Monday, December 04, 2006

Von Bangladesh bis nach Berlin

Am Donnerstag früh, beim Morgengrauen, sind wir in Dhaka gelandet. Der Flug war kurz, dauerte nicht einmal vier Stunden. Der Flugplan notierte eine durchschnittliche Rückenwindkomponente von 83 Knoten. Die Monsunregen am Gangesdelta haben sich längst verzogen und sind den hartnäckigen Morgennebeln gewichen. Wer glaubt, nur die Zürcher Unterländer hätten die Nebelsuppe auszulöffeln, irrt. Auch in der Hauptstadt von Bangladesh ziehen um diese Jahreszeit jeden Morgen feine Nebelschwaden auf und hüllen die Landschaft um den Flughafen in sanftes und milchiges Grau. Allerdings nicht im selben Masse, wie wir es in der Schweiz gewohnt sind.
Bei unserer Landung um 0700 Uhr beträgt die Temperatur lediglich 13 Grad und es herrscht eine Sichtweite von 1200 Metern. Das reicht zumindest für einen Anflug. Das Instrumentenlandesystem auf dem „Zia International Airport“ verlangt eine minimale Sicht von 800 Metern. Viel Reserve bleibt also nicht, umso mehr, als dass wir gegen die aufgehende Sonne anfliegen und unangenehm geblendet werden. Beim Verlassen der Piste rollen wir an einem unmittelbar am „Taxiway“ liegenden kleinen Weiher vorbei, in dem Einheimische ihre Morgentoilette absolvieren. Noch gibt es hier keine Stacheldrahtzäune oder Mauern, die den Flughafen gegen aussen abschirmen. Soviel zum Thema „Airport Security“...

Morgenstau
Die Fahrt mit den zwei Kleinbussen durch den Morgenverkehr ins Hotel ist ein besonderes Erlebnis. Als zivilisierter Europäer kann man sich derartige Strassenverhältnisse kaum vorstellen. Die Autos drängen – Karosserie an Karosserie – Richtung Stadt. Ein Kampf um jeden Zentimeter auf Biegen und Brechen. Die klapprigen Busse sind voll gepfercht, teilweise hängen die zuletzt eingestiegenen Gäste förmlich im offenen Türrahmen, Kleider und Haare flattern im Fahrtwind. Besonders mutig scheinen die Fahr- und Motorradfahrer. Sie schlängeln sich durch die Masse der wartenden und hupenden Autos in der Hoffnung, lange Stauzeiten zu umgehen. Die Qualität der Fahrzeuge allgemein ist miserabel. Jeder Prüfexperte eines kantonalen Strassenverkehrsamtes würde in diesem Land von Panikattacken ergriffen. Mögliche Langzeitschäden wären nicht auszuschliessen!
In die Stadt zu fahren ist nicht ungefährlich. Die politische Situation ist zur Zeit sehr instabil. Sogar unser Flight Attendant aus Dhaka warnt die Besatzung und bittet mich auf dem Hinflug persönlich, der Crew von Ausflügen irgendwelcher Art abzuraten. Im Januar sind Wahlen und täglich kommt es in den Strassen und auf öffentlichen Plätzen zu neuen Ausschreitungen und Kundgebungen. Gestern beispielsweise wurde das Auto eines Politikers in Brand gesetzt, vor wenigen Wochen kam es gar zu Schiessereien mit Toten. Ebenfalls wurde erst kürzlich ein Flight Attendant von Etihad im Taxi von drei Männern überfallen, geschlagen und ausgeraubt.
Bei meinem letzten Dhaka-Aufenthalt wollten wir es dennoch wissen und fuhren am Abend zu fünft in die Stadt. Der Gang durch die Strassen war ein Kampf. Zahlreiche Bettler und Kinder zerrten an den Kleidern und liessen uns kaum in Ruhe einen Schritt gehen. Mit grossen Augen wurden wir gemustert. Auf der Rückfahrt, nach dem Nachtessen, gab unser Taxi den Geist auf. Der Fahrer suchte Ersatz, was sich jedoch nicht als einfach erwies. Schliesslich wurden wir in einen Kleinwagen gepfercht, in dem wir nur deshalb alle Platz fanden, weil sich zwei weibliche Flight Attendants den Vordersitz teilten. Wobei auch dies nur möglich war, weil die eine der Damen ständig den Kopf durchs offene Fenster hielt. Nicht nur Fahrzeugkontrolleuren rate ich von einem Besuch in Dhaka ab. Auch für Schweizer Verkehrspolizisten ist die Stadt alles andere als empfehlenswert.

