werden.
Die Gründe für diese Wechsel liegen einerseits in der geografischen Ausrichtung der Rekrutierung, andererseits in der gegenseitigen Beeinflussung innerhalb einzelner Länder und Sprachregionen.
Lee ist Südkoreaner. Auf meinem gestrigen Rückflug von Chicago, ich habe mich eben verschlafen aus dem Crewbunk hinter dem Cockpit geschält, plaudern wir im Galley über Gott und die Welt. Er freut sich auf seinen 30. Geburtstag am 4. August. Das Geburtsdatum hätte in seinem Land jedoch lediglich eine untergeordnete Bedeutung, fügt der junge Asiate mit dem struppigem Haar an. Die Südkoreaner zählen ihre Lebensjahre nach eigenem Muster. Das Neugeborene ist bereits ab der ersten Lebenssekunde ein Jahr alt. Anders als bei uns, wo stolze Eltern Tage, Wochen und Monate zählen und feiern.
Am 31. Dezember zelebrieren die Südkoreaner nicht nur den Übergang ins neue Kalenderjahr, sondern auch den Beginn eines weiteren persönlichen Lebensjahres. Alle Menschen altern in Einigkeit, im gleichen Tempo und zur gleichen Stunde. Der Jahreswechsel wird zum gigantischen universellen Geburtstagsfest, bei dem üppig gefeiert, gespiesen und getrunken wird!
Das kann mitunter zu witzigen Konstellationen führen. Für jenes Baby beispielsweise, dass am 31. Dezember das Licht der Welt erblickt. Mit dem ersten Schrei wird es einjährig. Und bereits nach seiner ersten Nacht in der Wiege darf (oder muss) es den zweiten Geburtstag feiern. Noch bevor das Kind sein erstes Wort gesprochen oder den ersten Schritt getan hat.
Ob diese ungewöhnliche Zählweise eher positive oder negative Konsequenzen hat, bleibe dahingestellt. Eines aber ist klar: Wer im Dezember geboren wird, muss weniger lang arbeiten und kriegt seine Rente zwei Jahre früher.
Friday, July 30, 2010
Monday, July 26, 2010
Waltzing Matilda
Wer sich terrestrisch fortbewegt, beispielsweise mit dem Auto oder der Eisenbahn, folgt üblicherweise einer Strasse oder den Geleisen. Rattert von Ort zu Ort, wobei es ab und zu vorkommen kann, dass sich die Reisenden an seltsam klingenden Städtenamen belustigen oder allenfalls nach dem Hintergrund der eigentümlichen Namensgebung fragen.
Verkehrsflugzeuge der modernen Generation verschieben sich auf Luftstrassen, in der Fachsprache Airways genannt. Das Netz dieser unsichtbaren Routen ist fein gesponnen und umschliesst den gesamten Globus. Luftstrassen, wie auch An- und Abflugrouten werden durch Wegpunkte, so genannte Waypoints definiert. Ein Wegpunkt kann beispielsweise eine Funknavigationshilfe sein. Das ist über Wasser allerdings nicht möglich, in diesem Fall bestimmen Koordinaten den Waypoint. Überdies erhält er in der Regel einen aus fünf Buchstaben bestehenden Namen. In modernen Flight Management Systemen sind alle Wegpunkte gespeichert und jederzeit abrufbar.
Wegpunkte werden von der Flugsicherung des jeweiligen Landes veröffentlicht. Dazu gehört auch die Namensgebung. Wer sich in diesem Bereich als besonders witzig und innovativ erweist, sind die Australier! Manchmal braucht es zwar ein bisschen Glück und/oder Fantasie, um das Wortspiel zu erkennen. Auf langen Flügen nach Sydney und Brisbane bietet sich jedoch immer wieder Zeit zum Durchforsten und Interpretieren unserer Route Navigation Charts!
