Thursday, January 08, 2009

Wachstum, Auszeichnungen und Schweinerippen

Nach Sonne und Schnee in der Schweiz haben wir uns rasch wieder im emiratischen Winter eingelebt: etwas weniger Sonne als sonst üblich, Temperaturen um 23 Grad sowie hie und da ein Regen- oder Nebeltag. Die alltägliche Routine holt die Familie jeden Morgen aus den Federn und entlässt uns nach (zumeist) getaner Pflicht in den Feierabend. Abu Dhabi, das mir vor Wochenfrist im winterlichen Berner Oberland noch wie im Traum vorkam, hat zur Realität zurückgefunden.

Wachstum und Auszeichnungen
Mein erster Arbeitseinsatz führt mich einmal mehr nach Australien. Mittlerweile bedient unsere Airline Sydney elf Mal pro Woche. Dadurch ergeben sich teilweise längere Aufenthalte. Mit dem Nachteil, dass just diese längeren Rotationen die Opfer zweier Nachtflüge fordern. So bin ich nicht traurig, lediglich etwas mehr als 24 Stunden in „Down Under“ zu verweilen und dafür zu einer Tageszeit einzuchecken, die meinem Körper wesentlich besser zusagt.
Der andere Captain stammt aus Malaysia. Er besetzt nicht nur den Posten des Technischen Piloten A340, mit seinen 35 Jahren ist er zudem der jüngste unseres Cockpit-Quartetts. Der Copi, mit dem ich zusammen das A-Team bilde, ist ein Begleiter der „ersten Stunde“: Ich kenne ihn bestens, haben wir doch im Mai 2006 gemeinsam den Grundkurs besucht. Seine Wurzeln liegen in England und er ist wahrhaftiger Brite, vom Scheitel bis zur Sohle: Ausgesprochen höflich und korrekt, konservativ, zurückhaltend aber stets hilfsbereit. Ein Mann mit Prinzipien, nicht nur weil er einen Jaguar fährt. So weigert er sich beispielsweise mit ritterlicher Standhaftigkeit, Clip-Krawatten zu tragen. Da unsere Uniformierung aber ausschliesslich solche im Angebot hat, marschierte er kurzerhand zu einem lokalen Schneidermeister und bat diesen, er möge doch aus den beiden Originalteilen ein Einzelstück fertigen.
Das mit den Copiloten hier ist so eine Sache. Die kommen und gehen. Nicht weil sie die Airline verlassen, sondern vielmehr weil sie ziemlich zügig zum Kapitän mutieren. Üppig getätigte Flugzeugbestellungen halten die Firma (hoffentlich) weiter auf Expansionskurs. Jene Kollegen, die bei meinen Anfängen vor knapp drei Jahren noch auf dem rechten Sitz des A330 wirkten, sind heute gestandene A340-Kapitäne. Wir fliegen zusammen Ultralangstrecken-Einsätze, sitzen aber nicht mehr gemeinsam in der Kanzel, sondern belegen abwechslungsweise den „Captains-Seat“.

Wer heute Mühe hat, die Mär vom stetigen Wachstum zu glauben, dem seien einige Fakten genannt, welche der CEO diese Woche in einer Mitarbeiter-Info veröffentlichte:
Im Jahr 2008 knackte die Zahl der Angestellten die 7000er Marke. Eine bunte Mischung von Menschen aus insgesamt 121 Nationen. In der “Flight Ops” sind mittlerweile 2900 Flight Attendants und 755 Piloten engagiert. Damit nähern wir uns markant den Dimensionen meines früheren Arbeitgebers.
Die Passagierzahlen stiegen 2008 gegenüber dem Vorjahr um satte 34 Prozent auf runde sechs Millionen. Dies bei einer Auslastung von 75 Prozent, was einem Anstieg von acht Prozent entspricht. Daneben wurde Etihad im Verlauf der vergangenen zwölf Monate mit 17 „Global Awards“ für Service und Innovation, darunter mit drei „Airline of the year“-Titeln ausgezeichnet. Letztlich nötigten diese Zahlen das Management, sämtlichen Angestellten einen Bonus in der Höhe eines halben Monatssalärs zu entrichten. Einige mögen über den Ansatz schmunzeln, ich meine: „Immerhin“!

