Safety Demo - the future generation!
Tuesday, January 26, 2010
Monday, January 25, 2010
V1-Rotate!
Der Start mit einem gut beladenen A340-600 ist immer wieder eindrücklich. Auch für mich. Die Maschine wirkt träge, will ihre 372 Tonnen nach dem Anschieben der Triebwerke kaum in Bewegung setzen. Ich bin versucht, mit der Peitsche zu knallen. Wie ein Dompteur, dessen voll gefressene Truppe den Dienst verweigert. Der Airbus verweigert nicht, lässt sich jedoch Zeit. Irgendwann, zwischen 80 und 100 Knoten, kommt das Ding spürbar in Fahrt. Die Entscheidungsgeschwindigkeit V1 liegt bei 148 Knoten (274 km/h). Jetzt kann und darf der Start nicht mehr abgebrochen werden. Auch nicht beim Auftreten einer technischen Störung. Deshalb nehme ich bewusst die rechte Hand von den Leistungshebeln. Das Verfahren verlangt dies so, um allfälligen Reflexen vorzubeugen. Die Maschine beschleunigt weiter, mit unbändiger Kraft peitschen uns die vier Rolls Royce Triebwerke über die 4100 Meter lange Startbahn. 167 Knoten (309 km/h) – die Computerstimme meldet „Rotate“, der Copi gibt den ersten Input am Sidestick. Vorsichtig, denn es gilt zu vermeiden, dass die Heckpartie des 76 Meter langen Rumpfes den Boden touchiert. Im ungünstigsten Fall geschieht dies bereits bei einem Anstellwinkel zwischen acht und neun Grad. Doch aufgepasst; rotiert der Pilot zu langsam, kostet dies wertvolle Pistenlänge. Das Ende der Startbahn rückt plötzlich unangenehm nah. Besonders bei vierstrahligen Jets. Die Vorschriften für die Performance-Berechnungen beim Start sind komplex, unter anderem muss im Fall eines Triebwerkverlusts bei V1 innerhalb der verbleibenden Pistendistanz eine Beschleunigung auf die minimale Steigfluggeschwindigkeit V2 möglich sein. Mehr noch, das Flugzeug muss dabei mindestens eine Höhe von 35 Fuss (10 Meter) erreichen. Im Falle einer nassen Piste reduziert sich dieser Wert gar auf lediglich 15 Fuss! Ein zweistrahliges Flugzeug verliert mit einem Triebwerk die Hälfte des Gesamtschubs, eine Maschine mit vier Aggregaten lediglich einen Viertel, beschleunigt mit dem vorhandenen Restschub also besser, was letztlich wiederum die dafür benötigte Distanz verkürzt und die "kritische Schwelle" näher ans Pistenende schiebt.
Auch wir können das Pistenende gut erkennen, als sich das Hauptfahrwerk endlich vom Boden löst. Mit einer selbstverständlichen Schwerfälligkeit, als wollte uns das Flugzeug augenzwinkernd zuraunen: „Schon gut, schon gut, bin wohl etwas fett aber die Luft ist mein Element, don’t worry!“ (Beim Airbus wohl eher „N’inquiétez pas!“...)
Langsam erklimmen 140 Tonnen Kerosen, vierzehn Tonnen Fracht, 253 Passagiere und 17 Besatzungsmitglieder Höhe, steigen Fuss um Fuss. Vor uns liegen 14.20 Stunden Flug über Land und über Wasser. Wir werden Wolkendecken durchstossen und Turbulenzen „erleiden“, Checklistenpunkte abarbeiten, mindestens 20 „Fuel-Checks“ durchführen und mehrere Liter Wasser und Kaffee trinken. Bei der Landung in New York werden wir 127 Tonnen Sprit verbrannt haben, über brennende Augen, eine trockene Kehle und einen Blähbauch klagen. Bei allen drei Leiden ist Abhilfe möglich; der Preis dafür variiert, die Umweltverträglichkeit ebenso...
Saturday, January 23, 2010
La gaieté arabienne...
Für sämtliche Schlottergeister in der Schweiz: Samstag, 23. Januar; einige Stimmungsbilder
Luft 26 Grad, Wasser 22 Grad - Arabischer Winter!
... morgen Sonntag geht's nach New York an die Kälte, brrhhh...
Luft 26 Grad, Wasser 22 Grad - Arabischer Winter!
... morgen Sonntag geht's nach New York an die Kälte, brrhhh...
