Bloggen hat Grenzen. Wie alles im Leben und auf dieser Welt. Nicht zum ersten Mal befinde ich mich an einem Punkt, wo mir Ethik und die Privatsphäre von Drittpersonen verunmöglichen, meine Gedanken im vollen Umfang niederzuschreiben.
Drei Nächte Genf
Die „Wüstenspuren“ darf verfolgen, wer will. Die Einträge sind öffentlich einsehbar, damit wird auch der Individualbereich der beschriebenen Personen strapaziert. Ob gewollt oder nicht. Die eigene Familie hat grundsätzlich keine Probleme mit den Berichten, doch in dem Moment, wo Menschen ausserhalb meines Privatbereichs ins Spiel kommen, versuche ich nach Möglichkeit Namen oder Angaben, die konkrete Rückschlüsse auf die Identität zulassen, zu vermeiden. Es gibt auch andere Bereiche, wo ich Vorsicht walten lasse, beispielsweise Interna meines Arbeitgebers. Obwohl sich hier oftmals spannende Ansätze bieten, muss ich abwägen. Am Golf wie auch an anderen Orten dieser Welt schätzen es die Unternehmen nicht, wenn Angestellte freimütig und unbedacht interne Informationen veröffentlichen.
Mein Arbeitseinsatz hat mir wieder einmal einen „langen Genf“ und damit ein „Check-In“ mitten in der Nacht beschert. Unser Start ist auf 02.10 Uhr angesagt, das heisst, ich muss mich um 00.30 Uhr beim Briefing melden. Zusammen mit dem Copi aus Sri Lanka erledige ich die Planungsarbeit, und gemeinsam informieren wir anschliessend die 13köpfige Kabinenbesatzung. Morgen Samstag ist „Valentine Day“. Wohl aus diesem Grund haben drei der Damen ihren Verlobten dabei. Etwas „Sonderproviant“ kann nicht schaden. Drei Nächte in der Schweiz, und dies bei frostig kalten Temperaturen, da kann es einem oder einer schon frostig werden ums Herz.
Der Flug führt uns über den Iran, das Schwarze Meer und den Balkan in die winterliche Schweiz. Um sechs Uhr in der Früh landen wir in der Rhônestadt. Es ist Samstag und alles scheint noch zu schlafen. Für einmal scheint der Schein Realität. Bevor ich mit dem Zug nach Winterthur fahre, lege ich mich einige Stunden im Hotel aufs Ohr. In der Hoffnung, die nach durchwachter Nacht energielosen Lebensgeister meines Körpers wieder etwas zu beleben.
Die Tage bei meinem Bruder sind wie immer gefüllt mit vielerlei Aktivitäten. Auch dieses Mal scheint die verfügbare Zeit knapp. Nach einigen Telefonaten am ersten Abend steht der Zeitplan. Die „Pflöcke sind eingeschlagen“. Ich studiere die Einkaufsliste, die mir Franziska vor dem Abflug in die Hand gedrückt hat. Und ich weiss, dass ich mich in drei Tagen mit dem Kofferpacken schwer tun werde. Dann machen wir uns auf in die Stadt.
Wie, wann, warum
Ich will im Verlauf dieser knapp drei Tage auch einen Krankenbesuch machen. Ein Schweizer Arbeitskollege von Abu Dhabi ist für eine länger dauernde Behandlung nach Zürich gereist. Seine Situation ist nicht einfach, die Umstände schwierig abzuschätzen. Ich bin – wie wohl so mancher Mitmensch – ein Verdränger wenn es um Leid und Krankheit geht. In diesem Fall konfrontieren mich die aktuellen Begebenheiten mit unausweichlichen Tatsachen. Auch wenn mich diese lediglich am Rande betreffen, hinterlassen sie Spuren. Ich sitze ihm und seiner Frau im gut geheizten, engen Spitalzimmer gegenüber. Ich spüre dabei, dass mir heute gewisse Realitäten tiefer gehen als vor 20 Jahren. Das Leben hat seine eigenen Gesetze: die einen sind offensichtlich, andere weniger. Und über allem steht die Frage nach den Grenzen und deren Verlauf. Fragen nach dem „Wie“ und „Warum“. Vielleicht auch nach dem „Wann“. Fragen, auf die wir nur selten befriedigende Antworten erhalten, und die uns – vielleicht gerade deswegen – immer wieder einmal den Schlaf rauben. Die Selbstverständlichkeit der Normalität macht uns zu selbstgefälligen, unzufriedenen Kreaturen, die wir gedankenlos alltägliche Banalitäten beklagen. Dabei übersehen wir mit ignoranter Grosszügigkeit, wie gut es uns geht, machen aus Mücken Elefanten.
Manchmal, bei Nachtflügen, lösche ich sämtliche Lichter im Cockpit, mit Ausnahme der Instrumentenbeleuchtung. Dann lehne ich mich vor, ganz nah an die Frontscheibe.
Die abgedunkelte Innenbeleuchtung erlaubt einen atemberaubenden Blick aufs nächtliche Firmament. Anders als bei der Betrachtung von der Erde, stören keine Strassenlaternen oder Häuserlampen. Die Umgebung ist tiefschwarz. Das Universum scheint mich zu verschlingen. Ich geniesse diese Momente, in denen ich ungestört meinen Gedanken nachhängen kann. Plötzlich ist die Müdigkeit wie weggeblasen. Hellwach.
Dumpf röhren die Triebwerke. Hie und da eine verlorene Stimme am Funk.
Sonst nichts als grenzenloser Raum.
Tuesday, February 17, 2009
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4 comments:
Nicht nur als Pilot ist das "Gesetzbuch" ständiger Begleiter...auch und gerade als bloggender Pilot...
...aber die (nächtliche) Aussicht entschädigt dies - und die endlosen Gespräche mit den Kollegen über genau das von dir erwähnte "warum" auch.
G!
Die Grenzen des Bloggens - Der grenzenlose Raum.
Sie haben dieses Dilemma auf den Punkt gebracht.
Wir sind alle Grenzgänger.
ES gibt wohl Grenzen, nicht nur des Bloggers, sondern auch des Kommentators.
Nicht dass ich mich hier von dieser Rolle ganz verabschieden möchte. Aber was sie hier schreiben sei wohl vermerkt und ich bezeuge ihnen hier mein Verständnis und meinen tiefen Respekt.
@G: Wenn ein Blogger weiss, was Gesetzes-Sache ist, dann zweifellos du! Dein Button "Rechtliches" sei an dieser Stelle sämtlichen BloggerInnen einmal zur Durchsicht empfohlen.
@Crowi: Es gibt überhaupt keinen Grund, sich als "Kommentator" zu verabschieden. Mitnichten! Es liegt in der Natur der Sache, dass der Verfasser eines Blogs die Thematik und damit die Eckpfeiler eines Beitrages angibt. Die Kommentare sind lediglich das Sahnehäubchen...
Danke für den tiefgründigen Artikel.
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