„Good evening ladies and gentlemen this is your captain. My name is Dieter Eppler and it is my great pleasure to welcome you tonight on this historical ETIHAD-flight leaving New York on the 31st of December 2006 and arriving in Abu Dhabi on the 1st of January 2007.
It is not the sound barrier that we are going to break though but we will be literally traveling between the years and I certainly do hope that this journey will lead all of us into a prosper and healthy 2007!“
Mit diesen Worten begrüsse ich am Abend des 31. Dezember unsere 39 Passagiere des Fluges EY 504 von JFK nach Abu Dhabi. Eigentlich hätten es 92 sein sollen, doch uns wird gesagt, dass die fehlenden 53 Gäste im silvesterlichen Verkehrschaos von Manhattan stecken würden.
Wie auch immer. Es ist 2200 Uhr Lokalzeit in New York. In Abu Dhabi schlafen Mann und Frau wohl bereits, Jahreswechsel hin oder her, denn dort ticken die Uhren mit neun Stunden Vorsprung. Und auch in der Schweiz ist das neue Jahr bereits drei Stunden alt. Wieder einmal gehöre ich zu den sprichwörtlich Letzten, die jedoch gemäss überlieferter Redensart irgendwann hoffentlich die Ersten sein werden. Und ich muss nicht einmal lange darauf warten, denn im Gegensatz zu den Strassen in und um Manhattan sind die Rollwege des John F. Kennedy Airport an diesem Abend völlig ausgestorben. Ähnliche Zustände habe ich in 18 Jahren New York Fliegerei noch nie erlebt: Wir stossen den A340-500 eine Viertelstunde vor der geplanten
Zeit vom Gate zurück und rollen, nachdem wir die vier Triebwerke gestartet haben,
ungehindert Richtung Startbahn 13R los. Zügig liest der jamaikanisch-kanadische Copi John Reid die Checklisten. Auf den beiden Jumpseats hinter uns haben sich Captain Suraj Weerasekera aus Sri Lanka und Copi Julian Jeffery aus Südafrika angeschnallt. Sie werden uns nach rund fünf Stunden Flugzeit, bis kurz vor Einleiten des Sinkflugs ablösen, damit auch wir etwas schlafen können. Denn für Anflug und Landung werden John und ich wieder das Kommando übernehmen. Der gesamte Flug dauert heute „nur“ 11.50 Stunden. Die Rückenwinde sind uns gnädig gesinnt.
Unterschiedliche Weihnachtsfeiern
Meine Familie hat sich am 21. Dezember in die Schweiz abgesetzt, um die Festtage im Diemtigtal zu verbringen. Der Schnee ist zwar weder in Menge noch Konsistenz befriedigend, doch für einige Schlittelpartien und einen Skitag am Wiriehorn reicht es dennoch. Die neu renovierte Ferienwohnung besteht ihre Feuertaufe bestens und erfüllt ihren Zweck. Selbstverständlich reist Franziska mit den Kindern auch für zwei Tage ins Zürcher Unterland, wo sie bei der Familie meines Bruders Unterschlupf findet und zwischendurch einige Freunde und Bekannte besucht.
Derweil der Schreibende artig in Abu Dhabi seiner Arbeit nachgeht und sich dabei diverse Nächte um die Ohren schlägt. Höhepunkt ist wohl die rekordverdächtige „Power-Kombination“ über Weihnachten: Am 21. Dezember nach Kuwait und zurück, quasi als „Warm up“. Am 22. dann nach London und in der darauffolgenden Nacht wieder zurück nach Abu Dhabi. Landung am 24. um 0700 Uhr. Und damit ich nicht in Gefahr laufe, in eine „Weihnacht-allein zu Hause-Depression“ zu fallen, bietet mich das Crew Control bereits eine Viertelstunde nach Mitternacht (!) für eine weitere Nachtmission, diesmal nach Colombo, auf. Die Zeit zwischen den beiden Flügen vertreibe ich mir mit etwas Computer und schlafen, dann mit mehr Computer und weniger schlafen. Ich taumle gleichsam zwischen „Zirkadianem Tief“ und „Kommunikativem Hoch“, habe jedoch, wen wundert’s, am Abend beim Anziehen meiner Uniform das Gefühl, völlig neben den Schuhen zu stehen. Das mag mitunter daran liegen, dass ich den Heiligen Abend mit Kerzenlicht, alten Fotoalben und stimmigen Weihnachtsliedern – allerdings nicht von mir selber gesungen – verbringe. Der Kerzenwachs tropft förmlich aus Radio und Fernsehen, und auch meine verzweifelten Zapp- und Umschaltversuche bringen kein Entrinnen aus dem christnächtlichen Liedertaumel. So bleibt die Stimmung melancholisch bis sentimental, was ich jedoch – und hier mag der oder die LeserIn staunen – bis zu einem gewissen Punkt sogar geniesse. Die Gedanken sind frei, und, in Anbetracht meines Schlafmankos, auch etwas wirr. Angeregt von den alten Familienfotos schweife ich zurück in frühere Jahre und werde mir dabei bewusst – der im Januar anstehende persönliche Dekadensprung trägt wohl das Seinige dazu bei – wie schnell die Zeit verfliegt. Zugegeben, dies ist nun in der Tat keine revolutionäre Erkenntnis, dafür aber eine unmittelbar und hautnah erlebte, welche die eine oder andere psychedelische Kratzspur hinterlässt!
