Des Piloten tägliches Brot sind Abkürzungen. Nichts geht ohne Kürzel. In unseren technischen Handbüchern wimmelt es von lustigen Buchstabenkombinationen wie ADIRU, FCMC, PRIM oder LGCIU. Mit zunehmendem Alter nimmt zwar die Erfahrung des Flugzeugführers zu, in gleichem Masse reduziert sich jedoch die Kapazität des Denkorgans, so dass die spontane Zuordnung nicht immer auf Anhieb gelingt. In der Folge vervielfachen sich die „Aha-Momente“ – und zwar sowohl in der Häufigkeit als auch in der Intensität. Doch damit noch nicht genug des Ungemachs, auch bei den Planungsunterlagen finden sich immer mehr Abkürzungen: oftmals bleibt die Bedeutung gewisser Begriffe reichlich unklar. Dabei sind der Einfallsreichtum und die Willkür der publizierenden Länder und Organe grenzenlos, und das Studium des NOTAMs (NOtice To AirMen) verkommt nicht selten zum heiteren Ratespiel.
Verwirrende Begriffsvielfalt
Funktioniert beispielsweise ein Teil der Pistenbefeuerung nicht, was immer wieder mal vorkommt, so muss dies den Besatzungen aus verständlichen Gründen mitgeteilt werden. In vielen Fällen wird dies mit der Abkürzung „u/s“ signalisiert. Auf gut Englisch: „unserviceable“. Möglich wäre aber auch die findige Kombination „OTS“, was dann heissen würde „Out of Service“. Die Amerikaner sind diesbezüglich noch eine Spur origineller und verwenden mit Vorliebe den prägnanten Terminus „DCMSND“. Erraten? Genau, dies heisst nämlich nichts anderes als „decommissioned“.
Glücklicherweise verwenden wir in der Aviatik nach wie vor auch solide Begriffe, deren Verständlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Dazu zählen etwa die Termini „Safety“ und „Security“, die beide im Deutschen Sprachgebrauch mit „Sicherheit“ übersetzt werden. Doch bei näherer Betrachtung stellt sich alsbald heraus, dass auch diese Begriffe – so selbstverständlich sie in der fliegerischen Umgangssprache angewendet werden - in der Interpretation gewisse Unterschiede offenlegen.
Bei meinem letzten Flug nach New York will es der auf diesem ersten Sektor verantwortliche Kapitänskollege genau wissen. Zu diesem Zweck stellt er im Crew Briefing eine interessante Frage: Von jedem der 14 Mitglieder der Kabinenbesatzung will er in zehn Sekunden den Unterschied zwischen „Safety“ und „Security“ erklärt haben. Da geraten die grau gewandeten jungen Frauen und Männer gehörig ins Schwitzen. Und dies nicht nicht nur wegen der mangelhaft arbeitenden Klimaanlage. Doch Hand aufs Herz liebe „Wüstenspuren“-Leser und -Leserinnen. Wie würdet ihr denn auf diese Frage antworten?
Simpel und einleuchtend
Die Flight Attendants diverser Nationalitäten zumindest scheinen verunsichert, suchen verzweifelt nach Erklärungen, ringen um Worte, reden um den Brei herum, jedoch ohne dabei auf den Kern der Sache zu stossen. „Security allows to make our flight safe“, meint etwa eine Rumänin, während die Marokkanerin verschmitzt entgegnet „Same, same – but different...“!
Schliesslich löst der Kapitän vom philippinischen Archipel das Rätsel auf: „It’s very simple and straight forward“, meint er, „security is crime prevention while safety is accident prevention.”
In der Tat. Dies ist simpel und leuchtet ein. Es trifft den Nagel auf den Kopf und unterscheidet die beiden ähnlich gelagerten Begriffe äusserst treffend. Doch der Kollege ist mit seinen Ausführungen noch nicht am Ende. Er spricht die „Safety- and Security-Checks“ an, die jedes Mitglied der Kabinenbesatzung vor dem Flug auszuführen hat und will wissen, wie viele Feuerlöscher in der Kabine eines A340-500 vorhanden sind. Acht sind es an der Zahl, diesbezüglich herrscht allgemeine Einigkeit. „And what if one day you'll find ten instead of eight fire extinguishers on the same aircraft...?” Das wäre doch theoretisch ein “Safety increase”, also eine Erhöhung der Safety, fügt er an. Denn wenn es brennt, ist jeder zusätzliche Feuerlöscher nur von Vorteil...
Erklärungsnotstand
Das mag wohl richtig sein, doch genau hier liegt des Pudels Kern begraben. Denn jeder zusätzliche, nicht zur Standardausrüstung gehörende Feuerlöscher, verkommt gleichzeitig zum Sicherheitsrisiko und damit zu einer Reduktion der „Security“. Denn nichts darf an Bord sein, was nicht an Bord gehört! Mögliche Sprengsätze gilt es unbedingt auszuschliessen, sämtliche Gegenstände mit unbekannter Herkunft verkommen zu einer potenziellen Gefahrenquelle. Auch wenn es sich um einen Feuerlöscher handelt. Was im einen Fall positiv gewertet werden kann, stellt sich bei kritischer Betrachtung als klares „No-Go“ heraus. „Safety“ und „Security“ – zwei Begriffe, die in der Fliegerei zum täglichen Brot gehören. Zwei Begriffe, deren Übergang ähnlich fliessend verläuft wie bei Yin und Yang, Zwei Begriffe letztlich – und dies mag erstaunen – bei deren Erklärung auch gestandene Besatzungsmitglieder ins Straucheln geraten.
Saturday, August 16, 2008
Subscribe to:
Post Comments (Atom)
3 comments:
Äusserst interessante Fragestellungen.
Mir kam der "Securitas" Angestellte in den Sinn, der nachts den Juwelierladen bewacht, damit nicht etwa die Herren mit dem Schneidbrenner dem "Safe" zu leibe rücken.
Habe eben mit meiner Freundin über den Unterschied diskutiert und jetzt wird recherchiert. Meine These, die sich bei weiterem Lesen immer mehr bestätigt, ist, dass es sich bei safety um "prevention of drop-out" handelt, bei security um "prevention of drop-in". Geht also auch in 5 Sekunden...
Beste Grüße,
Christoph
@ Christoph schön klug gesch... das nenn ich mal den Teufel mit dem Beelzebub austreiben!
Post a Comment