Tuesday, August 26, 2008

Fliegen heisst rollen...

Wer vom Fliegen spricht, wer übers Fliegen diskutiert, denkt in erster Linie ans... Fliegen.
An das, was sich zwischen Himmel und Erde – oder genauer – zwischen Start und Landung abspielt. Die magischen Momente in der Luft eben, wie wir sie alle kennen aus raffiniert zusammengeschnittenen Filmsequenzen. Zumeist untermalt mit Trompeten und Fanfaren, bisweilen auch mit Pauken und Streichern.
Das Rollen, also sämtliche Bewegungen zwischen Piste und Parkplatz, gerät ob so viel Glanz und Gloria gern in den Hintergrund. Wen wunderts, schliesslich bewegen sich auch „Nicht-Aviatiker“ täglich im vertrauten, wenig spektakulären zweidimensionalen Raum. Da vermögen sich schwerfällig über den Tarmac wälzende Flug-Apparate kaum Begeisterungsstürme auszulösen.

Komplexe Flugplatz-Geometrie
Bei der Einschätzung der Arbeit im Cockpit werden analoge Muster angewandt. Faszinieren tun Start, Anflug und Landung, das Rollen wirkt weit weniger aufregend.
Dabei fordern die heutigen Flughäfen mit ihren komplexen Rollwegstrukturen Flugzeugbesatzungen in ähnlichem Masse wie ein Instrumentenanflug bei böigem Seitenwind. Die unübersichtliche Verkehrs-Kombination von Kleinfahrzeugen, Tankwagen, Passagierbussen, Frachtcontainern und Flugzeugen aller Länder und Grösse erfordert ein hohes Mass an Konzentration. Während des Rollens müssen ausserdem Checklisten abgearbeitet sowie der gesamte Funkverkehr mitverfolgt werden. Frequenzwechsel, oftmals im „dümmsten“ Moment reissen uns immer wieder aus der Routine eintrainierter Abläufe. Fliegt ein Pilot einen Flughafen zum ersten Mal an, erhöht sich der Stress, da er mit der Geometrie der Rollwege und Pisten noch wenig vertraut ist. Kurz - bei endlosen Nachtflügen oder technischen Problemen in der Luft wachsen Piloten graue Haare, beim Rollen verlieren sie die übrig gebliebenen gleich büschelweise.
Die Grösse der Maschinen erschwert die Übersicht. Es ist beinahe unmöglich, vom Cockpit aus abzuschätzen, ob die 30 Meter entfernte Flügelspitze ein auftauchendes Hindernis passieren kann. Daher ist es äusserst wichtig, mit dem Bugrad auf der am Boden vorgegebenen Markierung zu bleiben. Mit Ausnahme der Kurven natürlich. Grosse Flugzeuge der heutigen Generation verfügen über externe Kameras auf der Rumpf Ober- und Unterseite, mit deren Hilfe Bilder auf die Cockpit-Bildschirme proijeziert werden können. In der Regel führt der Kapitän das Flugzeug am Boden, es gibt aber auch Airlines, bei denen immer der sogenannte "PF" (Pilot Flying, fliegt den entsprechenden Streckenabschnitt) den "Tiller" bedient.

Sehr unangenehm kann das Rollen bei dichtem Nebel oder im Winter werden, wenn es schneit und die Schneemassen in der Folge die Bodenmarkierungen verdecken. Die Haftung der Räder, insbesondere jene des Bugrades, lässt nach. Enge Kurven – deren es vor allem in Nordamerika und Kanada zuhauf gibt – stellen die Piloten vor hohe Probleme. Wer zu langsam rollt, bleibt mitten in den engen „turns“ stehen, wer die Sache zu sportlich angeht läuft in Gefahr zu „skidden“, mit dem Bugrad wegzurutschen. In der Regel empfiehlt sich bei engen Radien eine Geschwindigkeit von fünf bis maximal zehn Knoten . Wer steckenbleibt, und das ist bei kontaminierter Oberfläche keine Seltenheit, ist nicht selten auf den rettenden Traktor angewiesen.

Bewusste Steuertechnik
Die Manövrierbarkeit und die Drehradien eines Flugzeuges hängen neben der Beschaffenheit der Steuerung selber in erster Linie von der Rumpflänge ab. Entscheidend dabei sind die Position des Bugrades sowie der Abstand zum weiter hinten liegenden Hauptfahrwerk. Speziell bei engen Kurven muss entsprechend weit ausgeholt werden. Wer das Bugrad entlang der Mittellinie führt, versenkt das auf der Kurveninnenseite liegende Hauptfahrwerk im Gras. Der A380 wie auch der B747 verfügen über eine sogenannte „Body gear steering“. Steigt der Einschlag des Bugrades über einen vorgegebenen Wert, werden die inneren beiden Hauptfahrwerke in die entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen. Auf diese Weise, werden enge Radien beinahe spielend geschafft.
Ein A340-600 benötigt für einen 180°-turn 59 Meter. Da sich beim A380 die Rumpflänge wie auch der Radstand in ähnlichen Massstäben bewegen, dürften die Rollwerte mit dem neuen Airbus-Flaggschiff vergleichbar sein. Wie gross der Einfluss der oben erwähnten „Body gear steering“ ist, entzieht sich meinen Kenntnissen. Wer die beiden Flugzeugtypen näher vergleichen möchte, dem empfehle ich einen Click auf die original Airbus-site.






















