Linda ist die einzige unserer Familie, die noch nicht aus den Ferien nach Abu Dhabi zurückgekehrt ist. Sie geniesst ausserordentliche Privilegien, darf sie doch in den ersten beiden Augustwochen mit der Familie ihres Freundes auf einer 40-Fuss Segeljacht stolze elf Tage der Küste Kroatiens entlang segeln.
Um sie entsprechend fürs Matrosenleben zu wappnen, haben wir im Vorfeld die hohe Kunst der Knotentechnik geübt. Den „Doppelten Mastwurf“ beherrscht Linda mittlerweile im Schlaf. Auch einen Fisch soll sie gefangen haben, steht in einem ihrer seltenen SMS geschrieben. Die mediterrane Seefahrt scheint ihr offensichtlich zu gefallen.
Adria-SegelIdylle
Da sie von ihren Gastgebern am Ende des Segelturns in Split abgesetzt wird, führt sie ihr (Flug)Weg zuerst nach Frankfurt. Wir haben ein Ticket auf einem Linienflug der Croatia Airlines gebucht. Das zweite Teilstück von Frankfurt nach Abu Dhabi reist sie mit vergünstigtem Tarif auf „Standby“-Basis. Damit nichts schief gehen kann, habe ich den entsprechenden Etihad-Flug als Einsatz-Wunsch eingegeben. Im Grunde genommen ist dies ein ziemlich dämlicher „Request“. Derart dämlich, dass er die verunsicherte Einsatzplanerin zu einer Rückfrage per Email veranlasst. Ob ich wirklich exakt diesen Flug wünschen täte, argwöhnt sie; der Hinflug wäre ein Nachtflug, und nach lediglich etwas mehr als zwölf Stunden würde ich dann – wieder in der Nacht – den Flieger nach Abu Dhabi zurück pilotieren. Zwei Nachtflüge innerhalb 24 Stunden – so etwas findet sich unmöglich auf der Wunschliste eines vernünftig denkenden Piloten. Höchstens auf der, eines umsichtig waltenden Vaters. Meine Erklärung scheint sie zu überzeugen.
Am Nachmittag vor meinem Abflug fahren Franziska und ich nach Dubai. Vor der Stadt hat der US-Flugzeugträger USS Reagan für einige Tage Halt gemacht. Die 5000 Mann- und Frau-starke Besatzung strömt in die immer noch auffällig leer wirkende Wüstenmetropole und okkupiert Einkaufsmalls und Coffeeshops.
Die Träger-Besatzung stellt auch ein Eishockey-Team. Und dieses ist auf der Suche nach Gegnern an die „Dubai Sandstorms“ gelangt. Spontan wird ein Auswahlteam mit Spielern der drei UAE-Eishockeystädte zusammengestellt. Und auf heute Nachmittag eben ist die Partie im grosszügigen Icerink der brandneuen Dubai-Mall angesagt. Tim darf mittun, und wird in der Folge stolzer Besitzer eines „USS-Reagan Caps“. Die US-Navy übernimmt die Kosten für das (äusserst teure) Eis und die Caps. Und bringt damit, so sinniere ich, das US-Verteidigungsbudget arg unter Druck. Dass in der gegnerischen Mannschaft offenbar auch zwei Navy-Piloten mitspielen, beeindruckt Tim, der für die Fliegerei etwa soviel übrig hat wie ich für das Annähen von Jacket-Knöpfen, wenig. Die UAE-Habibis schlagen die US-Boys zweistellig. Schade für die zahlreich erschienen Supporter des Carrier-Teams, denen während der drei Drittel kein einziges Tor ihrer Truppe geboten wird.
Tim beim Torschuss
Später an diesem Abend, eigentlich ist es tiefe Nacht, fliege ich dann also doch noch nach Frankfurt. Nach der Landung am nächsten Morgen verkrieche ich mich sogleich unter die Decke. Rund 14 Stunden verbleiben bis zum Rückflug. Linda landet, von Split kommend, kurz nach 16 Uhr, und fährt mit dem Taxi zu mir ins Hotel. Der flotte Kellner vom Roomservice bringt uns Burger und Baguette ins Zimmer, dann berichtet die Tochter von ihrer Segeltour und lässt mich die Reise digital nacherleben.
Bald schon klingelt das Telefon – „Wake up“ für den Rückflug. Wir duschen und stürzen uns in die Flugmontur. Beim Check-In am Flughafen eröffnet der Mann am Schalter, dass der Flug überbucht ist. Wohl gibt es in Frankfurt immer einige „No Shows“, doch ausgerechnet heute scheinen alle Passagiere festen Willens, ihre Buchung umzusetzen. Der Flieger wird ob so viel Konsequenz platschvoll. Wir vergeben in der Folge zwei Jumpseats (Crew-Sitze), den einen davon an Linda. Immerhin rechtfertigt sich auf diese Weise meine selbstlos gewünschte doppelte Nachtmission...
Ungeschickt ist die Angelegenheit für meine Tochter, die am kommenden Tag, um 10 Uhr, einen Französisch-Prüfungstermin für die Klasseneinteilung an ihrer neuen Schule ACS hat. Da kommen mir doch die Perseiden wie gerufen; Wie jedes Jahr kreuzt die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne die Überreste des Kometen 109P/Swift-Tuttle. Diese Überreste, kleine Staub- und Gesteinsteilchen, verglühen aufgrund der Reibungshitze beim Eintritt in die Erdatmosphäre, was zusammen mit anderen physikalischen Effekten zu einem kurzen Aufleuchten der Luft entlang der Flugbahn der Teilchen führt. Simpel gesagt, braust ein wahrer Sternschnuppen-Regen auf uns nieder.
Die Perseiden gelten als schönster und reichster Sternschnuppenstrom des Jahres. In den 90er-Jahren wurden teilweise mehrere Hundert Perseiden pro Stunde gezählt. Soviele notieren wir während unseres knapp sechsstündigen Rückflugs nicht. Obwohl wir ausnahmsweise die Cockpitlichter meist gelöscht haben, und uns neben den fliegerischen Aufgaben vermehrt als „Fenstergucker“ betätigen. Auf 15 komme ich aber allemal. Eine davon widme ich meiner Tochter. Auf dass ihr die morgige Franzprüfung gelinge. Ich bin ja schliesslich kein Egoist...
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4 comments:
Von Frankfurt nach Abu Dhabi auf dem Jump Seat? Ich glaube da gibt es angenehmeres... Aber trotzdem immer noch besser als stehen zu bleiben. Vor allem, wenn am nächsten Tag eine Prüfung ansteht.
Toi, toi, toi für die Prüfung. Das Ergebnis bekommen wir doch mitgeteilt, oder?
@ibucgn: Es gibt Airline-Angestellte, die reisen auf Jumpseats von Abu Dhabi nach New York oder Sydney! Natürlich nicht freiwillig, aber was tut mann oder frau nicht alles, um Familie und Freunde in der Heimat zu besuchen.
Das Prüfungsresultat publiziere ich an dieser Stelle gerne - sofern es dir gelingt, meine Tochter von der Zweckmässigkeit dieses Schritts zu überzeugen...
Gruss
Also ich würde ja gerne mal auf den Jumpseat!
Grüße aus dem (für Mitteleuropa) heißen Süddeutschland
Comme c'est joli, les Perseides!
J'espère l'examen de votre fille était couronné de succès.
Franzprüfung ahoi!
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