Wieder einmal in der Schule. Im Gegensatz zu meinen Kindern allerdings freiwillig. Die Instruktoren erläutern flüssig und kompetent: Zwei Australier und eine Schwedin, allesamt erfahrene Aviatik-Psychologen. Die Thematik: „Human Factors in Flight Safety“.
Der einwöchige Kurs unter dem Patronat der „European Association for Aviation Psychology“ (EAAP) findet ein- bis zweimal jährlich in verschiedenen Städten Europas statt und erfreut sich einer regen Nachfrage. Kursort ist in diesem Fall Dubai, unterrichtet wird in Räumlichkeiten des "Emirates Aviation College".
Piloten, Ingenieure, Human-Factors-Spezialisten und Vertreter der UAE-Luftaufsichtsbehörde teilen sich ein grosszügiges Klassenzimmer. Sie kommen aus den sieben Emiraten, Saudi Arabien, Griechenland, Jordanien und von den Britischen Inseln. Mindestens zwei verdienen besondere Erwähnung: Ein in Norwegen lebender Sicherheitsexperte aus der Ölindustrie, sowie ein 60jähriger DC-8 (!) Captain aus Zambia, der im Emirat Ras al Khaimah für eine Frachtgesellschaft mit dem treffenden Namen „HeavyLift Cargo“ fliegt.
Meine Motivation ist nicht nur gross, weil ich die Weiterbildung und die fünf Übernachtungen im Hotel aus der eigenen Tasche berappe. Immerhin gewährt mir mein Arbeitgeber die Arbeitstage, so dass ich nicht meine Ferien anknabbern muss. Ansonsten ist mein Weiterbildungs-Kontingent vorerst erschöpft.
Im Verlauf der vergangenen zwei Jahre in der Etihad Flight Safety-Abteilung habe ich zunehmendes Interesse für den Bereich “Human Factors“ entwickelt. Die Sicherheit der Luftfahrt geht zwar Hand in Hand mit redundanten Systemen und ausgefeilten Verfahren, doch wer (Flug-)Sicherheit verstehen will, muss sich in erster Linie mit den Besonderheiten des Homo Sapiens beschäftigen.
Deshalb reichen die Lektionen von „Understanding Human Error“, oder „Human Performance – Capabilities and Limitations“ bis zu Betrachtungen der menschlichen Integrationsfähigkeit in einem multikulturellen Umfeld. Dazwischen werden Instrumente zur Risikoanalyse erklärt und in praktischen Übungen umgesetzt. Wir befassen uns mit Methoden, die bei Untersuchungen von Zwischen- oder Unfällen zur Anwendung kommen. Das Instruktorentrio verfügt über immense praktische Erfahrungen bei der Aufklärung von Flugunfällen, wo alle drei regelmässig als Human Factors-Spezialisten zum Zug kommen. Sie teilen mit uns ihre persönlichen Erlebnisse und rekonstruieren detailgetreu die Entstehung von Flugunfällen, beispielsweise anhand der uns allen bekannten Kollision zweier Flugzeuge in Überlingen.
Eine zentrale Tätigkeit bei jeder Untersuchung ist die Befragung involvierter Besatzungsmitglieder. Wir erfahren mehr über angewandte Inverviewtechnik. Was einfach klingt, erweist sich in der Praxis als Spiessrutenlauf. Offene Fragen, positive Vestärkung, Augenkontakt, angepasste Mimik, gegen Ende des Gesprächs geschlossene Fragen, Repetitionen und eine kurze Zusammenfassung. Das Umfeld muss ebenso passen wie Planung und Absprache innerhalb des Befragerteams.
Den Abschluss bildet eine ganztägige praktische Übung in Gruppen. Meine „Mitspieler“ sind der hellenische „Accident Investigator“ des UAE-Luftamts GCAA (General Civil Aviation Authorization), der jordanische Safety-Chef eines Unternehmens für Groundhandling sowie die irische Safety-Verantwortliche einer Emirates-Abteilung. Wir arbeiten effizient und präsentieren am Abend ein realistisches „Unfallszenario“ inklusive entsprechender Analyse.
Nach diesen fünf Tagen bin ich, so scheint mir, gerüstet für den am Donnerstag und Freitag anstehenden Simulator-Check. Zumindest weiss ich, was im Multikulti-Bereich auf der „Humanebene“ alles schief laufen kann.
Doch zurück im Flight Safety Büro werde ich gleich am ersten Arbeitstag in eine interne Untersuchung involviert und gerate daher mit den Simulator-Vorbereitungen in Verzug. Auf meinem Pult stapeln sich Papierberge. Checklisten, Verfahren, Auszüge von Handbüchern, Anflugkarten. Diese Vorbereitungen bereiten mir zunehmend Mühe. Motivationstechnisch zumindest. Mein aktueller Arbeitgeber gestaltet die Unterlagen jedes Jahr umfassender. Der Aufwand steigt. Franziska pflegt zu spötteln: „Nach 30 Jahren als Pilot solltest du eigentlich langsam wissen wie’s geht...“ Mag sein, dass sie recht hat, doch unterschätzt sie dabei den unheimlichen Wandel, der die kommerzielle Fliegerei gnadenlos antreibt. Erkenntnisse aus Unfällen oder politische Bedrohungen diktieren Anpassungen. Vorschriften und Technologien ändern, und fordern auch nach einer Dekade im Franzosencockpit immer wieder entsprechenden Lern-Tribut sowie den einen oder anderen Schweisstropfen im Simulator.
Und wenn wir denn gerade vom Schwitzen reden: Ich habe die Schlacht (nicht aber den Krieg) verloren. Wir ziehen um! Der Hausvertrag ist bereits gekündigt. In der ersten Augustwoche fahren die Zügelmänner vor. In der Werbung heisst es: „Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch“.
Ich meine: „Sind die Frauen im Haus happy, profitiert der Mann!“
Monday, May 17, 2010
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