Tuesday, March 31, 2009
Warten und Pendeln
Diese Zahlen stammen nicht von mir, sondern von Alfred W. Hugentobler, dem Präsidenten des Verbandes Schweizer Aviatik-Jounalisten. Wenn nun der „durchschnittliche Vielflieger“ solch eindrückliche Werte erreicht, dürften Mitglieder von Flugzeugbesatzungen – also „Vielflieger“ von Berufes wegen – einen weit höheren Anteil ihres Lebens mit Warten und Pendeln im und ums Flugzeug verbringen. Besonders Piloten, die in der Regel ein Berufsleben lang dem selben Metier nachgehen. Die Frage hat mich schon oft beschäftigt. Sinnigerweise bei langen Busfahrten zwischen Airport und Hotel. Oder beim Anstehen vor der Passkontrolle.
Warten und Pendeln; immer wieder und immer öfter.
Nach 14 stündigem Flug in New York angekommen, warten wir erst einmal brav auf unsere Koffer. Genauso wie die Passagiere. Dann reihen wir uns vor dem speziell für Besatzungen eingerichteten „Immigration-Counter“ ein. Es wäre aber vermessen zu glauben, die hier eingesetzten Beamten würden flüssiger arbeiten als ihre Kollegen an den für die Passagiere vorgesehenen Schaltern. Dafür vereinen sie in der Üppigkeit ihrer diversen Badges und Insignien mindestens die Meriten eines Kriegsveterans und eines GSG9-Agenten. Betont lässig und mit desinteressiertem Gehabe heissen sie uns den linken, dann den rechten Zeigefinger auf den Detektor zu drücken und in die Kamera zu lächeln. Anschliessend gehts weiter zum "Bus Pick-Up". Auch dort ist in der Regel warten angesagt. Vor allem an sehr kalten und windigen Tagen mit Regen oder Schneefall. Und wenn wir dann endlich im unterkühlten (Sommer) oder überheizten (Winter) Gefährt Platz genommen haben und die Räder zu drehen beginnen, bleiben noch mindestens 40 Minuten, in denen schäbige Häuserzeilen und unendlich viele Basketball- und Baseball-Plätze für jugendliche Sportler Long Islands an uns vorbeiziehen. Ebenso lang dauert übrigens die Rückfahrt zum Flughafen am folgenden Tag. Macht insgesamt 80 Minuten Busvergnügen pro JFK-Einsatz. Bei durchschnittlich zwei „New Yorkern“ im Monat ergeben das bereits 32 jährliche Busstunden auf Obamas Strassennetz. Und da Etihad-Piloten auch in anderen Metropolen dieser Welt nächtigen, kommen über die Monate noch einige Stunden dazu.
Bevor wir das Flugzeug für den Heimflug besteigen stellen wir uns wieder artige zehn Minuten in die Schlange beim Security-Check. Nehmen den Laptop aus dem Crewbag, klauben Portemonnaie, Lesebrille, Handy, Schlüssel und Kleingeld aus der Tasche, entledigen uns der Rolex, IWC, Breitling oder Swatch sowie des Gurtes, manchmal auch der Schuhe – und können trotzdem nicht verhindern, dass der Detektor bei der Passage mit einem ekligen Piepston reklamiert. Also noch einmal unter dem Bogen durch, diesmal vielleicht ohne Kugelschreiber oder Fisherman’s Friend-Beutel. Warum, so frage ich mich immer wieder, gibt es keinen universalen „Einheits-Screening-Wert“, nach dem sämtliche Geräte dieser Welt analog piepsen? Wir kennen die "UTC" (Universal Time Coordinated), die weltweit gültige Richter-Skala und diverse Einheitswährungen. Weshalb schaffen die Verantwortlichen nicht so etwas wie die „USR“; die „Universal Screening Reference“...?
Wird Sicherheit in New York anders definiert als in Zürich oder Paris? Vermutlich. Ticken Bomben in Australien anders als in Kanada? Es ist anzunehmen. Möglicherweise schrauben raffinierte Security-Beamte die Anzeige-Sensibilität der Geräte vorsätzlich herunter. In der gierigen Vorfreude auf weibliche Reisende, die immerfort zurückgeschickt werden und sich vor jeder weiteren Passage ein neues Kleidungsstück vom Leibe reissen. Würden die Verantwortlichen mit derselben Hartnäckigkeit aggressive und rüpelhafte Passagiere ins Visier nehmen, liessen sich Übertritte und Attacken in der Kabine zweifellos reduzieren.
