Thursday, April 26, 2007

Down Under

„Touchdown in „Down Under“! It took me 26 years of flying till I set a foot on Australian grounds. We landed this morning at 0615 local time in Sydney. A small step for me and – I’m afraid – an even smaller one for mankind...“
Mit einem SMS obigen Wortlauts verkündete ich Freunden in der Schweiz und in Abu Dhabi meine Freude über diesen „Etappensieg“. Ja genau – ich fühlte mich als Sieger auch wenn ich statt eines „Maillot jaune“ ein einfaches weisses Uniformhemd trug, das weder verschwitzt noch durch Werbeaufschriften entstellt war. Ich hatte mich auch nicht die engen Serpentinen der Alpe d’Huez hochgequält, sondern lediglich 13 Stunden und 15 Minuten in einer 67 Meter langen Röhre mit einer Luftfeuchtigkeit von fünf Prozent aufgehalten. Zeitweilig im Cockpit, zwischendurch auf einem Sitz der „Diamond Zone“. Aber das Ziel war erreicht!

Australien – ein leiser Traum
Die Operation nach Australien war neben vielen anderen ebenfalls ein Pluspunkt gewesen bei der Entscheidung, nach Abu Dhabi zu ziehen und für Etihad zu fliegen. Den Nordatlantik hatte ich schon viele Male traversiert, noch nie war ich jedoch über den Pazifik geflogen. Ich war in Nordamerika, Afrika, und Asien auf diversen Plätzen gelandet, nicht aber in Australien. Aus diesem Grund empfand ich an jenem Donnerstag, dem 19. April 2007, beim Ausrollen auf der Piste 34L des Kingsford Smith International Airport ein besonderes Kribbeln im Bauch. Vergleichbar mit dem besonderen Hochgefühl, dass ich 1997 nach dem ersten „IGS-Approach“ als B747-Kapitän auf Hong Kongs legendärem und mittlerweile ausrangierten Kai Tak Airport verspürt hatte.
Etihad Airways fliegt erst seit dem 26. März nach Sydney. Im Moment mit drei wöchentlichen Frequenzen. Somit bleibt den Besatzungen etwas länger Zeit in der australischen Metropole. Ab Ende Juni soll Sydney täglich angeflogen werden. Dass die Strecke so rasch eröffnet werden konnte, dürfte nicht zuletzt Verdienst des australischen CEO James Hogan gewesen sein. Er hat die Verhandlungen vorangetrieben und mit Hilfe eines engmaschigen Beziehungsnetzes sämtliche Hindernisse bei der Erlangung der notwendigen Streckenrechte effizient aus dem Weg geräumt.

Den Koffer gepackt....
...soll es heute auch für mich losgehen. Flugplanmässiger Start in Abu Dhabi wäre um 10.10 Uhr. Wegen der verspäteten Ankunft unseres Flugzeuges verschiebt sich der Abflug allerdings um 20 Minuten. Das kann uns nur recht sein, denn ein Nachtflugverbot verbietet Landungen in Sydney vor 0600 Uhr Ortszeit. Und da unser Flugplan die Landung um 0615 Uhr vorsieht, unsere Reisezeit jedoch „nur“ 13.15 Stunden beträgt, wären wir wohl für einige Schlaufen ins „Holding“ geschickt worden.
Ich bin für den Hinflug im B-Team geplant und werde somit lediglich während der „Cruise“-Phasen im Cockpit sitzen. Die „Operating Crew“ besteht aus dem norwegischen Captain Jan Sundfor und dem ägyptischen First Officer Yassin Aboueleish.
Kurz vor elf Uhr starten wir die vier Rolls Royce Triebwerke unseres A340-500 A6-EHB. Wenig später donnert die Maschine über die Piste 31. Ich habe vor dem Flug sicher 50 A4-Seiten an Unterlagen und Bulletins durchgeackert. Dazu gehörten ein Sydney Ops-Plan, Stationsunterlagen, Jeppesen-Flugplatzkarten und Routen-Infoblätter. Dabei stosse ich auch wieder auf den dereinst bei SWISS im Simulator trainierten PRM-Approach (Precision Runway Monitor), der in Sydney regelmässig praktiziert wird. Auch dazu gibt es üppigen Lesestoff. Die Pazifikoperation ist insofern speziell, als dass sie geprägt wird durch den Einsatz der modernen Satelliten-Kommunikationsverfahren CPDLC (Controller-Pilot Datalink Communication) und ADS (Automatic Dependent Surveillance), bei denen die Meldungen über Tastaturen versendet und via Kleinbildschirm im Cockpit empfangen werden. Teilweise verstummt der Funkverkehr über Stunden. Die HF-Frequenzen (High Frequency = Kurzwelle) werden lediglich für „SELCAL-Checks“ verwendet. Auch Abweichungen von der geplanten Strecke wegen Gewitterzellen etwa werden via CPDLC an die Bodenleitstelle übermittelt. Die Bewilligung erhält man in der Regel nach wenigen Minuten.















