New York Flüge bei Etihad beginnen mitten in der Nacht. Eingecheckt wird dann, wenn anständige Leute sich unter die Bettdecke verziehen: um 0020 Uhr. Da gilt es, den Tag vernünftig einzuteilen, was auch immer mann oder frau darunter versteht. Entscheidend ist mitunter die Tatsache, ob bei der nächtlichen Mission zuerst Cockpit oder Crewbunk angesagt ist. Persönlich bevorzuge ich die zweite Variante, erlaubt sie doch gleichsam eine Tagesplanung ohne mühsame „Vorschlaf“-Versuche, die in der Regel eh meist in Frust und Verzweiflung enden.
Internet-Probleme
Bei meinem dieser Tage absolvierten New York-Flug geniesse ich zwar das Privileg des „Erst-Schicht-Schlafes“, dafür gibts Ärger ennet des grossen Wassers. Nach der Ankunft im Hotel stürzt sich unsere Besatzung wie immer gleich auf das Frühstücksbuffet. Denn dieses ist gratis – übrigens nicht nur für Mitglieder der Besatzung, sondern für sämtliche Gäste des Hauses. Ländliche Grosszügigkeit im beinahe idyllisch anmutenden Garden City, von wo aus Charles Lindbergh im Jahre 1927 zu seiner Nordatlantiküberquerung startete. Das Angebot ist zwar nicht üppig, doch nach stundenlangem Nachtflug über Wüste, Gebirge und Ozean sind hart gekochte Eier, Bagels, Muffins und frisch gebackene Waffeln mit Ahornsirup vor dem Schlafengehen eine willkommene Bereicherung.
Im für Kapitäne besonders geräumigen Zimmer angelangt, entledige ich mich der Goldstreifen, dann mache ich mich sogleich an die Installation des Laptops zwecks Erstellung der Internet-Bereitschaft. Doch irgendwie will es nicht so richtig klappen mit dem Einloggen ins „World Wide Web“. Zwar komme ich bis zur Login-Seite des Hotels, dann aber ist Schluss. Auf all meine verzweifelten Versuche kontert der Computer mit einem emotionslosen „This webpage cannot be displayed“. Doch so schnell gebe ich mich – mittlerweile besessen vom Ehrgeiz, diese technische Hürde zu meistern – nicht geschlagen. In der Folge dringe ich immer tiefer in die Eingeweide meines sonst so verlässlichen Laptops. Doch sämtliche „Microsoft-Hilfsprogramme“ nützen nichts und ich komme zur niederschmetternden Einsicht, dass in diesem Fall – zumindest mit meinen Kenntnissen – nichts auszurichten ist. Ärgerlich, nicht zuletzt deswegen, weil ich mir in dieser Situation eingestehen muss, dass ich nicht nur eine Computer-Niete, sondern auch ein Computer-Addict bin.
ATM-Probleme
Irgendwann, einige Stunden (!) und fehlgeschlagene Login-Versuche später, verschiebe ich mich in die Lobby, wo der Besatzung zwei hauseigene Computer-Terminals zur Verfügung stehen. Im gleichen Raum befindet sich ein Geldbezugsautomat. Praktisch, ist auf diese Weise doch stets für entsprechenden Bargeldnachschub gesorgt. Nachdem ich meine Internet-Gelüste befriedigt habe, klaube ich die ATM-Karte aus dem Portemmonnaie und versuche, dem Kasten einige Dollarscheine zu entlocken. Doch auch hier muss ich einen herben Rückschlag einstecken. Statt Bargeld gibts unflätige Sprüche: „Transaction declined“. Ich versuche es ein zweites, dann ein drittes Mal. Vergebens, die Technik scheint mir heute nicht wohlgesinnt (oder etwa "wohlgesonnen"...?). Die weltweite Finanzkrise macht auch vor dem entlegensten Geldkasten nicht halt. Bei der Tankstelle gleich neben dem Hotel gibts einen anderen Automaten. Nichts wie hin. Gleiches Prozedere, gleicher Frust: die wollen mir kein Geld aushändigen. Ob es wohl an der kümmerlichen Performance meiner Pensionskassenfonds liegen mag...?
Wie auch immer. Ich gebe auf und mache mich auf den Rückweg. Kein Internet, kein Bargeld – da kann mir nur noch der Wallander helfen. Und für die Begleichung des Nachtessens bleibt mir immer noch die Kreditkarte.
Gepäck-Probleme
Ungeachtet dieses Ärgers schlafe ich nach Barbeque-Burger und einigen Gläsern „Samuel Adams“ herrlich und erwache am nächsten Morgen um fünf Uhr Lokalzeit – in Abu Dhabi zeigen die Uhren 1300 Uhr – gestärkt und guten Mutes. Wir erreichen den Flughafen wie immer viel zu früh und unsere Girls vertreiben sich die Zeit bis zur Flugvorbereitung mit Einkäufen in den diversen Dutyfree-Shops.
Später – wir sitzen bereits im Cockpit und wühlen uns durch (viel zu) dicke Papierstapel – steht plötzlich der Stations-Manager in der Führerkanzel: „We’ve got a small problem with the loading of the crew bags“, meint er, auf seinem von Natur gegeben breiten Gesicht ein noch breiteres Grinsen. In einem unserer Koffer wird ein vibrierendes Geräusch gortet, der Verlad verzögert sich. Da wir vor jedem Flug unsere Gepäcktag-Nummern auf einer Liste eintragen, kann leicht festgestellt werden, wem der Koffer gehört: Männlein oder Weiblein? Selbstverständlich wird heftig über die Ursache der geheimnisvollen Vibrationen spekuliert... Die Lösung ist weit weniger spektakulär als erhofft: Es handelt sich um die elektrische Reisezahnbürste unseres Kapitänskollegen. Bis zu seinem Eintreffen im Gepäcksortierkeller vibriert jedoch nichts mehr. Die Batterien haben den Geist aufgegeben.