Thursday, January 21, 2010
Happy Birthday
Sich selber zum Geburtstag zu gratulieren, ist nicht schick. Ich habs trotzdem gemacht; in meinem Hotelzimmer im neblig-grauen London. Zwar gabs einige SMS und Emails, doch ich hab vor dem Spiegel nachgedoppelt; mir in die vom Schlafmanko zerknitterten Augen geschaut und ganz unspektakulär einen Toast auf die kommenden Jährchen ausgesprochen.
Ursprünglich wollte mich mein Arbeitgeber nach Casablanca schicken. Dann aber haben die Einsatz-Disponenten ein Einsehen, lassen Gnade walten und senden mich fürs Wiegenfest an die Themse. Dass sie mir damit, zumindest ein symbolisches, Geburtstagsgeschenk bereiten, ist ihnen zweifellos nicht bewusst. Denn für den geburtstäglichen Rückflug steht das jüngste Baby der Etihad-Flotte auf dem Tarmac. Und so komme ich an meinem 53sten in den Genuss meines persönlichen Erstflugs mit einem A330-300! Mit erst 38 Sektoren und 240 Flugstunden auf dem noch wenig geschundenen Buckel (diese Zahlen beziehen sich natürlich auf das Flugzeug...).
Von aussen unterscheidet sich der etwas längere Airbus nicht sonderlich von seinen Brüdern und Schwestern der 200er Generation. Doch wer erst einmal die Kabine betritt, dem verschlägt es glatt die Sprache!
Der Flieger präsentiert sich mit völlig überarbeitetem Innenleben. Gedämpfte Brauntöne und Holzimitationen vermitteln gemütlich-einladende „Wohnzimmer-Atmosphäre“. Technisch und ergonomisch aufgewertete Passagiersitze (eher –sessel) mit Leder-Kopfpolstern in sämtlichen drei Klassen sorgen für erhöhten Sitzkomfort und geringeren Kabelsalat, denn bei der bisherigen Anordnung geraten sich ständig die Fernbedienung und der Kopfhörer in die Quere. Solcher Ärger ist „passé“, die Einsteckbuchsen befinden sich neu nicht mehr in der Armlehne sondern an der Rückseite des Vordersitzes. Noch praktischer ist die Filmwahl per Fingertipp, sind doch die Bildschirme mit Touchscreen-Eigenschaften ausgerüstet. Hochziehbare Trennwände in First- und Businessclass sorgen für mehr Privatsphäre, separieren Schnarcher von Hellhörigen, Trinker von Abstinentlern, Laute von Leisen und Fremde von Unbekannten – so mann und frau denn wirklich getrennt werden wollen...
Der Cabin Manager hat von seiner „Kommandozentrale“ aus die Möglichkeit, individuelle Meldungen diskret auf die Bildschirme einzelner Sektionen oder Passagiere zu übermitteln. Und die „Flight Attendants“ verrichten ihr Tag- oder Nachtwerk in Galleys, die dank edler Holzfronten frischer und aufgeräumter daherkommen, als so manch private Kochecke. Ich habe ja schon unzählige Flugzeuginnereien bewundert, aber diese Ausführung schlägt wirklich alles bisher Gebotene! Zukünftige Etihad-Maschinen werden ebenfalls im neuen Look ausgeliefert, die bestehende Flotte soll teilweise umgerüstet werden.
Dass mir schliesslich die gesamte Besatzung nach der Landung im Bus ein Geburtstagsständchen trällert, bringt meine Augen, vom zweiten Nachtflug innert drei Tagen zusätzlich geschädigt, ein weiteres Mal zum Leuchten. Sogar beschenken tun mich die lieben Kollegen und Kolleginnen; mit einem wunderschönen Cerrutti-Schreibwerkzeug sowie einem hellblau schimmernden London Gin namens “Bombay Sapphire“; möglicherweise einem letzten Überbleibsel in Flüssigform aus früheren Kolonialisationszeiten.
Ursprünglich wollte mich mein Arbeitgeber nach Casablanca schicken. Dann aber haben die Einsatz-Disponenten ein Einsehen, lassen Gnade walten und senden mich fürs Wiegenfest an die Themse. Dass sie mir damit, zumindest ein symbolisches, Geburtstagsgeschenk bereiten, ist ihnen zweifellos nicht bewusst. Denn für den geburtstäglichen Rückflug steht das jüngste Baby der Etihad-Flotte auf dem Tarmac. Und so komme ich an meinem 53sten in den Genuss meines persönlichen Erstflugs mit einem A330-300! Mit erst 38 Sektoren und 240 Flugstunden auf dem noch wenig geschundenen Buckel (diese Zahlen beziehen sich natürlich auf das Flugzeug...).