In London habe ich kürzlich eine neue Variante des lustigen „Screening-Acts“ erlebt: Dazu muss man wissen, dass die Besatzung mit dem Bus in eine durch zwei Schranken abgeriegelte Schleuse einfährt. Anschliessend müssen sämtliche Insassen – also auch der Fahrer – mit Koffer und Handgepäck nach oben beschriebenem Muster eine Security-Schleuse passieren. Die Kontrollen sind streng. In unregelmässigen Abständen öffnen die Beamten einzelne Koffer und untersuchen deren Inhalt. Diskretion spielt keine Rolle, die ganze Besatzung darf zuschauen und einen neugierigen Blick ins Necessaire der Kollegin oder des Kollegen werfen.
Unsere 14-köpfige Crew ist beinahe durch, als es in der „Hochsicherheits-Baracke“ plötzlich dunkel wird. Sämtliche Geräte geben den Geist auf. Auch die Röntgenmaschine. Ein Notstromaggregat scheint nicht vorhanden, so warten wir zuerst einmal zehn Minuten. Der angekündigte Techniker erscheint nicht, zwei Flight Attendants beginnen verzweifelt nach ihren im Detektor stecken gebliebenen Schuhen zu grübeln. Als sich auch nach weiteren fünf Minuten kein rettender Stromfluss einstellt, werden wir geheissen, die gesamte Kontrolle an einer anderen Schleuse zu wiederholen. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Denn infolge des Energie-Kollapses sind auch die Barrieren blockiert. Unser Bus ist gefangen wie die Maus in der Falle. Die Besatzung ebenfalls. Dann endlich lässt sich eine Schranke manuell hochkurbeln. Der Fahrer demonstriert uns die Wendefähigkeit seines Gefährts auf engstem Raum, und sucht sich einen Weg durch den Flughafenverkehr zur nächsten Schleuse. Dort geht der ganze Tanz von vorne los: Barriere hoch, einfahren, anhalten, aussteigen, Gepäck ausladen, röntgen, Gepäck wieder einladen, einsteigen, weiterfahren.
Der ganze Spuk kostet uns 50 Minuten. Die Vorbereitungszeit auf dem Flugzeug wird knapp. Nachdem sämtliche Türen geschlossen sind, stossen wir zurück und starten die Triebwerke. Dann reihen wir uns ein: in einer weiteren Warteschlange. Diesmal sind es abfliegende Flugzeuge auf dem Weg zur Startpiste 27L. Wir kommen trotzdem pünklich in die Luft.
Denn manchmal geht alles auch ein bisschen schneller. Ausser vielleicht die Sicherheitskontrolle.
Friday, March 27, 2009
Franziska und die Bücher
Vergrösserung
Als sie im Sommer 2007 begann, im dreiköpfigen Frauenteam mitzuhelfen, buk (oder backte...?) die Bibliothek noch kleine Brötchen. Der winzige Abstellraum in der Sporthalle erfüllte seine Pflicht mehr schlecht als recht, doch das damalige Schulgebäude platzte bereits aus allen Nähten und bot keine Alternativen. Dann löste sich das Team auf, die beiden anderen Frauen kehrten in ihre Heimatländer zurück.
Franziska blieb und suchte Verstärkung. Bereits nach kurzer Zeit war das Trio wieder komplett. Doch die Ruhe war nicht von langer Dauer, im Sommer des letzten Jahres wechselte die Schule in ein modernes und grosses Gebäude. Eine einmalige Chance auch für die Bücherei, stand doch nach diesem Umzug ein grosszügiger und perfekt ausgestatteter Raum zur Verfügung. In der Folge wurden neue Bücher angeschafft. Wie es sich für ein deutsches Ausbildungsinstitut gehört, handelte es sich vornehmlich um Werke in deutscher Sprache. Dabei wurden diverse Import-Kanäle genutzt und es kam vor, dass unsere Besuche aus der Schweiz mit ganzen Kofferladungen neuer und gebrauchter Bücher angereist kamen.
Die drei Damen der Bücherei nutzten die Sommerpause vor dem Schulbeginn indem sie stundenlang Bücher aus Kartonschachteln packten, im Computersystem elektronisch erfassten und in die Regale einordneten. Dabei war ihnen jede Hilfe recht, auch wenn sie von unschuldigen und meist willkürlich gewählten Kindern kam.
Hohler
Mit dem Schuljahr 2008/09 beginnt für die Bücherei ein neues Kapitel. Das vergrösserte Angebot, mittlerweile können auch DVD’s und CD's ausgeliehen werden, stösst auf reges Interesse. Immer mehr Kinder nutzen die Mittagspause für einen kurzen Abstecher zwischen die Regale.
Die Bücherei wird zur Mediothek, die drei Damen hinter der Theke zu Fachfrauen.