Hoteltage
So verbringe ich diesmal die Tage im Hotel. Das Radisson wurde erst kürzlich eröffnet. Eine wunderschöne Anlage mit grosszügigen Dimensionen. Diverse Restaurants, Fitness, Pool, Tennis. Eine Luxusinsel inmitten totaler Armut. Gegensätze wie sie Flugbesatzungen und Reisende immer wieder antreffen. In einem kleinen Laden im Untergeschoss werden DVD-Kopien verkauft, das Stück für 90 Thaka oder umgerechnet rund zwei Franken! Die Auswahl ist riesig, die Qualität bemerkenswert.
Doch für Filme bleibt mir nicht viel Zeit. Immer wieder verkrieche ich mich hinter meinen Laptop, bin ich doch damit beschäftigt, die Differenzliste A340-300 vs A340-500 durchzuackern. Nächste Woche steht mein Einführungsflug nach London an. Ausserdem spiele ich jeden Tag mindestens eine Stunde Tennis. Der 25-jährige Tennislehrer ist „Bangladesh Double Champion“, was auch immer das bedeuten mag. Auf jeden Fall bin ich gegen ihn chancenlos und die Lektionen machen Spass. Auch in Abu Dhabi stehe ich pro Woche mindestens drei bis viermal auf dem Tenniscourt unseres Compounds. Wolfgang und Peter, die beiden Deutschen Ärzte, erweisen sich als ideale Spielpartner, nicht nur wegen ihrer unregelmässigen Arbeitszeiten. Unser erklärtes Ziel ist eine Teilnahme in Wimbledon in der Sparte „Senior but still active Doubles“. Die „kleinen“ Beckers und der „kleine“ Federer – eine Topkombination! Auch in reiferen Jahren sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt...
Nach dem Tennis geht’s zur Massage, mindestens eine Stunde, bevor wir uns um 1900 Uhr zum Abendessen am Buffet treffen: Paul, der Copi aus den Philippinen, vormals im Cockpit von Philippine Airlines-Maschinen tätig, Karina unser „Cabin Manager“ (dafür gibt es offiziell keine weibliche Form) aus Indien, die früher für Kuwait Airways geflogen ist und Meriem, eine Hostess aus Algerien, die es direkt von der Uni zur Etihad gespült hat. Vier Sprachen an einem Tisch: Tagalog, Hindi, Französich-Arabisch und Deutsch. Dennoch unterhalten wir uns gut. Beim Essen wie beim anschliessen Billard. In Englisch natürlich.

National Day
Im Verlauf des 2. Dezember klingelt mein Telefon gleich mehrfach. Die U.A.E Botschaft organisiert anlässlich des Nationalfeiertags einen Empfang im „Grand Ballroom“ unseres Hotels. Sowohl ein Vertreter von Etihad als auch ein Angestellter der Botschaft – letzterer fünf Minuten

















Gruppenbild mit UAE-Ambassador

vor Beginn der Veranstaltung – informieren mich, dass die gesamte Besatzung eingeladen wäre. Mein zaghafter Einwand, ich hätte weder Anzug noch Krawatte im Reisegepäck, beirren den beflissenen "Embassy-Representative" keineswegs. "We can not take off without the captain" fügt er überzeugend an. Noch härter trifft es die beiden Arabisch sprechenden Flight Attendants. Sie werden kurzerhand „abdetachiert“ und erhalten den Auftrag, in Uniform den eintreffenden Gästen während zwei Stunden kleine Rosensträusse zu verteilen. 400 Besucher, meist hochrangige Wirtschaftsvertreter und Diplomaten mit ihren Gattinnen, geniessen bei lockerem Smalltalk die servierten Häppchen. Alkoholische Drinks werden selbstverständlich keine ausgeschenkt. Nach einer knappen Stunde verziehen wir uns und geniessen noch einmal das ausgezeichnete Buffett im Hotelrestaurant. Die beiden „Uniformierten“ stossen etwas später dazu.

Rückflug am Sonntag. Landung in Abu Dhabi bereits eine halbe Stunde zu früh, um 1625 Uhr. Viel Zeit zur Rast bleibt indes nicht. Heimfahren, duschen, umziehen.

Zusammen mit einigen Deutschen, alle Eltern von Klassenkameraden unserer Kinder, besuchen Franziska und ich ein Konzert des Berliner Sinfonie-Orchesters im Auditorium des Hotels Emirates Palace. Auch dies eine Veranstaltung im Rahmen der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag der UAE. Gastgeber ist diesmal die Deutsche Botschaft. Wohl in der Absicht, die interkulturellen Beziehungen zu intensivieren. Auch wir intensivieren, nämlich in erster Linie soziale Kontakte mit unseren nördlichen Nachbarn. Die Karten haben wir von einem Deutschen Elternpaar erhalten, ein offizieller Verkauf fand nicht statt. So gesehen solidarisiere ich mich mit meinen Swiss-Kollegen, deren Bande zum Mutterhaus mit Kranichsymbol auch immer enger werden...

2 comments:

Anonymous said...

Lieber Dieter "Federer",
schön, auf diese wirklich amüsante Art im Internet verewigt zu werden. Beim Lesen der Deine Tenniskarriere betreffenden Zeilen ist mir allerdings auch wie Schuppen von den Augen gefallen, was wir bei unserer Wimbledon-Vorbereitung bisher versäumt haben: Die "mindestens einstündige Massage" nach jeder Trainingseinheit im Compound. Nur dadurch dürfte sich in Zukunft hoffentlich der, um es mit Wolfgangs Worten in perfektem Englisch auszudrücken, tägliche "whole-body-pain" auf ein erträgliches Maß reduzieren (und das Ibuprofen-Doping unter Kontrolle bringen) lassen.
So lasst uns "Senior-Profis" doch mal mit unseren lieben Franziska/Beate/Elke reden, ob sie sich die anschließende Massage-Einheit in ihren doch so vollen Schul-Activity-Kalender eintragen könnten.
Grüße aus Al Bateen
Peter "Becker"

Anonymous said...

Unglaublich!
Wir werden das nächste Doppel gewinnen. Es freut mich ungemein, dass Du weiter an deinem Tennis
feilst. Hoffe Du kommst irgendwann auf deinem höhepunkt in der Schweiz vorbei, dann können wir endlich wieder einmal den "Sack" zumachen.
Grüsse aus der Provinz
eppi