Von aussen unterscheidet sich der etwas längere Airbus nicht sonderlich von seinen Brüdern und Schwestern der 200er Generation. Doch wer erst einmal die Kabine betritt, dem verschlägt es glatt die Sprache!
Der Flieger präsentiert sich mit völlig überarbeitetem Innenleben. Gedämpfte Brauntöne und Holzimitationen vermitteln gemütlich-einladende „Wohnzimmer-Atmosphäre“. Technisch und ergonomisch aufgewertete Passagiersitze (eher –sessel) mit Leder-Kopfpolstern in sämtlichen drei Klassen sorgen für erhöhten Sitzkomfort und geringeren Kabelsalat, denn bei der bisherigen Anordnung geraten sich ständig die Fernbedienung und der Kopfhörer in die Quere. Solcher Ärger ist „passé“, die Einsteckbuchsen befinden sich neu nicht mehr in der Armlehne sondern an der Rückseite des Vordersitzes. Noch praktischer ist die Filmwahl per Fingertipp, sind doch die Bildschirme mit Touchscreen-Eigenschaften ausgerüstet. Hochziehbare Trennwände in First- und Businessclass sorgen für mehr Privatsphäre, separieren Schnarcher von Hellhörigen, Trinker von Abstinentlern, Laute von Leisen und Fremde von Unbekannten – so mann und frau denn wirklich getrennt werden wollen...
Der Cabin Manager hat von seiner „Kommandozentrale“ aus die Möglichkeit, individuelle Meldungen diskret auf die Bildschirme einzelner Sektionen oder Passagiere zu übermitteln. Und die „Flight Attendants“ verrichten ihr Tag- oder Nachtwerk in Galleys, die dank edler Holzfronten frischer und aufgeräumter daherkommen, als so manch private Kochecke. Ich habe ja schon unzählige Flugzeuginnereien bewundert, aber diese Ausführung schlägt wirklich alles bisher Gebotene! Zukünftige Etihad-Maschinen werden ebenfalls im neuen Look ausgeliefert, die bestehende Flotte soll teilweise umgerüstet werden.
Dass mir schliesslich die gesamte Besatzung nach der Landung im Bus ein Geburtstagsständchen trällert, bringt meine Augen, vom zweiten Nachtflug innert drei Tagen zusätzlich geschädigt, ein weiteres Mal zum Leuchten. Sogar beschenken tun mich die lieben Kollegen und Kolleginnen; mit einem wunderschönen Cerrutti-Schreibwerkzeug sowie einem hellblau schimmernden London Gin namens “Bombay Sapphire“; möglicherweise einem letzten Überbleibsel in Flüssigform aus früheren Kolonialisationszeiten.
Monday, January 18, 2010
Nebellandung
Die Nacht ist einmal mehr lang und verdammt dunkel. Zwar leuchten über uns die Sterne um die Wette, doch der Körper ist auf Schlaf eingestellt. Die Augen brennen und jede Sitzposition wird bereits nach wenigen Sekunden zur Qual. Während langer Zeit hat uns „Swiss 243“ begleitet. Aus einem spontanen Aufruf auf dem zweiten Funkset ergibt sich eine kurze Plauderei mit alten Bekannten. Ob wir denn unser Haus im Zürcher Unterland noch immer besässen, erkundigt sich der Kollege, der 2000 Fuss oder 600 Meter über uns dahindüst. Und wie’s den Kindern gefalle... Später überfliegen wir das hell erleuchtete Baghdad, und grausamerweise muss ich mir eingestehen, dass ich die Stadt nach Feuern oder Explosionen absuche.
Das Jahr hat sowieso ruppig begonnen. Nur wenige Kilometer von unserer Ferienwohnung im Diemtigtal entfernt, donnern in den ersten Januartagen die Schneemassen ins Tal und fordern sieben Menschenleben. Zwei Tage knattern die Helikopter unentwegt über unsere behelmten Köpfe. Beinahe gleichzeitig erreicht uns die Nachricht, dass unser Nachbar in Abu Dhabi, mein Berufskollege, an den Folgen seines Hirntumors gestorben ist. Trotz ungünstigem Krankheitsverlauf überraschend schnell. Die Vergänglichkeit in neuen Dimensionen. Sofern sie denn überhaupt irgendwelche hat.
Mittlerweile befinden wir uns bereits im Sinkflug. Hinter unserem Rücken dösen 290 zufriedene Passagiere. Zufrieden, nicht nur, weil wir vor der geplanten Ankunftszeit in London landen werden, sondern auch weil sie das Privileg geniessen, im neuesten A340-600 der Etihad zu reisen. Mit einem jungfräulich anmutenden Innenleben. Ausserdem ist diese Maschine mit der brandneuen und edlen Erstklass-Variante ausgestattet. Dunkle Holzimitation, abtrennbare "Séparées" und eine in schwarz gehaltene Toilette, die in ihrer Grosszügigkeit an ein Hotel der Luxusklasse erinnert. Auch der Omanische Scheich und seine Frau zeigen sich zufrieden ob derartiger „Noblesse“.