Ferien und Zukunftsgedanken
Nicht nur das. Obwohl ich dieses Jahr der schlechtesten Ferien-Prioritätengruppe angehöre, erhielt ich meine Wünsche vollumfänglich bestätigt! 28 Tage im Juli sowie einmal mehr zwei Wochen über Weihnachten und Neujahr. Die überzähligen neun Tage des Vorjahres wurden mir, ebenfalls nach Wunsch, für den Februar zugeteilt. Damit kann ich meinen Fokus ab sofort auf den anstehenden Ticket-Vorverkauf für die „Dubai Tennis Championship“ richten, die genau in dieser Zeit ausgetragen werden. Besser könnte es gar nicht sein. Wen mag es vor diesem Hintergrund verwundern, dass ich mich mit meinem Rückkehrentscheid schwer tue...?
Auch die Qualität der Monatseinsätze hat sich seit meiner Bürotätigkeit deutlich verbessert: weniger Nachtflüge und mehr Tage zuhause erweisen sich als äusserst angenehm. Zumindest für mich. Gattin und Nachwuchs beurteilen die Situation etwas anders.
Doch man bedenke: Schliesslich habe ich 14600 Flugstunden, aber erst einige hundert Stunden im Büro auf dem Buckel! Ein krasses Missverhältnis, das es zu nivellieren gilt. Da mögen einige „Profi- und Langzeit-Bürolisten“ vielleicht den Kopf schütteln, letztlich wird aber einmal mehr deutlich, wie individuell sich unsere Bedürfnisse über die Jahre verändern. Nicht auszuschliessen, dass ich dereinst auf dieser Plattform mein CV publizieren werde. Zusammen mit der Anfrage nach einem interessanten Job nach meiner fliegerischen Tätigkeit. Schliesslich „missbraucht“ der geschätzte Kollege "NFF" seinen Blog ebenfalls, um den Verkauf seiner Bücher (habe eben den „Flugnomaden“ gelesen. Prädikat: erfrischend, amüsant und sehr empfehlenswert!) anzuheizen. Wer mag mir da vergönnen, in Sachen Zukunftsplanung eine kleine Signalrakete abzufeuern. Denn noch ist es nicht meine Absicht, bis ins greise Pilotenalter von 65 am Steuerknüppel zu rütteln.

Rippenessen und Biertrinken
Doch zurück zu meinem ersten Arbeitseinsatz. Der eine Cockpit-Kollege schwärmt während des ganzen Hinflugs von diesem sensationellen Lokal mit den besten „Ribs“ . Das Wasser tropft uns bereits aus den Mundwinkeln, als wir am frühen Morgen eine dünne Wolkenschicht durchstossen und zur Landung auf der Piste 16R ansetzen. Also versammeln wir uns am Abend zu acht – was in dieser Anzahl in Sydney selten vorkommt – in der Lobby des Hotels. Zwei Taxis bringen uns nach Darling Harbour, wo sich hunderte von Einheimischen und Touristen in der Feierabend-Sonne tummeln. Die Stimmung ist aufgeräumt, die Menschen bummeln über den grosszügig ausgelegten Gehsteig vor den unzähligen Lokalen, essen eine Kleinigkeit oder geniessen einen Apéro. Die Yachten im Hafen schaukeln sanft im von den Kurs- und Ausflugschiffen aufgewühlten Wasser.
Kurz nach der Ankunft im besagten Lokal, das sich sinnigerweise „Hurricane’s“ nennt (ob die Schweine wohl alle während eines Sturms ums Leben gekommen sind?) stellen die KellnerInnen Teller mit halben Schweinebäuchen vor uns auf den Tisch. Genauer, mit den raffiniert marinierten und perfekt gegrillten Rippen dieser Tiere. Die Dimensionen sind in der Tat eindrücklich, und die Qualität des Fleisches würde mich wohl auch zufrieden stellen, wenn ich weder einen 14 stündigen Flug, noch sieben Stunden Zeitverschiebung und einige Gläser des Lokalgebräus „Tooheys News“ intus hätte.
Einziger Wermutstropfen ist die nach dem Essen leicht befleckte Bekleidung. Trotz extra umgebundenem Esslatz finden einzelne Spritzer ihren Weg auf Hemd, Hose und Pullover. Und es reift die Einsicht, dass nicht nur bei den Bürostunden Nachholbedarf besteht, sondern auch in der diffizilen Kunst des Rippenessens.

2 comments:

nff said...

... auch mir läuft das Wasser im Mund zusammen! Und das nach einer Stunde Jogging, etwas Bloggen und einem Blick auf den Wecker: 0507 Uhr in der Früh - Los Angeles lässt grüssen.

Danke für die Werbung :-) Ich lade Dich nach dem Erreichen der Bestsellerliste gerne in mein dann mit dem Erlös erworbenen Anwesen im französischen Massiv Central ein, wo ein Boulanger alle zwei Stunden frisches Baguette bäckt, zwei Kanus am Ufer der Ardeche auf Paddler warten und immer eine gute Flasche Rotwein auf dem Steintisch unter den mit Marroni vollbepackten Bäumen steht.

KAUFT!

Dide said...

Gern und ohne Übertreibung geschehen!

Die Einladung nehme ich natürlich gerne an. Im Austausch darfst du uns im Tessin besuchen: Jumbolino-Flug nach Agno, Transport mit der Stretch-Limo in unsere bescheidene Attikawohnung am Lago di Lugano. Da ich ein schlechter Paddler bin, werden wir mit dem Motorboot den See traversieren, um anschliessend im romantischen Grotto köstliche Costini und Polenta zu geniessen, Grappa incluso....
A più tardi!