Ach, es gäbe ja so vieles zu berichten. Doch es wird immer schwieriger, Zeit zum Verfassen der Texte zu finden. Unser Leben hier in Abu Dhabi hat nach den Ferien an Schwung zugelegt. So zumindest empfinde ich es nach den langen Wochen dieses Sommers ohne Frau und Kinder. Mit dem Beginn der Schule hat uns eine mächtige Welle erfasst, in deren Sog wir munter einige Sand- oder Strandmeilen mitgetragen werden.
Social Life
Vielleicht beginne ich am besten mit dem vergangenen Wochenende. Unsere ganze Familie ist eingeladen bei einer amerikanischen Nachbarsfamilie, den „Gunnisons“. Frances, Ehefrau und Mutter von sechs Kindern betreibt seit kurzer Zeit ebenfalls einen Blog (http://sandflowers.blogspot.com/), in dem sie ihre Eindrücke und Erlebnisse festhält. Mehr noch, sie schreibt bereits seit geraumer Zeit an einem Buch und bildet sich weiter in diversen Autorenkursen im In- und Ausland. Ausserdem ist sie Mitbegründerin des Bücherclubs, an dessen Treffen auch Franziska regelmässig teilnimmt.
So sind wir also, unsere ganze Familie, bei den Gunnisons zu Gast und bevölkern ihre geräumige „Six Bedroom Villa“. Frances hat ausserdem noch vier andere US-Sippen aus dem „Al Qurm Compund“ zu sich gebeten, so dass wir Helvetier wieder einmal hoffnungslos in der Unterzahl sind und – ähnlich wie unser Heimatland – in Gefahr laufen, weltpolitisch in die Anonymität der Kleinstaaten abzugleiten. Amerikaner so weit das sehende Auge und das gesprochene Wort reichen, mit Ausnahme von Hatim und Adele, einem ägyptisch-schottischen Paar, ebenfalls aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Hatim ist passionierter Whisky-Trinker und erscheint - Ramadan hin oder her - an ähnlichen Anlässen meist mit der eigenen Scotchflasche in der Hosentasche. Wenn er sich verabschiedet tut er dies in der Regel mit leerer Hosentasche und trockener Whiskyflasche.
Die Stimmung an diesem Abend ist entspannt und angenehm. So locker und unverkrampft wie man sie grundsätzlich bei einem amerikanischen „Prosecutor“ in Botschaftsdiensten nicht unbedingt erwarten würde. Einziger Wermutstropfen ist die Abreise einer ebenfalls amerikanischen Familie, die unerwartet zurück in die Staaten fliegt und damit ihren Aufenthalt in Abu Dhabi abrupt beendet. Der Vater ist diesen Sommer an Leukämie erkrankt und wird gemäss Prognosen seiner Ärzte nicht mehr lange leben. Die drei Söhne sind allesamt in Tims Alterssegment und ebenfalls, wie die meisten US-Kinder des Compounds, Schüler der ACS. Tim durfte jeweils mit ihnen zur Schule und zurück fahren, in der Freizeit gehörten Chris, Carlton und John zu den schillerndsten „Jugendaktivisten“ des Compounds. Ihre plötzliche und unerwartete Abreise – just an diesem besagten Abend eben – hinterlässt eine spürbare Lücke im sozialen Geflecht der „Al Qurm“-Jugendlichen. Und da sich heute mehr als ein Dutzend von ihnen im Anwesen der Gunnisons aufhalten, drückt dieser (endgültige) Abschied auf die Stimmung. Die traurige Geschichte macht deutlich, wie verwundbar unser Erdenglück doch ist. Irgendwann, lange nachdem die Familie abgefahren ist, erhebt die Gastgeberin ihr Glas und meint: „Life is so short – we have to enjoy it as long as we’re able to!“ Was zwar die Kranken nicht unbedingt gesund und die Toten nicht lebendig werden, die Seelen aber für einen kurzen Moment im Glauben an das Gute sündigen lässt.
Familienzuwachs
Hier gibt es gleich zwei Neuzuzüge zu vermelden: das eine Neumitglied ist aus Blech, Kunststoff und Leder gefertigt, weiss lackiert, aus zweiter Hand und trägt einen Stern auf der Haube, das zweite Mitglied tritt etwas bescheidener auf und ist in schwarzes Tuch gewandet.
In gut zwei Wochen, nach dem Ende des Ramadan, wird Romana, unsere neue Maid einziehen. Franziska und ich sind aufgrund unserer Aktivitäten immer öfters ausser Haus aktiv und können etwas Unterstützung gut gebrauchen. Nun da feststeht, dass die Deutsche Schule definitiv ins neue Gebäude wechseln wird, ist ein Mehraufwand für Franziska und das Bibliothekenteam auch für nicht Sternenkundige leicht absehbar. Die „Falcons“halten mich ebenfalls auf Trab, so dass andere Aktivitäten über Gebühr leiden. Deshalb das Vehikel mit dem Stern: Wir brauchen ein zusätzliches Fortbewegungsmittel. Die im vergangenen Jahr noch ziemlich einfache Koordination wird zunehmend komplexer. Und letztlich bin ich froh, nach 50 Jahren endlich plausible Gründe für einen Mercedes-Kauf gefunden zu haben: Flexibilität, ungezügelte Freiheit sowie der momentan äusserst tiefe Kurs des Dirham. Abgesehen davon sind die Autos in Abu Dhabi mindestens 20 Prozent billiger als in der Schweiz. So gesehen, kriegen wir den Wagen quasi geschenkt. Da wäre es ja direkt fahrlässig, ein solches Schnäppchen auszuschlagen...
Hockey is on
Die Eishockey-Saison hat vor etwas mehr als einer Woche begonnen, und zwar gleich mit einem Highlight: mit Sandy Velenosi und Zack Blashkiw kommen zwei kanadische Coaches nach Abu Dhabi und leiten ein „Powerskate und Hockey Development-Camp“, das insgesamt über 60 junge Spieler aufs Eis lockt. Ich habe sogar meinen Freiwunsch erhalten und kümmere mich während drei Tagen um sämtliche Belange der beiden Hockey-Cracks. Dabei spiele ich Chauffeur, Fremdenführer und Betreuer zugleich. Ich gehe sogar soweit, dass ich, um mit den „Crazy Canucks“ mithalten zu können, meiner sensiblen Leber nach Sonnenuntergang grössere Mengen alkoholischer Getränke zuführe, was zwischenzeitlich deutliche Spuren hinterlässt.
Ebenfalls Spuren, glücklicherweise aber ausschliesslich im mentalen Bereich, hinterlassen zwei Zwischenfälle auf dem Eis: Da ist zum einen der unglückliche Fall eines Coaches auf den nicht behelmten Hinterkopf und zum anderen der gestürzte Spieler, der mit hoher Geschwindigkeit ungebremst in die Bande donnert, nicht mehr atmen kann und minutenlang regungslos liegen bleibt. Wir haben grosses Glück, denn in beiden Fällen sind Ärzte zur Stelle, deren Söhne zu den Teilnehmern gehören, und in beiden Fällen sind die Verletzungen minim. Beim verletzten Coach geht der Herr Doktor gar so weit, dass er sich nach getaner Pflicht dazu hinreissen lässt, Sandy, Zack und meine Wenigkeit (ein Präsident geniesst eben Sonderrechte) auf eine abendliche Bootstour einzuladen. So treffen wir uns nach der harten Arbeit auf dem Eis in der Marina beim Hotel Intercontinental und „entern“ zusammen mit einer Gruppe frankokanadischer Ärzte eine nicht ganz unbescheidene und auf den Namen „Marie-Claude“ getaufte Barkasse. 20 Personen sind es an der Zahl, Erwachsene, Kinder und zwei Hunde. So flitzen wir an den Strand von „Bahraini Island“. Dann werden riesige Cooler geöffnet, Bierbüchsen enthauptet und Salamipackungen entjungfert. Wir legen uns ins laue, knietiefe Wasser und geniessen das „Dolce far niente“ im Arabischen Golf. Der Sonnenuntergang auf der Rückfahrt toppt das Erlebte und Sandy beginnt immer öfter von einem Umzug seiner Hockeyschule (http://www.velsk8.com/) nach Abu Dhabi zu fantasieren.
A430-600
Neben solchen und ähnlichen Highlights kommt es immer wieder vor, dass ich im Cockpit sitze und meiner hauptberuflichen Tätigkeit nachgehe. Mittlerweile habe ich auch meine ersten A340-600 Flüge hinter mir. Einen kurzen „Turnaround“ nach Delhi und in der vergangenen Woche den ersten Einsatz nach Toronto. Da wären wir also bereits wieder bei den Kanadiern.
Toronto – die Eishockey verrückte Stadt am „Lake Ontario“, Sitz der „Hockey Hall of Fame“ mit Spielernamen in ihren Hallen, die das viel gerühmte Eis schmelzen lassen wie die Sonne den Wachs von Ikarus’ Flügeln.