Die Anflugkontrolle schickt uns vorerst in eine Warteschlaufe über Lambourne. Es ist erst sechs Uhr in der Früh, die morgendlichen Nebelschleier dämpfen die Lichter der Themse-Stadt wie moderne Potentiometer die Deckenspots in schicken Wohnzimmern. Die „Runway Visual Range“ (RVR) der Piste 27R wird mit 500 Metern angegeben. Die Wolkendecke soll auf 100 Fuss oder 30 Metern über der Bodenoberfläche liegen. Wie so oft stellt sich für die Piloten die Frage, welches Anflugverfahren, mit welchem Anflugminimum denn nun am sinnvollsten sei. Dabei gilt es nicht nur die herrschenden Wetterbedingungen zu berücksichtigen, sondern auch den technischen Zustand der Anflughilfen und des Fluggeräts. Eventualitäten werden versucht abzudecken, beispielsweise ein möglicher Ausfall einer wichtigen Flugzeugkomponente. Denn ein Systemausfall unter 1000 Fuss verlangt bei einem „Autoland Approach“ (Anflug mit automatischer Landung) in der Regel nach einem Durchstart. Mit wenigen Ausnahmen, welche für die Piloten auf detaillierten, nicht immer sehr übersichtlichen, Tabellen zusammengetragen sind.
Transmissometer zur Messung der RVR
Wir planen ein „Autoland“ mit einer Entscheidungshöhe (Minimum) von 50 Fuss (15 Meter). Dazu benötigen wir eine minimale Sicht von 200 Metern, die in diesem Fall gegeben ist. Während uns die Anflugkontrolle aus der Warteschlaufe ordert, steigt die RVR gar auf 900 Meter. Entwarnung, denn bei dieser Sicht dürfen wir auch von Hand landen. Einzig die tiefe Wolkendecke macht mich stutzig. London erklärt die „Low visibility procedures“ ab sofort für beendet und fädelt uns, lediglich fünf Nautische Meilen hinter der vorderen Maschine, auf der „ILS“ (Instrument Landing System) ein. Damit sind die entsprechenden Sicherheitsabstände von Vehikeln zu Pisten und Sendeanlagen für automatische Landungen nicht mehr gewährleistet, und es besteht ein erhöhtes Risiko, dass Störsignale die Kurs- und Gleitwegsignale irritieren. Wir fahren trotzdem wie geplant weiter. Ich bin bereit, den Autopiloten jederzeit, auch während der heiklen Landephase, auszuschalten und das Manöver manuell zu Ende zu führen. Bei 800 Fuss tauchen wir in ein, in seinen Dimensionen undefinierbares, Nebelmeer. Der 260 Tonnen schwere A346 ist zur Landung konfiguriert, die Anfluggeschwindigkeit liegt bei 159 Knoten. Der Nebel vor unseren Augen erhellt sich, ich suche nach Anfluglichtern, während die Augen des Copiloten ausschliesslich die Abläufe der beiden Autopiloten überwachen. Auf 300 Fuss hat uns der Towerbeamte noch keine Landebewilligung erteilt, und Lichter kann ich auch noch keine ausmachen. Eine sehr spät erteilte "Landing Clearance" ist in Heathrow zwar an der Tagesordnung, in diesem Fall aber speziell ungemütlich. Endlich schimmern weisslich-gelbe Lichter der Anflugbefeuerung durch, beinahe gleichzeitig erkenne ich die grell wirkende Pistenbeleuchtung. Das Bild bleibt verschwommen, das Ende der Piste verschlucken einzelne Nebelfetzen. Der Copi bestätigt den Abflachvorgang, die Flugzeugnase hebt sich leicht, die Räder berühren sanft die Piste. Schubumkehr, das automatische Bremssystem beginnt beinahe gleichzeitig, die Geschwindigkeit abzubauen. Wenig später schalte ich den Autopiloten aus und rolle von der Piste. „Follow the greens“ weist uns „Heathrow Ground Control“ an. Kein anderer Flugplatz auf dieser Welt, den ich kenne, verfügt über ein vergleichbares System: Von Geisterhand für jede Maschine individuell gesteuert, leitet uns die grüne Rollwegbeleuchtung durch die Irrungen und Baustellen dieses vewirrenden Flughafens zum Standplatz.