Im Folgenden drei Beispiele. Im letzten Fall ist die Anlehnung an die ersten beiden Zeilen des Songs Waltzing Matilda, der von vielen Australiern als inoffizielle Nationalhymne bezeichnet wird, unverkennbar (Die Bilder können durch anklicken vergrössert werden).
“Once a jolly swagman camped by a billabong
Under the shade of a coolabah tree,
And he sang as he watched and waited 'til his billy boiled
You'll come a-Waltzing Matilda, with me"
Verkehrsflugzeuge der modernen Generation verschieben sich auf Luftstrassen, in der Fachsprache Airways genannt. Das Netz dieser unsichtbaren Routen ist fein gesponnen und umschliesst den gesamten Globus. Luftstrassen, wie auch An- und Abflugrouten werden durch Wegpunkte, so genannte Waypoints definiert. Ein Wegpunkt kann beispielsweise eine Funknavigationshilfe sein. Das ist über Wasser allerdings nicht möglich, in diesem Fall bestimmen Koordinaten den Waypoint. Überdies erhält er in der Regel einen aus fünf Buchstaben bestehenden Namen. In modernen Flight Management Systemen sind alle Wegpunkte gespeichert und jederzeit abrufbar.
Wegpunkte werden von der Flugsicherung des jeweiligen Landes veröffentlicht. Dazu gehört auch die Namensgebung. Wer sich in diesem Bereich als besonders witzig und innovativ erweist, sind die Australier! Manchmal braucht es zwar ein bisschen Glück und/oder Fantasie, um das Wortspiel zu erkennen. Auf langen Flügen nach Sydney und Brisbane bietet sich jedoch immer wieder Zeit zum Durchforsten und Interpretieren unserer Route Navigation Charts!
Im Folgenden drei Beispiele. Im letzten Fall ist die Anlehnung an die ersten beiden Zeilen des Songs Waltzing Matilda, der von vielen Australiern als inoffizielle Nationalhymne bezeichnet wird, unverkennbar (Die Bilder können durch anklicken vergrössert werden).
“Once a jolly swagman camped by a billabong
Under the shade of a coolabah tree,
And he sang as he watched and waited 'til his billy boiled
You'll come a-Waltzing Matilda, with me"
Monday, July 19, 2010
Selbstverständlichkeiten
Vor drei Stunden habe ich mich ächzend aus dem Bett gekämpft. Zu einer Zeit, wo muntere Weekend-Nachtschwärmer überlegen, ob sie noch eine finale Tequila-Shot Runde starten sollen. Gestern haben wir auf dem Männlichen die Schweizer Version von Ninas Konfirmation gefeiert. Eine gemütliche Runde auf 2225 Metern über Meer, bei den charmanten Gastgeberinnen Rita und Daniela Kaufmann.
Jetzt erwache ich langsam im Zug nach Genf. Knappe drei Stunden vor dem Abflug nach Abu Dhabi. Dabei steckt mir noch die Hinreise vor drei Tagen in den Knochen: Acht Stunden im Büro, sechseinhalb Stunden Nachtflug nach Frankfurt, schliesslich vier Stunden mit der Bahn ins Berner Oberländische Thun.
Dieser „Reisewürg“ wird notwendig, weil meine Sommerferien bereits Anfangs Juli beendet sind. Die ersten beiden Wochen nach der Heimreise rutsche ich auf dem Bürostuhl des Flight Safety Büros herum. Unterbrochen von einem kurzen Hüpfer nach Bahrain und zurück. Ein Hüpfer, der gleichzeitig als jährlicher „Line-Check“ durchgeht. Viele Fragen können bei dieser kurzen Flugzeit nicht gestellt werden. Auch nicht, wenn der Checkpilot ein Schnellredner ist. Noch weniger, wenn es sich beim Geprüften um einen Langsamdenker handelt. Der Schnellredner ist Engländer, der Langsamdenker bin ich. Ausgangslage und Kalkül lassen mich den Vorbereitungsauwand in Grenzen halten. Der Entscheid ist zweifellos richtig.