Auf Sightseeing Tour in Toronto
The "Hockey Hall of Fame"
Noch bedient Etihad die Stadt erst vier Mal wöchentlich, so dass die Besatzungen von Mehrnächtern profitieren. Ein Freitag in der Metropole ist purer Luxus und – ähnlich wie die Anschaffung eines Mercedes – ein Privileg erster Güte. Die Tatsache, sich dessen bewusst zu sein, reduziert allfällig aufkommende Schuldgefühle auf ein Minimum. Der Aufenthalt bei prächtigstem Wetter lässt Jubelstimmung aufkommen, die „Sightseeing-Tour“ im offenen Doppeldecker Frühlingsgefühle. Dabei stehen wir vor den Pforten des Herbstes und müssen bereits wieder mit frühmorgendlichen Nebelschwaden rechnen. Nicht nur in der Schweiz oder in Zentraleuropa wohlverstanden. Auch Abu Dhabi ist in höchstem Masse gefährdet! Womit wir bereits beim wahren Highlight dieser Rotation wären; einer „Diversion“ nach Al Ain. Bereits die Wettervorhersage beim Abflug in Toronto verhiess nichts Gutes für unsere Ankunft in der Wüste. Als wir schliesslich – 12 Stunden später und 100 Tonnen leichter – in Abu Dhabi eintreffen, kreisen bereits die ersten beiden Maschinen im Holding. Die Sicht beträgt 100 Meter, teilweise noch weniger. „No improvement expected for the next 1 ½ hours“ vermeldet „Approach Control“. Obwohl wir zusätzlich Sprit getankt haben, scheint uns in Anbetracht dieser Ausgangslage einzig eine vorzeitige Ausweichlandung in Al Ain vernünftig. Denn „Most“ zu "verbraten" und anschliessend womöglich mit knappem Fuelbestand als letzte den Ausweichplatz anzusteuern, wollen wir nach dieser langen Flugzeit um jeden Preis vermeiden. Die Lösung erweist sich im Nachhinein als gut, denn nach einer Stunde auf dem heissen Beton von Al Ain rollen wir bereits wieder zur Startpiste und landen 20 Minuten später in Abu Dhabi. Andere Kollegen stehen noch auf dem Tarmac und warten auf den Tankwagen oder auf ihre Flugunterlagen. „First come, first serve“ – da macht die Fliegerei keinen Unterschied.
Tuesday, September 25, 2007
Sunday, September 16, 2007
Drei Tage im Nationalpark
Ich, Nina, war diesen Sommer wirklich ganze drei Tage im Nationalpark. Aber nicht mit meiner Familie. Nein! Sondern mit meiner ehemaligen Klasse. Es war ein sehr toller Ausflug. Doch ich glaube das Tüpfchen auf dem i war für alle, dass ich auch dabei sein durfte! Die ganze Klasse hatte Spass!
Die "Hütte Varusch" - unsere Unterkunft
1. Tag
Am Montagmorgen, dem 27. August, um 7.40 Uhr ging es los. Zuerst mit dem Bus, dann mit dem Zug. Nach dem Lunch, für den wir unsere reise eine Stunde unterbrachen, gab es zwei kleine Filme zu sehen. Einer über die Bartgeier im Nationalpark und der andere über den Nationalpark. Das alles sahen wir im Nationalpark-Haus. Dieses Museum ist zwar nicht im Nationalpark, gehört aber trotzdem dazu.
Vor den Sommerferien mussten sich die Schüler (nur ich nicht) in einer Liste eintragen. Immer zu zweit. Denn diese Zweiergrüppchen bekamen ein Tier zugeteilt, zu dem sie so viel wie möglich herausfinden mussten. So schaute sich die ganze Klasse etwa eine Viertelstunde in diesem Museum um, dann ging es weiter. Wieder stiegen wir in einen Zug und wieder mussten wir umsteigen.
Irgendwann erreichten wir einen Bahnhof, an dem es nicht mehr mit Zug oder Bus weiterging, sondern nur noch mit den Füssen. Wir mussten ungefähr 1.30-2.00 Stunden laufen. Es war anstrengend, und nicht nur die Füsse sondern auch die Schultern taten uns allen danach sehr weh (ist doch klar bei so einem schweren Rucksack mit Kleidung für drei Tage, einem kleinen Lunch, Schlafsack und Kamera oder Feldstecher). Trotzdem war gute Stimmung. Das Wetter spielte mit, und uns wurde nie langweilig, denn wir hatten viel zu erzählen. Und dann...endlich kamen wir bei der Hütte Varusch an. Diese eher kleine aber gemütliche Hütte sollte also für drei Tage unser Hort sein. Als erstes mussten wir alles unter die Lupe nehmen. Es gab zwei grosse Zimmer, zwei Badezimmer, ein Waschraum und ein Zimmer für die Lehrer (es war nicht nur Herr Bleiker, der uns begleitete sondern auch noch Frau Bleiker und die Hilfsleiterin Linda). Wir Mädchen bekamen das grösste Zimmer, denn von unserer „Sorte“ gab es ja auch am meisten. Später richtete jede und jeder sein kleines Bett ein. Als alle damit fertig waren konnte man tun, was man wollte. Einige spielten auf dem Spielplatz, andere beobachteten mit Feldstechern die Hirsche und Gemsen und nochmals andere sassen zusammen und redeten über Gott und die Welt. Ich tat sozusagen alles. Mal spielte ich, dann wieder beobachtete ich Tiere und zwischendurch redete ich ein bisschen. Später spazierten einige aus unserer Klasse und ich in unseren Schlag. Dort spielten wir, wir würden den Bären sehen. Im Nationalpark-Haus gab es nämlich einen Zettel, auf dem stand, was man machen sollte, wenn man den Bär sieht. Also übten wir das. Nur 10 Minuten später gab es Abendessen.
Spät, spät am Abend, als es draussen dunkel war, erzählte uns Herr Bleiker eine Gruselgeschichte, die richtig zum Gruseln war. Eine halbe Stunde später schliefen die meisten schon. Darunter auch ich.
Vor der Hütte
2. Tag
Am zweiten Tag wurden wir etwa um 6.30 Uhr geweckt. Denn heute hatten wir eine lange Wanderung vor uns. Um 7.00 Uhr gab es Frühstück. Durim und ich mussten die Küchenarbeit machen. Dazu gehörte, dass wir das ganze Besteck abspülten und dann abtrockneten. Das dauerte eine Viertelstunde. Danach konnten wir unsere Zähne putzen und den Rucksack packen. Um 7.30 Uhr ging es los. Am Anfang sahen wir keine Murmeltiere und auch keine Hirsche. Erst nach einer halben Stunde kamen die ersten Tiere zum Vorschein. Als allererstes sah ich ein Murmeltier. Es war ziemlich weit entfernt und man konnte es nur mit einem Feldstecher sehen. Zwischendurch kam ein Vogel vorbei geflogen oder Ameisen krabbelten auf dem Boden herum. Aber ein Tier, das so richtig unsere Interessen geweckt hätte (z.B. ein Bär) entdeckten wir nicht. Doch plötzlich als wir um eine Ecke bogen, sahen wir etwa 6 Meter entfernt ein Murmeltier. Alle holten ihre Kamera oder ihren Feldstecher aus dem Rucksack und beobachteten dieses Tier. Doch es entfernte sich immer mehr. Dazu kam noch das hohe Gras, in dem sich das „Murmeli“ versteckt hielt. Plötzlich guckte ein kleiner Kopf aus einem Loch heraus. Die ganze Klasse richtete ihre Augen auf diesen merkwürdigen Kopf. Es kam immer mehr aus dem Loch heraus, dieses Ding. Man sah kleine Arme, einen Bauch und dann stand ein zweites Murmeltier vor uns. Es schaute, wie beim Überqueren einer Strasse, zuerst nach links und dann nach rechts. Danach „speedete“ es ganz schnell zum anderen Murmeltier.
Die "Murmeli" kriechen aus dem Loch
Und gleich danach kam noch ein drittes aus dem Loch. Diesmal aber ein junges. Und es blieb einfach stehen. So als würde es uns nicht geben. Ich schoss tausende von Fotos und flüsterte zwischendurch wieder „Jööö!!! So süss!“ Wir mussten flüstern, sonst wären die Tiere erschrocken. Nach einer Viertelstunde marschierten wir weiter. Wir erspähten nur ein paar Ameisen und Gemsen in weiter Entfernung.
Nach 10 Minuten sahen wir eine kleine Hütte. Dort machten wir kurz eine Pause. Und die Schüler, die noch mehr sehen wollten, wanderten mit Herr Bleiker weiter nach oben. Ich war auch dabei. Leider fing es bald an zu Regnen und wir hörten sogar einen Donnerschlag. So entschieden wir, wieder zurück zu gehen. Zum Glück war bei der kleinen Hütte ein netter Nationalpark-Wächter, der uns sofort die Türe öffnete. Dann konnten wir unsere Regenjacken ins Trockene legen. Als es aufhörte zu regnen, kam der Wächter und stellte sein Fernrohr auf ein Stativ. So konnten wir Gemse und Hirsche wunderbar beobachten. Anschliessend marschierten wir etwa eine Stunde lang bis wir einen guten Platz für unseren Lunch fanden. Es gab wie gestern Sandwiches. Doch sie waren sehr lecker. Und wenn man grossen Hunger hat, dann ist das Essen noch leckerer! Später, als alle satt waren, zogen wir weiter. Es blieben nur noch 15 Minuten bis zu unserer Lagerhütte. Nach dieser aufregenden Wanderung mussten sich alle ein bisschen entspannen.
3. Tag
Als ich aufwachte wusste ich: Das ist der dritte und somit der letzte Tag. Am Frühstückstisch wurde ausgemacht, wer alles schon früher die Hütte verlässt, um den Lunch einzukaufen. Weil meine und Noirin’s Mutter Herr Bleiker noch ein bisschen Geld für die Reise mitgegeben hatten, waren wir beide auch dabei. Zu sechst trotteten wir los: Fünf Kinder und eine Hilfsleiterin, nämlich Linda. Auf dem Weg ins Dorf fing es an zu regnen. Es war aber nicht so schlimm. Als wir bei den Häusern ankamen, rannten wir schnell in den Volg und kauften dort die Esswaren. Danach machten wir uns auf den Weg zum Banhof. Dort warteten wir 20 Minuten bis die anderen eintrafen. Anschliessend reisten wir eine Weile mit Zug und Bus. Das Wetter wurde wieder schöner, deshalb durften wir einen Zwischenstopp machen und Katzengold suchen. Einige fanden mehr und andere weniger. Auch ich sammelte einige Steine, doch die schenkte ich denen, die nur wenig Katzengold fanden.