Der Copi und ich sind uns einig: Eine konventionelle Landung wäre unter den gegebenen Wetterbedingungen sehr schwierig geworden, denn die wandernden Nebelschwaden haben die Ausgangslage ständig verändert. In solchen Fällen sind die Wettermeldungen nur bedingt hilfreich, da sie bei der Publikation bereits an Aktualität verloren haben. Das ist besonders bei Nebellagen keine Seltenheit, und es gilt einmal mehr: „Expect the unexpected!" Auch in London Heathrow
Das Jahr hat sowieso ruppig begonnen. Nur wenige Kilometer von unserer Ferienwohnung im Diemtigtal entfernt, donnern in den ersten Januartagen die Schneemassen ins Tal und fordern sieben Menschenleben. Zwei Tage knattern die Helikopter unentwegt über unsere behelmten Köpfe. Beinahe gleichzeitig erreicht uns die Nachricht, dass unser Nachbar in Abu Dhabi, mein Berufskollege, an den Folgen seines Hirntumors gestorben ist. Trotz ungünstigem Krankheitsverlauf überraschend schnell. Die Vergänglichkeit in neuen Dimensionen. Sofern sie denn überhaupt irgendwelche hat.
Mittlerweile befinden wir uns bereits im Sinkflug. Hinter unserem Rücken dösen 290 zufriedene Passagiere. Zufrieden, nicht nur, weil wir vor der geplanten Ankunftszeit in London landen werden, sondern auch weil sie das Privileg geniessen, im neuesten A340-600 der Etihad zu reisen. Mit einem jungfräulich anmutenden Innenleben. Ausserdem ist diese Maschine mit der brandneuen und edlen Erstklass-Variante ausgestattet. Dunkle Holzimitation, abtrennbare "Séparées" und eine in schwarz gehaltene Toilette, die in ihrer Grosszügigkeit an ein Hotel der Luxusklasse erinnert. Auch der Omanische Scheich und seine Frau zeigen sich zufrieden ob derartiger „Noblesse“.
Die Anflugkontrolle schickt uns vorerst in eine Warteschlaufe über Lambourne. Es ist erst sechs Uhr in der Früh, die morgendlichen Nebelschleier dämpfen die Lichter der Themse-Stadt wie moderne Potentiometer die Deckenspots in schicken Wohnzimmern. Die „Runway Visual Range“ (RVR) der Piste 27R wird mit 500 Metern angegeben. Die Wolkendecke soll auf 100 Fuss oder 30 Metern über der Bodenoberfläche liegen. Wie so oft stellt sich für die Piloten die Frage, welches Anflugverfahren, mit welchem Anflugminimum denn nun am sinnvollsten sei. Dabei gilt es nicht nur die herrschenden Wetterbedingungen zu berücksichtigen, sondern auch den technischen Zustand der Anflughilfen und des Fluggeräts. Eventualitäten werden versucht abzudecken, beispielsweise ein möglicher Ausfall einer wichtigen Flugzeugkomponente. Denn ein Systemausfall unter 1000 Fuss verlangt bei einem „Autoland Approach“ (Anflug mit automatischer Landung) in der Regel nach einem Durchstart. Mit wenigen Ausnahmen, welche für die Piloten auf detaillierten, nicht immer sehr übersichtlichen, Tabellen zusammengetragen sind.
