Monday, July 27, 2009

Ein Abschied mehr...

Vor 18 Minuten hat der Zug in Thun die Bremsen gelöst, ist gemächlich und mit sanftem Rütteln aus dem Bahnhof gerollt. Meine Sommerferien 2009 sind zu Ende. 28 Tage durfte ich in der Schweiz verbringen. So lange wie nie zuvor seit meinem Eintritt in die Etihad im Mai 2006.

Mein Handy klingelt mich bereits um 0745 Uhr aus dem Halbschlaf. Nach der Dusche stopfe ich mit Hilfe von Franziska die letzten Utensilien in die beiden Koffer; Würste, Landjäger, Senf- und Mayonnaisetuben. Und natürlich Schokolade. Letztere nicht für uns, sondern in erster Linie für Freunde und Arbeitskollegen in den Emiraten. Ich schleiche mich ins Schlafzimmer der Mädchen und küsse zum Abschied ihre verschlafenen, unter dem Duvet versteckten Gesichter. Ich werde sie erst am 9., respektive 12. August wiedersehen. Tim zieht es vor, zu dieser Stunde nicht von mir geweckt, und schon gar nicht geküsst zu werden. Abgesehen davon schläft sein ACS-Freund Neil im selben Zimmer. Wir haben uns bereits am Vorabend verabschiedet. Nachdem mich die beiden im Tischtennis noch einmal gehörig eingeteilt haben.
Franziska fährt mich durch die Serpentinen des verschlafenen Diemtigtals nach Thun. Berner Oberländer Idylle: Stahlblauer Himmel, ein prächtiger Sommermorgen, mit acht Grad allerdings etwas frisch. Doch keine Bange, wenn die Sonne das nächste Mal aufgeht, wird sie – zumindest für mich – mindestens die fünffache Kraft entfalten.

Auf dem Bahnhof von Thun herrscht bereits emsiges Treiben. Wanderer in kurzen Hosen und langen Wollsocken mischen sich mit sonntäglichen Frühaufstehern. Am Kiosk kaufe ich zwei Ausgaben der Sonntagszeitung. „Richtig helvetisch, wie der Tell“, schiesst es mir beim Bezahlen durch den Kopf. Mit dem kleinen Unterschied, dass es beim Willhelm Pfeile und nicht Zeitungen waren. Der eine Bund ist für Franziska, der andere verschwindet in meinem Handgepäck. Die Fertigstellung dieses Beitrags wird mich allerdings noch eine gute Weile von der Lektüre abhalten. Ein letzter gemeinsamer Kaffee mit Franziska auf der Terrasse der Bahnhof-Caféteria, dann sichten wir ihre Eltern. Zu viert warten wir auf die Einfahrt des Zuges nach Mannheim. Einmal mehr, wie so oft im Laufe der vergangenen drei Jahre, folgt ein Abschied. Bereits Routine? Kaum, vielleicht nicht ungewohnt – aber immer wieder nachdenklich stimmend, und nach so langem Aufenthalt in der Schweiz Erinnerungen an den Mai 2006 weckend.

Es sind noch keine 24 Stunden her, seit ich mich an der beinahe gleichen Stelle von meinem Bruder und meinem Göttibuben Dennis verabschiedet habe. Zum Abschluss meiner Ferien sind die beiden noch einmal nach Thun gefahren. Ich habe meinen Bruder in diesen Wochen lediglich einmal treffen können. Andere Freunde und Kollegen überhaupt nicht. Ich entschuldige mich auf diesem Weg bei allen, die nichts von mir gehört haben. Auf konjunktive Ausreden möchte ich an dieser Stelle verzichten.
Wir fahren mit dem Schiff zum Mittagessen nach Spiez. Tim und Linda sind auch mit von der Partie. Und viele Wochenend- und Ferienausflügler! Die Kulisse ist bilderbuchhaft. Der Niesen und das Stockhorn scheinen mir zuzuzwinkern. Sie wissen, dass mir das Berner Oberland mittlerweile auch ein wenig ans Herz gewachsen ist. Sand hin oder her.

