Thursday, May 07, 2009

Piloten-Trilogie - zweiter Teil














Besatzungen
Wenn Piloten auf Reisen gehen, die ihnen Computer und EinsatzplanerInnen zusammengetragen haben, lassen sie ihre Familien zurück und werden Teil einer Besatzung. Vor fünfzehn Jahren dauerten Langstreckenrotationen gut und gerne zwei Wochen. In der Manier eines Kängurus hüpften Männlein und Weiblein durch die Welt, legten hier und dort einen meist mehrtägigen Zwischenstopp ein, den die einen zum Verzehr (von Alkoholischem und gut Gewürztem), die anderen zum Verkehr (mit zumeist Gegengeschlechtlichem) nutzten.
Heute, im Zeitalter ultralanger Direktflüge, sind die Rotationen geschrumpft und dauern nur wenige Tage. Doch so kurz ein Auftenthalt im Ausland auch sein mag, Flugzeugbesatzungen bleiben Arbeits- und bis zu einem gewissen Grad auch Freizeitgemeinschaften. Piloten und Flight Attendants sind aufeinander angewiesen. Die Individuen bilden das Team. So entstehen bei jedem Flug neue Bekanntschaften, denen zwar in den meisten Fällen eine gewisse Oberflächlichkeit anhaftet, die aber dennoch „überlebenswichtig“ sind. Nicht selten geht zusammen aus, wer im Flugzeug auch zusammen arbeitet; die Flight Attendants vom Business-Galley, das Team, das sich um die Economy-Passagiere kümmert, oder die Cockpitcrew mit dem Cabin Manager. Die Besatzung eines Grossraumflugzeuges umfasst 13 bis 19 Personen: Schweiger, Denker, Angeber. Realisten, Träumer, Fantasten. Selbstverständlich nicht nur männlichen Geschlechts. Bei Etihad vermischen sich ausserdem die mannigfaltigsten Kulturen und Religionen. Muslime essen "Halal-Meat" und besuchen daher im Ausland nicht dieselben Lokale wie Asiaten, deren Sinne und Gaumen es eher nach Schweinefleisch gelüstet.
Ich habe so manche lustige Runde in Erinnerung, bei der getrunken und gelacht wurde. Doch es gibt auch immer wieder Tränen, Unstimmigkeiten und Enttäuschungen. Mitunter auch Schicksalsschläge. Nie vergessen werde ich das Crewbriefing in Zürich bei meinem ersten Arbeitseinsatz nach dem Absturz von Swissair 111. Versteinerte Gesichter, gerötete Augen und hie und da ein Schneuzen. Wir versuchten uns auf den bevorstehenden Flug nach Boston zu konzentrieren, doch Gedanken und Gefühle waren an einem anderen Ort.
Besatzungen sind Schicksalsgemeinschaften, deren Mitglieder – nolens volens – voneinander abhängig sind. Auch wenn dies nicht immer in gleichem Masse offenkundig wird. Im Idealfall ergänzen sich die Mitglieder einer Crew: Der Captain ist das Hirn, der Cabin Manager das Herz einer Besatzung. Diese Anschauung hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, sondern wiederspiegelt ganz einfach mein persönliches Empfinden. Stimmt zwischen diesen beiden „Organen“ die Chemie, ist das Klima locker und entspannt.
Denn auch hier gilt: „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.“

4 comments:

nff said...

.... und der Copilot ist der Magen, der alles verdauen muss :-)

Schöner Text - danke!

Martin said...

Vorne die Spitzenverdiener, hinten die Hungerlöhne. Führt das nicht zu Problemen?

Dide said...

@nff: so habe ich mir das noch nie überlegt. Aber jetzt, wo du es selber sagst...

@Martin: So stimmt diese Aussage nicht (mehr). Piloten verdienen gut, aber nicht spitzenmässig. Flight Attendants sind eher dürftig bezahlt, nagen aber nicht am Hungertuch. Zu Problemen führt die Konstellation nicht, gelegentlich allenfalls zu Diskussionen - oder - manchmal auch zu einer Eheschliessung zwischen Kabine und Cockpit. Im wahrsten Sinne des Wortes!

@nochmals an nff: Man könnte die Copiloten ja auch als Rückgrat (Wirbelsäule) betrachten...

G! said...

...oder als Hände - denn einer muss ja was tun *lach* ;-)

G!

@Martin: Ich würde einmal den Besuch einschlägiger Aviatikforen, welche die Lohnlisten publizieren empfehlen, damit sich das Gerücht ein für alle Mal aus der Welt schafft. ABER: Wer (Passagier) jemandem (Pilot) sein Leben anvertraut sollte froh sein, wenn dieser soviel verdient, dass er finanziell über die Runden kommt und zufrieden ist und ausserdem ein gewisses Ausbildungsniveau mitbringt...
Aber das die F/As viel zuwenig verdienen, ist ausser Frage, denn ihre HAUPTaufgabe ist auch das Retten von Menschenleben im Notfall - und nicht das Servieren!