Unterwegs im Zug
Schliesslich machten wir uns auf die endgültige Rückreise nach Stadel. Dann sah ich die Schule. Sie wurde immer grösser, bis der Bus anhielt. Wir waren am Ende dieser drei Tage. Draussen standen schon viele Eltern. Auch meine Mutter wartete auf mich. Noch schnell tauschten wir einige Worte mit den Eltern meiner Klassenkameraden. Dann mussten wir uns verabschieden. Ich konnte nicht anders und musste alle meine Freunde umarmen. Dann fuhren meine Mutter und ich los. Im Auto erzählte ich ihr alles was passiert war. Noch am gleichen Abend flogen wir zu zweit zurück nach Abu Dhabi. Und auf dem Flug dachte ich: Das waren die besten drei Tage die ich je mit meiner Klasse erlebt hatte!!!
Die "Hütte Varusch" - unsere Unterkunft
1. Tag
Am Montagmorgen, dem 27. August, um 7.40 Uhr ging es los. Zuerst mit dem Bus, dann mit dem Zug. Nach dem Lunch, für den wir unsere reise eine Stunde unterbrachen, gab es zwei kleine Filme zu sehen. Einer über die Bartgeier im Nationalpark und der andere über den Nationalpark. Das alles sahen wir im Nationalpark-Haus. Dieses Museum ist zwar nicht im Nationalpark, gehört aber trotzdem dazu.
Vor den Sommerferien mussten sich die Schüler (nur ich nicht) in einer Liste eintragen. Immer zu zweit. Denn diese Zweiergrüppchen bekamen ein Tier zugeteilt, zu dem sie so viel wie möglich herausfinden mussten. So schaute sich die ganze Klasse etwa eine Viertelstunde in diesem Museum um, dann ging es weiter. Wieder stiegen wir in einen Zug und wieder mussten wir umsteigen.
Irgendwann erreichten wir einen Bahnhof, an dem es nicht mehr mit Zug oder Bus weiterging, sondern nur noch mit den Füssen. Wir mussten ungefähr 1.30-2.00 Stunden laufen. Es war anstrengend, und nicht nur die Füsse sondern auch die Schultern taten uns allen danach sehr weh (ist doch klar bei so einem schweren Rucksack mit Kleidung für drei Tage, einem kleinen Lunch, Schlafsack und Kamera oder Feldstecher). Trotzdem war gute Stimmung. Das Wetter spielte mit, und uns wurde nie langweilig, denn wir hatten viel zu erzählen. Und dann...endlich kamen wir bei der Hütte Varusch an. Diese eher kleine aber gemütliche Hütte sollte also für drei Tage unser Hort sein. Als erstes mussten wir alles unter die Lupe nehmen. Es gab zwei grosse Zimmer, zwei Badezimmer, ein Waschraum und ein Zimmer für die Lehrer (es war nicht nur Herr Bleiker, der uns begleitete sondern auch noch Frau Bleiker und die Hilfsleiterin Linda). Wir Mädchen bekamen das grösste Zimmer, denn von unserer „Sorte“ gab es ja auch am meisten. Später richtete jede und jeder sein kleines Bett ein. Als alle damit fertig waren konnte man tun, was man wollte. Einige spielten auf dem Spielplatz, andere beobachteten mit Feldstechern die Hirsche und Gemsen und nochmals andere sassen zusammen und redeten über Gott und die Welt. Ich tat sozusagen alles. Mal spielte ich, dann wieder beobachtete ich Tiere und zwischendurch redete ich ein bisschen. Später spazierten einige aus unserer Klasse und ich in unseren Schlag. Dort spielten wir, wir würden den Bären sehen. Im Nationalpark-Haus gab es nämlich einen Zettel, auf dem stand, was man machen sollte, wenn man den Bär sieht. Also übten wir das. Nur 10 Minuten später gab es Abendessen.
Spät, spät am Abend, als es draussen dunkel war, erzählte uns Herr Bleiker eine Gruselgeschichte, die richtig zum Gruseln war. Eine halbe Stunde später schliefen die meisten schon. Darunter auch ich.
Vor der Hütte
2. Tag
Am zweiten Tag wurden wir etwa um 6.30 Uhr geweckt. Denn heute hatten wir eine lange Wanderung vor uns. Um 7.00 Uhr gab es Frühstück. Durim und ich mussten die Küchenarbeit machen. Dazu gehörte, dass wir das ganze Besteck abspülten und dann abtrockneten. Das dauerte eine Viertelstunde. Danach konnten wir unsere Zähne putzen und den Rucksack packen. Um 7.30 Uhr ging es los. Am Anfang sahen wir keine Murmeltiere und auch keine Hirsche. Erst nach einer halben Stunde kamen die ersten Tiere zum Vorschein. Als allererstes sah ich ein Murmeltier. Es war ziemlich weit entfernt und man konnte es nur mit einem Feldstecher sehen. Zwischendurch kam ein Vogel vorbei geflogen oder Ameisen krabbelten auf dem Boden herum. Aber ein Tier, das so richtig unsere Interessen geweckt hätte (z.B. ein Bär) entdeckten wir nicht. Doch plötzlich als wir um eine Ecke bogen, sahen wir etwa 6 Meter entfernt ein Murmeltier. Alle holten ihre Kamera oder ihren Feldstecher aus dem Rucksack und beobachteten dieses Tier. Doch es entfernte sich immer mehr. Dazu kam noch das hohe Gras, in dem sich das „Murmeli“ versteckt hielt. Plötzlich guckte ein kleiner Kopf aus einem Loch heraus. Die ganze Klasse richtete ihre Augen auf diesen merkwürdigen Kopf. Es kam immer mehr aus dem Loch heraus, dieses Ding. Man sah kleine Arme, einen Bauch und dann stand ein zweites Murmeltier vor uns. Es schaute, wie beim Überqueren einer Strasse, zuerst nach links und dann nach rechts. Danach „speedete“ es ganz schnell zum anderen Murmeltier.
Die "Murmeli" kriechen aus dem Loch
Und gleich danach kam noch ein drittes aus dem Loch. Diesmal aber ein junges. Und es blieb einfach stehen. So als würde es uns nicht geben. Ich schoss tausende von Fotos und flüsterte zwischendurch wieder „Jööö!!! So süss!“ Wir mussten flüstern, sonst wären die Tiere erschrocken. Nach einer Viertelstunde marschierten wir weiter. Wir erspähten nur ein paar Ameisen und Gemsen in weiter Entfernung.
Nach 10 Minuten sahen wir eine kleine Hütte. Dort machten wir kurz eine Pause. Und die Schüler, die noch mehr sehen wollten, wanderten mit Herr Bleiker weiter nach oben. Ich war auch dabei. Leider fing es bald an zu Regnen und wir hörten sogar einen Donnerschlag. So entschieden wir, wieder zurück zu gehen. Zum Glück war bei der kleinen Hütte ein netter Nationalpark-Wächter, der uns sofort die Türe öffnete. Dann konnten wir unsere Regenjacken ins Trockene legen. Als es aufhörte zu regnen, kam der Wächter und stellte sein Fernrohr auf ein Stativ. So konnten wir Gemse und Hirsche wunderbar beobachten. Anschliessend marschierten wir etwa eine Stunde lang bis wir einen guten Platz für unseren Lunch fanden. Es gab wie gestern Sandwiches. Doch sie waren sehr lecker. Und wenn man grossen Hunger hat, dann ist das Essen noch leckerer! Später, als alle satt waren, zogen wir weiter. Es blieben nur noch 15 Minuten bis zu unserer Lagerhütte. Nach dieser aufregenden Wanderung mussten sich alle ein bisschen entspannen.
3. Tag
Als ich aufwachte wusste ich: Das ist der dritte und somit der letzte Tag. Am Frühstückstisch wurde ausgemacht, wer alles schon früher die Hütte verlässt, um den Lunch einzukaufen. Weil meine und Noirin’s Mutter Herr Bleiker noch ein bisschen Geld für die Reise mitgegeben hatten, waren wir beide auch dabei. Zu sechst trotteten wir los: Fünf Kinder und eine Hilfsleiterin, nämlich Linda. Auf dem Weg ins Dorf fing es an zu regnen. Es war aber nicht so schlimm. Als wir bei den Häusern ankamen, rannten wir schnell in den Volg und kauften dort die Esswaren. Danach machten wir uns auf den Weg zum Banhof. Dort warteten wir 20 Minuten bis die anderen eintrafen. Anschliessend reisten wir eine Weile mit Zug und Bus. Das Wetter wurde wieder schöner, deshalb durften wir einen Zwischenstopp machen und Katzengold suchen. Einige fanden mehr und andere weniger. Auch ich sammelte einige Steine, doch die schenkte ich denen, die nur wenig Katzengold fanden.
Unterwegs im Zug
Schliesslich machten wir uns auf die endgültige Rückreise nach Stadel. Dann sah ich die Schule. Sie wurde immer grösser, bis der Bus anhielt. Wir waren am Ende dieser drei Tage. Draussen standen schon viele Eltern. Auch meine Mutter wartete auf mich. Noch schnell tauschten wir einige Worte mit den Eltern meiner Klassenkameraden. Dann mussten wir uns verabschieden. Ich konnte nicht anders und musste alle meine Freunde umarmen. Dann fuhren meine Mutter und ich los. Im Auto erzählte ich ihr alles was passiert war. Noch am gleichen Abend flogen wir zu zweit zurück nach Abu Dhabi. Und auf dem Flug dachte ich: Das waren die besten drei Tage die ich je mit meiner Klasse erlebt hatte!!!
Thursday, September 13, 2007
Home back home!
Nach meiner „New York-Odyssee“ kann ich mich während vier Tagen zuhause erholen. Es sind dies die ersten gemeinsamen Momente mit der Familie nach den langen Sommerferien. Franziska und Nina haben die Pause ausgiebig genossen und sind erst nach meiner Abreise in die Staaten nach Abu Dhabi zurückgekehrt. Anfang Juni waren es Tim und ebenfalls Franziska, die als erste aufbrachen, um in London eine Hochzeitsfeier zu besuchen.