Hinflug (blau) und Rückflug (rot); gestrichtelte Linie markiert die Grosskreisdistanz

Der Hinflug führt während zwei Dritteln der Strecke über Wasser (siehe abgebildete Karte). Der Flugverkehr Richtung Australien wird in der Regel im Kontrollbereich der AUSOTS (Australian Organised Track Structure) über ein „Flex Track“- System abgewickelt. Airservices Australia definieren diese Routen täglich neu.
















Die Malediven

Auf einem dieser „Flex Tracks“ überfliegen wir die Inselgruppe der Malediven. Indien und Sri Lanka, wie auch Indonesien, Malaysia und Singapur passieren wir weit im Süden und erst bei Perth erreichen wir wieder Festland. Dies nach einer Flugzeit von 9.30 Stunden. Wir nehmen VHF-Kontakt (Very High Frequency = Ultrakurzwelle) auf mit „Melbourne Center“, deren Controller uns auf ständig wechselnden Funkkanälen über den gesamten Kontinent begleiten. Wenn ich bei Perth den Eindruck habe, schon beinahe am Ziel zu sein – schliesslich haben wir Australien erreicht! – dann täusche ich mich gewaltig. Weitere drei Stunden vergehen, bis wir – just beim Auftauchen der ersten zaghaften Lichtstreifen am Horizont – endlich den Sinkflug einleiten. Die Dimensionen Australiens erinnern an frühere Flüge aus der Schweiz nach Japan, in deren Verlauf wir jeweils stundenlang über den ausgedehnten Landstrichen Sibiriens kreuzten.
















Im Anflug auf Sydney

Der Flughafen hat eben erst seine Tore und Pisten geöffnet. Wir sind das dritte Flugzeug in der Anflugsequenz und werden ohne Umwege auf die ILS der Piste 34L gelotst. Australien und der anbrechende Tag begrüssen uns mit schläfrigem, verschleiertem Blick als wir zum Standplatz rollen. Tochdown! „Down Under“, here we are!
















Jan rollt zum Dock, auf dem PFD die Projektion der Aussenkameras

A room with a view
Die Zollbeamten nehme die Sache mindestens so genau wie ihre Kollegen in den USA, wenn auch vorderhand noch auf Fingerabdrücke und Fotos verzichtet wird. Wir schnappen uns das Gepäck und lassen uns vom Bus in die nahe gelegene Stadt fahren. Für die meisten Mitglieder der Crew ist dies der erste Flug, ja der erste Besuch Australiens. Während nach so langen Flügen normalerweise die meisten dösen oder schlafen, suchen heute neugierige Blicke erste Eindrücke zu erhaschen. Das Hotel „Four Seasons“ befindet sich an bester Lage, einen Steinwurf nur entfernt von Hafen und „Opera House“. Jan schlägt vor, sich gegen 1800 Uhr in der „Cargo Bar“ am „Darling Harbour“ zu treffen, wohl wissend, dass sein Aufruf in Anbetracht der vielen asiatischen Cabin Crew Members kaum auf grosse Resonanz stossen wird.
Ich fühle mich müde und habe eigentlich im Sinn, mich zuerst einige Stunden aufs Ohr zu legen. Wie ich jedoch in meinem Zimmer die Vorhänge öffne und mein Auge direkt auf die charakteristische Architektur des Opernhauses fällt, erwachen neue Lebensgeister. Eine eindrückliche Szenerie! Ob ich wohl gleich auf Entdeckungstour soll? Die Vernunft überwiegt, duldet keinen Widerspruch und schickt mich unbarmherzig ins Bett.

















