Fasten gehört zu den fünf Säulen des Islams; neben Beten, dem Glaubensbekenntnis, der Unterstützung von Bedürftigen und einer einmaligen Pilgerfahrt nach Mekka. Zu Beginn unseres vierten Wüstenjahres erleben wir die traditionelle Fastenzeit ein drittes Mal als Bewohner eines arabischen Landes. Im Laufe der Zeit haben wir einige Muslime, teilweise auch ihre Familien, näher kennen gelernt, im privaten wie auch im beruflichen Umfeld. Auch wenn wir unsere persönlichen Essgewohnheiten nicht ändern, glauben wir ein bisschen verstehen zu können, was diesen Menschen der "Heilige Monat" bedeutet.
Der Ramadan dominiert jede Faser des täglichen Lebens. Private Abmachungen, geschäftliche Termine und öffentliche Veranstaltungen sind alle dem Rhythmus des Fastens unterworfen. In der letzten Stunde vor Iftar, der Zeit des Fastenbrechens, steigt die Nervosität, die Anspannung wird förmlich greifbar: Die Gläubigen haben den ganzen Tag weder gegessen noch getrunken. Sie sind gereizt, ungeduldig und vor allem hungrig und durstig, was sich letztlich auch auf ihre Fahrweise überträgt. Von Autofahrten wird abgeraten. Die Strassen sind wegen hektischer und undisziplinierter Fahrweise (alle wollen möglichst rasch nach Hause) tunlichst zu meiden, die Unfallrate steigt rapide. Dabei ist die soeben veröffentlichte Statistik der Verkehrstoten jetzt schon alles andere als erbaulich: Im Jahre 2008 verloren bei einer Gesamtbevölkerung von knapp fünf Millionen rund 1100 Menschen auf emiratischen Strassen ihr Leben. Verglichen mit der siebeneinhalb Millionen Einwohner zählenden Schweiz, eine ganz üble Statistik. Denn in helvetischen Landen starben im vergangenen Jahr „lediglich“ 357 Personen.
Wenn die Sonne dann endlich am Horizont verschwindet, ist die Stadt beinahe leer, die Menschen verschwinden in ihre Häuser oder in eines der vielerorts errichteten Iftar-Zelte. Nach Datteln und traditionellen Fruchtsäften legen sich die Hungrigen so richtig ins Zeug und holen nach, was ihnen während der vergangenen zwölf Stunden verboten war. Auch wir werden zweifellos wieder das eine oder andere Iftar-Buffet besuchen, um uns an Hoummus, Moutabel, Lamm, Huhn, Reis, Früchten, arabischen Süssigkeiten und dem herrlichen Umm-Ali, einem süss-klebrigen Dessertbrei, vergleichbar mit dem bei uns bekannten Brotpudding zu vergreifen.
Wie wir in den Schweizer Online-Zeitungen erfahren, leidet die Bevölkerung unter einer Hitzewelle; 34 Grad – da wird wohl so mancher Hemdenkragen feucht. In Abu Dhabi ist es ähnlich heiss – in der Nacht! Am Tag quält sich das Thermometer zehn Gradeinheiten höher. Knapp unter 45 Grad liegen die Maximalwerte. Bei einer Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent. Allerdings verfügt auch der lausigste Geräteschuppen über eine Klimaanlage, was den unkontrollierten Flüssigkeitsausstoss des Körpers in Grenzen hält. Dummerweise hat eine völlig dilettantische Unterhaltscrew den Swimmingpool unseres Compounds wieder einmal lahmgelegt. Das Wasser hat sich dunkelgrün verfärbt und erinnert in seiner Farbe an den mittlerweile arg vergifteten Xiang-Fluss in China. Dies, nachdem bereits im März vier Wochen am Badetempel herumgewerkelt worden war. Franziska und ich haben uns heute echt geärgert. Und ich habe mir Rache geschworen. Die Verwaltung wird von mir hören! Stalkermässige Telefonanrufe, Tag und Nacht. Schliesslich wurde unser soeben um ein Jahr verlängerter Mietvertrag von einer fünfprozentigen Zinserhöhung begleitet. Da darf man doch eine funktionierende Infrastruktur erwarten. Und einen vollen Pool. Doch schwant uns Übles. Denn, wie eingangs erwähnt, beginnt heute der Fastenmonat. Und da könnte sich die Reparatur des Pools etwas in die Länge ziehen: Tage, Wochen... Ramadan Kareem!
Bis auf Weiteres geschlossen...
10 comments:
Danke für den Einblick eines "Einheimischen" in den Ramadan. Nachdem ich den Pilgerterminal in JED (leider erst leer) gesehen habe, kann ich mir ein wenig ein Bild machen, was abgeht, wenn da Hochbetrieb ist. Apropos Swimmingpool: ich glaube, NFF wüsste da noch eine Handwerkerfirma *lach*
gruess in den Sand, G!
.... die Griess-Air kann ich empfehlen. So wird es dem Kunden garantiert nie langweilig und die Sommer kommen und gehen, ohne dass der Schutz vor den Sonnenstrahlen je montiert wurde.
Happy Ramadan - oder sagt man das nicht so?
Na ihr zwei Schweizer Flug-, Schreib-, und Handwerkcracks...?
Ich bedanke mich fürs Mitgefühl, nur, deswegen repariert sich der Pool auch nicht von selber. Uns fehlt eine "Griess-Poolrepair Company", die mindestens so effizient arbeitet, wie ihr schreibt. Aber eben - im Moment schaut's schlecht aus. Habe heute vom Büro aus versucht, meine Telefonnötigung zu lancieren. Ebenfalls vergeblich; 100 Mal wählen, Tonbanderklärung zuerst auf Arabisch, dann auf Englisch abhören, Extension drücken - und knallhart am "Besetzt-Zeichen" scheitern...
Es heisst übrigens "Ramadan Kareem"! Da könnt ihr euch bei allfälligen Flügen durch oder über diese Gegend kulturtechnisch am Funk oder PA profilieren! Aber das habt ihr ja eh nicht nötig...
Gruss in die Schweiz! Dide
Man koennte auch sagen: "Ramadan Mubarak!"
Gruss aus einem Land mit Temperaturen unter 35C...
Giuliano auf der Flucht quasi! Wohl geniesst du Temperaturen unter 35° C, dafür musst du auf die Klimaanlage verzichten. Und die kann auch bei schlappen 30° bereits eine wohltuende Wirkung entfalten...
Gruss - Dide
Ein Gratistip für diejenigen, deren Telefonterror durch die 'für bla bla drücken sie 1, für xyz drücken sie 2..etc'-Ansagen im Keim erstickt wird: Einfach nichts drücken. In 9 von 10 Fällen geht es dann Express weiter zu einem Allrounder.
Dieser Tip wurde Ihnen präsentiert von der Luftwaffe der Schweiz, wo der Schreibende gerade ein paar Diensttage abstottert.
@einevobärn: Danke für den Tipp. Ich bezweifle allerdings, ob die emiratischen "auto-replies" ähnlich einfach wie helvetische Muster auszutricksen sind. Wir werden ja sehen. Viel Spass noch bei der Luftwaffe...
Gruss
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