Und zum Schluss noch dies: „Fahren" kann ein Flugzeut nicht – bestenfalls tut es „rollen“. Denn der Antrieb erfolgt, anders als bei Auto oder Velo, nicht über die Räder. Wer „fahren“ will, muss auf Strasse oder Schiene ausweichen. Beim Flugzeug ist es der Schub der Triebwerke, der die tonnenschwere Masse in Bewegung bringt.

7 comments:

Anonymous said...

Ich wollte mich an dieser Stelle nur einmal für Ihren wunderbar-interessanten Blog bedanken. Auch wenn man sich teils wie ein Stalker fühlt, so ist der Mix aus Wüstenleben und Fliegerei immer wiede fazinierend. Jeder neuer Eintrag wird von mir geradezu verschlungen. Vielen Dank!

Weiter so und mit besten Grüßen aus Frankfurt!

Dide said...

@mcbirdie,

Herzlichen Dank für das positive Feedback. Wikipedia definiert "Stalker" wie folgt: "...das willentliche und wiederholte (beharrliche) Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann."

Im Moment sehe ich mich weder unmittelbar, mittelbar noch langfristig bedroht. Du darfst demzufolge guten Gewissens weiterlesen...

Gruss aus Abu Dhabi

Anonymous said...

Vielen Dank für den eigenen Blogeintrag aufgrund meiner Frage. Ich fühle mich geehrt! Laut dieser Quelle (http://www.airliners.net/aviation-forums/tech_ops/read.main/172548/) verfügt die Boeing 777 auch über ein lenkbares Hauptfahrwerk, allerdings nur die letzten Radpaare in Rollrichtung. Ist dies beim A380 identisch? Ich konnte dazu nichts finden.

Danke übrigens auch für den interessanten Einblick in die Kunst des Rollens. Gibt es dafür mittlerweile eine Art programmierbares Rollwege-Navigationssystem oder läuft das noch mit Faxausdruck, Textmarkerunterstützung und guten Augen? :-)

Anonymous said...

Eines scheint allen Vögeln gemeinsam: Am Boden sind sie nicht in ihrem Element.

Obwohl, kürzlich kam ich an einer Straussenfarm vorbei, sind schon eigenartige Viecher und bestätigen die Ausnahmen, welchen alle Regeln unterliegen.

Herr Eppler, könnten Sie mit Ihrem Airbus rückwärts rollen, mit Umkehrschub?

Dide said...

@tbones,
Ich kenne die technischen Details des A380 nicht. Grundsätzlich ist aber anzunehmen, dass die Vorrichtung beim A380 ähnlich ausgelegt ist wie beim B777. Auch der B747 lenkt nur die zwei inneren (Body gear) Hauptfahrwerke aus. Das genügt auch völlig, mehr braucht es nicht. Es geht sogar mit weniger wie die A340-Modelle beweisen, bei denen das Hauptfahrwerk überhaupt nicht dreht.

@crowi,
Das Rückwärtsrollen mit Umkehrschub ist grundsätzlich möglich und wurde oder wird speziell in den USA von einigen Airlines angewandt (http://www.youtube.com/watch?v=ID3jfc39x3E).
Das Verfahren ist aber nicht ungefährlich; aufgrund des erhöhten Schubes besteht die Gefahr, dass lose Gegenstände herumgewirbelt werden und Teile des Flugzeuges beschädigen oder dass allenfalls gar Personen zu Schaden kommen. Dieses Vorgehen wäre bei grossen und schweren Maschinen zwar auch möglich, wird aber nicht praktiziert, da die Triebwerkleistung um ein Vielfaches erhöht werden müsste, was definitiv zu gefährlich wäre.

Anonymous said...

Ich stimme dir vollkommen zu... so hatten wir gestern von ZRH nach AMS eine Flugzeit von 1:07 und eine Blockzeit von 1:49. Macht 42 Minuten rollen!!! Während die Minuten in ZRH mit warten verloren gingen, wars in AMS der mehrere km lange Weg von der 18R zum Gate!

Happy rolling :-)

G!

Dide said...

Tja G - ist eine gute Angewöhnung an die Langstrecke. Ich war schon lange nicht mehr in Amsterdam, kann mich aber noch bestens an die weiten Rolldistanzen erinnern.

Gruss