Nach drei Wochen im eidgenössischen Ferienparadies muss ich mich zuerst aufdatieren. Ein Landezwischenfall in New York, bei dem eine unserer Maschinen Teile der Pistenbefeuerung beschädigt hat, gab über die letzten Tage viel zu tun. Aus diversen (und verständlichen) Gründen gebe ich in diesem Blog keine Flight Safety-Details bekannt, doch der besagte Fall wurde mittlerweile mehrfach in diversen Pilotenchatrooms wiedergekaut, in den Medien erwähnt, und hat damit einen gewissen Öffentlichkeitsgrad erlangt.
Lange und ständig wechselnde Ferienabwesenheiten haben zur Folge, dass das „Investigation-Team“ im Laufe der Untersuchung personelle Wechsel verkraften muss. Ich komme gerade richtig, um mich, zusammen mit dem Chef Safety & Quality, um die finalen Korrekturen des Schlussberichts zu kümmern. Ultimativer Bestandteil eines solchen Berichts sind letztlich Erkenntnisse (Findings), die sich auf einen oder mehrere Gründe (Causes) zurückführen lassen, und in entsprechenden Empfehlungen (Recommendations) gipfeln.
Empfehlungen sind dann nachvollziehbar, wenn die Grundproblematik und mögliche Konsequenzen erkannt sind. Spürbare Wirkung entfalten sie erst mit der praktischen Umsetzung. Dies kann die Flugsicherheitsabteilung nicht selber an die Hand nehmen. Eine Einmischung in den operativen Bereich würde sich mit ihrer Rolle als Überwachungsorgan mit hohem Vertraulichkeitsanspruch kaum vereinbaren lassen. Flight Safety ändert keine Handbuch-Paragraphen und verordnet keine disziplinarischen Massnahmen. Ihr Spielraum beschränkt sich in diesem Fall auf Empfehlungen, die, wie oben angeführt, auf einer sauber dokumentierten und konsequent begründeten Handlungs- und Erkenntnisabfolge fussen. Die Schwierigkeit (oder die Kunst) liegt darin, betroffene Abteilungen zu überzeugen, unsere Vorschläge vollumfänglich umzusetzen. Veränderungs- und Handlungsbedarf wird oftmals zweideutig interpretiert und als departementales oder gar persönliches Ungenügen verstanden. Dabei geht vergessen, dass Anpassungen nicht selten als Folge von Markt- und Strukturveränderung notwendig werden.
Veränderungen bringen finanzielle Aufwendungen mit sich. In der heutigen Zeit ein passendes Argument, sich den gestellten Herausforderungen glaubhaft zu widersetzen. Nicht aber, so müsste man meinen, bei Fluggesellschaften, die grossmundig Sicherheit zur ihrer ersten Priorität erheben. Was aus betriebswirtschaftlicher Sicht natürlich, sagen wir mal so, mindestens anzuzweifeln ist. Das erste Ziel eines jeden Unternehmens ist Geld zu verdienen, nicht Sicherheit zu produzieren. Je mehr, desto besser! Wem dies nicht gelingt, ist zum Untergang verdammt. Da machen auch Airlines keine Ausnahme. Sicherheit nimmt einen hohen Stellenwert ein, kann letztlich aber nie „First priority“ sein.
Wir führen solche Diskussionen beinahe täglich. In unseren Büros gegenüber des neu erstellten Etihad-Hauptsitzes in der Nähe des Flughafens. Vor dem Eingang ranken schlanke Palmen in die Höhe. Die Klimaanlage hält die Temperatur derart tief, dass wir auch in Langarmhemd und mit Kravatte nicht ins Schwitzen geraten. Trotz teilweise heftiger Kontroversen.