Franziska möchte die Türen auch für die Erwachsenen öffnen, doch die Umsetzung erweist sich nicht als hindernisfrei. Denn Eltern haben im neuen Schulhaus nur eingeschränkten Zugang. Es braucht viel Geduld und mehrere Gespräche mit Lehrern und dem Schulleiter. Zur offiziellen Erweiterung bietet sich eine ganz besondere Chance: Der Schweizer Autor Franz Hohler besucht auf Einladung des Schweizer Botschafters die Emirate. Franziska gelingt es, den prominenten Besuch für einen Auftritt in der Schule zu gewinnen. Die Botschaft hilft tatkräftig mit, und so wird die „Erwachsenen-Abteilung“ der Mediothek am Abend des 10. Februar mit einer Lesung für Jung und Alt würdig und erfolgreich eröffnet. Rund 100 Gäste wohnen diesem Ereignis bei, darunter der Schulleiter und der Schweizer Botschafter. Franz Hohler liest Geschichten aus seinen Büchern und begeistert dabei Germanen wie Helvetier. Der Anlass wird mit einem Schweizer-Käse-Apéro abgerundet, derweil Hohler Bücher signiert und ungezwungen mit den Gästen plaudert.
Mankell
Jetzt steht die Mediothek sämtlichen Altersgruppen offen. Aufgrund der geglückten Autorenlesung bietet sich eine weitere Möglichkeit. Vom 17.-22. März hat die "Abu Dhabi Book Fair" ihre Tore geöffnet. Franziska schwebt auf Wolke sieben. Mehr als einmal zieht es sie in die weitläufige Halle des „Abu Dhabi National Exibition Centers“, das – al Hamdullihah – lediglich zehn Autominuten von uns entfernt liegt. Sie übernimmt eine Schicht am Gemeinschaftsstand vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD), der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), des Goethe Instituts und der Deutschen Schule. Sie plaudert, knüpft Kontakte, bestellt zusammen mit Lehrern der Deutschen Schule neue Bücher, und ergattert am Ende der Messe schliesslich sämtliche nicht verkauften Bücher der zwölf von der Frankfurter Buchmesse vertretenen Verlage.
Auch zahlreiche Autoren geben sich ein Stelldichein. Unter anderem unsere Nachbarin Leila Aboulela, eine sudanesische Schriftstellerin, die ebenfalls regelmässig an den Treffen des „Al Qurm Book Club“ teilnimmt.
Über die Deutsche Botschaft und die Frankfurter Buchmesse, die zu 50 Prozent an der „Abu Dhabi Book Fair“ beteiligt ist, gelangt die Anfrage an die Mediothek der Deutschen Schule, einen Anlass mit dem schwedischen Schriftsteller Henning Mankell zu organisieren. Die Idee stösst auf grossen Anklang, die Telefone beginnen heiss zu laufen. Am Vormittag des 19. März schliesslich holt Franziska Henning Mankell, seine Frau sowie seine Agentin in ihrem Hotel ab. Wenig später trifft die Truppe auf dem Gelände der Deutschen Schule ein. Der Schwedische Botschafter ist ebenso anwesend wie sein deutscher Amtskollege. Der einstündige, von Eltern, Lehrern sowie Studenten zweier emiratischer Schulen verfolgte Anlass wird von Schülern der Klassen 9 und 10 moderiert und gestaltet. Mankell berichtet von Stationen aus seinem Leben, und steht geduldig Red und Antwort. Ein äusserst beeindruckender und sympathischer Mann, der trotz seines Erfolgs mit beiden Füssen auf dem Boden geblieben ist. Die Zeit vergeht schnell. Wieder werden Bücher signiert und wieder werden Häppchen gereicht. Die Leute lachen. Alle sind zufrieden.
Der Schulleiter begrüsst den Gast
Gruppenbild mit Damen
Das Leben in der Mediothek geht weiter. Ohne Mankell und Hohler. Dafür mit immer mehr interessierten Schülern und Eltern. Bald wir ein Regal mit Arabischen und Englischen Büchern eingerichtet: Dort wird unter anderem Hohlers erstes und einziges ins Arabische übersetzte Kinderbuch zu finden sein. Oder eine arabische Version des „Michel aus Lönneberga“, der in Schweden übrigens unter dem Namen Emil sein Unwesen treibt. Die arabischen Kinder können sich „Die kleine Raupe Nimmersatt“ ausleihen. Auf Arabisch natürlich. Damit sie ihren Eltern einen kleinen Teil des europäischen Buch- und Kulturverständnisses in die Stube liefern.
