Sunday, July 15, 2007

Exzess - für einmal ohne Happy End

Kürzlich, als ich mich wieder einmal von den „gedanken eines fliegenden“ (http://splitduty.blogspot.com/) inspirieren lasse, muss ich gewaltig Schmunzeln. Der liebe Kollege schildert nämlich aufs Treffendste, wie Besatzungen im Ausgang, beim Aufteilen der Rechnung nach gemeinsamem Mahl, regelmässig ins Grübeln und Zweifeln, Copiloten gar ins VERzweifeln geraten. Denn ihnen, den Copiloten eben, obliegt aufgrund einer langen aviatischen Tradition die noble Aufgabe, den Gesamtbetrag „gerecht“ zu dividieren. Dabei gilt es nicht nur die individuelle Konsumation, sondern vielmehr auch die hierarchisch-soziale Stellung jedes einzelnen Besatzungsmitglieds entsprechend zu berücksichtigen. Eine Aufgabe, die ein überdurchschnittliches Mass an psychologischem Geschick und Einfühlungsvermögen voraussetzt, und die letztlich der meines Wissens bislang unerreichten „Quadratur des Zirkels“ gleichkommt.

Bei Etihad gestaltet sich die ganze Angelegenheit oft einfacher, denn grundsätzlich erweisen sich die Mitglieder der Cabin Crew in Sachen gemeinsames Essen als eher zurückhaltend. Das hat diverse Gründe: Einerseits wird ein Teil des Salärs nach Hause geschickt, um die Familie zu unterstützen, in anderen Fällen mag die „Nicht-Präsenz“ der Kolleginnen in der abnehmenden Attraktivität des alternden Kapitäns begründet liegen. Die asiatischen Mädchen haben ausserdem ihren Koffer stets gut bestückt mit Fertigpackungen von Nudelsuppen, so dass sie problemlos in der Lage sind, völlig autark mehrere Tage in ihrem Hotelzimmer zu überleben.
















Unsere Route von Abu Dhabi nach New York

Englisch statt Mundart
Dieser Flug nach New York bietet bezüglich Ausgang keine Ausnahme. Ausser Urs Burkhard, dem anderen Kapitän, der zufälligerweise ebenfalls Schweizer ist, findet sich nur noch Nina zum vereinbarten Zeitpunkt in der Lobby ein. Die beiden Copiloten haben sich nach Manhattan abgesetzt. Mit ihnen ist kaum zu rechnen. Möglicherweise haben sie eben ganz einfach keine Lust, die Rechnung auszudividieren. Nina ihrerseits ist Russin und spricht – wen wundert’s – kein Schweizerdeutsch.
So unterhalten wir uns denn in schweizerisch und russisch gefärbtem Englisch. Und ganz nebenbei lerne ich, wie man den Namen "Scharapowa" richtig ausspricht: "Scharápowa" nämlich. Liebe Tennisfreunde, liebe Günthards und Bührers, lasst euch ein für alle Mal sagen, dass die Betonung nicht auf der dritten Silbe, sondern auf der zweiten liegt. Diese Erkenntnis verhilft zwar nicht zu erfolgreicherem Tennisspiel, doch zumindest rückt sie uns auf den "Nebenplätzen" in ein besseres Licht.
Die Übung mit der Rechnung ersparen wir uns am Schluss der Tafel und übernehmen – in Ermangelung eines dividierfreudigen Copiloten – auch Ninas „Clam Chouder“. Spaziba! Und "Davai, davai Scharápova!"