Eine ihrem Namen gerecht werdende „Just Culture“ zu leben, ist zweifellos hohe Kunst. Das Credo von Fairness und Gerechtigkeit verlangt geduldige Überzeugungsarbeit. Das wachende Auge eines Berufsverbandes fehlt gänzlich. In einem Arbeitssegment, in dem jede Manipulation, jeder noch so kleine Steuerausschlag, jedes Antippen der Radbremsen und jede im Cockpit gesprochene Silbe aufgezeichnet werden, verkäme eine Abkehr zum Bestrafungsprinzip zum Schwanzbeisser. Wer sich unter Druck fühlt, agiert verkrampft, unsicher und deutlich fehleranfälliger. Wer Angst hat vertuscht eher, als er eingesteht. Damit würde die Fliegerei verletzungsanfälliger, und Safety First nicht nur von betriebswirtschaftlichen Grundprinzipien verdrängt.
Auf der Fahrt nach Hause hat das Thermometer in meinem Auto vergangene Woche zum ersten Mal in diesem Jahr 50° angezeigt. Trotzdem lässt sich die Hitze hier leichter ertragen, als 35° in der Schweiz. Denn klimatisierte Räume bieten „Abkühl-Oasen“, die sich wie ein locker gewobener Teppich weitläufig über die Stadt und das ganze Land verteilen. Ich schwitze in Abu Dhabi weniger, als in meinen Ferien vor drei Wochen im Berner Oberland. Klimaanlagen gehören hier zur Standardausrüstung. Jedes Land hat eben seine Selbstverständlichkeiten. Und andere Bereiche, um die man immer wieder kämpfen muss.
Jetzt erwache ich langsam im Zug nach Genf. Knappe drei Stunden vor dem Abflug nach Abu Dhabi. Dabei steckt mir noch die Hinreise vor drei Tagen in den Knochen: Acht Stunden im Büro, sechseinhalb Stunden Nachtflug nach Frankfurt, schliesslich vier Stunden mit der Bahn ins Berner Oberländische Thun.
Dieser „Reisewürg“ wird notwendig, weil meine Sommerferien bereits Anfangs Juli beendet sind. Die ersten beiden Wochen nach der Heimreise rutsche ich auf dem Bürostuhl des Flight Safety Büros herum. Unterbrochen von einem kurzen Hüpfer nach Bahrain und zurück. Ein Hüpfer, der gleichzeitig als jährlicher „Line-Check“ durchgeht. Viele Fragen können bei dieser kurzen Flugzeit nicht gestellt werden. Auch nicht, wenn der Checkpilot ein Schnellredner ist. Noch weniger, wenn es sich beim Geprüften um einen Langsamdenker handelt. Der Schnellredner ist Engländer, der Langsamdenker bin ich. Ausgangslage und Kalkül lassen mich den Vorbereitungsauwand in Grenzen halten. Der Entscheid ist zweifellos richtig.
Nach drei Wochen im eidgenössischen Ferienparadies muss ich mich zuerst aufdatieren. Ein Landezwischenfall in New York, bei dem eine unserer Maschinen Teile der Pistenbefeuerung beschädigt hat, gab über die letzten Tage viel zu tun. Aus diversen (und verständlichen) Gründen gebe ich in diesem Blog keine Flight Safety-Details bekannt, doch der besagte Fall wurde mittlerweile mehrfach in diversen Pilotenchatrooms wiedergekaut, in den Medien erwähnt, und hat damit einen gewissen Öffentlichkeitsgrad erlangt.
Lange und ständig wechselnde Ferienabwesenheiten haben zur Folge, dass das „Investigation-Team“ im Laufe der Untersuchung personelle Wechsel verkraften muss. Ich komme gerade richtig, um mich, zusammen mit dem Chef Safety & Quality, um die finalen Korrekturen des Schlussberichts zu kümmern. Ultimativer Bestandteil eines solchen Berichts sind letztlich Erkenntnisse (Findings), die sich auf einen oder mehrere Gründe (Causes) zurückführen lassen, und in entsprechenden Empfehlungen (Recommendations) gipfeln.