Die Arbeit wird den drei Frauen des Bücherei-Teams nicht ausgehen. Denn noch sind nicht alle Regale voll. Es gibt viel auszupacken, einzuordnen – und zu lesen. In der verbleibenden Zeit kämpft Franziska fleissig weiter, den wachsenden Bücherstapel neben ihrem Bett abzubauen. Ich befürchte, dies wird ihr vorerst nicht gelingen.
Sunday, March 22, 2009
Abu Dhabi Falcons U18 gewinnen Qatar Raiders Cup
Franziska und ich nutzen die Gunst der Stunde(n) und begleiten den Tross auf dem 30-stündigen Ausflug ins 40 Flugminuten entfernte Qatar. Das liegt umso mehr auf der Hand, als dass sich, nach kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen einigen Eltern und der Club-Präsidentin, letztere kurzfristig und unerwartet zum definitiven Rückzug entschlossen hat. Worauf ich um Unterstützung angefragt wurde. Einmal mehr habe ich mich in naiver Verblendung und mangels zäher Entschlossenheit überreden lassen, dem "löchrigen" Vorstand für die letzten drei Monate dieser Saison beizustehen. Zwar wäre mir lieber gewesen, der SCB hätte um Hilfe gebeten (die sollen ja auch am Ausmisten sein...), doch dafür ist das Berner Eis wohl noch zu wenig brüchig. Vielleicht suchen sie ja dann eine Hilfskraft im Jahr 2015, wenn ich meine Flügel an den Nagel hänge. Ob Zamboni-Fahrer oder Stadion-Speaker, ich bin zu allem bereit. Wobei mich das Zamboni-Cockpit nach 34 Jahren in anderen Cockpits vielleicht etwas weniger reizt als der Umgang mit dem Mikrophon. Aber dies sei nur am Rande bemerkt.
Zurück zum Kerngeschäft. Wie oft haben sich die Jungs an der Übermacht von Dubai die Zähne ausgebissen und die Kufen stumpf gefahren. Auch gestern hiess der Finalgegner "Dubai Sandstorms". Das Spiel war eng und nicht besonders hochklassig. Kampf vor Technik lautete die Devise. Es wurde um jeden Millimeter Eis gerungen. Nach zwei Siegen in der Vorrunde, zu denen Tim vier von fünf Toren beisteuerte, hätte eine Finalniederlage umso heftiger geschmerzt. Doch die Falken behielten auch im Sandsturm Orientierung und Übersicht. Dank einem ebenso raffinierten wie glücklichen Tor durch unseren "Italo-Felsen" Riccardo Raciti gewannen sie die Schlacht schliesslich 1:0!
Was folgte war ein einziger Triumphzug von Doha nach Abu Dhabi! Kaum dem Zigarrenqualm der Garderobe entflohen, ging es nach einem kurzen Verpflegungsstopp bei Mc Donalds via Bus zum Flughafen. Mit der Trophäe im Handgepäck liess es sich leichter warten. Bei der Ankunft in Abu Dhabi um 00.45 Uhr kam noch einmal Leben in die von hartem Kampf und nagender Müdigkeit körperlich angeschlagene Truppe. Und so manch einer fragte sich in diesem Moment, wie er wohl den anstehenden Schultag überstehen würde.
Thursday, March 19, 2009
Vier Kontinente
Lange Reise
So gerüstet und geschmacklich verfeinert schleiche ich mich auch heute morgen aus dem Haus. Es ist Samstag und der Rest der Familie steckt noch tief in den Federn. Niemand, der den arbeitenden Vater mit Trompeten und Fanfaren verabschieden würde. Auch nicht mit einem Abschiedskuss. Dabei werde ich in knapp drei Stunden mit dem farbenprächtigen Etihad Formel 1 A340-600 in Abu Dhabi starten und um die halbe Welt reisen: auf 37'000 Fuss steigen und über die Grosse Arabische Wüste, den Indischen Ozean, Australiens Grosse Victoriawüste, das Australische Tiefland wie auch das Australische Bergland nach Sydney fliegen. Ich werde mir ausserdem während meiner fünstündigen Ruhezeit auf einem Sitz der hintersten Economy-Reihe zwei Filme anschauen, dazwischen genüsslich dösen, zu viel essen und wieder einmal zu wenig trinken, einige Gedanken in meinen Laptop tippen und anschliessend – um das schlechte Gewissen zu beruhigen – mindestens noch ein technisches Bulletin studieren.