Blick aus dem Hotelzimmer

Rundgang mit Rum
Ich erwache ziemlich verwirrt kurz vor dem Mittag. Unter der Dusche rekapituliere ich die vergangenen 20 Stunden. Jede Destination mit ihren Eigenheiten vermittelt im Laufe der Zeit gewisse Vertrautheitsgefühle. Man kennt den Charakter und die Umgebung des Hotels und ist mit den Abläufen, in besonderen Fällen gar mit einzelnen Gesichtern vertraut. Nicht so bei einer neuen Destination. Diese „Automatismen“ müssen zuerst behutsam aufgebaut und verinnerlicht werden. Für vielreisende Besatzungsmitglier ein immer wiederkehrender Prozess.
So mache ich mich auf, eben diese Umgebung des „Four Seasons“ zu erforschen. Nach wenigen Schritten stosse ich bereits auf eine Starbucks-Filiale. Die amerikanischen Kaffeegeister scheinen überall zu wirken. Ich komme nicht umhin, einen „Caramel Macchiato“ zu bestellen und setze mich mit dem inzwischen lieb gewonnenen Kartonbecher an eines der Tischchen im Freien. Während ich gedankenverloren den Schaum mit einem Holzstäbchen abtrage (Festigkeit und Konsistenz dieses Schaums sind übrigens unfehlbare Qualitätsmerkmale eines „Caramel Macchiato“. Dabei stelle ich immer wieder erschreckende Unterschiede in verschiedenen SB-Filialen fest!), erblicke ich plötzlich Hellen, unsere Cabin Managerin. Auch sie hat mich erspäht und kommt lachend auf mich zu. Kaffee möchte sie keinen, also spazieren wir gemeinsam Richtung Hafen. Hellen hat in früheren Jahren ein Austauschjahr in Sydney verbracht und kennt die Stadt bestens. Während wir durch den Hafen und ums Opernhaus schlendern erklärt sie mir, verbunden mit einigen geografischen Tipps, wann wo welche Fähren auslaufen. Die Hafenanlage ist um diese Zeit stark bevölkert. Touristen mischen sich mit Einheimischen. Dazwischen spielen „Aboriginees“ auf ihren traditionellen, in der Regel aus Eukalyptusholz hergestellten „Didgeridoos“.
















Aboriginees und Didgeridoos...

Es ist bereits nach fünf Uhr, als ich die Fähre Richtung „Darling Harbour“ besteige. Wie erwartet erscheinen nur wenige Crewmitglieder zum Essen: Jan, Jean-Benoit und Hellen. Ebenfalls dabei sind die ehemalige Etihad Cabin Managerin Rejane, auch sie aus Brasilien, die seit einem halben Jahr mit ihrem australischen Ehemann Damian in Sydney lebt. Wir geniessen das Nachtessen am Wasser und trinken dabei das eine oder andere Bier, später auch den einen oder anderen „Bundy“ (Abkürzung für „Bundaberg“, ein australischer Rum) mit Coke oder Ginger Ale.
















Auf der Fähre nach "Darling Harbour"
















Rejane geniesst das Nachtessen

Ausflug nach Manly
Für den zweiten Tag habe ich mich mit dem französischen Copi Jean-Benoit verabredet. Wir wollen mit der Fähre nach Manly fahren. Manly ist ein Vorort von Sydney und hat wegen seines langen Ozeanstrandes und der gleichmässigen, vor allem bei Surfern beliebten Wellen über die Grenzen Australiens hinweg Bekanntheit erlangt. Im Unterschied zu den Stadtstränden Bondi Beach, Coogee Beach, Bronte Beach und Tamarama ist in Manly das Leben noch wesentlich entspannter. Wir tuckern aus dem Hafen und erreichen unser Ziel nach etwas mehr als einer halben Stunde. Hier empfängt uns eine andere Welt. Kleine, beinahe „schnuckelige“ Häuser prägen das Bild. Über eine kurze Gasse, gesäumt von vielen Geschäften, Cafés und Restaurants, gelangen wir auf die andere Seite der Landzunge zum einladenden Sandstrand. Der Wellengang ist mässig und die wenigen Surfer planschen lustlos auf ihren Brettern im Wasser. Die Sonne scheint auch an diesem Herbsttag – der Sommer neigt sich in Austalien seinem Ende zu – noch recht kräftig und lockt viele Sonnenbader in den Sand. Wir setzen uns in ein Restaurant und bestellen Salat und Diet Coke. Wir sind uns einig – hier liesse sich’s einige Tage aushalten.
