Ich habs bereits gesagt: Seit meiner Abreise nach Abu Dhabi konnte ich – im Gegensatz zum Rest der Familie – noch nie eine so lange in der Schweiz weilen. Diese zeitliche Distanz zu den Emiraten zeigt Wirkung, löst Gedanken-Gänge aus. In Analogie zum Motorsport heisst das, ich habe einige Einheiten höher geschaltet. Mir vermehrt Gedanken zur Zukunft gemacht, mich mit dem „Leben nach der Wüste“ beschäftigt. Weiterhin unbeantwortet bleibt die Frage nach dem Wann und Wo. Das Pendeln zwischen zwei Welten verändert den Zeitbegriff: ich bin mir bewusst geworden, wie schnell das grosse Rad dreht. Jedes Eintauchen in die „andere Dimension“ offenbart Veränderungen. Wer stets im gleichen Umfeld lebt, realisiert dies kaum. Wissen um Veränderung ist Grundlage für bewusstes Erleben. Je länger ich mich mit solchen Gedanken befasse, desto mehr Zukunfts-Möglichkeiten zeichnen sich ab. Doch was für mich stimmt, löst bei der Familie nicht immer Jubelgeschrei aus.

Als würde Aladdin spüren, dass ich auf dem „Heimweg“ bin, mahnt mich just beim Schreiben dieser Zeilen – der Zug hat eben erst Olten passiert – folgende SMS-Mitteilung: „Policy Number 12/VA/22005/1958/2 expiry date 05/09/2009. Please call urgently regarding your AXA car insurance policy.“ Im Zeitalter der automatisierten Geschäftskommunikation erübrigt sich die Verfalldaten-Kontrolle. Ich werde artig, wie mir geheissen, in den kommenden Tagen die Versicherung unseres Prado revalidieren. Auch die drei Jahre gültigen Visa von Frau und Kindern laufen aus und bedürfen der Erneuerung. Um den lediglich zwölf Monate gültigen Mietvertrag für unser Haus muss ich mich ebenfalls kümmern. Aber zuerst gilt es, den jährlichen „Line Check“ nach London und zurück erfolgreich hinter mich zu bringen. Sinnigerweise mein erster Flug nach 28 Tagen Pause. Habe der Planerin eben zuwenig Schokolade oder Zigaretten aufs Pult gelegt.
Wer die Dynamik der Fliegerei kennt, kann sich ausmalen, wie viele Bulletins nach langer Abwesenheit zu studieren sind. Zum Glück ist der Checkpilot ein ganz netter. Ein Norweger, der, in Diensten der SAS stehend, auf ähnliche Weise und unter vergleichbaren Konditionen wie ich bei Etihad gelandet ist. Wesentlich jünger zwar, und erst vor einem Jahr Kapitän geworden. Bei unserer ersten Begegnung war er noch Kopilot. Die ältere seiner Töchter geht mit Nina in die gleiche Klasse. Die Mädchen sind sehr gute Freundinnen. Die jüngere spielt bei den Falcons Eishockey. Die Mutter hat sich stets in der Cluborganisation engagiert und war mir zu meiner Präsidialzeit stets eine verlässliche Hilfe. So umgibt diesen Check beinahe eine familiäre Aura. Vielleicht aber bilde ich mir dies nur ein. Um den Abschied von meiner Familie erträglicher zu gestalten.

2 comments:

Crowi said...

"Wissen um Veränderung ist Grundlage für bewusstes Erleben"

...das sei allen Hinterwäldlern dieser Welt gesagt und ins Buch geschrieben.

Hinter dem Horizont geht's weiter und wenn sie, geschätzter Captain Eppler, über Zukunftsmöglichkeiten referieren; well:
Dann sähe ich sie, wie bereits von ihnen angedacht, am liebsten als Bootsverleiher am Luganersee. Ein bukolischer Job. Weitere "immer wieder nachdenklich stimmende" und erheiternde Blog-Einträge wären garantiert!

Just Family Life.
Ist alles so familiär bei ihnen.

Dide said...

Tja - der Bootsverleih gehört auch zu meinen absoluten Favoriten. Ich muss mir dazu allerdings zuerst noch die finanzielle Basis schaffen. Und meine Frau überzeugen...
Im Moment bin ich mir noch nicht ganz sicher, was mehr Probleme bereiten wird. Die Börse hat ja bereits wieder etwas zugelegt...