Sunday, February 15, 2009

Nachtrag

Der vorletzte Blogeintrag, insbesondere die angekündigte Verlagerung eines grossen Teils meiner Tätigkeit ins Büro, hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Von weit aufgerissenen, entsetzten Teenageraugen über tröstende Kollegenbemerkungen bis hin zu sicherlich gut gemeinten Gratulationen. Ich versuche das alles unter den berühmten einen Hut zu bringen, bin aber selber nicht immer ganz sicher, wie die Aussagen und Meinungen einzuordnen sind. Ein Nachtrag scheint angebracht.

„Ach nein...!“
Am Anfang sind sich nur die Kinder einig. Pures Entsetzen spiegelt sich in den schreckgeweiteten Augen. „Was – dann bist du ja immer zuhause...!“ Und während das grauenvolle Echo noch durchs Wohnzimmer hallt, doppelt die verzweifelte Jungmannschaft mit einem Seufzer tiefster Frustration nach: „Ach nein, muss denn das sein...?“
„Dann bist du ja gar kein richtiger Pilot mehr“,
versucht mich Linda im Kern meines über 28 Jahre unerschütterlich gewachsenen Berufsstolzes zu treffen. Doch dieser heimtückischen Attacke ist wenig Erfolg beschieden. Schon eher bringt mich Ninas Klagen ins Grübeln: „Müssen wir nun jede Woche deine Salatsauce essen...?“
Dazu muss man wissen, dass die Geschichte „meiner Salatsauce“ eine alte aber folgenschwere ist. Es war ein ganz gewöhnlicher Primarschultag in Stadel. Noch vor der Zeit, als spitzbübische Fasnächtler und Banker das Gerüst meines damaligen Arbeitgebers ansägten und dem Namen in der Folge die Luft entwich. Franziska war ausser Haus, und ich hatte mich derweilen selbstlos geopfert, das Mittagsmahl zu richten. In einem Anfall kreativen Schaffens versuchte ich, der häuslichen Salatsauce neuen Charakter einzuhauchen, wählte eine aussergewöhnlich mutige Gewürzkombination und liess zur finalen Abrundung je ein Schlückchen Milch und Rotwein in die Schüssel tröpfeln. Begeistert und gespannt zugleich betrachtete ich die Kinder beim ersten Bissen, bei dem es dann übrigens auch blieb. Abscheu und Verweigerung der weiteren Nahrungsaufnahme waren die Folge. Sogar das nachträglich angebotene „Kägifrettli“ wurde misstrauisch begutachtet. Mit dem niederschmetternden Ergebnis, dass meine Salatsauce bis zum heutigen Tag in der ganzen Familie Angst und Schrecken verbreitet. Während andere Väter in edukativen Notlagen mit Ausgangsverbot drohen, brauche ich lediglich das Salatbesteck aus der Schublade zu nehmen. Es bleibt dies bis zu dieser Stunde die einzige Massnahme, welche bei den Kindern unmittelbare Wirkung zeigt.

Verkehrspolizist und Kriminalbeamter
Nachträgliche Aufklärung gebührt an dieser Stelle speziell jenen, die mir freudig gratuliert haben. Wer glaubt, diese intensivierte Bürotätigkeit käme einer Beförderung gleich, der täuscht. Dies äussert sich letztlich in der banalen Erkenntnis, dass keine neuen Visitenkarten gedruckt werden müssen. Vielmehr nähere ich mich mit diesem Schritt der randständigen und personaltechnisch vernachlässigten Gruppe jener, die für weniger Geld mehr arbeiten. Denn mit der reduzierten Flugtätigkeit vermindern sich auch meine Einnahmen (dafür erhöht sich ja, wie oben beschrieben, der Einfluss auf meine Kinder...).
Einen nicht unwesentlichen Teil meines Pilotensalärs bilden diverse Zulagen, im Folgenden „Allowance“ genannt: für Spesen im Ausland, sowie für geleistete Arbeits- und Blockstunden. Nach dem simplen aber auch für technologie-verwöhnte Flugzeugführer gut verständlichen Motto: Oft in der Luft und fort von zuhause, dafür viel im Kässeli. Dieser Batzen wird mir nun fehlen. Wohl erhalte ich im Moment eine „Office Allowance“, doch diese entschädigt lediglich für eine Woche auf dem Bürostuhl. Bald werden es deren drei. Da braucht es keine Einsteinschen Rechnungskünste, um den drohenden Einnahmeverlust abzuschätzen. Zwar stellt mir der Departementsleiter eine Erhöhung der bestehenden Zulage in Aussicht. Doch über allem Tun und Handeln schwebt der seit langem angestrebte – und bereits mehrfach medial schwungvoll angekündigte – „Break even“ im Jahr 2010, der wohl – wie meine Allowance – noch einiges Kopfzerbrechen im Finanzdepartement verursachen wird.
Im Weiteren werde ich, und diese Feststellung ist eminent, nicht hierarchisch in höhere Sphären oder Etagen katapultiert. Zwar nehmen die Fliehkräfte zu, allerdings lediglich im zweidimensionalen Bereich. Es ist die Idee, neben der bestehenden Funktion im Bereich der Flugdatenauswertung zusätzliche Aufgaben, speziell im Rahmen der „Investigation“, also der Untersuchung und Abklärung laufender Vor- und Zwischenfälle zu übernehmen. Was heisst, dass ich mich weiterhin als „Verkehrspolizist“, beschäftige, daneben aber als „Kriminalbeamter“ Ursachenforschung und Prävention betreiben werde.
Bereits wurde mir ein erstes Projekt übertragen: Für unsere drei Assistentinnen soll ich einen zweitägigen „Inhouse“-Grundkurs zusammenstellen, der ihnen neben den wichtigsten pilotischen Terminologien auch die grundsätzlichen operationellen Prozesse und involvierten Schnittstellen eines Linienfluges vermittelt.
Alles möglichst schnell und natürlich in der Freizeit. Da kommen mir die acht Ferientage Ende Monat wie gerufen. Und wenns nicht reicht, dann leg ich noch eine Nachtschicht ein. Für die Vertonung der Powerpoint-Show. Kein Problem, jetzt, wo ich endlich nicht mehr so viele Nachtflüge habe...

