Heute, exakt heute vor fünf Jahren, war mein erster Arbeitstag bei Etihad. Zusammen mit Kollegen aus Jordanien, England, Zypern und der Schweiz wühlte ich mich durch unverständliche Formulare und Fragebögen. So vertraut mit diesem Land, wie man nach 24 Stunden eben sein kann. Ein Neuankömmling unter Fremden. Nach Halt und Sinn suchend, mit leichtem Wehmut an die Familie in der Schweiz denkend.
Fünf Jahre sind seither vergangen, vielmehr verflogen. Der Rückzug steht vor der Tür. Schon?
Vieles, das wir erlebt haben, wurde in den Wüstenspuren festgehalten. Vermischt mit Gedanken, Zweifeln, Hoffnungen. Oftmals sind es kleine, unbedeutende Momente, die unser Befinden prägen. Ein Email kann das persönliche Empfinden erheblich beeinflussen. Für einen kurzen oder längeren Moment. Mir fällt es manchmal schwer, die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Meine Ungeduld erweist sich als Hindernis in diesem Land. Denn alle haben Zeit. Alle haben Geduld. Heute ist Morgen oder Übermorgen. Wen kümmerts? Aus der Ferne ruft der Muezzin und seine Stimme legt sich sanft über das Rauschen des Stadtverkehrs.
Als unsere Besatzung vor zwei Tagen den Bus vor dem Hotel besteigt ahnt niemand, wie lange wir darin verbringen würden. Die Fahrt vom Sydney Harbour zum Flughafen dauert zu dieser Abendstunde dreissig Minuten. Der Fahrer parkt das Gefährt vor dem Eingang zum Terminal. Dann drückt er auf den Knopf zur automatischen Türöffnung. Nichts geschieht. Nicht einmal ein leises Summen des Elektromotors ist hörbar.
Der Mann erhebt sich von seinem Sitz und beginnt, an den Hebeln für die manuelle Öffnung zu hantieren. Abermals nichts. Er dreht energischer, rupft, dann rüttelt er. Immer noch nichts. Die Tür bleibt zu, und wir bleiben sitzen. Der Fahrer mit chinesischen Wurzeln spricht schlecht Englisch. Er hantiert weiter an der Tür. Es kann sich nur um Sekunden handeln. Das Licht im Bus ist matt, zumindest lässt uns die Klimaanlage nicht im Stich. Wir warten geduldig. Noch ist keine Eile geboten.
Nach einer Viertelstunde sitzen wir noch immer. Der Chinese rüttelt unentwegt weiter. Schweiss tropft ihm von der Stirn. Mittlerweile hat sich vor dem Wagen ein Polizist sowie ein Vertreter der Busfirma eingefunden. Unsere Klopfzeichen wurden erhört. Die getönten Scheiben verhindern allerdings einen Blick von aussen ins Innere des Gefährts. Der Fahrer rüttelt unentwegt, der Polizist stemmt sich gegen die Tür, die sich hartnäckig weigert, zu kooperieren. Es ist zum Verzweifeln. Zum Glück bricht kein Feuer aus...
Unsere Kabinenchefin ruft die Kollegen von der Station an. Wir wären hier, erklärt sie, allerdings gefangen im Bus. Nach weiteren zehn Minuten versammeln sich die uniformierten Etihad-Angestellten der Station Sydney vor dem Wagen, drücken ihre australischen Nasen an der Scheibe platt. Neugierig lugen sie ins Innere. Der Fahrer indes lässt sich nicht beirren und rüttelt unentwegt weiter. Er tut mir fast ein bisschen leid.
Nochmals zehn Minuten später zertrümmert ein Angestellter der Transportfirma die untere Scheibe der Tür und streckt seinen Arm ins Innere des Busses. Für eine Evakuation ist diese Öffnung allerdings viel zu klein. Während der Fahrer weiter verbissen rüttelt, kontrolliert sein Helfer die Box mit dem Türmechanismus. Es nützt alles nichts. Wir sind gefangen. Vier Piloten, zwölf Flight Attendants. Und der Fahrer natürlich, der nach wie vor an sämtlichen Hebeln reisst und rüttelt.
Dann entscheidet irgend jemand, dass der Bus ans Ende des Terminals verschoben werden soll. Zuviele Passagiere verfolgen mittlerweile die hilflosen Aktionen zur Befreiung ihrer Besatzung. Ob das ermutigend wirkt...?
Es dauert weitere zehn Minuten bis ein Mechaniker mit einem voll ausgerüsteten Servicewagen eintrifft. Er packt ein unheimliches Sägemonster aus. Das Aufheulen des Motors dringt nur gedämpft durch die soliden (feuerfesten?) Busfenster. Als der Mann sich entschlossen am ersten Sicherungsriegel zu schaffen macht, verbreitet sich leichter Brandgeruch im Wageninnern. Die Klimaanlage arbeitet zufriedenstellend. Der Chinese will nicht aufhören zu rütteln. Muss jemand auf die Toilette?
Nach just 40 Minuten bewegt sich die Türe leicht. Noch einmal lärmt die Säge. Dann sind sämtliche Widerstände gebrochen. Die Tür geht auf. Endlich! Frische Luft strömt ins Innere des Busses. Wir sind frei – mindestens so frei wie Strauss-Kahn. Ohne, dass Etihad eine Kaution hätte hinterlegen müssen.
Der Fahrer allerdings, ich glaube er rüttelt noch immer – wenn nicht in Realität, dann sicher in seinen Träumen...
Saturday, May 21, 2011
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2 comments:
Hoppla, zum Glück ist das nicht bei den Crew Bussen in ZRH passiert.
Stell dir vor, der Crewbus hätte im NON-SCHENGEN Bereich gestanden und die rettende Säge käme aus dem SCHENGEN Bereich: Rettung unmöglich, diplomatischer Hickhack garantiert!
In deinem Fall ist das noch gut ausgegangen. Der Chinese leidet zwar unter einem postraumatischen Schüttelschock, aber verglichen mit dem bilateralen GAGU (grösster anzunehmender Grenzungehorsam), ein vernachlässigbarer Zwischenfall.
Ich tue wohl gut daran, mich vor meiner Rückkehr mit Schengen und der Nachtflugproblematik auseinanderzusetzen. Denn ich gehe nicht davon aus, dass diese beiden Themenbereiche im Change of Operators-Course behandelt werden!
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