Neues Schuljahr, neuer Rhythmus...
Die tägliche Routine hat uns schnell wieder im Griff. Die Schulzeiten der Kinder diktieren den Tagesrhythmus. Für Tim hat sich einiges geändert, bei den Mädchen bleibt (fast) alles beim Alten. Sie besuchen nach wie vor die Deutsche Schule. Allerdings hat das neue Schuljahr Veränderungen im Lehrerstab und in den einzelnen Klassen gebracht. So tauscht Linda das Privileg, einziges Mädchen in einer Horde von Jungs zu sein gegen zwei neue Klassenkameradinnen ein. Einige Lehrer haben die Schule verlassen, neue sind gekommen. Für Nina beginnt erst jetzt – in der sechsten Klasse – der Französischunterricht.
Die DSAD insgesamt hegt grosse Pläne: die Emiratische Regierung hat ein neues, hervorragend ausgestattetes Schulgebäude in Aussicht gestellt. Die Verhandlungen und Abklärungen mit den einzelnen Stellen, in Abu Dhabi wie in Deutschland, laufen auf Hochtouren. Im Zusammenhang mit der geplanten Einführung des internationalen bilingualen Abiturs käme ein solcher Umzug einem qualitativen Quantensprung der Schule gleich. Doch noch ist nichts offiziell und so schicken wir hie und da ein kräftiges „Insch’ Allah“ zum Himmel. In der Hoffnung, Allah möge während des soeben angebrochenen „Ramadan“ besonders hellhörig sein und sich als besonders grosszügig erweisen. Auch gegenüber Nicht-Muslimen.
Für Tim hat der Wechsel an die „American Community School“ (ACS) spürbare Veränderungen gebracht. Er verlässt das Haus bereits um 0715 Uhr. Der Driver einer bei uns im Compound wohnhaften amerikanischen Familie mit drei Jungs an der selben Schule fährt die vier durch den Morgenverkehr zur ACS. Die Schule gehört mit rund 800 Schülern zu den grössten in Abu Dhabi und verfügt über ausgezeichnete Infrastrukturen. Speziell im Bereich Sport wird den Schülern und Schülerinnen eine vielfältige Auswahl geboten. Tim hat es ins „Varsity Soccer Team“ geschafft und wird in den kommenden Wochen an den diversen Liga- und Turnierwettkämpfen teilnehmen können. Die Auswahl erstreckte sich über mehrere Wochen, während derer in diversen Trainings die bestehende Gruppe von 32 Jungs auf 18 zusammengestrichen wurde. Für die Endrunde im November werden dann nochmals vier Spieler das Team verlassen müssen. Die Amerikaner verstehen es ausgezeichnet, kompetitive Elemente zu betonen und die Konkurrenz zusätzlich anzuheizen. Für Tim ist die Aufnahme ins Team gar so wichtig, dass er sich – nach Jahren des Widerstrebens – bereit erklärt hat, Kontaktlinsen zu tragen. Eine Auflage des Coaches, der ihn aus Sicherheitsgründen nicht mit Brille spielen lassen will. "Safety first". Beinahe wie in der Fliegerei.
Der Unterricht in Englisch fordert ebenfalls seinen Tribut. Die Lektionen sind anstrengend und der vermittelte Stoff wird regelmässig in Form eines bewerteten Quiz’ überprüft. Ausserdem werden wesentlich mehr Hausaufgaben verteilt als in der Deutschen Schule. Mit dem Resultat, dass Tim deutlich mehr arbeiten muss und abends in der Folge früher in die Federn kriecht als auch schon. Doch er fühlt sich wohl und geniesst das neue Umfeld. Auf diese Weise lässt sich so vieles leichter ertragen.
...neue Aktivitäten...
Auch die liebe Gattin hat sich bereits wieder tüchtig verfangen im dicht gewobenen Netz diverser Schulaktivitäten. In der Bibliothek der DSAD gilt es, die beiden neuen Teammitglieder einzuführen und das Festkomitee beginnt bereits mit der Planung feucht-fröhlicher Aktivitäten und fasst die Organisation eines „Oktoberfests“ ins Auge. Ausserdem lädt die ACS die Eltern sämtlicher Neuzugänge zu einem informativen „New Parents Dinner“ ein und sucht ebenfalls wacker neue „Volunteers“. Für einmal können wir uns (knapp) zurückhalten. Dafür besucht Franziska die erste Ausgabe des von den „Desperate Housewives“ unseres Compounds ins Leben gerufenen „Literature meetings“ und organisiert für Nina eine neue Klavierlehrerin polnischen Ursprungs.
An den Wochenenden (zur Erinnerung: Freitag / Samstag) strömen Kinder und Jugendliche unter unser Dach und bereits nach einer Woche hat jedes der Kinder jemanden zur Übernachtung eingeladen. Das pikante Detail, dass es sich dabei lediglich bei Tim und Nina um Freunde gleichen Geschlechts handelt, sei hier – aus Gründen der Diskretion – lediglich am Rande erwähnt. Die Zeiten ändern sich eben und der Geist der modernen Aufklärung treibt ratsuchende Eltern manchmal dermassen in die Enge, dass einzig mit innovativen (schönfärberisches Adjektiv zur Tarnung hilfloser Erziehungmassnahmen) Lösungsansätzen ein Abbruch der Verhandlungen zu verhindern ist ...
...und neue Flügelschläge
Mit dem September beginnt auch die neue Eishockey-Saison der „Falken“. Die „Abu Dhabi Falcons“ versuchen unter neuer Führung, ihre angeschlagenen Strukturen zu festigen. Die Planung dieser Saison hat mich den ganzen Sommer hindurch beschäftigt, allerdings eher auf kleiner Flamme. Doch mit dem „Registration Day“ am 8. September, dem Tag, an dem die Eltern in Scharen zum „Ice Rink“ pilgern um das Jahresgeld abzuladen und das Beitrittsformular zu unterschreiben, hat sich der junge Falke mutig aus dem Horst gestürzt. Mit ersten Flügelschlägen erkundet er, neugierig und mutig zugleich, sein Umfeld. Und er darf sich freuen: Das Echo ist erfreulich gross: knapp über 80 Spieler und Spielerinnen tragen sich im Clubregister ein. Mit Sicherheit werden es noch einige mehr werden.
Bereits dieses Wochendende steht das erste Trainingscamp an. Zwei Coaches aus Kanada (http://www.velsk8.com/) weilen für eine Woche in den Emiraten. Dabei arbeiten sie während der ersten Tage ausschliesslich im Raum Dubai, um am Donnerstagabend nach Abu Dhabi zu wechseln. Auf dem Eis verspricht ihr „Powerskating“-Training Abwechslung und viel Dynamik. Neben dem Eis ist vor allem Sightseeing und Betreuung angesagt; durch unsere Coaches und durch mich, den Präsidenten des Clubs. So sind denn zwei meiner vier Freitage bereits verplant. Es gilt, den Falken in der Luft zu halten und für stabile aerodynamische Verhältnisse zu sorgen. Ob mir dies gelingt, wird sich in Bälde zeigen. Ich will es hoffen – auch ohne Navigationscomputer und Autopilot!
Neues Schuljahr, neuer Rhythmus...
Die tägliche Routine hat uns schnell wieder im Griff. Die Schulzeiten der Kinder diktieren den Tagesrhythmus. Für Tim hat sich einiges geändert, bei den Mädchen bleibt (fast) alles beim Alten. Sie besuchen nach wie vor die Deutsche Schule. Allerdings hat das neue Schuljahr Veränderungen im Lehrerstab und in den einzelnen Klassen gebracht. So tauscht Linda das Privileg, einziges Mädchen in einer Horde von Jungs zu sein gegen zwei neue Klassenkameradinnen ein. Einige Lehrer haben die Schule verlassen, neue sind gekommen. Für Nina beginnt erst jetzt – in der sechsten Klasse – der Französischunterricht.
Die DSAD insgesamt hegt grosse Pläne: die Emiratische Regierung hat ein neues, hervorragend ausgestattetes Schulgebäude in Aussicht gestellt. Die Verhandlungen und Abklärungen mit den einzelnen Stellen, in Abu Dhabi wie in Deutschland, laufen auf Hochtouren. Im Zusammenhang mit der geplanten Einführung des internationalen bilingualen Abiturs käme ein solcher Umzug einem qualitativen Quantensprung der Schule gleich. Doch noch ist nichts offiziell und so schicken wir hie und da ein kräftiges „Insch’ Allah“ zum Himmel. In der Hoffnung, Allah möge während des soeben angebrochenen „Ramadan“ besonders hellhörig sein und sich als besonders grosszügig erweisen. Auch gegenüber Nicht-Muslimen.
Für Tim hat der Wechsel an die „American Community School“ (ACS) spürbare Veränderungen gebracht. Er verlässt das Haus bereits um 0715 Uhr. Der Driver einer bei uns im Compound wohnhaften amerikanischen Familie mit drei Jungs an der selben Schule fährt die vier durch den Morgenverkehr zur ACS. Die Schule gehört mit rund 800 Schülern zu den grössten in Abu Dhabi und verfügt über ausgezeichnete Infrastrukturen. Speziell im Bereich Sport wird den Schülern und Schülerinnen eine vielfältige Auswahl geboten. Tim hat es ins „Varsity Soccer Team“ geschafft und wird in den kommenden Wochen an den diversen Liga- und Turnierwettkämpfen teilnehmen können. Die Auswahl erstreckte sich über mehrere Wochen, während derer in diversen Trainings die bestehende Gruppe von 32 Jungs auf 18 zusammengestrichen wurde. Für die Endrunde im November werden dann nochmals vier Spieler das Team verlassen müssen. Die Amerikaner verstehen es ausgezeichnet, kompetitive Elemente zu betonen und die Konkurrenz zusätzlich anzuheizen. Für Tim ist die Aufnahme ins Team gar so wichtig, dass er sich – nach Jahren des Widerstrebens – bereit erklärt hat, Kontaktlinsen zu tragen. Eine Auflage des Coaches, der ihn aus Sicherheitsgründen nicht mit Brille spielen lassen will. "Safety first". Beinahe wie in der Fliegerei.
