Es gibt sie immer wieder; diese Flüge oder Rotationen, bei denen lästige und ärgerliche Störungen in verschiedenen Bereichen der Besatzung Kopfweh bereiten.
Dabei fängt alles so gut an. Wieder einmal unterwegs nach London. Die wie immer grosszügige Zeitplanung (Expect the unexpected) erlaubt mir sowohl entspanntes Fahren auf der Autobahn, als auch entspanntes Kaffee trinken im Planungsraum am Flughafen. Es ist Vormittag, kurz nach elf Uhr. Um diese Zeit läuft nicht viel, und es fehlt die übliche Hektik der Spitzenzeiten. Der Copi aus dem Land wo Hyunday, Samsung und LG gegen die japanische Konkurrenz aufrüsten, erscheint ebenfalls frühzeitig. So bleibt uns neben Flugplanung und „Crew briefing“ genügend Zeit für Plaudereien. Erst als wir die Passkontrolle bereits passiert haben, kurz vor dem Besteigen des Busses, der uns zum Flugzeug bringt, realisiere ich, dass mein Laptop immer noch am Kabel für den Daten-Update hängt. Da war ich wohl etwas zu entspannt. Ohne mein „Working Brain“ geht nichts. Also gehts im Laufschritt zurück. Zumindest bis zur Passkontrolle. Dort gilt es in mühsamer Kleinarbeit den Beamten zu überzeugen, dass ich „nur“ schnell meinen Laptop holen muss. Dummerweise will ich gegen den Strom, und lokale Zöllner sind nicht die flexibelsten. Schliesslich beschlagnahmt der uniformierte Grenzwächter meinen Etihad-Ausweis und die Lizenz, dann lässt er mich gnädigerweise durch. Ich schnappe mir den Compi und haste den gleichen Weg zurück. Dass ich dabei einen Knopf meines Uniform-Jackets verliere, führe ich ausschliesslich auf meinen dynamischen Laufstil zurück.
Eine Stunde später, im Cockpit unseres A340-600, scheint wieder alles normal. Das „Boarding“ ist bereits abgeschlossen, die Passagiere machen sich neugierig mit den vielfältigen Unterhaltungs- und Spieloptionen eines modernen Flugzeugsitzes vertraut. Zwei Minuten bevor wir die Maschine vom Dock zurückstossen möchten, meldet sich unvermittelt die APU (Auxiliary Power Unit) mit einem „Kloink“ und leisem Zischen ab. Plötzlich umgibt uns eine beängstigende Stille, ähnlich wie sie die Mondfahrer vor 40 Jahren bei der Umrundung unseres Erdtrabanten erlebt haben müssen. Doch wir haben Glück, das Hilfsaggregat für Strom und Kühlung lässt sich wieder starten. Sicherheitshalber setzen wir auch gleich das erste Triebwerk in Gang, bevor wir letztlich dem Traktorfahrer signalisieren, dass er unsere 305 Tonnen-Röhre zurückstossen soll.