So lassen sich 14 Stunden in einer 75 Meter langen Röhre von knapp sechs Metern Durchmesser und bei einer Luftfeuchtigkeit von fünf Prozent relativ gut überstehen. Und weil ich um die gesundheitsschädigende Wirkung solch langer Flüge weiss, habe ich meine persönliche Lebenserwartung schon vor vielen Jahren nach unten korrigiert. Was nicht nur Nachteile hat und mir immer wieder guten Grund gibt, mein Geld jetzt und nicht erst nach meinem Tod, wo’s theoretisch eh zu spät ist, auszugeben...
Neues Innenleben
Der eigens für das erste in Abu Dhabi stattfindende Formel 1-Rennen umgespritzte Flieger mit der Immatrikulation A6-EHJ ist eine Augenweide. Das Flugzeug wirkt nicht nur auf Bildern attraktiv, sondern auch bei Betrachtung aus unmittelbarer Nähe. Das Innenleben präsentiert sich anders als bei den 340-600 Etihad-Vorgängermodellen. Neben diversen Modifikationen wurde ein Piloten-Crew Bunk unmittelbar hinter dem Cockpit installiert. Ausgerüstet mit einem komfortablen Business-Sitz und einer einklappbaren Bettstatt. Gedacht für den Captain, derweil sich der Copi weiterhin im Heck des Flugzeuges erholen kann. In einem ähnlich ausgestatteten Bunk, der wesentlich mehr Platz und Privatsphäre als die Ruhestätten in den vormaligen Cockpit-Bunks garantiert.
Passagiermässig erfahren die neuen A340-600 ebenfalls eine Erweiterung: 12 First-, 32 (vormals 30) Business- und 248 (244) Economy-Class Gäste finden zwischen vier Galleys, 16 Jumpseats and viel Vorhangstoff Platz. Und sogar fliegen tut das stattlich schwere Ding: mit einem maximalen Startgewicht von 380 Tonnen und einem maximalen Landegewicht von 265 Tonnen bleibt genügend Spielraum, um mit voller Passagierlast und einigen Containern Fracht mehr als 14 Stunden in der Luft bleiben zu können.
Coral Zone Class (Economy)
Pearl Zone Class (Business)
Diamond Zone Class (First)
Harmonisches Ende
Glücklicherweise findet alles irgendwann einmal ein Ende, auch der längste aller ULR-Flüge (Ultra Long Range). Nach 13 Stunden und 21 Minuten touchieren die Räder unseres vielfarbigen Werbeträgers sanft den Beton der Piste 34L in Sydney. Die lokalen Uhren zeigen viertel nach Sieben in der Früh. Und weil Sonntag ist, liegen die meisten Australier noch in ihren Betten. An der Seite ihrer Australierinnen, nehme ich an. Die Strassen sind leergefegt. Anders als in Abu Dhabi, wo am Sonntag bereits wieder die Arbeitswoche beginnt.
Der Bus bringt unsere 19-köpfige Besatzung ins Hotel „Four Seasons“. Ich freue mich bereits auf etwas Schlaf, eine 90-minütige „Jet Lag Massage“ im Spa sowie ein gutes Stück Fleisch in einer gemütlichen Beiz in der Nähe des Hafens. Während ich den Schlaf und die Massage alleine geniesse, versammelt sich zum kulinarischen Teil die gesamte Cockpitcrew. Wir entscheiden uns für ein Lokal, bei dem das Fleisch roh ausgewählt und anschliessend selber gegrillt wird. Salat und Kartoffeln gibts à discretion dazu. Gegessen wird im Freien, allerdings bietet eine Überdachung Schutz vor allfälligen Regengüssen. Die Tische sind wie immer gut besetzt, die Australier geniessen die angenehmen Temperaturen des ausklingenden Sommers.
Und wie wir uns später genüsslich über unser selbst Gegrilltes hermachen, bemerkt der eine Copi, dass hier tatsächlich vier Kontinente an einem Tisch versammelt sind: Zaki aus Malaysia vertritt die Asiaten, Fatah aus Algerien die Afrikaner, Juan Pablo aus Bolivien die Südamerikaner und meine Wenigkeit steht für Europa – wo wir Schweizer doch gar keine richtigen Europäer sind! Glücklicherweise gehöre ich keiner bodenständigen Partei an, so dass ich diese Rolle trotzdem mit der notwendigen politischen Überzeugung wahrnehmen kann.
Vier Kontinente friedlich an einem Tisch vereint. Vier Sprachen, vier Kulturen und vier völlig unterschiedliche Schicksale. Ein Brückenschlag der besonderen Art.
Auch als Modell eine Augenweide
Sunday, March 15, 2009
Kathmandu
Der „IGS-Approach“ auf den legendären „Kai Tak“-Airport in Hong Kong hatte es in sich. Bis zu dessen Schliessung im Jahre 1998 eine der letzten echten Herausforderungen des modernen Aviators.