Empfehlungen sind dann nachvollziehbar, wenn die Grundproblematik und mögliche Konsequenzen erkannt sind. Spürbare Wirkung entfalten sie erst mit der praktischen Umsetzung. Dies kann die Flugsicherheitsabteilung nicht selber an die Hand nehmen. Eine Einmischung in den operativen Bereich würde sich mit ihrer Rolle als Überwachungsorgan mit hohem Vertraulichkeitsanspruch kaum vereinbaren lassen. Flight Safety ändert keine Handbuch-Paragraphen und verordnet keine disziplinarischen Massnahmen. Ihr Spielraum beschränkt sich in diesem Fall auf Empfehlungen, die, wie oben angeführt, auf einer sauber dokumentierten und konsequent begründeten Handlungs- und Erkenntnisabfolge fussen. Die Schwierigkeit (oder die Kunst) liegt darin, betroffene Abteilungen zu überzeugen, unsere Vorschläge vollumfänglich umzusetzen. Veränderungs- und Handlungsbedarf wird oftmals zweideutig interpretiert und als departementales oder gar persönliches Ungenügen verstanden. Dabei geht vergessen, dass Anpassungen nicht selten als Folge von Markt- und Strukturveränderung notwendig werden.
Veränderungen bringen finanzielle Aufwendungen mit sich. In der heutigen Zeit ein passendes Argument, sich den gestellten Herausforderungen glaubhaft zu widersetzen. Nicht aber, so müsste man meinen, bei Fluggesellschaften, die grossmundig Sicherheit zur ihrer ersten Priorität erheben. Was aus betriebswirtschaftlicher Sicht natürlich, sagen wir mal so, mindestens anzuzweifeln ist. Das erste Ziel eines jeden Unternehmens ist Geld zu verdienen, nicht Sicherheit zu produzieren. Je mehr, desto besser! Wem dies nicht gelingt, ist zum Untergang verdammt. Da machen auch Airlines keine Ausnahme. Sicherheit nimmt einen hohen Stellenwert ein, kann letztlich aber nie „First priority“ sein.
Wir führen solche Diskussionen beinahe täglich. In unseren Büros gegenüber des neu erstellten Etihad-Hauptsitzes in der Nähe des Flughafens. Vor dem Eingang ranken schlanke Palmen in die Höhe. Die Klimaanlage hält die Temperatur derart tief, dass wir auch in Langarmhemd und mit Kravatte nicht ins Schwitzen geraten. Trotz teilweise heftiger Kontroversen.
Eine ihrem Namen gerecht werdende „Just Culture“ zu leben, ist zweifellos hohe Kunst. Das Credo von Fairness und Gerechtigkeit verlangt geduldige Überzeugungsarbeit. Das wachende Auge eines Berufsverbandes fehlt gänzlich. In einem Arbeitssegment, in dem jede Manipulation, jeder noch so kleine Steuerausschlag, jedes Antippen der Radbremsen und jede im Cockpit gesprochene Silbe aufgezeichnet werden, verkäme eine Abkehr zum Bestrafungsprinzip zum Schwanzbeisser. Wer sich unter Druck fühlt, agiert verkrampft, unsicher und deutlich fehleranfälliger. Wer Angst hat vertuscht eher, als er eingesteht. Damit würde die Fliegerei verletzungsanfälliger, und Safety First nicht nur von betriebswirtschaftlichen Grundprinzipien verdrängt.
Auf der Fahrt nach Hause hat das Thermometer in meinem Auto vergangene Woche zum ersten Mal in diesem Jahr 50° angezeigt. Trotzdem lässt sich die Hitze hier leichter ertragen, als 35° in der Schweiz. Denn klimatisierte Räume bieten „Abkühl-Oasen“, die sich wie ein locker gewobener Teppich weitläufig über die Stadt und das ganze Land verteilen. Ich schwitze in Abu Dhabi weniger, als in meinen Ferien vor drei Wochen im Berner Oberland. Klimaanlagen gehören hier zur Standardausrüstung. Jedes Land hat eben seine Selbstverständlichkeiten. Und andere Bereiche, um die man immer wieder kämpfen muss.