Über endlos lange Rollwege manövrieren wir den Airbus zur neueren der beiden Parallepisten. „Checklist completed“, ich liniere den 75 Meter langen Rumpf exakt auf der Pistenmitte auf. „Take off thrust“, das Flugzeug beginnt langsam zu beschleunigen. Dann bimmelt es, und auf dem zentralen Display erscheint die Warnung: „Air Eng 2 Bleed leak“. Ich nehme die vier Leistungshebel zurück, die Geschwindigkeit ist nicht hoch, trotzdem halten wir uns bei diesem Startabbruch an die vorgegebenen Verfahren. Auf einem Rollweg parkieren wir die Maschine und nehmen mit den Experten von der „Maintenance“ Kontakt auf, die den Grund des Übels in der hohen Aussentemperatur von 44 Grad vermuten. Irgendetwas ist faul mit unserem Pneumatiksystem. Neue Warnungen, diesmal für Triebwerk drei leuchten auf. Wir schalten sämtliche System-Komponenten aus, in der Hoffnung, das überlastete System zu entlasten. Unangenehmerweise steigt die Temperatur im Innern des Flugzeugs rasch an. Nach fünf Minuten und einigen „Resets“ schalten wir alles wieder zu. Schaut gut aus, wir verlangen eine erneute Startbewilligung und rollen langsam zurück zum Pistenanfang. Info an Kabinenbesatzung und Passagiere. Nach einer Minute bimmelt es erneut. Dasselbe Problem, jetzt im Bereich der Triebwerke drei und eins. Wir beginnen nochmals von vorn, drücken Knöpfe und warten darauf, dass die „FAULT“-Lichter erlöschen. Ich bespreche mich kurz mit dem Copi. Die Chancen stehen 50/50, dass ein erneuter Startversuch klappt. Wir wollen dem scheinbar überlasteten System bis zur letzten Sekunde Erholung gewähren. Erst als wir bereits auf der Piste stehen, im letztmöglichen Moment, schalten wir alle Komponenten zu. Die Anzeigen stimmen. Ich schiebe die Leistungshebel nach vorn – alles ok – keine Warnung – die Geschwindigkeit nimmt zu – wir heben ab. Unsere Taktik ist aufgegangen.
Soviel zur arabischen Hitze und ihren Folgen. Vielleicht noch ein Wort zur arabischen Mentalität. Ungefähr 45 Minuten vor dem Rückflug am nächsten Tag, die Passagiere sind bereits am Einsteigen, klingelt mein Handy. Wir stecken mitten in den Flugvorbereitungen im Cockpit. Am anderen Ende der Leitung vernehme ich die Stimme einer netten Dame vom Crew Control in Abu Dhabi. Sie rufe im Auftrag eines Captains an, dessen Sohn mit mir zurückreisen würde. Ich möge doch bitte sicherstellen, dass er in der richtigen Klasse sitze und dass es ihm gut gehe...
Ich staune nicht schlecht ob der Hilfsbereitschaft unseres Crew Controls, und notiere etwas befremdet den orientalischen Namen des jungen Mannes, bevor ich mich nach hinten zur Kabinenchefin begebe. Diese lächelt vielsagend, denn offenbar wurde sie bereits von einer Dame im Abaya in der gleichen Angelegenheit angesprochen. Im Gespräch mit einer Vertreterin der Bodenstation stellt sich heraus, dass der Kapitäns-Sohn zwar ein Business-Class Ticket besitzt, den entsprechenden Kleidervorschriften allerdings in keinster Weise genügt. Statt mit anständiger Hose und Krawatte ist er in zerrissener Jeans, T-Shirt und Baseball-Cap beim Check-In erschienen, worauf sich die Dame am Schalter geweigert hat, ihm einen Sitz in der Business-Klasse zu gewähren. Mittlerweile sollten die gängigen Vorschriften eigentlich allen Angestellten und ihren Familien bekannt sein, denn die Bodenstellen überwachen mit Argusaugen die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben.
Doch der Kollege in Abu Dhabi gibt nicht auf. Per Handy versucht er über seine Bekannte im Flugzeug gleich mehrfach an die Cabin Managerin zu gelangen. Das Boarding ist in vollem Gang, das scheint ihn wenig zu kümmern. Sie möge doch bitte seinen Sohn nach vorne holen – Gewand hin oder her. Doch wir haben uns abgesprochen, die Kabinenchefin bleibt hart, wohl wissend, dass ein Einlenken unangenehme Folgen mit sich bringen könnte.
So bleibt dem Filius nichts anderes übrig, als in den hinteren Reihen zu reisen. Und irgendwann schweigt auch der Vater in Abu Dhabi. So dass wir uns wieder ungestört den essentiellen Dingen dieses Fluges widmen können!
