Wem sich Optionen bieten, der hat Glück! Doch wer kennt nicht die weise Formel von der Qual und der Wahl. Unselig sind die beiden Begriffe miteinander verknüpft: je vielfältiger die Wahl, desto schmerzlicher die Qual. Doch vielleicht liegt alles nur an unserer (falschen) Betrachtungsweise.
Chancen wären keine echten Chancen, würden sie nicht auch Risiken bergen. „Wer wagt, gewinnt!" Eine Redensweise, die in diesem Fall in diskreter Verharmlosung lediglich auf die positiven Seiten eines Wagnisses hinweist. „Wer wagt, kann verlieren!“, wäre auch nicht falsch. Aber mit Sicherheit weniger aufbauend. Letztlich alles eine Frage der Interpretation. Optionen bieten Möglichkeiten. Nicht nur in der Finanzwelt. Wer mit Optionen spekuliert, braucht ein dickes Fell. Auf das Fell verzichten kann, wer über ein üppig gefülltes Konto oder einen direkten Draht zu Madame Tessier verfügt. Vielleicht aber genügt auch eine Portion Gutgläubigkeit und Aberglaube.
Unsere Familie beschäftigt eine Option anderer Art: Eine „Rückkehr-Option“, die uns vor drei Jahren den Entscheid nach Abu Dhabi zu ziehen in jeder Hinsicht vereinfacht hat. Eine Option, die uns Sicherheit und Rückhalt vermittelte und dazu beitrug, die Dinge – den Umständen entsprechend – locker anzugehen. Eine Option, deretwegen ich lächelnd auf eine grosszügige Abfindungssumme verzichtet habe.
Es war der 21. Mai 2006, als Toni und ich zusammen mit einem weiteren Schweizer, zwei Jordaniern, einem Briten und einem Zyprer in der damaligen Etihad Training Academy die ersten Formulare ausfüllten. Offenbar akkurat und fehlerlos, denn ausser Toni – dessen altersbedingte Unrast ihn nach zwei Jahren wieder ins Zürcher Unterland trieb – fliegen heute noch alle für die National Airline der UAE. Doch nicht nur Piloten fliegen – die Zeit tut es ebenso; ja mehr noch, sie VERfliegt. Schneller, als ich je gedacht hätte. Die Erinnerungen an den Frühsommer 2006 sind so lebhaft, als wärs gestern gewesen; Abschied in Stadel, Theoriestunden, die ersten Flüge, der Umzug der Familie, die Einschulung der Kinder – die Bilder haben nichts von ihrer Intensität verloren.
Hätten wir die „Option to return“ in ihrer Kurzvariante genutzt, wäre diesen Monat bereits der Möbelwagen vorgefahren. Drei bis vier Jahre offerierte damals die SWISS. Eine in der Fliegerei einmalige Offerte.
Mittlerweile ist viel passiert. Wir haben feststellen müssen, dass „Expat-Uhren“ anders laufen. Bis auf zwei Familien, die wir zu den Freundschaften der ersten „Abu Dhabi-Stunde“ zählen, haben alle das Land verlassen. Sie sind weitergezogen nach Houston, Doha oder Bahrain. Andere leben heute wieder in ihren Heimatländern. Stapfen im Winter durch meterhohen Schnee oder suchen sich ihren Arbeitsweg durch frühmorgendliche Herbstnebel.
Wir hingegen stecken noch immer zwischen den Dünen. Die SWISS und der Pilotenverband AEROPERS sind uns ein weiteres Mal äusserst kulant entgegengekommen. Auf unser Gesuch hin wurde die „Option to return“ um ein Jahr, bis Sommer 2011, verlängert. Somit sind die Schulabschlüsse der beiden älteren Kinder sichergestellt. Doch der Rückkehr-Entscheid wird damit nicht einfacher. Ginge es nach mir, so würde ich wohl – Insh Allah – bis zum Ende meines fliegerischen Wirkens in Abu Dhabi bleiben. Die Dynamik meines aktuellen Arbeitsumfeldes ist einzigartig. Im Cockpit wie im Büro.
Die Prioritäten der Familie sind nicht unbedingt die gleichen. Franziska fühlt sich zwar sehr wohl in Abu Dhabi und ist mindestens ebenso beschäftigt wie ich, doch die Tatsache, dass wir ab Sommer 2011 nur noch zu dritt in den Emiraten leben würden, lässt bei ihr Zweifel aufkommen.
Die Kinder scheint der Zeitpunkt der Rückkehr in die Schweiz nur am Rande zu interessieren. Tim ringt derzeit mit der „Qual der Wahl“ seines Studienplatzes und liebäugelt dabei mit Destinationen wie Zürich und New Brunswick. Nina kann mit einem längeren Verbleib in den UAE ebenso gut leben wie mit einem Schulabschluss in der Schweiz, und Linda fokussiert im Moment primär auf die neuen Herausforderungen der kommenden beiden Jahre. Was nachher kommt, scheint sie im Moment wenig zu beschäftigen.
So mutiert die „Option to return“ immer mehr zur Knacknuss. Die Bedürfnisse einer fünfköpfigen Familie unter einen Options-Hut zu bringen erweist sich als die ominöse Quadratur des Zirkels: Ja oder Nein? Heute oder morgen? Nie oder nimmer?
Doch wie eingangs erwähnt, ist letztlich die Betrachtungsweise entscheidend. Die Wahl zu haben heisst, selber entscheiden zu können und muss nicht zwingend quälend sein. Auch wenn der Entscheid die eine oder andere schlaflose Nacht bereiten wird - uns bleibt das „Privileg der Wahl“.
Saturday, May 23, 2009
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