Sunday, July 04, 2010
"Löw"enbändiger
Als Expat bewege ich mich vorwiegend unter Ausländern. Nicht unbedingt, wie man vermuten könnte, unter Arabern, jedoch befinden sich in unserem Umfeld viele Deutsche, Engländer, Holländer, Italiener, Skandinavier, Amerikaner und Kanadier. Einige grosse Fussballnationen, von denen an der laufenden WM leider viele bereits die Segel streichen mussten.
Die Deutschen sind noch dabei, und manchmal schlägt das Schicksal unerbittlich zu. Gestern Abend beispielsweise. Ein kurzer Schwatz am Telefon mit Peter - schliesslich will man sich aus den Ferien zurückmelden - endet mit der verlockenden Einladung, das abendliche Fussballspiel gemeinsam beim Vorgesetzten des lieben Freundes zu geniessen. Genuss ist nun vielleicht der falsche Begriff. Denn es stellt sich heraus, dass die gemütliche Fussballrunde aus drei Deutschen Ärzten und mir besteht. Zur Erinnerung: Es geht um die Paarung Deutschland gegen Argentinien!
Zwei Herzchirurgen, ein Anästhesist, und ein Pilot. Na toll! Da bin ich in die Höhle des "Löw"en geraten. Nicht ganz unpassend für Südafrika, der Löwe meine ich. Und noch viel treffender im Zusammenhang mit der anstehenden Begegnung. Die Landeszugehörigkeit macht mir mehr zu schaffen als die etwas einseitige berufliche Konstellation. Die Deutschen sind nachweislich des Schweizers unliebster Gegner bei Sportveranstaltungen. Vielleicht weil wir immer aufs Dach kriegen. Das gilt beim Fussball wie beim Eishockey.
Immerhin kann ich meinen Emotionen freien Lauf lassen, und sehe mich nicht gezwungen, die sportliche Erregung im Zaum zu halten. Ein allfälliger Infarkt wäre bei dieser hochkarätig kardiologisch-anästhesistischen Besetzung ein Pappenstiel, und könnte, ähnlich wie eine Spielerauswechslung, nebenbei und zum Billigtarif behandelt werden.
Bevor ich mich hinsetze, lasse ich mich zu einer Verzweiflungstat hinreissen und oute mich als Gaucho-Fan. Ich bin es meinem Selbstwertgefühl schuldig. Mitleidiges Lächeln, bedeutungsvolle Seitenblicke. Immerhin werde ich nicht vor die Tür gestellt. Die Nationalhymnen scherbeln über den Kanal. Die Deutschen bleiben schweigend sitzen, also muss ich mir auch keine Mühe geben.
Das Spiel beginnt, die Deutsche Fraktion nippt am Weissbier, ich schlürfe mein Mineralwasser. Da knallt es auch schon. Noch keine drei Minuten und die Deutschen springen jubelnd von ihren Sitzen. 1:0 für die Löw-Truppe. Frau Merkel applaudiert, Blatter gratuliert. Ob er sich bei seiner nächsten Wahl einige Zusatzstimmen von unseren nördlichen Nachbarn verspricht?
„Der Messi wirds schon richten“, verkünde ich selbstbewusst. Allein, er ist dazu nicht in der Lage. Im Gegenteil, es kommt noch schlimmer. Die Blauweissen verhaspeln sich immer wieder. Die Deutschen machen Druck und Tempo, und schiessen überdies drei weitere Tore. Schöne Tore, ich muss es gestehen. Eine glamouröse Einzelleistung des Bastl, mit dessen Nachname sich der englische Kommentator während des ganzen Spieles äusserst schwertut. Nur der Mertesacker geht ihm noch harziger über die britischen Lippen, doch das spielt spätestens ab der 74. Minute keine Rolle mehr.