Aufregung bei der Abfahrt
Am anderen Morgen, die Besatzung ist vermeintlich vollständig um 0830 Uhr in der Lobby zum Pick up versammelt, meldet mir der Cabin Manager, dass ein Cabin Crew Member fehlt. Im gleichen Atemzug informiert er mich, dass der junge Kollege gestern nach der Ankunft nach Denver zu seinen Verwandten geflogen wäre. Dies mit der Absicht, heute früh um 0600 Uhr Lokalzeit wieder in New York zu landen. Da bimmeln bei mir natürlich gleich mehrere Glocken; offensichtlich haben hier gewisse Herren gar stramm entschieden, dafür eher zurückhaltend kommuniziert. Doch für lange Reden bleibt keine Zeit. Eine Abklärung bei der Reception ergibt, dass der Steward noch nicht zurück ist, die Uniform und einen Teil seines Gepäcks jedoch im Zimmer hat. Im Grunde genommen alles sein Problem, denke ich, und ohne lange zu zögern, setzen wir uns in die Busse und fahren los. Nicht ohne die Hotelangestellten gebeten zu haben, uns bei seinem allfälligen Eintreffen zu informieren.
Der junge Mann hat – vorerst – Glück. Eine halbe Stunde vor Abflug trifft er auf dem Flugzeug ein. Ich bitte ihn, sich während des Fluges für ein klärendes Gespräch bei mir zu melden. Dasselbige findet einige Stunden später, während des Reiseflugs statt. Ich lasse mir seinen Standpunkt erklären und erläutere ihm anschliessend, mit Bezug auf gewisse OM A Paragraphen (Regelhandbuch), meine Betrachtungsweise, die sich erwartungsgemäss nicht vollständig mit der seinen deckt! Details erübrigen sich hier, denn er zeigt sich einsichtig und ringt sich zu einer Entschuldigung durch. Damit ist der Fall für mich vorerst erledigt, denn noch ahne ich nicht, dass alles noch viel schlimmer kommen sollte.

Andere Länder, andere Vorschriften
Doch zuerst einmal düsen wir weiter gemütlich über den Nordatlantik. Irgendwann, bei der Rekapitulation des gestrigen Abends, stossen wir auf das Thema Alkohol. Und ich kann und will es an dieser Stelle nicht unterlassen, exklusiv für die Schweizer Kollegen kurz zu dokumentieren, wie andere Airlines die Trinkgelüste ihrer Piloten im Zaum zu halten versuchen. Während bei SWISS die Regel gilt, dass acht Stunden vor Arbeitsbeginn (Check in) kein Alkohol mehr konsumiert werden darf, verlangt Etihad bereits zwölf Stunden vor „Reporting time“ ein Trinkverbot. Noch viel übler präsentiert sich die Angelegenheit allerdings für südamerikanische Flugzeugführer. Zufälligerweise bin ich mit einem chilenischen Copi unterwegs, und wie wir auf das Thema zu sprechen kommen, startet Gerardo sogleich seinen Laptop. Dann hält er mir einen Auszug aus dem OM A seines ehemaligen Arbeitgebers unter die Nase. Da steht wortwörtlich geschrieben:

„No se consumirá alcohol durante las 24 horas precedentes al vuelo ni durante es desarrollo del mismo.“
“…pero tengase presente que la recuperation completa, después de haber ingerido alcohol en exceso, no es inferior a tres días.”

Diese Vorgesetzten gehen weit, überlegen sich etwas und decken gar den Fall einer Alkoholvergiftung (exzessiver Konsum) ab. Man stelle sich den Kommandanten vor, der beim Crew Control anruft und sich infolge „Besoffenheit“ drei Tage fluguntauglich meldet. Wir müssen laut lachen bei diesem Gedanken, doch wenig später verkommt das Gelächter zum müden Röcheln, denn der liebe Murphy hat scheinbar ein Auge auf uns geworfen.