Der Unterricht in Englisch fordert ebenfalls seinen Tribut. Die Lektionen sind anstrengend und der vermittelte Stoff wird regelmässig in Form eines bewerteten Quiz’ überprüft. Ausserdem werden wesentlich mehr Hausaufgaben verteilt als in der Deutschen Schule. Mit dem Resultat, dass Tim deutlich mehr arbeiten muss und abends in der Folge früher in die Federn kriecht als auch schon. Doch er fühlt sich wohl und geniesst das neue Umfeld. Auf diese Weise lässt sich so vieles leichter ertragen.
...neue Aktivitäten...
Auch die liebe Gattin hat sich bereits wieder tüchtig verfangen im dicht gewobenen Netz diverser Schulaktivitäten. In der Bibliothek der DSAD gilt es, die beiden neuen Teammitglieder einzuführen und das Festkomitee beginnt bereits mit der Planung feucht-fröhlicher Aktivitäten und fasst die Organisation eines „Oktoberfests“ ins Auge. Ausserdem lädt die ACS die Eltern sämtlicher Neuzugänge zu einem informativen „New Parents Dinner“ ein und sucht ebenfalls wacker neue „Volunteers“. Für einmal können wir uns (knapp) zurückhalten. Dafür besucht Franziska die erste Ausgabe des von den „Desperate Housewives“ unseres Compounds ins Leben gerufenen „Literature meetings“ und organisiert für Nina eine neue Klavierlehrerin polnischen Ursprungs.
An den Wochenenden (zur Erinnerung: Freitag / Samstag) strömen Kinder und Jugendliche unter unser Dach und bereits nach einer Woche hat jedes der Kinder jemanden zur Übernachtung eingeladen. Das pikante Detail, dass es sich dabei lediglich bei Tim und Nina um Freunde gleichen Geschlechts handelt, sei hier – aus Gründen der Diskretion – lediglich am Rande erwähnt. Die Zeiten ändern sich eben und der Geist der modernen Aufklärung treibt ratsuchende Eltern manchmal dermassen in die Enge, dass einzig mit innovativen (schönfärberisches Adjektiv zur Tarnung hilfloser Erziehungmassnahmen) Lösungsansätzen ein Abbruch der Verhandlungen zu verhindern ist ...
...und neue Flügelschläge
Mit dem September beginnt auch die neue Eishockey-Saison der „Falken“. Die „Abu Dhabi Falcons“ versuchen unter neuer Führung, ihre angeschlagenen Strukturen zu festigen. Die Planung dieser Saison hat mich den ganzen Sommer hindurch beschäftigt, allerdings eher auf kleiner Flamme. Doch mit dem „Registration Day“ am 8. September, dem Tag, an dem die Eltern in Scharen zum „Ice Rink“ pilgern um das Jahresgeld abzuladen und das Beitrittsformular zu unterschreiben, hat sich der junge Falke mutig aus dem Horst gestürzt. Mit ersten Flügelschlägen erkundet er, neugierig und mutig zugleich, sein Umfeld. Und er darf sich freuen: Das Echo ist erfreulich gross: knapp über 80 Spieler und Spielerinnen tragen sich im Clubregister ein. Mit Sicherheit werden es noch einige mehr werden.
Bereits dieses Wochendende steht das erste Trainingscamp an. Zwei Coaches aus Kanada (http://www.velsk8.com/) weilen für eine Woche in den Emiraten. Dabei arbeiten sie während der ersten Tage ausschliesslich im Raum Dubai, um am Donnerstagabend nach Abu Dhabi zu wechseln. Auf dem Eis verspricht ihr „Powerskating“-Training Abwechslung und viel Dynamik. Neben dem Eis ist vor allem Sightseeing und Betreuung angesagt; durch unsere Coaches und durch mich, den Präsidenten des Clubs. So sind denn zwei meiner vier Freitage bereits verplant. Es gilt, den Falken in der Luft zu halten und für stabile aerodynamische Verhältnisse zu sorgen. Ob mir dies gelingt, wird sich in Bälde zeigen. Ich will es hoffen – auch ohne Navigationscomputer und Autopilot!
Wednesday, September 05, 2007
Gestrandet in New York
Diese Geschichte mag unglaublich klingen, und kritische „Wüstenspuren“-Leser – nicht nur Peter – werden sich fragen, ob das Geschriebene auch wirklich der Wahrheit entspricht. Doch ich kann euch versichern, beim Barte des Propheten (dem ich wesentlich näher bin als auch schon...), dass nicht eine einzige Silbe erfunden ist. Wenn Murphy zuschlägt, dann tut er dies konsequent, und mit einer Kraft, die so manche Planungsstelle in die Verzweiflung treibt.
Dann gibt es auch noch Zufälle. Die Tatsache beispielsweise, dass sich der zweite Captain meines New York-Flugs kurzfristig krank meldet und kein geringerer als Toni in die Lücke springt! Seine SMS erreicht mich, als ich bereits auf dem Weg zum Flughafen bin. Natürlich freuen wir uns, schliesslich passiert solches nicht alle Tage.
Entspannter Auftakt
Rund 16 Stunden später, nach einem ereignislosen Flug, landen wir auf der Piste 31L des John F. Kennedy Airport. Die Sonne lacht und lockt so manche Seele unserer Crew nach Manhattan. Toni und ich nehmen’s gemütlich, schweifen durch die gut gefüllte "Mall" und lassen den Tag bei Sam Addams und Filet Mignon ausklingen.
Am nächsten Morgen, frisch geduscht und bereits in Uniformhose, bemerke ich den Zettel unter der Zimmertür. Unser „Pick-up“ sei drei Stunden verspätet, steht geschrieben. Ein Grund wird nicht genannt. Es stellt sich heraus, dass die Maschine auf dem Weg von Abu Dhabi nach New York in Paris zwischenlanden musste. Wegen eines medizinischen Notfalls. Mir scheint, um den allgemeinen Gesundheitszustand unserer Fluggäste ist es nicht zum Besten bestellt. Regelmässig höre ich von solchen „Medical Emergencies“, die einzelne Flüge zu unplanmässigen Landungen zwingen. Öfters als ich dies aus SWISS(air)-Zeiten in Erinnerung habe. Zumindest bleibt uns nun genügend Zeit für ein ausgiebiges Frühstück im Hotel. Wir würden später froh sein, um die getankten Energien...
Die Crew steht auf schwachen Beinen
Bei der Ankunft am Flughafen spähen wir neugierig nach der Heckflosse mit dem Falken. Unser Airbus A340-500 steht in der Tat am Gate. Zahlreiche Transit-Passagiere warten bereits seit dem frühen Morgen auf den Abflug. Wir begegnen ihnen im Gedränge der Security-Schlangen vor den Gepäckröntgenmaschinen, und auch die Wartehalle beim Gate ist bereits dicht besetzt. Auf dem Hinflug hat alles bestens geklappt. Kurt, der kanadische Copi, und ich – wir haben auf dem Hinflug als „Crew A“ gewirkt – können einige spitze Bemerkungen nicht verkneifen. „Seit ihr am Ball seid, geht gar nichts mehr“ bekommen Toni und Dev zu hören. Sie wissen es zu ertragen und fahren ungerührt mit der Planung fort.
Während die Kabinenbesatzung ihr Briefing zu Ende führt, verlassen wir die etwas hektische Atmosphäre beim Gate und begeben uns ins Flugzeug, wo „Cleaners“ immer noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt sind. Das Innere der langen Röhre gleicht wie immer in dieser Phase einem Wespennest. Mechaniker, „Catering“-Personal und Sicherheitsverantwortliche streifen hektisch durch die Kabine. Toni und Dev, der malayische Copi, beginnen mit der „Fütterung“ der Computer, die – ähnlich wie die Raubtiere im Zoo – gierig verschlingen, was ihnen eingegeben wird. Ich setze mich auf den Jumpseat und blättere in den Handbüchern. Dann taucht jemand von der Kabinenbesatzung im Cockpiteingang auf. Es ist die aus dem Land der Pyramiden stammende Naggla, die mit verwirrtem Blick erklärt: „Captain, one of the cabin crew has collapsed!“
Da waren’s nur noch 17...
Da Toni immer noch mit Flugvorbereitungen beschäftigt ist, gehe ich den Weg zurück zum „Gate“, wo sich, mit Ausnahme der „Galley Operators“, unsere Hostessen bis zum Ende der Kabinenreinigung die Zeit vertreiben. Offenbar bekommt dies nicht allen gleich gut. Ein Mädchen aus den Philippinen liegt flach auf dem Boden, umringt von den Kolleginnen. Jemand hat ihre Beine hochgelagert, eine weitere Hand fächelt ihr Luft zu. Sie sei einfach umgekippt, erzählt mir eine aufgeregte Stimme. Das Gesicht ist kreidebleich, sie scheint noch immer ziemlich abwesend. Mich stört in diesem Moment, dass uns bei dieser Aktion die Passagiere ungehindert beobachten. Doch Rob, der Airport Manager, weigert sich die „Patientin“ ohne ärztliche Begutachtung zu transportieren. Die Amerikaner sind vorsichtig, das kennen wir ja. Doch das Ganze zieht sich endlos hin, die aufgebotene Ambulanz lässt auf sich warten. Schliesslich wird es auch Rob zuviel und er willigt ein, die Dame vorsichtig hochzuheben und ins „Jetty“ zu transportieren, wo sie gleich darauf einen weiteren Schwächeanfall erleidet, erbricht und beinahe wieder das Bewusstsein verliert. Wie immer in solchen Situationen fühle ich mich etwas hilflos und bin daher froh, dass sich zwei „Flight Attendants“ rührend um die Leidende kümmern. Dann endlich trifft die Sanität ein. Verzögert, dafür gleich zu dritt, uniformiert und erst noch in Begleitung eines Polizisten. Der Entscheid ist rasch gefällt: Die Patientin wird in diesem Zustand nicht mit uns fliegen. Die Ambulanz wird sie zur Abklärung in eine Klinik bringen. Dass sie letztlich vor uns in Abu Dhabi sein würde, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand wissen.