Den Kollaps eines Passagiers auf dem Rückflug will ich an dieser Stelle nicht unnötig erwähnen. Er passt ebenso ins Schema wie die Tatsache, dass der auf Sitz 1A reisende Scheich der Regierungsfamilie des Emirats Ras Al Khaimah nach der Landung sein Portemonnaie vergisst. Was uns dazu zwingt, die Bargeldbeträge zu zählen, denn ohne dies weigert sich die Bodencrew die Geldbörse zu übernehmen. In Anbetracht der dicken Notenbündel ein Unterfangen, das – nach einem siebenstündigen Flug – unerwartet viel Zeit beansprucht.
Als wir schliesslich vor der Passkontrolle stehen, kümmert sich der Beamte des Schalters für Airline Crews seelenruhig um eine fünfköpfige Familie. Etwas ungeduldig beschwere ich mich bei seinem Chef, worauf er uns – ich hätte es wissen sollen – erst recht warten lässt und gleich noch ein indisches Ehepaar nach vorne holt.
When the shit hits the fan…
Friday, August 07, 2009
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13 comments:
Lustig, lustig. Was so ein wenig Hitze einem modernen Flugzeug doch alles ausmachen kann. Wie viel Geld war denn beim Scheichsclanmitgliedportemaonnaie drin? Reichte es für den Ferrari im Notfall (Aschenbecher voll o.ä.)? ;-)
Lese erst seit kurzem Deinen Blog und wollte mal fragen, wie es Dich zum Star Alliance Partner verschlagen hat?
LG
NoelsieW
@Noelsiew: Nun, wenn man bedenkt, dass die Aussentemperatur 44° betrug, die Sonne über Stunden auf den ungeschützten Flugzeugrumpf brennt, so werden hier Pneumatik und Klimaanlage doch massiv belastet. Ausserdem ist der A340-600 das längste aller Verkehrsflugzeuge und gehört somit auch volumenmässig zu den grösseren Maschinen.
Frage zwei ist schnell beantwortet: Bestandesenpgass bei Etihad, wo zu jener Zeit ein ehemaliger Swissair-Pilot Rekrutierungschef war, verbunden mit einem flexiblen und grosszügigen Angebot von SWISS (Option to return). Und eine Frau an meiner Seite, die den starken Wunsch nach einem Auslandauftenthalt verspürte...
Puh - ganz schön stressig! Was wohl aus dem Uniformknopf geworden ist?
"When the shit hits the fan";wie mag es wohl zu diesem Spruch gekommen sein? Ging dem ein entsprechendes reales Ereignis voraus? Schwer vorstellbar - wie soll das gehen? Vielleicht doch eher das Produkt menschlicher Einbildungskraft...
Auch bei den Scheichs scheint die `Weltwirtschaftskrise´ angekommen zu sein ... oder warum fliegen die plötzlich Linie?
Ob der sein Portemonnaie überhaupt vermisst?
Ich gebe zu - ein "wenig" Hitze war das vieleicht etwas untertrieben. Was wäre denn gewesen, wenn die Triebwerke wieder gemuckt hätten? Abbruch und neue Maschine oder Maintenance rufen und abwarten?
Beim lesen dieses Beitrages ist mir folgende Frage spontan in den Sinn gekommen: "Auf welchem Sitz war wohl Joseph Murphy mitgereist?". Vielleicht beim nächsten Mal diesen zuerst ausladen;-). Zudem habe ich euch noch einen Tipp beim nächsten Fund einfach den Finderlohn, vor dem Geld zählen, wegnehmen, dann verkleinert sich das Notenbündel...
Gut ist der Scheich aus RAK und nicht aus Deutschland, sonst würde Mr. Steinbrück von der Schweiz zu sehr abgelenkt;-).
@crowi: Den Knopf hat die Maid wieder angenäht. Meine Frau weilt noch immer in den Ferien, und ich bin ein miserabler "Näher"
@anonymous 1: Vor allem auf Flügen nach London reisen regelmässig Angehörige der diversen Regierungsfamilien mit uns. Meist zum Einkaufen, nehme ich an. Da sind vielleicht die Frachträume der Business-Jets zu wenig geräumig.
