Monday, April 09, 2007

Die Grillen "zirpen" und die Deutschen "grillen"

Wir sind – ich gebe es gerne zu – unseren nördlichen Nachbarn (aus Schweizer Optik) in den vergangenen Monaten um einiges näher gekommen. Nicht dass wir ihr Denken und Handeln immer bis in alle Details verstehen und nachvollziehen könnten. So weit sind wir noch nicht. Doch die freundschaftlichen Beziehungen zu Lachmairs, Lembachs, Fuchsens und wie sie alle heissen, haben deutliche Spuren bei uns hinterlassen; sowohl in Sprache als auch in Grammatik. Wir Schweizer lernen dazu, sind flexibel und stets offen für Neues.
So haben wir denn kapiert, dass man am Gartengrill nicht „grilliert“, sondern „grillt“. Da passt, dass der Killer im Fernsehkrimi "killt" und nicht "killiert". "Killen" ist zwar britannischen Ursprungs, tönen (klingen) tut es aber - wegen analoger Endsilbe - ähnlich. Auf die Qualität des Fleisches hat dies alles zwar keinen direkten Einfluss, doch zumindest artikulieren wir „grammatikalisch“ korrekt. Obschon ein Blick in den Duden oder ein Klick auf „Wikipedia“ zusätzlich folgende Weisheiten offenbaren:

„Grillen oder schweizerisch Grillieren (aus englisch „to grill“ bzw. französisch „griller“, von lateinisch „craticulum“ für 'Flechtwerk' und 'kleiner Rost') ist "Braten in Wärmestrahlung.“

Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem die Feststellung, dass hier ganz offiziell auf die „schweizerische“ Form „Grillieren“ hingewiesen wird. Damit tritt Mutter Helvetia aus ihrer linguistischen Bedeutungslosigkeit und setzt sprachliche Impulse, die weit über unsere Landesgrenzen hinaus spürbar sind.
Ich meinerseits habe beim Begriff „Grillen“ bis anhin jeweils spontan an die „Echten Grillen“ (Gryllidae) gedacht. Jene, die zirpen und eine Familie der Insekten sind und überdies zur Ordnung der Langfühlerschnecken (Ensifera) gehören. Vielleicht müsste ich bei der deutschen Fraktion einmal nachfragen, wie sich die Sache beim Verb „brillieren“ verhält. Doch wie man es auch dreht und wendet – eine Lösung scheint nicht in Sicht. Spätestens bei den Nomen tut sich die nächste Lücke auf. Denn wer fragt schon: „Schatz, kannst du mir bitte mein Brill reichen damit ich die Grille anfeuern kann...?“
Natürlich ist auch mir bekannt, dass die Begriffe „brillieren“ und „Brille“ grundsätzlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Doch als „Expat“ denke ich unwillkürlich an leidgeprüfte Ausländer, die versuchen, der Deutschen Sprache mächtig zu werden und dabei immer wieder auf solche Ungereimtheiten stossen. Die über Ausnahmen stolpern, welche die Regel (gibt es überhaupt eine?) bestätigen und Deutsch-SchülerInnen ins Straucheln bringen. Wie etwa die in einem englischsprachigen Umfeld heranwachsende Tochter meines ehemaligen Englischlehrers, die beim Anblick einer alleine fliegenden Möve verzückt rief: „ Schau Daddy – ein Mov!“

Red Bull Air Race
Weniger kompliziert, dafür umso spektakulärer ging es dieses Wochenende beim Saisonauftakt der „Red Bull Air Race World Series 2007“ zu, der, wie im vergangenen Jahr in Abu Dhabi stattfand.
Bei 38 Grad Celsius strömten gegen 300'000 Zuschauer ins zwischen Corniche, Hotel Emirates Palace und der Marina Mall liegende Renngelände. Glücklicherweise waren wir – Toni, Andrea, Tim, Linda und meine Wenigkeit – frühzeitig unterwegs und fanden auf Anhieb sowohl einen Parkplatz fürs Auto, als auch eine luftige Lücke am Public Beach in der Nähe der Corniche, direkt vor den im Wasser postierten „Pylons“, welche den Rennparcours markierten.
Bei diesem „Air Race“ handelt es sich nicht um eine Flugshow im eigentlichen Sinne, sondern um ein effektives „Rennen“ gegen die Zeit, respektive die anderen Piloten. Dabei wird unter Einhaltung strenger Regeln auf halsbrecherische Art und Weise um Zehntels- und Hundertstelsekunden gekämpft. Dies auf wenigen Metern über dem Wasser, bei Geschwindigkeiten bis zu 300 km/h und bei achtfachen G-Belastungen! Wer Fehler macht, etwa zu hoch oder unpräzis fliegt, wird von der Jury mit einem Zeitzuschlag bestraft.
Die Teilnahme an solchen Rennen ist limitert und steht nur den Besten offen. Interessierte Kandidaten durchlaufen eine strenge Selektion, gefolgt von einer Einladung ins Rookie Camp in der Wüste Arizonas. Auf diese Weise wird sicher gestellt, so ist dem Programmheft zu entnehmen, dass die Piloten über die entsprechende Technik und Erfahrung verfügen. Dies erklärt, wieso die „Rookies“ in der Regel älter als 40 sind und über lichte Haaransätze und/oder graue Schläfen verfügen. Unter anderem finden sich im Teilnehmerfeld Linienpiloten von British Airways und American Airlines, ein pensionierter Lufthansa-Captain sowie ein ehemaliger „Top Gun“ Crack der US-Luftwaffe. Zum ersten Mal werden heuer die Piloten ihr Können auch in der Schweiz zeigen, und zwar am 15. Juli in Interlaken.
Wir in Abu Dhabi genossen eine grossartige Show und ein einmaliges Spektakel und kamen – Beate sei Dank – gar noch in den unerwarteten Genuss von Cappuccino und Donought.