„Gear up“
Es ist bereits nach 14 Uhr Lokalzeit, als Toni unseren Airbus auf der Piste 31L zum Start aufliniert. „Etihad 100 cleared for take off.“ Die vier Rolls Royce Triebwerke beschleunigen, die Geschwindigkeit nimmt stetig zu. Der Start verläuft völlig normal. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als Toni den Befehl zum Einfahren des Fahrwerks gibt und Dev den entsprechenden Hebel bewegen will. Dieser erweist sich jedoch als ungewöhnlich störrisch. Er ist blockiert, und lässt sich trotz mehrfacher Versuche nicht bewegen. Die Räder bleiben draussen!
Der „Canarsie climb“ indes, unsere vorgegebene Abflugroute, lässt nicht viel Zeit für Gedankenspiele. Kurz nach dem Abheben müssen wir abdrehen und die Funkfrequenz wechseln. Mein Blick wandert nach links unten, wo sich die „Pins“, die Bolzen zur Sicherung des Fahrwerks befinden. Denn die Vermutung liegt in diesem Fall nahe, dass ein solcher in seiner Fahrwerkhalterung stecken geblieben ist und das Einfahren verhindert. In diesem Fall kämen wir alle ziemlich flach weg. Die anderen drei Kollegen spielen mit dem gleichen Gedanken, doch zu unserer Beruhigung befinden sich alle Pins in der dafür vorgesehenen Box. In 1500 Fuss Flughöhe erscheint eine Warnung auf einem der Bildschirme: „Landing Gear L Lenghtening fault“. Nun wird schnell klar, dass irgend etwas mit dem Fahrwerkmechanismus nicht stimmt. Noch immer stehen unsere Landeklappen auf Position 2, wir haben sie seit dem Abheben nicht verändert. Mittlerweile hat Toni den Autopiloten zugeschaltet. Auch die Abflugleitstelle reagiert rasch und weist uns an, Richtung Westen zu fliegen. Auf 5000 Fuss (1500 Meter) beenden wir fürs erste den Steigflug. Bevor sich Toni und Dev mit der Checkliste beschäftigen, sprechen wir uns kurz ab. Kurt beginnt in den technischen Handbüchern zu blättern und ich kümmere mich um die Information der Kabinenbesatzung und der Passagiere.
Für einmal zu viel Sprit
Die aerodynamischen Geräusche des ausgefahrenen Fahrwerks sind unüberhörbar und man muss kein Aviatik-Experte sein um zu realisieren, dass etwas nicht stimmt. Rasch wird klar, dass angesichts der technischen Ausgangslage nur eine Möglichkeit bleibt: eine Rückkehr nach New York!. Doch mit 110 Tonnen Kerosin in den Tanks sind wir natürlich viel zu schwer für eine sofortige Landung. Das maximale Landegewicht unseres Airbus beträgt 240 Tonnen, beim Start haben wir 321 Tonnen in die Luft gehievt. Aus diesem Grund erbitten wir am Funk eine Bewilligung, um Sprit abzulassen. Diese erhalten wir sogleich. Doch bevor Toni und Dev die Ventile öffnen, steigen wir auf 8000 Fuss. Die Passagiere haben wir darauf hingewiesen, dass der Strahl des abgehenden Sprits gut sichtbar sein wird. Während 45 Minuten ziehen wir weite Kreise über dem Nordatlantik und „dumpen“ dabei 80 Tonnen des kostbaren und teuren Treibstoffs. In der Zwischenzeit laufen weitere Absprachen mit den Etihad-Bodenstationen in New York und Abu Dhabi. Der Umstand, dass wir zu viert im Cockpit sitzen hilft, den Stresspegel tief zu halten. Während Toni und sein Copi für’s Fliegen und für die Checklisten zuständig sind, durchkämmt Kurt die technischen Unterlagen an Bord. Ich meinerseits halte die Passagiere auf dem Laufenden und kommuniziere mit der Kabinenbesatzung und den diversen Bodenstellen. Es ist kurz vor 16 Uhr, als wir gemeinsam den bevorstehenden Anflug besprechen.
Als reine Vorsichtsmassnahme bestellen wir die Feuerwehr an den Pistenrand. Auch dies wird unseren Gästen mitgeteilt. Es ist ja ein bisschen wie beim Zahnarzt: So lange man weiss, was läuft, hält sich die Angst in Grenzen. Und diesbezüglich habe ich einschlägige Erfahrung
„New York Approach Control“ führt uns speditiv auf das Instrumentenlandesystem (ILS) der Piste 31L. Das Wetter ist ausgezeichnet, der Anflug verläuft problemlos und Toni setzt den mittlerweile „nur“ noch 239 Tonnen schweren Vogel exakt auf die „Centreline“ der Landebahn. Bereits in der Endphase des Anflugs können wir die Blinklichter der Feuerwehr- und Sanitätsfahrzeuge ausmachen. Kaum drehen wir von der Piste nähern sie sich uns in raschem Tempo. Wir benötigen jedoch keine weitere Hilfe. Glücklicherweise!
"Fuel Jettisoning"-Anzeige im Cockpit
"Dumping" über dem Atlantik mit blockiertem Fahrwerk
Und so sehen es die Passagiere
Feuerwehrfahrzeuge inspizieren den Airbus
Gefährliches Nachtlager
Nach einer ersten Inspektion der Lufthansa-Mechaniker zeigt sich, dass eine Reparatur im Moment nicht möglich ist. Im „shortening mechanism“ ist ein Verbindungsbolzen gebrochen. Ein Ersatzteil muss her. Damit ist die Mission für heute gescheitert. Die Passagiere quälen sich aus ihren Sitzen und verlassen die Maschine widerwillig.
Was nach dieser ungeplanten Rückkehr folgt, wäre abend-, tagebuch- ja gar bücherfüllend. Ich werde mich kurz halten.
In den USA ist „Labour day week end“, was für die meisten Amerikaner auch das Ende der Sommermonate bedeutet. Strände und Ausflugsziele sind überfüllt mit Menschen, die das letzte lange Sommerwochenende genießen. Ebenso auch die Flughäfen. In vielen touristischen Gegenden in den Nordstaaten endet die Saison und die Hotelpreise gehen nach unten. Dafür nimmt die Belegung für einige Tage markant zu! 17 gestrandete Besatzungsmitglieder kurzfristig im „Big Apple“ unterzubringen, gestaltet sich als schwieriges Unterfangen. Für die erste Nacht reserviert uns der Airport Manager Zimmer im Airport Holiday Inn unmittelbar beim Flughafen. In einer Gegend, in der es lebensgefährlich ist, sich alleine im Freien aufzuhalten. Wir werden eindringlich gewarnt. Der letzte Mord im Quartier soll erst vor wenigen Tagen stattgefunden haben... Tief beeindruckt ob dieser Kriminalstatistik, entscheiden wir uns, das Nachtessen im Hotel einzunehmen. Mit wenigen Ausnahmen zumindest. Toni und ich sind froh, am nächsten Morgen alle guten Mutes beim Frühstück anzutreffen!
Heisse Ohren
Das Hotel kann uns nur für eine Nacht beherbergen. Wir müssen raus, haben aber keine Ahnung wohin. Die Telefone laufen heiss. Toni kabelt mit den Stationsverantwortlichen in New York bis er heisse Ohren kriegt, ich versuche bei der Einsatzleitstelle in Abu Dhabi mehr Infos zu erhaschen. Offenbar wurde ein Ersatzteil in London gefunden, noch liegen aber keine definitiven Zusagen vor. Vielleicht morgen Samstag, heisst es. Könnte aber auch Sonntag werden. Oder Montag. Toni berichtet, dass uns ein Bus nach Long Island ins Marriott Hotel fahren würde. Also werden die Koffer wieder gepackt. Die neue Bleibe gefällt allen wesentlich besser.
Die Unterhosen werden angesichts der ungewissen Ausgangslage knapp, deshalb macht sich die gesamte Besatzung am Nachmittag auf in die nahe gelegene "Mall". Und bei jeder zufälligen Begegnung blicken uns fragende Augenpaare an: „Are we going home soon?“
„Sorry, but we don’t know. Earliest Sunday morning, but...“
...Bus fahren...
...ausladen
Ungewissheit
Also noch ein Paar Unterhosen mehr in den Einkaufskorb gelegt. Auf eigene Rechnung wohlverstanden. Die Wäscherei des Hotels erklärt angesichts der Feiertage Forfait. Piloten- oder Cabin Crew-Berufsrisiko. „Expect the unexpected“ – einmal mehr und in aller Deutlichkeit. Wir geniessen die Zeit trotz der Ungewissheit. Die Atmosphäre innerhalb der Besatzung ist aufgeräumt, wenn auch einigen Damen langsam die Hauskatze oder der Boyfriend zu fehlen beginnt. Männer sind diesbezüglich wohl etwas einfacher verdrahtet. Bier gibt’s schliesslich überall. Telefoniert wird nach wie vor viel. Von Abu Dhabi bekommen wir wenig zu hören, es sind vor allem die Stationsverantwortlichen in New York, die uns aufdatieren. Das Ersatzteil sei auf dem Weg über den Grossen Teich. „Virgin Atlantic“ sei Dank. Doch die Anlieferung erfolgt erst am Sonntagmittag. Dies bedeutet eine weitere Nacht im Marriott. Mindestens dürfen wir die Zimmer behalten.