Helvetische Begegnungen
Dennoch überstehe ich den Flug nach Colombo ohne Probleme. Während unseres Anfluges hören wir diverse Maschinen der „Sri Lankan Airlines“, welche auf der gleichen Funkfrequenz um Starterlaubnis (darunter versteht man die Erlaubnis, die Triebwerke zu starten) fragen. Dabei fällt mir vor allem eine Stimme mit unüberhörbar Schweizerischem Akzent auf. Da war doch in der letzten „Rundschau“ ein Bericht eines ehemaligen Swissair-Kollegen, der jetzt in Colombo lebt...
Als wir zu unserem Standplatz rollen rufe ich auf gut Glück seinen Namen in den Äther: „Marcel...?“ Nach kurzem Schweigen erklingt ein erstauntes „Ja...Hallo... wer isch da...?“ Ich nenne meinen Namen und er scheint anfänglich ziemlich verwirrt. Dann wechseln wir auf dem zweiten Funkgerät auf eine andere Frequenz und unterhalten uns in astreinem Schweizerdeutsch. Dabei müssen wir feststellen, dass ein Treffen während meines Aufenthaltes leider nicht möglich sein wird. Ich gebe ihm noch rasch meine Handynummer durch, dann brechen wir das Gespräch ab. Gut zwei Stunden später werden mich in unserem Hotel weitere SchweizerInnen erwarten. Babs und Corinne sind heute morgen aus der Schweiz kommend in Colombo gelandet und wollen 10 Tage Sonne und Strand geniessen. Auf dem Weg zu ihrer Herberge machen sie auf einen oder zwei Kaffee im „Cinnamon Grand“, unserem Crewhotel im Zentrum von Colombo, Halt. Am Abend sendet mir der Kollege vom Vormittag ein SMS. Wir staunen beide, wie klein die Welt doch ist.
Ob solch heimischem Geplapper habe ich doch glatt den Faden etwas verloren. Eigentlich will ich an dieser Stelle ja aufzeigen, wie wenig Schlaf mir über die Weihnachtstage gegönnt war. Zwei Nachtflüge innert vier Tagen, zuerst Richtung West, anschliessend gegen Osten. Nach der Rückkehr nach Abu Dhabi haut es mich denn auch für einen Tag förmlich aus den Socken und während 24 Stunden kämpfe ich mit Durchfall, Übelkeit und Fieber. Dennoch will ich mir die geplanten Trainingseinheiten mit Peter auf dem Tennisplatz nicht entgehen lassen und so stehen wir beide denn die nächsten drei Tage je zwei Stunden auf dem Court. Wolfgang weilt über die Feiertage in Deutschland und kämpft wohl weniger an der Grundline. Sein primäres Interesse dürfte viel eher dem krampfhaften Versuch gelten, Nahrungsaufnahme und Fettverbrennung zu optimieren.
Das Weihnachtswetter präsentiert sich für's Tennis als nahezu ideal. Angenehme 22 Grad und Sonnenschein. Beim ersten Anlauf schlurfe ich allerdings aus oben genannten Gründen noch ziemlich schlapp über den Hartplatz, dies bessert sich erst nach Elkes Einladung zur selber gebackenen Pizza in drei verlockenden Varianten. Peter wird wohl zukünftig seiner Frau etwas Zurückhaltung in solchen Dingen auferlegen, ist er verständlicherweise doch daran interessiert, seine bis anhin "makellose Abu Dhabi Bilanz“ nicht zu gefährden. Denn er weiss, dass der Tag kommen wird, an dem ihn auch sein „Dekadenvorsprung“ nicht mehr zu retten vermag...
die Heimat ruft
Mittlerweile bin ich wieder zurück aus New York und bereits damit beschäftigt, den Koffer neu zu packen. Nur sechs Stunden nach unserer Landung will ich nach Genf fliegen und dann zu meiner Familie ins Diemtigtal fahren. Franziska und die Kinder werden allerdings am 4. oder 6. Januar zurückreisen. Die Schule ruft. Mir indes bleibt noch etwas Zeit in der Schweiz. Die Steuern rufen...
Tuesday, January 02, 2007
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