Einführung in drei Stufen
Heute werden Piloten und ihre Besatzungen vorwiegend durch stockende Verkehrsflüsse und vorlaute Passagiere mit aggressiven Tendenzen gefordert. So ändern sich eben die Zeiten. Es sei denn, man erhalte die Chance, nach Kathmandu zu fliegen; der nepalesischen Hauptstadt auf 1300 m Höhe, in einem Tal-Kessel von etwa 30 km Durchmesser gelegen, mit umliegenden Bergen in Höhen zwischen 2000 und 2700 m. Nicht ganz unproblematisch, und deshalb nachvollziehbar, dass Etihad-Piloten vor ihrer Zulassung nach Nepal eine entsprechende Sonderabreibung erhalten.
Wer vom Chefpilot ausgewählt wird, marschiert zuerst für vier Stunden in den Simulator, wo die einzige Anflug-, sowie alle Abflugvarianten durchgespielt werden. Mit und ohne Triebwerksausfall. Dergestalt getrimmt, geht’s in die Luft. Kapitäne müssen vorerst allerding auf dem dritten Cockpitsitz Platz nehmen. Als „Observer“ blicken sie zwei Kollegen über die Schulter. Copiloten erhalten ihren Einführungsflug direkt auf dem rechten Sitz. Überwacht von einem Instruktor. Ihnen ist es letztlich auch nicht erlaubt, in Kathmandu zu landen oder zu starten. Gemäss Etihad-Verfahren ist dies allein dem Captain vorbehalten. Dieser schliesst denn seine „Kathmandu-Ausbildung“ mit einem „Line Check“ ab, bei dem er zum ersten Mal Anflug, Landung und Start durchführen darf.
Strenge Vorschriften
Kathmandu-Flüge haben eigene Gesetze, was aber nicht heisst, dass die sonst gültigen Verfahren und Vorschriften hinfällig würden. Auch nach dem Check-Out gelten besondere Regelungen: Nach einem Unterbruch von mehr als 90 Tagen ohne Landung im nepalesischen Hochland, bedarf es einer weiteren Einführung mit einem Instruktor, ausserdem müssen Kathmandu-Piloten alle zwölf Monate ein Simulatortraining absolvieren. Überdies muss für jeden Start ein Ausweichplatz bestimmt werden. Denn eine Rückkehr nach Kathmandu im Falle eines Triebwerkausfalls soll nach Möglichkeit vermieden werden.
So gesehen, ist Kathmandu also eines der letzten aviatischen Abenteuer unserer Zeit. Das topografisch erschwerte „Eintauchen“ in den Talkessel, verbunden mit dem steilen Anflug, verlangt eine disziplinierte Vorgehensweise. Während Verkehrsflugzeuge normalerweise mit einem Anflugwinkel von 3 Grad die Landepiste anpeilen, tun sie dies in Kathmandu zeitweise mit 5,8 Grad. Dabei müssen die sonst üblichen Verfahren entsprechend angepasst werden. Die Rollen im Cockpit sind strikte zugeordnet: Der Captain steuert die Maschine, während der First Officer assistiert, und dabei – ähnlich wie bei einer Auto-Rallye – immer den nächsten Schritt ankündigt. Der Endanflug beginnt beim Punkt Nopen (siehe Anflugprofil) auf 11500 Fuss. Sollte hier ein technisches Problem auftreten, muss der Anflug abgebrochen und durchgestartet werden. Es sei denn, die Piste wäre bereits sichtbar. Das Tal ist eng, ähnlich wie der pilotische Spielraum: Allfällige Gewitterzellen können nicht mehr umflogen werden.
Anflugprofil
VOR-Approach Runway02
Wir sind um 1010 Uhr Lokalzeit in Abu Dhabi gestartet. Der Tag ist mit einem Hin- und Rückflug von je dreieinhalb bis viereinhalb Stunden lang und anstrengend. Das erste Teilstück führt uns über den Arabischen Golf, Karachi und das indische Ahmedabad. Dann drehen wir Richtung Norden. Wir überfliegen Lucknow, die Hauptstadt des Bundesstaates Uttar Pradesh. Kurz vor dem Sinkflug verlangt „Varanasi Control“, dass wir zwecks Koordination auf dem zweiten Funkset Allahabad aufrufen. Das erweist sich insofern als unangenehm, als dass die Frequenz dauernd belegt ist. Auf der anderen Seite bittet uns Kathmandu, die Geschwindigkeit möglichst hoch zu halten. Denn wir sind die Nummer eins, vor Maschinen der Biman Airlines und der Qatar Airways.
