Wednesday, April 29, 2009

"Gimme a clap, gimme a stomp"

Nein, liebe Wüstenspuren-LeserInnen, ich muss euch enttäuschen. Das unten aufgenommene Video wurde nicht auf einem Etihad-Flug gedreht. So etwas schaffen nur die Kollegen im Land der unbegrenzten (Ansage-)Möglichkeiten.

Es bleibt allerdings die Frage, wie lange sich der begnadete junge Mann nach der Veröffentlichung dieses Videos in seinem Amt halten kann...

Friday, April 17, 2009

Das fünfte Auge

Im Grunde genommen ist das Cockpit eines Langstreckenflugzeuges ein einsamer Arbeitsplatz. Zwei Piloten teilen sich über mehrere Stunden eine vier bis fünf Quadratmeter grosse Kanzel. Sie fliegen am frühen Morgen, am späten Abend, am hellen Tag und in dunkler Nacht. Sie harren über Stunden – ungeachtet quälender Rückenschmerzen und drohender Thrombosegefahr – geduldig auf ihren Sitzen aus. In der Regel sind die vordringlichsten Gesprächsthemen nach einem Drittel der Gesamtflugzeit abgehakt: Ich bin informiert über Vorbildung, Herkunft, Familie, Hobbies, Motivation und geplanter Länge des Etihad-Engagements meines Kollegen. Ausserdem weiss ich wie viele Kinder er hat, kenne seine Adresse wie auch sein Lieblingslokal in Abu Dhabi, und bin zudem im Bilde über Marke, Farbe und Kilometerstand seines fahrbaren Untersatzes.
Dann reduziert sich der Kommunikationsfluss in der Regel auf das Mass des Urinstrahls einer prostatisch gestörten Männerblase. Zum Einen weil es dem viel und streng reisenden Langstreckenpiloten eigen ist, in kurzen Zyklen von Müdigkeit übermannt zu werden, und sich daher seine Lust zum gemütlichen Schwatz irgendwann erschöpft, zum Anderen weil der Magen zu knurren beginnt und die Kollegen von der Ersten Klasse mit einem kulinarisch attraktiven Alternativangebot aufwarten.

Nun ist, wie Insider wissen, seit den Angriffen auf die New Yorker Zwillingstürme der Zugang zum Cockpit moderner Verkehrsflugzeuge verriegelt. Vorbei die goldenen Zeiten stets weit geöffneter Pforten, vorbei auch die Zeiten, in denen Flight Attendants im Minutentakt einen bewundernden Blick über die breiten Schultern der hart arbeitenden Flugzeugführer warfen und ihnen hie und da spontan ein Schöggeli mit Telefonnummer aufs Instrumentenbrett legten (es war auch früher nicht wirklich so, doch ich dachte mir, der Nebensatz würde meinen Text etwas aufpeppen...).
Heute regiert das gestrenge Kameraauge, das den gesamten Zugangsbereich abdeckt. Wer ins Cockpit will, muss klingelnd den Zugang erbitten. Worauf die Piloten mit kritischem Blick den Bildschirm konsultieren und im Normalfall umgehend die Türe entriegeln.
Das besagte Kamerabild wird nicht ständig angezeigt. Ertönt der Klingelton im Cockpit, muss ein Schalter betätigt werden, worauf das Bild – bei Airbustypen neuerer Bauart – auf dem unteren der beiden Mitteldisplays erscheint. Bei älteren Cockpitlayouts ist an der Rückwand des Cockpits ein kleiner Monitor montiert, so dass die Piloten jedesmal den Kopf drehen müssen und damit in Gefahr laufen, nach langen Flügen auf dem, versicherungstechnisch nicht unbedingt abgedeckten, Behandlungstisch eines Giropraktors zu landen.
Was micht angeht, so will ich wissen, was unmittelbar hinter meinem Rücken abgeht. Ich habe mir deshalb angewöhnt, öfter als verlangt einen Kontrollblick auf das besagte Kamerabild zu werfen.



