5 comments:

nff said...

Beförderung = neue Visitenkarte gilt natürlich nur bis kurz vor dir Topposition. Wahre Leader (wie z.B. Swiss Copis) brauchen keine von diesen Dickpapierkarten :-)

Auch die Anmerkung "Oft in der Luft und fort von zuhause, dafür viel im Kässeli" ist mit Vorsicht zu geiessen. Es soll regionale Unterschiede geben :-)

Wünsche der Familie viele Salatsaucenhappenings!

Aus dem wunderschönen Engadin (gestern Abend -29.3°) grüsst nff.

Dide said...

Ciao NFF - Swiss Copis brauchen keine "Dickpapierkarten", leiden dafür aber unter den von dir angeführten "regionalen Unterschieden" bei der Verteilung der Spesengelder.

Man kann eben nicht alles haben im Leben - geniess die Tage im Engadin und vergiss nicht, einen warmen Pullover überzustülpen. Weil im Krankheitsfall weniger Spesen aufs Konto fliessen...


Bin ebenfalls drei Tage in der Schweiz. Allerdings im Zürcher Unterland, wo auch die Sonne scheint. Wie immer volles Programm, das in knapp drei Tagen abgespult wird.


Gruss

Anonymous said...

Die weit aufgerissenen Augen waren wohl nicht nur bei Ihren Kindern, sondern wahrscheinlich auch bei dem ein oder anderen Blogleser zu finden:
"Keine Überfallgeschichten aus New York mehr?"
"Keine philosophischen Texte auf dem Flug nach Sydney mehr?"
"Keine Liveberichterstattung der Toronto Maple Leafs bzw. NY Islanders mehr?"
"Keine Probleme mit den Tickets im Rhein-Main-Gebiet mehr?"

Ich jedoch kann nur sagen, dass Ihre neue Tätigkeit mit Sicherheit auch spannend ist. Jetzt werden die Spuren in der heimischen Wüste eben mehr sein.

Viel Spaß weiterhin in Ihrem echten Abenteuer und mit Grüßen aus dem ekelhaft kalten Deutschland!

McBirdie alias Martin

Anonymous said...

Mein erster Eindruck war ebenfalls: "Schade, dass er nicht mehr so viel fliegt".
Doch dann dachte ich an diese "last flights" von all diesen altgedienten und erfahrenen "alten Hasen". Von einem Tag auf den anderen raus aus dem Cockpit und rein in die Rente.
Ist ein Übergang wie der Ihrige nicht etwas schonender und sanfter?

Wie auch immer, habe wieder mal herzhaft lachen müssen.
Jedes Land hat seinen eigenen Humor. Ich bin zur Ansicht gelangt, dass die Schweizer über Selbstironie verfügen, was gerade auch Ihrem "Nachtrag" eine zusätzliche Würze verleiht. Ich glaube die Deutschen nehmen sich grundsätzlich ernster und verfügen nicht in gleichem Masse über diese spezifische Qualität.

Jetzt ist mein Kommentar aber lang geraten - da kommt's auch nicht mehr darauf an:
Vor vielen Jahren, als es noch keine bloggenden Piloten gab, las ich ein Inserat in der Zeitung. Da wurde ein Vortrag eines Swissair Piloten angekündigt, der aus seinem fliegerischen Leben erzählte. Das ganze fand im "Stadthof 11" statt, direkt neben dem Hallenstadion, und ich ging hin und war einigermassen überrascht, eine ausgebuchte Halle vorzufinden - so gross war das allgemeine Interesse.

Der Pilot hielt einen spannenden und informativen Vortrag. Er war ein MD80-Kapitän, eher kleingewachsen, von gedrungener Statur, ohne Uniform würde niemand seine "gehobene Stellung" vermuten. Der Mann begann seinen Vortrag, indem er die allgemein verbreitete Vorstellung eines Flugkapitäns erörterte; stattlich, sportlich, grossgewachsen etc. und schloss mit dem Satz "Schauen sie einmal MICH an!..."
Das Gelächter war gross und mit diesem Anflug von Selbstironie hatte er das Publikum bereits in der Tasche.

Also der mit dem Salatbesteck...ha ha ha ha...doch wer weiss, vielleicht steckt in ihnen doch noch ein latenter "Saucièrge"...

Köstlicher Bericht, "Papa ante portas"....

Anonymous said...

Hier kommt der Oberkommentierer:

Ich wollte nur noch anfügen: Obwohl es schon recht lange her ist, erinnere ich mich noch immer an Einzelheiten dieses Vortrages.

Der Kapitän sprach z.B. auch über den Treibstoff der getankt werden muss, um Treibstoff zu transportieren.
Beeindruckend war auch sein Vergleich zwischen Flugi und Auto. Er sprach über den Wartungsaufwand: Wenn wir diesen mit den Autos betreiben und aufwenden würden, müssten wir unsere eigene Karre alle paar Wochen beim Garagisten untersuchen und auf Herz und Nieren überprüfen lassen.
So in dieser Art beschrieb er den Unterschied zwischen den Standards.

Da sieht man mal wieder, wie sicher das Fliegen ist.