Fuel-Probleme
Schliesslich sind wir bereit zum "Push back", dem Zurückstossen des Flugzeuges. Vorgängige Probleme mit der „Fuel-Anzeige“ haben wir planungsmässig abgedeckt. So, wie es in unseren Handbüchern vorgegeben ist. Just in diesem Moment, ich will gerade die Bremsen lösen, meldet sich einer unserer beiden „Fuel Control and Monitoring Computer“ ab. Dummerweise ist es die Nummer eins, ohne die wir nicht fliegen dürfen. Dreissig Sekunden später steigt auch die Nummer zwei aus. Damit fehlt uns die komplette Übersicht über Kerosinmenge, -transfer und Tankinhalt. Wir versuchen einen „Reset“, den wir selber im Cockpit ausführen können. Der Erfolg ist nur von kurzer Dauer, nach vier Minuten steigen beide Rechner wieder aus. Wir brauchen einen Mechaniker. Der Einfachheit halber kraxelt er via Bugfahrwerkschacht und dem direkt unter uns liegenden Elektronik-Compartment ins Cockpit. Wir öffnen die entsprechende Luke hinter meinem Sitz. Dann gibt es weitere „Resets“, „Rerackings“ sowie einen Austausch der beiden Computer. Als das auch nichts hilft, laden wir alle Passagiere, Handgepäck inklusive, wieder aus und machen das Flugzeug stromlos. Mittlerweile haben die Maintenance-Verantwortlichen in Abu Dhabi mit Airbus in Toulouse Kontakt aufgenommen und im Gegenzug Anweisungen für eine komplizierte Computer Reset-Abfolge erhalten. Wir Cockpitkollegen haben die Angelegenheit eigentlich bereits aufgegeben und diskutieren mit den Stationsvertretern den Rückzug ins Hotel. Ähnliches ist mir bereits vor einem Jahr wiederfahren: Damals war ich mit Toni unterwegs und wir konnten nach dem Start das Fahrwerk nicht einfahren. 60 Tonnen Sprit über dem Nordatlantik versprüht und wieder gelandet, dann waren wir drei Tage in New York blockiert.
Heute haben wir mehr Glück. Die Anweisungen des Herstellers zeigen Wirkung, zumindest der eine „FCMC“ scheint arbeitswillig. Nummer zwei weigert sich standhaft, doch damit können wir leben. Alle Passagiere werden zurückbeordert, das „Re-Boarding“ dauert lediglich 15 Minuten. Mit zwei Stunden und 50 Minuten Verspätung stossen wir den A340-500 vom Gate zurück. Der Flug verläuft problemlos, wir landen nach zwölf Stunden und sieben Minuten in Abu Dhabi, wo sich erst vor einer halben Stunde der dichte Morgennebel verzogen hat. Dies bei einer gesamten "Dutytime" (Check-In bis Check-Out) der Besatzung von 17 Stunden und 39 Minuten! Ein neuer persönlicher Rekord.
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8 comments:
Danke fürs mitnehmen, Dide. Wenn Murphy einmal mit-eingecheckt hat, dann ist er nicht mehr so einfach loszuwerden...
Zum Thema "elektrische Reisezahnbürste"...schon klar, dass es eine "Zahnbürste" war, wir wollen ja niemanden bloss stellen und ausserdem lesen sicher Kinder mit :-))) (sonst kriegst du noch ein "PG-13" oder "R"-Rating für den Blog ;-))
G!
PS: Ich bin überrascht dass noch keine "mit einem Apfel-Computer wäre das nicht passiert" Kommentare gepostet wurden :-)
@G: Unser lieber Kollege NFF weiss geschickt, seine Leserzahlen mit zweideutigen Begriffen zu erhöhen. Dagegen wirkt doch eine "elektrische Reisezahnbürste" direkt harmlos. Und alles andere ist wie bereits erwähnt, pure Spe(ja)kulation...
Und was die "Apple"-Benutzer betrifft, so bin ich eben so erstaunt wie du. Windows auf dem Vormarsch...
.... nicht nur der Mac schützt vor Computerfrust, sondern auch die Bücher aus der Feder von .... :-)
Aber trotzdem, habt ihr die neuen schnittigen Modelle von Mac schon gesehen?
Punkt 1 Bücher: Kann ich (noch) nicht beurteilen. Bin aber guter Hoffnung...
Punkt 2: Niet - bin (auch hier) noch nicht auf den Geschmack gekommen.
Tja, Dide da geb ich dir auf jeden Fall recht und wenn du bei Spe(ja)... die Klammern weglässt, dann muss der Server auch überstunden leisten *grins*
Schnittige Modelle? Mag sein, aber Männer schauen doch auf die innern Werte...und drum: Think ... PAD :-) und seit's iBeer als DiamondBeer für HTC/Windows Mobile gibt, wäre dann auch der letzte Grund für einen Mac dahin, sorry ;-)
...der Nomade ist inzwischen schon längst fertig, wann kommt Band II?
G!russ in die Wüste
Tja, Band 2 muss noch korrigiert werden, das neue Buch aus dem Studentenmillieu auch. Da ich noch keinen Verlag habe (Angebote an nff@me.com), muss noch jemand meine tausenden von Schreibfehler aus den Manuskripten werfen...
Hej NFF - vielleicht solltest du Seminare für optimierte Arbeitstechnik geben. Wie um Himmels Willen schaffst du es bloss, bei durchschnittlichen 94 Blockstunden so viele Bücher zu schreiben...?
... Schlaflosigkeit!
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