Während meines Observerfluges konnte ich das Gelände nicht wahrnehmen. Der Anflug erfolgte bei Dunkelheit. Jetzt ist es hell, und die aufgelockerte Bewölkung gibt die Sicht auf die unter uns liegenden Bergkuppen frei. Der eindrückliche Blick aus dem Cockpit lässt mich für einen Sekundenbruchteil vergessen, dass ich im Begriff bin, einen Anflug mit einem Airbus A330 einzuleiten. Ich wähne mich vielmehr an einem Alpenrundflug, so nahe scheinen die Kreten. Doch schon nimmt mich wieder das Handling des Autopiloten in Anspruch. 30 Meilen vor der Piste fahren wir die Flaps auf die erste Stufe aus. Jeder Schritt, jede Konfigurationsänderung ist akribisch vorgegeben. Der Instruktor auf dem rechten Sitz kündigt an, dass wir demnächst weiter absinken: „At 13DME descend to 9500!“. Ich tue wie mir befohlen, drehe die entsprechende Zahl ins Höhen-Anzeigefenster und überprüfe den Wert im „Primary Flight Display“, dem Bildschirm mit dem künstlichen Horizont sowie Höhen- und Geschwindigkeitsangaben. Eine elektronische Gleitweganzeige ist keine vorhanden. Beim publizierten "VOR-Approach" handelt es sich um einen "Non Precision Approach" mit einem entsprechend höheren Anflugminimum.
Zehn Meilen vor der Piste erhöhe ich gemäss Vorgabe den Anflugwinkel auf 5.8 Grad. Obwohl Fahrwerk und Landeklappen voll ausgefahren sind, nimmt die Geschwindigkeit zu und ich bin gezwungen, mit den „Speed Brakes“ zu korrigieren. Der Instruktor liest weiter die entsprechenden Distanz- und Höhenwerte. Aufgrund des herrschenden Rückenwindes sind wir etwas hoch, steiler dürfen wir allerdings nicht absinken. Vier Meilen vor der Piste reduziere ich den Winkel auf 3,5 Grad, Sinkrate und Geschwindigkeit nehmen langsam ab. Noch immer ist der Autopilot eingeschaltet. Ich kann die Piste erkennen, in deren Hintergrund sich steil die Himalaya-Flanken erheben. Jetzt fliege ich manuell. Auf 300 Fuss (90 Meter) über Boden müssen sämtliche Werte stabilisiert sein. Die Landung wird etwas früher eingeleitet, da das Flugzeug auf dieser Höhe etwas verzögert auf Steuerinputs reagiert. Wir setzen auf, aktivieren die Schubumkehr und überprüfen die Funktion des automatischen Bremssystems. Alles im grünen Bereich. Wir verlassen die Piste und rollen zu unserem Standplatz. Als hätte ich einen 8000er bezwungen, beginnt die Anspannung langsam einem Hochgefühl zu weichen. Beinahe wie vor dreizehn Jahren in Kai Tak.
Position Nopen, 16 Meilen vor der Piste 02
10 Meilen...
5 Meilen...
Short Final, 2 Meilen vor der Piste
Sunday, March 08, 2009
Clash of Cultures
Sprache
Dieser Sprachen- und Ländermix verlangt allen Mitabeitern viel Toleranz und Flexibilität ab. Gerade in der Fliegerei, wo Besatzungen jeweils nur für Stunden und Tage – hie und da auch für Nächte (!) – den Arbeitsplatz teilen, ist die Bildung langlebiger Team-Strukturen keine einfache Sache. Dabei ist eben genau diese „Team-Arbeit“ gefragt. „Unus pro omnibus, omnes pro uno“: Einer für alle und alle für einen. Dies umzusetzen erweist sich in dem hier beschriebenen Umfeld manchmal als olympischer Hürdenlauf. Unterschiedliche Faktoren, wie beispielsweise die Sprache, der kulturelle Hintergrund oder die individuelle Persönlichkeit erschweren die Suche nach dem Gemeinsamen Nenner. Die Arbeit im Rahmen einer Flugzeugbesatzung erfordert gegenseitigen Respekt, teamorientiertes Denken und diszipliniertes Einhalten der vorgegebenen Verfahren.
Nach (meist) harmonischen 25 Jahren im SWISS(air)-Cockpit war ich verwöhnt. Im Wissen, dass jeder Kollege – auf dem rechten wie auf dem linken Sitz – Selektion und Pilotenschule der gleichen Marke durchlaufen hat, war vieles einfacher, klarer und damit nachvollziehbarer. Mit dem Wechsel zu Etihad musste ich umdenken. Jeder Pilot bringt seinen individuellen Rucksack mit. Ausbildung und Erfahrung sind nicht nur unterschiedlich, sondern auch schwer einzuschätzen.