Vier Pilotenaugen sehen viel, doch was hinter der Cockpittüre abgeht, bleibt ihnen verborgen. Erst das „Fünfte Auge“ lässt sie daran teilhaben. Auf diese Weise können wir die Flight Attendants beim Herrichten der Trolleys oder beim lockeren Schwatz zwischendurch beobachten. Beim Ausschenken eines edlen Tropfens oder beim Blättern in der bunten Illustrierten. Leider immer nur schwar-weiss und tonlos, nach Stummfilmmanier der zwanziger Jahre.
Für mich ist das „Fünfte Auge“ weit mehr als reines „Security-tool“. Es belebt unser kärgliches Pilotendasein bei endlos scheinenden Nachtflügen, erweitert das enge Cockpit um wenige Flächeneinheiten und rückt uns einsame Steuermänner einige imaginäre Zentimeter näher zum Erstklass-Galley. Aber nicht nur das; dank des „Fünften Auges“ weiss ich mittlerweile auch, dass die durchschnittliche Verweildauer auf der Toilette beim Mann knapp drei Minuten beträgt, während sich das weibliche Geschlecht in der Regel für mehr als fünf Minuten aufs stille Örtchen zurückzieht. Einen „Paarbesuch“ durfte ich bis anhin noch nicht mitverfolgen. Aber ihr dürft euch sicher sein: ich werde die Zeit auf jeden Fall stoppen – und sie umgehend in diesem Blog veröffentlichen!!!

Tuesday, April 14, 2009

Riding the tube!

Ostereiersuchen - für einmal auf eine andere Art!















































































Neil und Tim




























Alain und Sven






















































Linda und Nemo

Saturday, April 11, 2009

Big sister is watching us

Wenn der Einsatz mehrfach geändert wird, die Besuche aus der Schweiz im Stakkato-Takt einfliegen, das Haus in der Heimat neue Mieter sucht und sich das Umfeld im (Flight Safety) Büro nach Bezug neuer Räumlickeiten markant erneuert, kommt Leben in die Bude. Und manchmal wird alles ein bisschen viel und mir scheint, als hätte sich die anfängliche Leichtigkeit des Seins hier in Abu Dhabi endgültig verflüchtigt.

Einsatzänderung
Ursprünglich wäre am vergangenen Sonntag ein Flug nach London geplant gewesen. Doch statt „Big Ben und Themse“ heisst es plötzlich „Eiffelturm und Seine“. Aus der Englandreise wird ein Abstecher ins Herz Frankreichs. Rückkehr nach Abu Dhabi am Dienstagabend um halb Neun, am Mittwochabend geht es bereits weiter auf einen Nacht-Turnaround in die Hauptstadt Pakistans. Um entsprechend gewappnet zu sein, schlafe ich bis um 1000 Uhr. Dann tausche ich für einige Stunden das Medium: pflüge durchs Wasser statt durch die Luft. Zusammen mit Tim, Neil, Sven und Alain – einer Schar adoleszenter Jünglinge – entführe ich die „Lady Ann“. Ausgerüstet mit Sandwiches, Früchten und weichen Drinks in Dosen scheppern wir aus der Marina. Der rechte Motor bockt, gibt uns allen zu denken und immer wieder seinen Geist auf. Mehrfach müssen wir unsere Kreise mit dem „Tube“ im Schlepptau unterbrechen. Glücklicherweise sind die Rolls Royce-Triebwerke unserer A330-Modelle um Einiges zuverlässiger, schiesst es mir durch den Kopf. Irgendwann macht der rechte Motor aus dem Reich der aufgehenden Sonne endgültig schlapp. Das Problem lässt sich nur noch mit einem Telefon an den Mechaniker in der Marina lösen. Aber nicht mehr heute. "Boucra Insch Allah..."
Um fünf sind wir wieder zu Hause, das reicht gerade nochmals für knappe zwei Stunden Schlaf. Als ich am Abend am Flughafen eintreffe, winkt mich ein Crew-Disponent mit vielsagendem Lächeln in die Schaltzentrale des Etihad-Einsatzzentrums. Das kann nichts Gutes verheissen, denn sämtliche Einsatzänderungen, die mir besagter Kollege in den vergangenen drei Jahren eingefädelt hat, erwiesen sich als Nullnummern. Das ist auch heute so: er will meinen Lahore-Nachtflug vom kommenden Tag durch eine erneute Paris-Rotation ersetzen. Für den Rückflug ist statt einem A330 ein A340-600 geplant, der Captain verfügt jedoch über keine Zulassung auf diesem Typen. Tücken der „MFF-Operation“ (Mixed Fleet Flying). Statt am Freitagmorgen bin ich erst am Samstagabend zurück. Mindestens anderthalb Freitage gehen ersatzlos flöten. Und das nach sieben Tagen Einsatz mit drei Nachtflügen. Das Osterprogramm ist futsch. Möge die Eier tütschen wer will. Die Firma lässt mir gerade mal einen knausrigen Freitag. Dann sollen zwei Tage Training und einige Bürotage folgen. Zumindest fallen die Nachtschichten weg.