Dann wird repariert, die für Passagierflüge notwendigen Kontrollen sind in JFK allerdings nicht möglich, da gewisse Vorkehrungen fehlen. Also erhalten wir „bloss“ die Bewilligung für einen „Ferry Flight“, einen Leerflug. Angenehm für die Kabinenbesatzung, schlecht für die Kasse. Am Montagmorgen um 0700 Uhr soll’s losgehen. Dann gibt’s noch einmal Unruhe, als Toni am Sonntagabend kurzfristig angefragt wird, ob ein Start in zwei (!) Stunden möglich wäre. Natürlich nicht – wie um Himmels Willen sollen wir unsere 17 Seelen – verstreut über die unendliche Weite Manhattans – so kurfristig zusammenkriegen? Also bleibt es beim Montagmorgen. Als mein Wecker klingelt ist es immer noch dunkel. Und ich habe das Gefühl, als wäre ich erst gerade eingeschlafen.
Kulinarischer Zeitvertreib im Hotel
Heimflug
Die technische Konstellation verleiht unserem Start auf der Piste 22R in New York eine besondere Spannung. Werden wir das Fahrwerk einfahren können? Der Schaden wurde zwar repariert, eine Kontrolle der Mechanik war jedoch nicht möglich. Von Airbus haben wir die Bewilligung für lediglich einen Flug erhalten. Sollte das Fahrwerk klemmen, müssten wir nach Toronto ausweichen, wo die entsprechenden Installationen zur vollständigen Reparatur vorhanden sind. Doch dies ist – al hamdulillah – nicht nötig. Der Hebel ist willig – die Räder auch. Uns allen fällt ein Stein vom Herzen. Wir sind in der Luft. Auf dem Weg nachhause. Das Flugzeug gehört alleine uns – für einmal keine Passagiere in der Kabine!
Die Kabinenbesatzung tauscht Uniform mit Trainerhosen und T-Shirt. Die Cockpittüre bleibt für einmal – wie vor 20 Jahren – während des ganzen Fluges offen. Die erste Klasse verkommt zum Schlaf- und Kinosaal. Und die 12.30 Stunden bis nach Abu Dhabi vergehen im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug.
Doch noch einmal steigt die Spannung: dann nämlich, als wir zwei Stunden vor der Landung den aktuellen Wetterbericht von Abu Dhabi studieren. Die Sicht ist im Abnehmen begriffen, kurfristig bis gegen 1500 Meter. Die dünne Wolkendecke liegt tief: auf etwas mehr als 30 Metern über Grund. Die Anflugminima in Abu Dhabi sind wesentlich höher als in Europa. Ein Ausweichen nach Al Ain würde eigentlich perfekt zum Verlauf dieser Rotation passen und wohl niemanden erstaunen. Doch an diesem Tag ist das Glück uns hold. Die Landung klappt, ein Traktor zieht uns direkt vor den Hangar. Eine Treppe wird herangefahren.
Aussteigen – zwei Tage frei für alle. Ausser für die Mechaniker, denen 14 lange Stunden bevorstehen.
Dann gibt es auch noch Zufälle. Die Tatsache beispielsweise, dass sich der zweite Captain meines New York-Flugs kurzfristig krank meldet und kein geringerer als Toni in die Lücke springt! Seine SMS erreicht mich, als ich bereits auf dem Weg zum Flughafen bin. Natürlich freuen wir uns, schliesslich passiert solches nicht alle Tage.
Entspannter Auftakt
Rund 16 Stunden später, nach einem ereignislosen Flug, landen wir auf der Piste 31L des John F. Kennedy Airport. Die Sonne lacht und lockt so manche Seele unserer Crew nach Manhattan. Toni und ich nehmen’s gemütlich, schweifen durch die gut gefüllte "Mall" und lassen den Tag bei Sam Addams und Filet Mignon ausklingen.
Am nächsten Morgen, frisch geduscht und bereits in Uniformhose, bemerke ich den Zettel unter der Zimmertür. Unser „Pick-up“ sei drei Stunden verspätet, steht geschrieben. Ein Grund wird nicht genannt. Es stellt sich heraus, dass die Maschine auf dem Weg von Abu Dhabi nach New York in Paris zwischenlanden musste. Wegen eines medizinischen Notfalls. Mir scheint, um den allgemeinen Gesundheitszustand unserer Fluggäste ist es nicht zum Besten bestellt. Regelmässig höre ich von solchen „Medical Emergencies“, die einzelne Flüge zu unplanmässigen Landungen zwingen. Öfters als ich dies aus SWISS(air)-Zeiten in Erinnerung habe. Zumindest bleibt uns nun genügend Zeit für ein ausgiebiges Frühstück im Hotel. Wir würden später froh sein, um die getankten Energien...
Die Crew steht auf schwachen Beinen
Bei der Ankunft am Flughafen spähen wir neugierig nach der Heckflosse mit dem Falken. Unser Airbus A340-500 steht in der Tat am Gate. Zahlreiche Transit-Passagiere warten bereits seit dem frühen Morgen auf den Abflug. Wir begegnen ihnen im Gedränge der Security-Schlangen vor den Gepäckröntgenmaschinen, und auch die Wartehalle beim Gate ist bereits dicht besetzt. Auf dem Hinflug hat alles bestens geklappt. Kurt, der kanadische Copi, und ich – wir haben auf dem Hinflug als „Crew A“ gewirkt – können einige spitze Bemerkungen nicht verkneifen. „Seit ihr am Ball seid, geht gar nichts mehr“ bekommen Toni und Dev zu hören. Sie wissen es zu ertragen und fahren ungerührt mit der Planung fort.
Während die Kabinenbesatzung ihr Briefing zu Ende führt, verlassen wir die etwas hektische Atmosphäre beim Gate und begeben uns ins Flugzeug, wo „Cleaners“ immer noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt sind. Das Innere der langen Röhre gleicht wie immer in dieser Phase einem Wespennest. Mechaniker, „Catering“-Personal und Sicherheitsverantwortliche streifen hektisch durch die Kabine. Toni und Dev, der malayische Copi, beginnen mit der „Fütterung“ der Computer, die – ähnlich wie die Raubtiere im Zoo – gierig verschlingen, was ihnen eingegeben wird. Ich setze mich auf den Jumpseat und blättere in den Handbüchern. Dann taucht jemand von der Kabinenbesatzung im Cockpiteingang auf. Es ist die aus dem Land der Pyramiden stammende Naggla, die mit verwirrtem Blick erklärt: „Captain, one of the cabin crew has collapsed!“
Da waren’s nur noch 17...
Da Toni immer noch mit Flugvorbereitungen beschäftigt ist, gehe ich den Weg zurück zum „Gate“, wo sich, mit Ausnahme der „Galley Operators“, unsere Hostessen bis zum Ende der Kabinenreinigung die Zeit vertreiben. Offenbar bekommt dies nicht allen gleich gut. Ein Mädchen aus den Philippinen liegt flach auf dem Boden, umringt von den Kolleginnen. Jemand hat ihre Beine hochgelagert, eine weitere Hand fächelt ihr Luft zu. Sie sei einfach umgekippt, erzählt mir eine aufgeregte Stimme. Das Gesicht ist kreidebleich, sie scheint noch immer ziemlich abwesend. Mich stört in diesem Moment, dass uns bei dieser Aktion die Passagiere ungehindert beobachten. Doch Rob, der Airport Manager, weigert sich die „Patientin“ ohne ärztliche Begutachtung zu transportieren. Die Amerikaner sind vorsichtig, das kennen wir ja. Doch das Ganze zieht sich endlos hin, die aufgebotene Ambulanz lässt auf sich warten. Schliesslich wird es auch Rob zuviel und er willigt ein, die Dame vorsichtig hochzuheben und ins „Jetty“ zu transportieren, wo sie gleich darauf einen weiteren Schwächeanfall erleidet, erbricht und beinahe wieder das Bewusstsein verliert. Wie immer in solchen Situationen fühle ich mich etwas hilflos und bin daher froh, dass sich zwei „Flight Attendants“ rührend um die Leidende kümmern. Dann endlich trifft die Sanität ein. Verzögert, dafür gleich zu dritt, uniformiert und erst noch in Begleitung eines Polizisten. Der Entscheid ist rasch gefällt: Die Patientin wird in diesem Zustand nicht mit uns fliegen. Die Ambulanz wird sie zur Abklärung in eine Klinik bringen. Dass sie letztlich vor uns in Abu Dhabi sein würde, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand wissen.
„Gear up“
Es ist bereits nach 14 Uhr Lokalzeit, als Toni unseren Airbus auf der Piste 31L zum Start aufliniert. „Etihad 100 cleared for take off.“ Die vier Rolls Royce Triebwerke beschleunigen, die Geschwindigkeit nimmt stetig zu. Der Start verläuft völlig normal. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als Toni den Befehl zum Einfahren des Fahrwerks gibt und Dev den entsprechenden Hebel bewegen will. Dieser erweist sich jedoch als ungewöhnlich störrisch. Er ist blockiert, und lässt sich trotz mehrfacher Versuche nicht bewegen. Die Räder bleiben draussen!