Transmissometer zur Messung der RVR
Wir planen ein „Autoland“ mit einer Entscheidungshöhe (Minimum) von 50 Fuss (15 Meter). Dazu benötigen wir eine minimale Sicht von 200 Metern, die in diesem Fall gegeben ist. Während uns die Anflugkontrolle aus der Warteschlaufe ordert, steigt die RVR gar auf 900 Meter. Entwarnung, denn bei dieser Sicht dürfen wir auch von Hand landen. Einzig die tiefe Wolkendecke macht mich stutzig. London erklärt die „Low visibility procedures“ ab sofort für beendet und fädelt uns, lediglich fünf Nautische Meilen hinter der vorderen Maschine, auf der „ILS“ (Instrument Landing System) ein. Damit sind die entsprechenden Sicherheitsabstände von Vehikeln zu Pisten und Sendeanlagen für automatische Landungen nicht mehr gewährleistet, und es besteht ein erhöhtes Risiko, dass Störsignale die Kurs- und Gleitwegsignale irritieren. Wir fahren trotzdem wie geplant weiter. Ich bin bereit, den Autopiloten jederzeit, auch während der heiklen Landephase, auszuschalten und das Manöver manuell zu Ende zu führen. Bei 800 Fuss tauchen wir in ein, in seinen Dimensionen undefinierbares, Nebelmeer. Der 260 Tonnen schwere A346 ist zur Landung konfiguriert, die Anfluggeschwindigkeit liegt bei 159 Knoten. Der Nebel vor unseren Augen erhellt sich, ich suche nach Anfluglichtern, während die Augen des Copiloten ausschliesslich die Abläufe der beiden Autopiloten überwachen. Auf 300 Fuss hat uns der Towerbeamte noch keine Landebewilligung erteilt, und Lichter kann ich auch noch keine ausmachen. Eine sehr spät erteilte "Landing Clearance" ist in Heathrow zwar an der Tagesordnung, in diesem Fall aber speziell ungemütlich. Endlich schimmern weisslich-gelbe Lichter der Anflugbefeuerung durch, beinahe gleichzeitig erkenne ich die grell wirkende Pistenbeleuchtung. Das Bild bleibt verschwommen, das Ende der Piste verschlucken einzelne Nebelfetzen. Der Copi bestätigt den Abflachvorgang, die Flugzeugnase hebt sich leicht, die Räder berühren sanft die Piste. Schubumkehr, das automatische Bremssystem beginnt beinahe gleichzeitig, die Geschwindigkeit abzubauen. Wenig später schalte ich den Autopiloten aus und rolle von der Piste. „Follow the greens“ weist uns „Heathrow Ground Control“ an. Kein anderer Flugplatz auf dieser Welt, den ich kenne, verfügt über ein vergleichbares System: Von Geisterhand für jede Maschine individuell gesteuert, leitet uns die grüne Rollwegbeleuchtung durch die Irrungen und Baustellen dieses vewirrenden Flughafens zum Standplatz.
Der Copi und ich sind uns einig: Eine konventionelle Landung wäre unter den gegebenen Wetterbedingungen sehr schwierig geworden, denn die wandernden Nebelschwaden haben die Ausgangslage ständig verändert. In solchen Fällen sind die Wettermeldungen nur bedingt hilfreich, da sie bei der Publikation bereits an Aktualität verloren haben. Das ist besonders bei Nebellagen keine Seltenheit, und es gilt einmal mehr: „Expect the unexpected!" Auch in London Heathrow
Thursday, January 14, 2010
Getrennter Tisch
Dass die Welt rund wie der ominöse (Fuss)Ball ist, wird der Menschheit regelmässig vorgehalten. Dass die Welt klein wie die (Wüsten)Maus ist, beweisen zahlreiche unerwartete Begegnungen, zumeist an Orten, wo wir nicht damit rechnen. Am einsamen Strand in den Ferien, beim Einkauf in der Wurstabteilung oder beim Einchecken im schmuddeligen Hotel auf der Südhalbkugel, irgendwann, während einer Weltreise.
Um unerwartet einen meiner ehemaligen militärischen Vorgesetzten zu kreuzen, muss ich nicht ans Ende der Welt reisen. Es genügen dreieinhalb Jahre in der Wüste. Unerfindliche Zufälle lassen Franziska und mir eine Einladung zu einem Raclette-Essen beim Schweizer Botschafter in Abu Dhabi ins Haus flattern. Denn hoher Besuch ist angekündigt: Der Kommandant der Schweizer Flugwaffe weilt im Land. Grund ist eine Bestellung der Emiratischen Luftwaffe von 25 PC-21 Turboprop Trainingsflugzeugen.
Der kleine aber feine militärische Trupp bewältigt während zwei Tagen ein anspruchsvolles Besichtigungsprogramm, vom Emirates Palace über militärische Einrichtungen bis hin zur Sheikh Zayed Moschee. Abschluss bildet ein Empfang beim Schweizer Botschafter. Dank der gütigen Hilfe der Montanaris gehören auch Franziska und meine verlorene Seele zur erlauchten 22-köpfigen Gästeschaar. Adrett gewandet entsteigen wir nach einem noblen Parkmanöver unseres „Drivers“ Aldo (im richtigen Leben Captain bei Etihad Airways) kurz vor 20 Uhr der Limousine (im richtigen Leben Barbara und Aldos Familienwagen).