Gewitter und Nebel
Ich vergesse den Ärger und werfe einen Blick in die Planungsunterlagen für unseren Islamabad-Flug. Diese offenbaren einige Tücken: Gewitter in Pakistan und Nebel bei unserer Rückkehr in Abu Dhabi am frühen Morgen. Der guatemaltekische Copi wurde eben erst vom A320 umgeschult und seine A330-Erfahrung ist ebenso jungfräulich wie unser heutiges Fluggerät selbst. Der A330 mit der Registration A6-EYR steht erst wenige Wochen im Einsatz. Seine Flugstatistik vermerkt lediglich 1128 Stunden und 214 Sektoren. Das Innenleben wirkt entsprechend frisch. Das Cockpit scheint unangetastet. Diverse Details wurden gegenüber den Vorgängertypen aufgepeppt, schönere Bedienungsknöpfe montiert, neueste Technologien implementiert; Eine davon ist das sogenannte „Runway Awareness and Advisory System“ (RAAS), ein Ableger des „Enhanced Ground Proximity Warning Systems“ (EGPWS) . Bei der Annäherung an eine Piste warnt eine kräftige Frauenstimme: „Approaching Runway 13R!“ Die Stimme kommt so unerwartet, dass ich beim Einrollen auf die Startbahn unwillkürlich zusammenzucke. Nach dem Auflinieren doppelt die Dame nach: „On Runway 13R!“ Dann hören wir nichts mehr von ihr bis nach der Landung in Islamabad, wo wir am Pistenende mit einer 180°-Kurve wenden und zurückrollen. Jetzt kommt die Stimme bei soviel Hin- und Her-Rollerei richtiggehend ausser Atem. Da scheint uns jemand auf die Finger zu schauen. Und sollten wir die Geschwindigkeit vernachlässigen und ungeachtet beschleunigen, so erklingt bei 40kts die Mahnung: „On taxiway!“ – Damit die Piloten ja nicht in Versuchung gelangen, zu früh am Sidestick zu ziehen. „Big sister“ seems to be watching us.
Glücklicherweise donnern die Gewitter über Islamabad weniger heftig als angekündigt. Und glücklicherweise bilden sich über Abu Dhabi keine Morgennebel. Das ist eben so eine Sache mit den Wetterangaben. Der Versuch, physikalische Phänomene in Zahlen und Buchstaben zu packen, gipfelt nicht selten in Kombinationen, deren Komplexität die Genauigkeit eklatant übertrifft. Den Piloten obliegt dann die noble Aufgabe, diese in der für die Planung knapp bemessenen Zeit korrekt zu entschlüsseln und adäquate Schlüsse zu ziehen. Was immer man darunter versteht. Ob sich das effektive Wetter dann auch an die vorgegebene Terminologie hält, ist eine andere Frage. Nicht jedes Gewitter und jede Nebellage halten eben, was sie auf dem Papier versprechen! Und das ist gut so.