Alkoholkontrolle
Etwa eine Stunde vor der Landung in Abu Dhabi - unsere Augen, vom Licht der aufgehenden Sonne geblendet, beginnen sich immer mehr zu röten - erreicht uns folgende Meldung per ACARS (Textmeldung): „Good morning gents, request from medical center for entire crew to come to airport clinic for alcohol testing on arrival“
Na toll! Genau so etwas wünscht sich unsereins nach knapp 13 Stunden Flug. Alkoholkontrollen werden bei Etihad regelmässig durchgeführt, ich bin bis anhin jedoch stets verschont geblieben. Und heute habe ich gar nicht damit gerechnet.
So machen wir uns nach der Landung gemeinsam auf den Weg zur Passkontrolle und anschliessend zum Gepäckband, wo wir unsere Koffer in Empfang nehmen. Dann führt uns der Weg am Zoll vorbei... aber Halt! Wieso stehen denn heute morgen so viele Beamten vor dem Ausgang? Die Antwort lässt kaum auf sich warten, denn die gesamte Besatzung wird in einen Nebenraum geführt und angewiesen, sämtliche Gepäckstücke zu öffnen. Dann folgt eine Inspektion, wie ich sie in 26 Jahren Fliegerei noch nie erlebt habe: Jeweils ein Beamte pro Crew Member durchsucht minutiös jedes einzelne Wäschestück (sauber oder ungewaschen), öffnet sämtliche Reissverschlüsse, Kosmetika und Shampooflaschen. Wühlt in Einkaufssäcken, leert Necessaires und blättert in Büchern und Zeitschriften. Neugierige Nasen riechen an Teebeuteln, Ovopackungen - und allfällig noch vorhandenen Fertig-Nudelsuppen. Das Bild der vielen verbissen suchenden Zollbeamten erinnert mich an den Dreikönigstag und die jeweils angestrengt nach der im Kuchenteig versteckten Königsfigur suchenden Kinder. Jedes Besatzungsmitglied muss diese rund viertelstündige individuelle Prozedur über sich ergehen lassen. Urs und ich staunen anfänglich, dann werden wir misstrauisch. Ich nehme mein Handy und rufe „OCC“ (Operations Control Center) an. Doch eine befriedigende Auskunft erhalte ich nicht. Plötzlich sehe ich in der allgemeinen Verwirrung, dass auch drei Vorgesetzte von Etihad anwesend sind. Jetzt begrüssen sie Urs und mich und erklären uns schliesslich, dass aufgrund vorliegender Informationen konkret nach verbotenen Substanzen gesucht würde. Aha – deshalb auch die Aufforderung zum Alkoholtest! Die Unruhe in der Besatzung wächst spürbar von Minute zu Minute.

Böse Überraschung
Wenig später wird der Verdacht dann zur Gewissheit. Wer zu kombinieren vermag, wird es wohl geahnt haben: Unser beim Pick up vermisster Kollege verfügt offenbar nicht über eine blütenweisse Weste. In seinem Gepäck wird eine geringe Menge „Gras“ gefunden. Die Falle schnappt unerbittlich zu. Die Verdachtsmomente waren offensichtlich begründet, wobei mir noch immer nicht klar ist, über welche Kanäle die Informationen nach Abu Dhabi gelangt sind. Auf jeden Fall, so gestehen mir am Schluss die Sicherheitsverantwortlichen der Airline, hätten sie auch gewusst, dass der Steward über Nacht nicht im Hotel geschlafen hat! Da hat wohl nicht nur der Murphy ein waches Auge auf uns geworfen...
Nach kurzen heftigen Diskussionen wird der Überführte schliesslich vor unseren Augen aus dem Raum gebracht. Die Alkoholkontrolle wird uns erlassen, die Beamten haben gefunden, was sie suchten.
Urs und ich bleiben, bis auch das letzte Besatzungsmitglied fertig kontrolliert worden ist. Ich will wissen, was nun mit dem Strafbaren passiert, worauf ich von einem Offizier schulterzuckend zur Antwort erhalte, dass der Täter für vier Jahre ins Gefängnis wandere und bereits morgen seine Strafe antreten müsse. Das Gesetz spricht in diesem Fall eine unmissverständliche Sprache und macht keine Ausnahme. Ich bin überrascht, erschrocken und schockiert. Mir tut der junge Mann irgendwie leid, obwohl ich weiss, dass sein Verhalten dumm und naiv war.
Doch nach der Verhältnismässigkeit fragt hier niemand.

3 comments:

Anonymous said...

Thanks for the Good wishes, by the way to the topic alcohol... we lived 4 years in South America (Santiago De Chile)and they use to drink more than 35% cont. alcoholic drinks, how ever this its not everything, they blend them also with some sugar in Cocktails like "Pisco Sour",and this will be followed by some traditional wines. After this you will understand this rules ( but in Lateinamerika everything is possible) ... If Latin people
follow rules? This is another
question... ( I'm Mexican and know my people) any way, is nice to read that you do not get bored.
saludos, Mónica

Dide said...

Holá Mónica,

wow - sounds pretty strong! You might not quite expect the same drinking culture in the Middle East. Probably you'd rather get used to smoke the Shisha....

Anonymous said...

I do not drink and also not smoke...but we will see how do Middle East people enjoy life. Maybe I will get this time Shisha addict...