Friday, July 31, 2009

Flugsicherheit

Nach 28 Tagen Ferien und einer minimalen Vorbereitungszeit sitze ich bereits wieder im Cockpit. Und es ist erstaunlich, wie viele kleine Dinge nach einer Ferien-Auszeit von vier Wochen aus dem „Brain-Memory“ gekippt werden. In der Fliegerei sind die meisten Abläufe automatisiert. Zumindest in der sogenannten „Normal Ops“, also dann, wenn keine Probleme die Arbeit erschweren. Angefangen bei der Planung über die Flugvorbereitung im Cockpit, bis hin zur eigentlichen fliegerischen Operation. Unsere „SOP’s“ – die „Standard Operating Procedures“ – bilden dabei die Basis.

In vier Wochen ändern sich jedoch einige Dinge. Besonders in Abu Dhabi. Und noch mehr bei Etihad, denn wenn eine Airline dermassen dynamisch wächst, wird das Rad beinahe jede Woche neu erfunden.
Das spüre ich einmal mehr bei der Rückkehr aus den Ferien. Nach der Landung und dem Verlassen des Flugzeugs werden die Passagiere über unbekannte Wege zur Passkontrolle geschleust. Einem Chamäleon gleich erhält das Innenleben des neuen Terminals ständig neue Facetten. Ich habe überdies das Glück, dass einer meiner Koffer mit einem Plastikband am Traggriff versehen aufs Förderband rollt. Was mich dezent darauf hinweist, dass die Zollbeamten wohl etwas genauer hinschauen werden. Die verschleierte Dame beim Ausgang weist mich an, den Reissverschluss des Gepäckstücks zu öffnen. Sie beginnt, in meiner Wäsche zu wühlen, kämpft sich allerdings nicht bis zu den üppigen Wurst- und Schokoladevorräten in den unteren Schichten vor. Noch einmal Glück gehabt.

Mein Line Check führt mich nach London. Diese Überprüfung unseres operationellen Arbeitsverhaltens findet einmal pro Jahr statt und ist heuer in meinem Fall, unmittelbar nach längerer Ferienabwesenheit, speziell günstig geplant. Ich versuche in den zwei freien Tagen, die mir vorgängig bleiben, sämtliche Verfahrensänderungen der vergangenen vier Wochen durchzugehen. Keine einfache Sache, da mir in Zivilkleidung verwehrt wird, im Planungsraum am Flughafen meinen Laptop aufzudatieren. Die Herren von der Security wollen meinen Computer zurückbehalten. Sämtliche Erklärungsversuche meinerseits schlagen fehl. Na wo sind wir denn da! Wie um Himmels Willen kann ich mich nach langer Ferienabwesenheit professionell auf einen Flug vorbereiten, ohne die aktuell gültige Version der Hand- und Betriebsbücher herunterzuladen? Nachhause fahren, um die Uniform zu montieren, kommt für mich nicht in Frage. Also bleibt mir letztlich nichts anderes übrig, als entweder im Flight Safety Büro oder im IT-Department am Etihad-Hauptsitz, die Festplatte meines Laptops auf Vordermann zu bringen. Ich entschliesse mich für die zweite Variante, lediglich um sicherzustellen, dass allfällige technische Probleme (man weiss ja nie; expect the unexpected) gleich mitbehoben werden könnten.

Aber nicht nur meine Vorbereitung für den Line Check verläuft harzig. Das Jahr 2009 scheint insgesamt für die Zivilluftfahrt unter einem schlechten Stern zu stehen. So zumindest könnte man meinen, nachdem ein halbes Dutzend Unfälle in den ersten sechs Monaten weltweit 582 Menschenleben gefordert hat – mehr als im gesamten Vorjahr!
Als Mitarbeiter von Etihad Flight Safety erhalte ich regelmässig Bulletins und Statistiken von diversen Stellen und Organisationen. Einer der Berichte, welche diese Woche in meinem elektronischen Briefkasten landen, resümiert über die neuesten Erkenntnisse in Sachen Sicherheitsentwicklung. Der Inhalt dürfte sämtliche Mitmenschen, die unter Flugangst leiden, etwas beruhigen.

Die Flugunfälle dieses Jahres, darunter auch der Absturz des Air France Airbus A330, haben neue Fragen der Flugsicherheit aufgeworfen. Dennoch sind Experten der Überzeugung, dass Verbesserungen im Bereich der Technik, intensivierte Trainingsmethoden für Piloten und andere Mitarbeiter, sowie weltweit verbesserte Unterhaltsstandards die Sicherheit insgesamt erhöht haben. Im Übrigen haben vor allem die Europäer und Amerikaner straffere Regelwerke implementiert.
Man könne einen Industriezweig nicht anhand eines kurzfristigen Negativtrends beurteilen, bemerken Fachleute. Das Risiko, in einen Flugunfall verwickelt zu werden, ist heute 200 Mal geringer als vor 50 Jahren.
Einer der massgebenden Faktoren sind die Verbesserungen im Bereich der Flugzeugtechnologie. Gekoppelt mit der Tatsache, dass moderne Maschinen der Hersteller Boeing und Airbus auf dem Markt überwiegen. Die erste Version des Kurzstreckentyps Boeing 737, die bereits vor 40 Jahren erstmals regelmässig im Streckenbetrieb eingesetzt wurde, führt heute die Flugunfall-Statistiken an. Dafür hat die Boeing 777, der bislang letzte Wurf aus Seattle keinen Absturz mit Todesfolge seit dem Jahr 1995 zu verzeichnen. Der Airbus A340, welcher in seiner ersten Form seit 16 Jahren eingesetzt wird, verfügt ebenfalls über eine weisse Weste. Dies nach insgesamt 13 Millionen Flugstunden.

Mit diesen Erkenntnissen und einer kurzen, intensiven Vorbereitung fahre ich am Dienstag, kurz vor Mitternacht, aus dem Compound Richtung Flughafen. Einmal mehr hat es mit dem Vorschlafen nicht geklappt. Dabei werden beide Sektoren, also Hin- und Rückweg, in der Nacht geflogen. Wieso nur tue ich mir diese leidige Nachtfliegerei und Sternenguckerei nur an?Mindestens zweimal gähne ich bereits auf der Autofahrt. Am Airport angekommen, ist die Zufahrt zum Parkplatz blockiert. Zwei Autofahrer haben es doch tatsächlich geschafft, im Bereich der beiden Schranken zu kollidieren. Aufgeregte Beamte rennen umher und sind bestrebt, die einfahrenden Fahrzeuge durch eine der Ausfahrspuren zu schleusen.

Wie war das doch noch einmal? Der gefährlichste Teil einer Flugreise ist stets die Autofahrt zum Flughafen. Parkiermanöver eingeschlossen...

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