Passage über dem Emirates Palace
















Na wo sind sie denn, die Flugzeuge...?
















Infos auf der Riesenleinwand

















Messerflug direkt vor unserer Nase

„Mamma Mia“ und Buchausstellung
Doch steht uns der Sinn in den Emiraten nicht nur nach wagemutigen und tollkühnen Vorführungen.
Am vergangenen Dienstag fuhren Franziska und ich mit den beiden Mädchen nach Dubai, wo ein internationales Ensemble während einiger Tage mit dem ABBA-Musical „Mamma Mia“ gastierte. Wenn auch etwas weniger spektakulär, so konnten die Performer zumindest in Sachen Dezibel problemlos mit den brummigen Fliegern mithalten. Was jedoch unsere Freude an Musik und Gesang keineswegs trübte. Im Gegenteil; noch auf der Heimfahrt begleiteten uns die melodiösen Klänge des schwedischen Erfolgsquartets bis vor die Haustüre.
Ausserdem besuchten wir mit Nina die 17. Buchmesse in Abu Dhabi. Eine erstaunlich grosse und vielseitige Ausstellung, bei der auch ein Stand mit deutschsprachigen Büchern zu finden war. Wir erstanden ein „Arabisch-Deutsch“ Wörterbuch im Kleinformat sowie eine 1800-seitige gebundene englische Übersetzung des Korans mit fachkundigen Erläuterungen. Noch haben wir nicht konvertiert (oder sagt man „sind“ konvertiert?), und wir befinden uns auch nicht auf dem Weg dazu. Doch ist es faszinierend in diesem Buch zu blättern, wenn auch die Inhalte der verschiedenen Suren für uns – in Ermangelung eines religiösen Gesamtverständnisses – oft unverständlich sind und oberflächlich betrachtet eher zwiespältige Gefühle hinterlassen.

Osterbrunch
Da besinnen wir uns doch lieber auf bekannte Werte: Schliesslich ist heute, bei der Niederschrift dieses Blog-Eintrags, Ostermontag und in der Schweiz werden sich so manche Familien zu einem gemeinsamen Osterschmaus treffen. Mittlerweile dürften auch die letzten Eier und Osternester in ihren Verstecken erschnüffelt worden sein, den lieben Kindern zur Freud – den armen Schoggihasen zum Leid.
Wir in unserer Familie haben für einmal mit offenen Karten gespielt und nichts versteckt, was Nina im Nachhinein bitterlich beklagte. Auch auf Ostergeschenke hatten wir verzichtet, dafür am Sonntag einen erquicklichen Osterbrunch genossen. Wolfgang, der wieder einmal Leben retten musste, entsandte seine Familie inklusive Hund und Gäste und unsere lieben Nachbarn Toni und Andrea setzten sich ebenfalls an die gedeckte Tafel, derweilen Lembachs ihre Gäste nach Dubai entführten. Franziskas Schwester „Brige“ und ihr Sohn Sven, die beide zur Zeit bei uns in den Ferien weilen, komplettierten die bunt gemischte Runde.
Im Garten war es schon beinahe zu heiss, und so überliessen die Erwachsenen für einmal auf grosszügige Art und Weise die Freiluftecke dem Nachwuchs während sie selber im angenehm kühlen Esszimmer speisten. Abkühlung für alle gab’s anschliessend im Pool. Auch dort fanden wir keine farbigen oder versteckten Eier, dafür konnten wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass das Wasser im Becken – wohl in Ermangelung genügenden Chlor-Nachschubs – im Begriff war, langsam aber stetig die Farbe zu wechseln.

1 comment:

Anonymous said...

Lieber Dieter,
und ich dachte "grillieren" ist eine Schweizer Wortschoepfung aus "grillen" und "genieren" - worunter man in der Alpenrepublik "sich schaemen" versteht. Also war ich der Meinung, wenn man "grilliert" entschuldigt man sich gleich im Vorraus fuer das Grillergebnis!
Deswegen in Zukunft nur "grillen"
(fuer: GRandIoses LukuLlisches ErlebNis)
Bis demnaechst
Wolfgang