@Noelsiew: Ich muss das leicht korrigieren, hab mich wahrscheinlich etwas ungenau ausgedrückt: Die Triebwerke haben immer einwandfrei funktioniert. Die Warnung zeigte uns ein Leck im Pneumatiksystem an, das von allen vier Triebwerken gleichermassen gespiesen wird.
Wäre der Defekt nicht zu beheben gewesen, dann hätten wir die Übung abgeblasen und Fracht und Passagiere in ein Ersatzflugzeug (so vorhanden!) umgeladen.
@anonymous 2: Habe dummerweise die Passagierliste nicht kontrolliert. Wäre beim nächsten Mal vielleicht empfehlenswert. Zu Herrn Steinbrück möchte ich mich nicht öffentlich äussern, aber mir scheint, dass er in letzter Zeit etwas versöhnlichere Töne angeschlagen hat. Und das ist doch erfreulich, oder nicht?
Gruss
"Passagiere in ein Ersatzflugzeug (so vorhanden!) umgeladen."
In FRA steht ja immer eine 747 der LH falls irgendwas anderes ausfällt. Ist das dann bei euch ähnlich? Also immer noch ein Ass im Ärmel? ;)
Gruß
Wiesie
Vielen Dank für den spannenden und (wohl nicht freiwillig) abwechslungsreichen Bericht, Dide. Es zeigt doch schön, wie Facettenreich unser Beruf ist...
Happy Flights,
G!
@wiesie: LH ist eine riesige Airline. So weit sind wir bei Etihad noch nicht. Mehr Flugzeuge bedeuten mehr Flexibilität. In Abu Dhabi steht leider nicht immer eine Ersatzmaschine zur Verfügung. Die Einsatzleiter können jedoch in die Trickkiste greifen und eine Maschine einsetzen, die für einen anderen Flug vorgesehen wäre. Die Frage bleibt letztlich, auf welcher Route eine Umstellung/Verspätung am wenigsten kostet. Ich selber war in meinen drei Wüstenjahren bis anhin einmal mit einem "Aircraft change" konfrontiert. Und der hat reibungslos geklappt.
@G!: Gern geschehen. Der Ausdruck "facettenreich" trifft voll ins Schwarze. Ich muss dir aber sicher nicht erklären, dass wir dabei von einem äusserst vielseitigen (Facetten-)Spektrum reden, das letztlich nicht immer nur Erfreuliches beinhaltet. Doch unsere Arbeit bleibt spannend - trotz Autopilot und Routine!
Danke für die Antwort!
Klar kann man LH nicht mit Etihad vergleichen, aber meine Frage hast du beantwortet ;).
Jetzt beim A380 hat man ja schön gesehen, wie ein Flugzeug in der ganzen Welt auf verschiedenste klimatische Bedingungen getestet wird. Wie ist das bei euch mit dem Klima? Hat Etihad durch die teilweise enorme Hitze am Hub mehr Wartungskosten oder höhere struktuelle Belastungen an den Airframes?
Gruß
Wiesie
@wiesie: Eine interessante Frage, zu deren Beantwortung mir leider konkrete Zahlen fehlen. Spontan würde ich mit "JA" antworten. Allein die intensive Belastung der APU, des Hilfsaggregats, das am Boden Strom und Kühlung sicherstellt, dürfte intensivere Unterhaltsarbeiten zur Folge haben. Auch gelangen die Reifen der Flugzeugfahrwerke zweifellos schneller ans Limit. Dies sind nur zwei Beispiele.
Grundsätzlich müsste an dieser Stelle aber auch erwähnt werden, dass bei anderen Airlines aufgrund der "Winteroperation" in anderen Bereichen (Enteisung) Mehrkosten anfallen...
Ich fuehle mich selber grade ein bisschen bloed das ich diese Frage dann doch noch stelle aber gibt es in der Buisness Class wirklich eine Art dress-code? Ich bin schon haeufiger in der "2." Klasse geflogen und ich hatte noch nie ein Problem damit wenn ich meine "Capi" getragen habe.
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