Die Ärzte jubeln vier Mal – derweilen ich weiter still an meinem Mineralwasser nippe, und geschäftig an der Tastatur meines Handys herumdrücke. Nicht einmal mit Federer oder Busacca kann ich auftrumpfen. Die sind entweder ausgeschieden oder ausgemustert.
Maradonas Chicos konntens gestern Abend nicht richten. In vier Jahren vielleicht. Es wird langsam eng. Wer um Himmels Willen kann die "Löw"en bändigen...?
Bevor ich mich hinsetze, lasse ich mich zu einer Verzweiflungstat hinreissen und oute mich als Gaucho-Fan. Ich bin es meinem Selbstwertgefühl schuldig. Mitleidiges Lächeln, bedeutungsvolle Seitenblicke. Immerhin werde ich nicht vor die Tür gestellt. Die Nationalhymnen scherbeln über den Kanal. Die Deutschen bleiben schweigend sitzen, also muss ich mir auch keine Mühe geben.
Das Spiel beginnt, die Deutsche Fraktion nippt am Weissbier, ich schlürfe mein Mineralwasser. Da knallt es auch schon. Noch keine drei Minuten und die Deutschen springen jubelnd von ihren Sitzen. 1:0 für die Löw-Truppe. Frau Merkel applaudiert, Blatter gratuliert. Ob er sich bei seiner nächsten Wahl einige Zusatzstimmen von unseren nördlichen Nachbarn verspricht?
„Der Messi wirds schon richten“, verkünde ich selbstbewusst. Allein, er ist dazu nicht in der Lage. Im Gegenteil, es kommt noch schlimmer. Die Blauweissen verhaspeln sich immer wieder. Die Deutschen machen Druck und Tempo, und schiessen überdies drei weitere Tore. Schöne Tore, ich muss es gestehen. Eine glamouröse Einzelleistung des Bastl, mit dessen Nachname sich der englische Kommentator während des ganzen Spieles äusserst schwertut. Nur der Mertesacker geht ihm noch harziger über die britischen Lippen, doch das spielt spätestens ab der 74. Minute keine Rolle mehr.
Die Ärzte jubeln vier Mal – derweilen ich weiter still an meinem Mineralwasser nippe, und geschäftig an der Tastatur meines Handys herumdrücke. Nicht einmal mit Federer oder Busacca kann ich auftrumpfen. Die sind entweder ausgeschieden oder ausgemustert.
Maradonas Chicos konntens gestern Abend nicht richten. In vier Jahren vielleicht. Es wird langsam eng. Wer um Himmels Willen kann die "Löw"en bändigen...?
Saturday, July 03, 2010
Ende und Anfang
Nach drei Wochen in der Schweiz bin ich wieder am Kofferpacken. In vier Stunden fährt der Zug, in zwölf Stunden startet der Etihad-Flug in Frankfurt.
Der Turnus bleibt der gleiche. Jedes Jahr: Zürcher Unterland, Berner Oberland, Tessin. Die letzte Region ist mir die liebste. Nicht für alle verständlich. Irgendwann findet jeder Mensch den Fleck auf dieser Erde, wo er oder sie hin zu gehören glaubt. Déjà-vu oder schicksalshafte Eingebung.
Vier Wüstenjahre sind um. Wir starten in die fünfte Saison. Tim ist eine Runde weiter, sein emiratisches Gastspiel ist zu Ende.
Ich mache wie jedes Jahr den Anfang, die Familie bleibt bis Anfang August in der Schweiz. Zu Beginn steht ein Umzug an. Vom Haus am Stadtrand in die Wohnung im Zentrum. Wir tauschen Platz und Garten gegen weniger Platz und eine bessere Anbindung ans Taxinetz. Was dem kritteligen Europäer unverständlich scheint – ich zähle mich dazu – lässt die Töchter frohlocken, die Frau ebenfalls.