Zum Apéro werden am Pool Häppchen serviert, fürs Essen ist im grosszügigen Entréébereich helvetisch rot-weiss gedeckt. Die Tischkarten spalten die Geister und Ehepaare aufs Brutalste. Franziska gerät zwischen die Fronten des PC-21 Cheffluglehrers und eines armeekritisch eingestellten Wallisers. Mir wird die Ehre zuteil, am gleichen Tisch wie der Botschafter und der Flugwaffenchef den Schmelzkäse zu zerteilen. Letzterer (Flugwaffenchef, nicht Schmelzkäse) hat mir vor 27 Jahren einen Verbandsführer-Checkflug in der Offiziersschule abgenommen. Die heutige Begegnung verläuft weniger formell. Überhaupt ist die Stimmung entspannt, die Gespräche plätschern locker dahin. Aus entfernten Lautsprechern erklingen nicht etwa Ländlertöne, sondern animierende Salsarhythmen. Dahinter steckt, wie sie mir später gesteht, die jamaikanische Gattin des Botschafters.
Wir begegnen an diesem Abend interessanten Gästen: einem Sportmanager, der hier bei der Organisation des „FIFA Club World Cup“ engagiert ist, oder dem Schweizerischen Verteidigungsattaché. Die Schweiz hat diesen Posten in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate im vergangenen Jahr neu geschaffen. Der Oberst ist jedoch nicht nur für die Emirate zuständig, sondern auch für Saudiarabien. Ein weitläufiges Schlacht- und Tummelfeld.
Auch die Residenz des Botschafters ist weitläufig. Eindrücklich wie einladend. Den Eingangs- und Aufenthaltsbereich zieren Fotomotive aus der Formel 1. Zeugen einer stillen Leidenschaft.
Franziska und ich geniessen den Abend, auch an getrennten Tischen. Oder vielleicht gerade deswegen...
Saturday, January 02, 2010
Zukunfts-Gedanken
Die Mehlsuppe ist voll eingefahren. Der Glühwein noch mehr. Bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt rutschen wir ins neue Jahr. An einer romantischen Grill-Stelle im Diemtigtal, wo im Sommer jeweils hungrige Wandersleute ihre strapazierten Füsse im sprudelnden Wasser der Fildrich kühlen, derweilen die Würste über dem züngelnden Feuer braten. Die Nacht ist hell erleuchtet von einem Mond, der in vollen Zügen am beinahe klaren Firmament leuchtet.
21 Personen, drei Generationen inklusive Freunde sorgen für ordentlich Stimmung. Kein Glockenschlag signalisiert an dieser abgelegenen Stelle den Beginn der neuen Dekade, wir verlassen uns auf die Zeiger der Armbanduhren. Am Horizont steigen, von Zischen und Knallen begleitet, einige Raketen auf. „Prost – Happy New Year!“ Küsschen links und rechts, gute Wünsche, ein Schluck aus dem Plastik-Champagnerglas.
Dieser Jahreswechsel bekommt für unsere Familie eine besondere Bedeutung. 2010 steht eine gewichtige Entscheidung an; Die Frage nämlich, ob wir im Sommer 2011 unsere Wüsten-Zelte in Abu Dhabi abbrechen und in die Schweiz zurückkehren werden. Will ich meine um ein Jahr verlängerte „Option to return“ – mein „Rückkehrticket zur SWISS – einlösen, muss ich dies spätestens im Februar 2011 meinem früheren Arbeitgeber mitteilen. Der Entscheid jedoch muss früher gefällt werden, schliesslich gäbe es noch dieses oder jenes einzufädeln. Mit Tims Umzug in die Schweiz im kommenden Juni rücken wir unserem Heimatland automatisch ein Stück näher. Die Zeit verfliegt beängstigend schnell, es gilt weit vorauszuplanen. Damit verliert unser Leben in den Emiraten eine Spur an Leichtigkeit. Die Gedanken verheddern sich in einem Strudel aus Optionen, Konsequenzen, Vor- und Nachteilen. Die kräftig expandierende Airline im von üppigen Ölreserven profitierenden Abu Dhabi scheint mehr Möglichkeiten zu bieten als die bereits konsolidierte Gesellschaft im wirtschaftlich angeschlagenen Europa. Etihad assoziiert topmodernes Flugmaterial, ständig neue Destinationen, Wachstum und damit verbunden unbegrenzte berufliche Chancen. Die SWISS offeriert zwar Sicherheit und für die verbleibenden Berufsjahre Zahlungen in die Pensionskasse, doch faktisch kommt die Rück“kehr“ einem Rück“schritt“ gleich. Im Bewusstsein, dass neben Etihad und SWISS noch viele andere Airlines und Luftfahrtorganisationen Arbeitsplätze anbieten, bleibe ich wachsam und prüfe sämtliche Möglichkeiten.