Das grundlegende Kommunikationsmittel ist die Sprache. Etihad-Besatzungen verständigen sich in Englisch. In der Kabine und im Cockpit. Zumindest was die professionellen Dimensionen anbelangt. Der Gebrauch anderer Sprachen ist, ausser bei rein privaten Plaudereien, verpönt und wird meist unterbunden. Gewisse „Cabin Manager“ sprechen dies denn auch bereits beim Crew Briefing an.
Englisch bleibt für die Mehrzahl der Fliegenden – auch nach längerem Aufenthalt in den Emiraten – eine Fremdsprache. Dies wird dann augenfällig, wenn sich ein Thailänder und ein Columbianer in einem Englisch unterhalten, das in beiden Fällen durch typische Eigenheiten der eigenen Sprache geprägt ist. Trifft dann einer der beiden auf dem nächsten Flug auf einen Engländer, wird die Verständigung trotzdem nicht einfacher: Der Brite spricht flüssig und perfekt, sein Gegenüber kapiert langsam und unvollständig.
Kultur
Da unsere Piloten aus den unterschiedlichsten Winkeln dieses Planeten kommen, geben oftmals völlig banale Dinge Anlass zu Diskussionen: Denn nicht alle verstehen unter einem „Monitored Approach“ auf Anhieb das Gleiche. Und wenn der Schweizer Captain seine Besatzung um „pünktliches“ Erscheinen beim „Pick up“ bittet, lässt das hierzulande ungemein viel Interpretationsraum offen.
Kulturelle Unterschiede sorgen hie und da für Fragezeichen. Ein Chinese beispielsweise lässt sich viel weniger in die Karten blicken als ein Italiener, dessen Zunge wesentlich lockerer sitzt. Der Umgang mit Hierarchien charakterisiert die Kulturen. Einer, der sich intensiv mit diesen Fragen beschäftigt, ist der Niederländer Gert Hofstede. Seine Kulturtheorie gilt als die bislang umfassendste Untersuchung in der interkulturellen Managementforschung. Anhand von fünf Dimensionen studiert er Individualität aber auch das Zusammenspiel unterschiedlicher Kulturkreise. Der sogenannte „PDI“ (Power Distance Index) beispielsweise zeigt auf, bis zu welchem Mass Menschen tiefer Hierarchiestufen die Ungleichheit solcher „Rangordnungen“ akzeptieren können. Auf Hofstedes Website können beliebige "Kulturkombinationen" durchleuchtet und analysiert werden. Genau eben solche Faktoren sind es, die bei einer multikulturellen Airline die Effizienz der Operation beeinflussen.
Heute orientiere ich mich leichter in diesem bunten Nationenstrauss, nicht zuletzt auch, weil ich der Ansicht bin, gewisse Strukturen durchschaut zu haben. Niemand kennt die Bücher so genau wie die Malaysier, die sich in der Regel Zeile für Zeile an die Vorgaben halten und ihre Briefings in einem derartigen Tempo herunterspulen, dass ich immer wieder mal den Faden verliere. Ganz ähnlich erlebe ich auch die Kollegen von Sri Lanka, die als Instruktoren nichts anbrennen lassen und bereits mehr als einen Kollegen bei Checks „gefailt“ haben. Die Südamerikaner schwärmen von ihrer Heimat, zeigen Fotos oder verlieren sich in angeregte politische Diskussionen. Verschwiegener sind die Chinesen, nicht zuletzt auch weil ihnen die Englische Sprache mehr Mühe bereitet. Sie sind bemüht, sämtliche Verfahren korrekt einzuhalten und tun sich oft schwer mit kurzfristigen Änderungen. Es bedarf einer grossen Portion Überzeugungskraft, um sie auch bei kleinen Abweichungen „im Boot“ zu behalten. Niemand verfügt über ein so ausgeprägtes Selbstbewusstsein wie die Kanadier, und niemand ist so unberechenbar wie die Franzosen. Meine schwierigsten Momente im Cockpit hatte ich mit ihnen. Die Deutschen wollen es ganz genau wissen und erweisen sich nicht selten als Paragraphenreiter, derweil die Italiener die Dinge sehr locker angehen und immer zu einem Spässchen aufgelegt sind.
Solche Zuordnungen mögen bitte nicht für bare Münze genommen werden. Meine Wahrnehmungen sind subjektiv und wissenschaftlich nicht erhärtet. Selbstverständlich gibt es immer wieder Ausnahmen, schliesslich sind ja auch nicht alle Schweizer verklemmt, unsicher und konservativ...