Unabhängig vom Wohnort bleibt die Frage nach einer Rückkehr in die Schweiz. Wir haben im Verlauf der vergangenen drei Wochen viele Gespräche geführt, auch mögliche Schulen für Nina besucht. Wir haben die Schweiz intensiv wahrgenommen, haben unsere Heimat vielleicht noch einmal mit anderen Augen betrachtet. Kritisch, fragend. Ich habe mich wieder mit besagter Dame im Hilton getroffen, und einen Vorvertrag unterschrieben (mehr dazu in Bälde). Wir haben uns mit Freunden ausgetauscht, in lauschigen Gärten gegrillt, auf weitläufigen Terrassen gespiesen. Wir haben beim Ausscheiden der Schweizer Kicker national mitgelitten, haben mindestens zehn Tage das heimische Sauwetter ausgehalten. Wir haben unsere Autobahn-Vignette teil-amortisiert, und grosszügig die einheimische Gastronomie unterstützt. In mindestens drei Kantonen.
Bis Dezember wollen wir uns entscheiden. Plus-Minus Listen erstellen, abwägen, ausloten, sichten, gewichten. Doch letztlich wird der Bauch den Ausschlag geben. Weil der Kopf allein dazu nicht in der Lage ist, und damit bereits verloren hat.
Ich habe den Eindruck, als sei ein Stein ins Rollen geraten. Ein Prozess, den wir lange zurückgedrängt und abgelehnt haben. Ich bin unruhig. Es könnte ein heisser Sommer werden.
Der Turnus bleibt der gleiche. Jedes Jahr: Zürcher Unterland, Berner Oberland, Tessin. Die letzte Region ist mir die liebste. Nicht für alle verständlich. Irgendwann findet jeder Mensch den Fleck auf dieser Erde, wo er oder sie hin zu gehören glaubt. Déjà-vu oder schicksalshafte Eingebung.
Vier Wüstenjahre sind um. Wir starten in die fünfte Saison. Tim ist eine Runde weiter, sein emiratisches Gastspiel ist zu Ende.
Ich mache wie jedes Jahr den Anfang, die Familie bleibt bis Anfang August in der Schweiz. Zu Beginn steht ein Umzug an. Vom Haus am Stadtrand in die Wohnung im Zentrum. Wir tauschen Platz und Garten gegen weniger Platz und eine bessere Anbindung ans Taxinetz. Was dem kritteligen Europäer unverständlich scheint – ich zähle mich dazu – lässt die Töchter frohlocken, die Frau ebenfalls.
Unabhängig vom Wohnort bleibt die Frage nach einer Rückkehr in die Schweiz. Wir haben im Verlauf der vergangenen drei Wochen viele Gespräche geführt, auch mögliche Schulen für Nina besucht. Wir haben die Schweiz intensiv wahrgenommen, haben unsere Heimat vielleicht noch einmal mit anderen Augen betrachtet. Kritisch, fragend. Ich habe mich wieder mit besagter Dame im Hilton getroffen, und einen Vorvertrag unterschrieben (mehr dazu in Bälde). Wir haben uns mit Freunden ausgetauscht, in lauschigen Gärten gegrillt, auf weitläufigen Terrassen gespiesen. Wir haben beim Ausscheiden der Schweizer Kicker national mitgelitten, haben mindestens zehn Tage das heimische Sauwetter ausgehalten. Wir haben unsere Autobahn-Vignette teil-amortisiert, und grosszügig die einheimische Gastronomie unterstützt. In mindestens drei Kantonen.
Bis Dezember wollen wir uns entscheiden. Plus-Minus Listen erstellen, abwägen, ausloten, sichten, gewichten. Doch letztlich wird der Bauch den Ausschlag geben. Weil der Kopf allein dazu nicht in der Lage ist, und damit bereits verloren hat.
Ich habe den Eindruck, als sei ein Stein ins Rollen geraten. Ein Prozess, den wir lange zurückgedrängt und abgelehnt haben. Ich bin unruhig. Es könnte ein heisser Sommer werden.
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