Derweilen vertiefe ich mich intensiver in Flight Safety-Belange, geniesse jeden Flug, sei es mit dem sich mittlerweile sehr „handlich“ anfühlenden A330-200 oder mit den etwas schwerfälligeren A340-500 und -600 Typen. Diesen Monat ist der erste A330-300 zur Etihad-Flotte gestossen. Weitere werden folgen. Wie auch, irgendwann, der A380, A350 und der B787. Ausserdem laufen auf dem Flughafen Abu Dhabi die Bauarbeiten für das im Jahre 2012 öffnende Midfield Terminal mit einem Passagiervolumen von 20 Millionen pro Jahr. Die Zahlen beeindrucken, eine rasante Entwicklung, ein Griff nach den Sternen quasi.
Ich stehe etwas abseits der feiernden Gruppe. In der Hand die Tasse mit der Mehlsuppe, im Mundwinkel eine „Krumme“ aus der Fertigung der Firma einer vormaligen Bundesratsfamilie. Politik und Zigarren - Dualstrategie, schiesst es mir durch den Kopf. Leider kann ich nicht für zwei Airlines gleichzeitig fliegen. Und auch ohne die Sterne zu befragen weiss ich, dass die Entscheidung nicht einfach wird.
21 Personen, drei Generationen inklusive Freunde sorgen für ordentlich Stimmung. Kein Glockenschlag signalisiert an dieser abgelegenen Stelle den Beginn der neuen Dekade, wir verlassen uns auf die Zeiger der Armbanduhren. Am Horizont steigen, von Zischen und Knallen begleitet, einige Raketen auf. „Prost – Happy New Year!“ Küsschen links und rechts, gute Wünsche, ein Schluck aus dem Plastik-Champagnerglas.
Dieser Jahreswechsel bekommt für unsere Familie eine besondere Bedeutung. 2010 steht eine gewichtige Entscheidung an; Die Frage nämlich, ob wir im Sommer 2011 unsere Wüsten-Zelte in Abu Dhabi abbrechen und in die Schweiz zurückkehren werden. Will ich meine um ein Jahr verlängerte „Option to return“ – mein „Rückkehrticket zur SWISS – einlösen, muss ich dies spätestens im Februar 2011 meinem früheren Arbeitgeber mitteilen. Der Entscheid jedoch muss früher gefällt werden, schliesslich gäbe es noch dieses oder jenes einzufädeln. Mit Tims Umzug in die Schweiz im kommenden Juni rücken wir unserem Heimatland automatisch ein Stück näher. Die Zeit verfliegt beängstigend schnell, es gilt weit vorauszuplanen. Damit verliert unser Leben in den Emiraten eine Spur an Leichtigkeit. Die Gedanken verheddern sich in einem Strudel aus Optionen, Konsequenzen, Vor- und Nachteilen. Die kräftig expandierende Airline im von üppigen Ölreserven profitierenden Abu Dhabi scheint mehr Möglichkeiten zu bieten als die bereits konsolidierte Gesellschaft im wirtschaftlich angeschlagenen Europa. Etihad assoziiert topmodernes Flugmaterial, ständig neue Destinationen, Wachstum und damit verbunden unbegrenzte berufliche Chancen. Die SWISS offeriert zwar Sicherheit und für die verbleibenden Berufsjahre Zahlungen in die Pensionskasse, doch faktisch kommt die Rück“kehr“ einem Rück“schritt“ gleich. Im Bewusstsein, dass neben Etihad und SWISS noch viele andere Airlines und Luftfahrtorganisationen Arbeitsplätze anbieten, bleibe ich wachsam und prüfe sämtliche Möglichkeiten.
Derweilen vertiefe ich mich intensiver in Flight Safety-Belange, geniesse jeden Flug, sei es mit dem sich mittlerweile sehr „handlich“ anfühlenden A330-200 oder mit den etwas schwerfälligeren A340-500 und -600 Typen. Diesen Monat ist der erste A330-300 zur Etihad-Flotte gestossen. Weitere werden folgen. Wie auch, irgendwann, der A380, A350 und der B787. Ausserdem laufen auf dem Flughafen Abu Dhabi die Bauarbeiten für das im Jahre 2012 öffnende Midfield Terminal mit einem Passagiervolumen von 20 Millionen pro Jahr. Die Zahlen beeindrucken, eine rasante Entwicklung, ein Griff nach den Sternen quasi.
Ich stehe etwas abseits der feiernden Gruppe. In der Hand die Tasse mit der Mehlsuppe, im Mundwinkel eine „Krumme“ aus der Fertigung der Firma einer vormaligen Bundesratsfamilie. Politik und Zigarren - Dualstrategie, schiesst es mir durch den Kopf. Leider kann ich nicht für zwei Airlines gleichzeitig fliegen. Und auch ohne die Sterne zu befragen weiss ich, dass die Entscheidung nicht einfach wird.
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