Saturday, May 09, 2009

Piloten-Trilogie - dritter Teil
















Damit der gesunde Geist im gesunden Körper gedeihen kann, braucht er genügend Erholung und Schlaf. Nachtflüge, trockene Luft und ständig wechselnde klimatische Bedingungen fordern ihren Tribut. Eine alte Fliegerregel meint wohl berechtigterweise: „Try to keep the number of your landings equal to the number of your takeoffs“. Ausgeruhte Piloten haben zweifellos grössere Chancen, dieser Vorgabe gerecht zu werden.

Hotel
Viele meiner Berufskollegen werden nicht müde mit gespielter Lässigkeit zu betonen, wie unwichtig ihnen die Wahl des Hotels sei. Doch immer wieder beschweren sich Piloten und Flight Attendants bei Vorgesetzten über zu laute, zu abgelegene oder zu schmutzige Unterkünfte. Für mich sind die Hotels, ich gebe es zu, ein nicht unbedeutender Faktor. Denn nach einem langen anstrengenden Flug will ich meine Ruhe. Das Bett soll bequem, einladend und sauber sein. Zu meinem eigenen Erstaunen stelle ich immer wieder fest, wie sehr ich mich an unsere Crew-Hotels gewöhne. Wenn ich den Koffer für Sydney packe, sehe ich mich bereits im Zimmer des „Four Seasons“. Dummerweise haben wir just diesen Monat die Bleibe in dieser Stadt gewechselt. Der erste Besuch im Marriott mutet seltsam an. Alles scheint so fremd, so wenig vertraut. Piloten sind, trotz reger Reisetätigkeit, Gewohnheitstiere. Vielleicht auch gerade deswegen. Sie sind an vielen Orten zuhause und klammern sich dabei gerne an bekannte und vertraute Dinge. Es ist angenehm zu wissen, was einen erwartet. Über eine längere Zeitdauer wachsen Eigenheiten eines Hotels ans Herz. Auch kleine Zimmer werden nach wiederholtem Aufenthalt zum valablen Stubenersatz. Das Lokal um die Ecke zum temporären Esszimmer. Der Deli von gegenüber zur heimischen Migros- oder Coop-Filiale. Ein Hotelwechsel bedeutet immer Neu-Orientierung. Oftmals steht das neue Hotel in einem anderen Quartier einer Stadt. Und somit beginnt abermals die Suche nach einer Einfkaufsmall, einem Kino, einer gemütlichen Beiz, einem Starbucks fürs morgendliche (Kaffee)Schäumchen.
Ich geniesse die Zeit in meinem Zimmer. Beim entspannten Lesen, Zappen oder Internet-Surfen. Manchmal weiss ich bereits vor dem Beginn einer Rotation, was ich mir im Hotel ins Zimmer bestellen werde. Ich freue mich über bekannte Gesichter, sei es beim Check-In oder an der Bar. Ein belangloser Schwatz vermittelt Vertrautheit. Und manchmal, wenn ich vom Nachtessen oder einem Stadtbummel zurückkehre, habe ich gar das Gefühl, als würde mir die Dame hinter der Reception verstohlen zulächeln und sich darüber freuen, dass ich heil wieder „zu Hause“ angekommen bin.

8 comments:

nff said...

Wie wahr! Gerne erinnere ich mich ans Sun n' Sand in Bombay (ich weiss, es heisst jetzt Mumbai - ich werde mich nie daran gewöhnen).

Zuerst das Eintragen ins dicke Buch, dann der Gang zum Fahrstuhl.
Der Liftman beklebte sein Reich mit Blumen, wusste nach Monaten noch den Namen und nahm gerne die zehn Rupien Trinkgeld entgegen.

Auch das Zimmer war immer das gleiche. Du als Kapitän hattest Stirnseite und ich das Zimmer daneben.

Gerne verzichtete ich auf ein paar Sterne Luxus. Die heimelige Atmosphäre war viel mehr wert.

Heute hausen wir im besten Haus am Flughafen und ich werde nicht müde zu betonen, dass ich seither auf Reisen nach Bombay verzichten kann.

Dide said...

Gut gebrüllt Löwe: Du bringst es auf den Punkt!

sonnenuhr said...

Auch für mich sind die Hotels wichtig. Finde deinen Blog sehr gut.

Danke für die langen Berichte.

Werde mich jetzt öfter auf deinem Blog sehen lassen.


Gruss Wolfgang

Dide said...

@Wolfgang: Schön zu hören, willkommen und herzlichen Dank!

tbones said...

Ich frage mich, was langfristig für einen Piloten zufriedenstellender ist:

Langstrecke mit großer Abwechselung, aber auch gesundheitlicher Beanspruchung oder Kurzstrecke, die dafür aber nicht so abwechselungsreich ist (bzw. im Frühjahr/Herbst bei nasskalter Witterung auch nicht unbedingt gesund ist). Oder ist es der Mixed-Einsatz auf Kurz- und Mittelstrecke mit kleinen und großen Zweistrahlern?

Was sagt die versammelte pilotische Bloggerschaft dazu?

Dide said...

Interessante Frage: ewig lange Nachtflüge vs frühmorgendliches Aufstehen, exotische Destinationen vs Kurzaufenthalte (ein bis 24 Stunden) in Städten Europas, Generöse Gelassenheit vs Stress und Hektik, zwei bis drei Landungen pro Monat vs zehn Landungen pro Woche - und - Erstklassküche und Nespresso vs Sandwich und Filterkaffee!!!
Die Aufzählung ist unvollständig, die Reihenfolge willkürlich. Die Langstrecke ist quasi die "Köngisdisziplin" der Zivilluftfahrt, wird allerdings nicht von allen Kollegen gleichermassen geschätzt und angestrebt.

Gruss

skypoiner said...

@tbones

Vier Legs pro Tag, vier mal am Tag mit Slots und fehlenden Passagieren kämpfen, pampige Sandwiches aus der Crewschublade und wässrigen Filterkaffee vernichten, verregnete Nachmittage in London verbringen und in Moskau am Morgen um 5 Uhr, bei minus 20°C, versuchen ein Triebwerk zu starten...

...oder lieber vier mal pro Monat in die weite Welt hinaus fliegen, gepflegt die Reste aus der First Class verputzen, einen Nespresso trinken, nach einer Freinacht in Sao Paulo ein Filet und ein Caipirinha oder in Tokyo ein Sushi geniessen?

Nach 13 Jahren Kurzstrecke fällt mir die Wahl nicht schwer! Die Freinächte nehme ich dafür gerne in Kauf und die Anzahl Löcher unter den Flügeln ist mir hat damit rein gar nichts zu tun.

tbones said...

Eine interessante Sicht auf die Arbeitsbedingungen der Kurzstreckenpiloten! Vielen Dank! Jetzt wird mir klar, warum das vor und zurück der inneren Uhr für Langstreckenpiloten durchaus erträglich ist: Moskau morgens um Fünf im Winter *brrrrrrr*