Auf der Überfahrt nach Manly
















Strassen- und Standidylle in Manly
















Rückflug
Für die Rückreise am nächsten Tag sind „JB“ und ich als Crew A geplant. Im Gegensatz zum Hinflug folgen wir einer nördlicheren Route, die sehr nahe an der Grosskreislinie verläuft. Wir erwarten „volles Haus“. Die Sydney-Flüge waren – im Gegensatz zu New York – sozusagen vom ersten Tag an ausgezeichnet besetzt. Vor allem die Rückflüge gar über Wochen ausgebucht. Aufgrund der Gegenwinde und der guten Ladung weist das „Loadsheet“ schliesslich eindrückliche Zahlen auf: Zusammen mit den 231 Passagieren, 18 Besatzungsmitgliedern und der geladenen Fracht bringen wir es auf ein stattliches Startgewicht von 364,6 Tonnen. Dies bei einem Maximum von 369 Tonnen. Das maximale Landegewicht von 240 Tonnen erreichen wir erst 50 Minuten vor der Landung – bei einer Flugzeit von 14.20 Stunden! Wir haben 143 Tonnen Kerosin in unsere Tanks gefüllt, wovon wir letztlich 129 Tonnen verbrennen.
Bereits nach drei Stunden Flugzeit – der Start erfolgt um 15.30 Uhr – wird es dunkel.

Schriftliche Bewilligung zum Umfliegen der Gewitterzellen

Wie bereits auf dem Hinflug kommunizieren wir über Stunden ausschliesslich via ADS und CPDLC. Für mich in dieser Dimension eine völlig neue Erfahrung . Zwischenzeitlich beschleicht mich das Gefühl, etwas vergessen zu haben und ich vergewissere mich immer wieder, dass die Verbindung zu den Bodenstationen intakt ist.
Wir landen in Abu Dhabi zehn Minuten nach Mitternacht. Sonntagmorgen. Da ich auf dem Flugzeug geschlafen habe, fühle ich mich nicht richtig müde. In meinem Geiste wirbeln die Erlebnisse und Eindrücke der vergangenen Tage. Und so wird es halb vier bis ich endlich einschlafen kann. Bereits um 0700 Uhr erwache ich wieder. In Australien stehen die Zeiger bei 1300 Uhr. Mein Körper pendelt irgendwo zwischen den beiden Zeitzonen. Es bleiben mir drei Tage zur Erholung. Zur Stabilisierung der „Inneren Uhr“, zur Angleichung an den örtlichen Tag- Nachtrhythmus. Die Grenzen zwischen Traum und Realität, zwischen "Wach sein" und Dämmern scheinen zu verfliessen, lösen sich im Nichts auf.
Aber ich bin mir sicher, dass ich in Australien gewesen bin – auch wenn ich weder Kängurus noch Koalas gesehen habe.

2 comments:

nff said...

Hallo Dide

Gerade vom SLS Klassenfest zurück, wo wir selbstverständlich alle Capt. ausserhalb aller CRM Regeln auseinandergenommen haben, lese ich Deinen Eintrag aus SYD.
Gut gebrüllt wie immer!

Nur ein kleiner Gedankenanstoss: ich würde das GenDec mit allen Geburi Daten, Passnummern & Personalnummern herausnehmen. Weisch ja nie, wer das liest....

Gruss Peter

PS: bist gut weggekommen bei der Copi-Schelte :-)

Anonymous said...

....ist in der tat ein überlegter tipp! du siehst, auch die "alten kapitäne" sind lernfähig und offen für fundierte inputs von der rechten seite...

dank und gruss
dide