Der „Canarsie climb“ indes, unsere vorgegebene Abflugroute, lässt nicht viel Zeit für Gedankenspiele. Kurz nach dem Abheben müssen wir abdrehen und die Funkfrequenz wechseln. Mein Blick wandert nach links unten, wo sich die „Pins“, die Bolzen zur Sicherung des Fahrwerks befinden. Denn die Vermutung liegt in diesem Fall nahe, dass ein solcher in seiner Fahrwerkhalterung stecken geblieben ist und das Einfahren verhindert. In diesem Fall kämen wir alle ziemlich flach weg. Die anderen drei Kollegen spielen mit dem gleichen Gedanken, doch zu unserer Beruhigung befinden sich alle Pins in der dafür vorgesehenen Box. In 1500 Fuss Flughöhe erscheint eine Warnung auf einem der Bildschirme: „Landing Gear L Lenghtening fault“. Nun wird schnell klar, dass irgend etwas mit dem Fahrwerkmechanismus nicht stimmt. Noch immer stehen unsere Landeklappen auf Position 2, wir haben sie seit dem Abheben nicht verändert. Mittlerweile hat Toni den Autopiloten zugeschaltet. Auch die Abflugleitstelle reagiert rasch und weist uns an, Richtung Westen zu fliegen. Auf 5000 Fuss (1500 Meter) beenden wir fürs erste den Steigflug. Bevor sich Toni und Dev mit der Checkliste beschäftigen, sprechen wir uns kurz ab. Kurt beginnt in den technischen Handbüchern zu blättern und ich kümmere mich um die Information der Kabinenbesatzung und der Passagiere.
Für einmal zu viel Sprit
Die aerodynamischen Geräusche des ausgefahrenen Fahrwerks sind unüberhörbar und man muss kein Aviatik-Experte sein um zu realisieren, dass etwas nicht stimmt. Rasch wird klar, dass angesichts der technischen Ausgangslage nur eine Möglichkeit bleibt: eine Rückkehr nach New York!. Doch mit 110 Tonnen Kerosin in den Tanks sind wir natürlich viel zu schwer für eine sofortige Landung. Das maximale Landegewicht unseres Airbus beträgt 240 Tonnen, beim Start haben wir 321 Tonnen in die Luft gehievt. Aus diesem Grund erbitten wir am Funk eine Bewilligung, um Sprit abzulassen. Diese erhalten wir sogleich. Doch bevor Toni und Dev die Ventile öffnen, steigen wir auf 8000 Fuss. Die Passagiere haben wir darauf hingewiesen, dass der Strahl des abgehenden Sprits gut sichtbar sein wird. Während 45 Minuten ziehen wir weite Kreise über dem Nordatlantik und „dumpen“ dabei 80 Tonnen des kostbaren und teuren Treibstoffs. In der Zwischenzeit laufen weitere Absprachen mit den Etihad-Bodenstationen in New York und Abu Dhabi. Der Umstand, dass wir zu viert im Cockpit sitzen hilft, den Stresspegel tief zu halten. Während Toni und sein Copi für’s Fliegen und für die Checklisten zuständig sind, durchkämmt Kurt die technischen Unterlagen an Bord. Ich meinerseits halte die Passagiere auf dem Laufenden und kommuniziere mit der Kabinenbesatzung und den diversen Bodenstellen. Es ist kurz vor 16 Uhr, als wir gemeinsam den bevorstehenden Anflug besprechen.
Als reine Vorsichtsmassnahme bestellen wir die Feuerwehr an den Pistenrand. Auch dies wird unseren Gästen mitgeteilt. Es ist ja ein bisschen wie beim Zahnarzt: So lange man weiss, was läuft, hält sich die Angst in Grenzen. Und diesbezüglich habe ich einschlägige Erfahrung
„New York Approach Control“ führt uns speditiv auf das Instrumentenlandesystem (ILS) der Piste 31L. Das Wetter ist ausgezeichnet, der Anflug verläuft problemlos und Toni setzt den mittlerweile „nur“ noch 239 Tonnen schweren Vogel exakt auf die „Centreline“ der Landebahn. Bereits in der Endphase des Anflugs können wir die Blinklichter der Feuerwehr- und Sanitätsfahrzeuge ausmachen. Kaum drehen wir von der Piste nähern sie sich uns in raschem Tempo. Wir benötigen jedoch keine weitere Hilfe. Glücklicherweise!
"Fuel Jettisoning"-Anzeige im Cockpit
"Dumping" über dem Atlantik mit blockiertem Fahrwerk
Und so sehen es die Passagiere
Feuerwehrfahrzeuge inspizieren den Airbus
Gefährliches Nachtlager
Nach einer ersten Inspektion der Lufthansa-Mechaniker zeigt sich, dass eine Reparatur im Moment nicht möglich ist. Im „shortening mechanism“ ist ein Verbindungsbolzen gebrochen. Ein Ersatzteil muss her. Damit ist die Mission für heute gescheitert. Die Passagiere quälen sich aus ihren Sitzen und verlassen die Maschine widerwillig.
Was nach dieser ungeplanten Rückkehr folgt, wäre abend-, tagebuch- ja gar bücherfüllend. Ich werde mich kurz halten.
In den USA ist „Labour day week end“, was für die meisten Amerikaner auch das Ende der Sommermonate bedeutet. Strände und Ausflugsziele sind überfüllt mit Menschen, die das letzte lange Sommerwochenende genießen. Ebenso auch die Flughäfen. In vielen touristischen Gegenden in den Nordstaaten endet die Saison und die Hotelpreise gehen nach unten. Dafür nimmt die Belegung für einige Tage markant zu! 17 gestrandete Besatzungsmitglieder kurzfristig im „Big Apple“ unterzubringen, gestaltet sich als schwieriges Unterfangen. Für die erste Nacht reserviert uns der Airport Manager Zimmer im Airport Holiday Inn unmittelbar beim Flughafen. In einer Gegend, in der es lebensgefährlich ist, sich alleine im Freien aufzuhalten. Wir werden eindringlich gewarnt. Der letzte Mord im Quartier soll erst vor wenigen Tagen stattgefunden haben... Tief beeindruckt ob dieser Kriminalstatistik, entscheiden wir uns, das Nachtessen im Hotel einzunehmen. Mit wenigen Ausnahmen zumindest. Toni und ich sind froh, am nächsten Morgen alle guten Mutes beim Frühstück anzutreffen!
Heisse Ohren
Das Hotel kann uns nur für eine Nacht beherbergen. Wir müssen raus, haben aber keine Ahnung wohin. Die Telefone laufen heiss. Toni kabelt mit den Stationsverantwortlichen in New York bis er heisse Ohren kriegt, ich versuche bei der Einsatzleitstelle in Abu Dhabi mehr Infos zu erhaschen. Offenbar wurde ein Ersatzteil in London gefunden, noch liegen aber keine definitiven Zusagen vor. Vielleicht morgen Samstag, heisst es. Könnte aber auch Sonntag werden. Oder Montag. Toni berichtet, dass uns ein Bus nach Long Island ins Marriott Hotel fahren würde. Also werden die Koffer wieder gepackt. Die neue Bleibe gefällt allen wesentlich besser.
Die Unterhosen werden angesichts der ungewissen Ausgangslage knapp, deshalb macht sich die gesamte Besatzung am Nachmittag auf in die nahe gelegene "Mall". Und bei jeder zufälligen Begegnung blicken uns fragende Augenpaare an: „Are we going home soon?“
„Sorry, but we don’t know. Earliest Sunday morning, but...“
Warten...
...Bus fahren...
...ausladen
Ungewissheit
Also noch ein Paar Unterhosen mehr in den Einkaufskorb gelegt. Auf eigene Rechnung wohlverstanden. Die Wäscherei des Hotels erklärt angesichts der Feiertage Forfait. Piloten- oder Cabin Crew-Berufsrisiko. „Expect the unexpected“ – einmal mehr und in aller Deutlichkeit. Wir geniessen die Zeit trotz der Ungewissheit. Die Atmosphäre innerhalb der Besatzung ist aufgeräumt, wenn auch einigen Damen langsam die Hauskatze oder der Boyfriend zu fehlen beginnt. Männer sind diesbezüglich wohl etwas einfacher verdrahtet. Bier gibt’s schliesslich überall. Telefoniert wird nach wie vor viel. Von Abu Dhabi bekommen wir wenig zu hören, es sind vor allem die Stationsverantwortlichen in New York, die uns aufdatieren. Das Ersatzteil sei auf dem Weg über den Grossen Teich. „Virgin Atlantic“ sei Dank. Doch die Anlieferung erfolgt erst am Sonntagmittag. Dies bedeutet eine weitere Nacht im Marriott. Mindestens dürfen wir die Zimmer behalten.
Dann wird repariert, die für Passagierflüge notwendigen Kontrollen sind in JFK allerdings nicht möglich, da gewisse Vorkehrungen fehlen. Also erhalten wir „bloss“ die Bewilligung für einen „Ferry Flight“, einen Leerflug. Angenehm für die Kabinenbesatzung, schlecht für die Kasse. Am Montagmorgen um 0700 Uhr soll’s losgehen. Dann gibt’s noch einmal Unruhe, als Toni am Sonntagabend kurzfristig angefragt wird, ob ein Start in zwei (!) Stunden möglich wäre. Natürlich nicht – wie um Himmels Willen sollen wir unsere 17 Seelen – verstreut über die unendliche Weite Manhattans – so kurfristig zusammenkriegen? Also bleibt es beim Montagmorgen. Als mein Wecker klingelt ist es immer noch dunkel. Und ich habe das Gefühl, als wäre ich erst gerade eingeschlafen.
Kulinarischer Zeitvertreib im Hotel
Heimflug
Die technische Konstellation verleiht unserem Start auf der Piste 22R in New York eine besondere Spannung. Werden wir das Fahrwerk einfahren können? Der Schaden wurde zwar repariert, eine Kontrolle der Mechanik war jedoch nicht möglich. Von Airbus haben wir die Bewilligung für lediglich einen Flug erhalten. Sollte das Fahrwerk klemmen, müssten wir nach Toronto ausweichen, wo die entsprechenden Installationen zur vollständigen Reparatur vorhanden sind. Doch dies ist – al hamdulillah – nicht nötig. Der Hebel ist willig – die Räder auch. Uns allen fällt ein Stein vom Herzen. Wir sind in der Luft. Auf dem Weg nachhause. Das Flugzeug gehört alleine uns – für einmal keine Passagiere in der Kabine!
Die Kabinenbesatzung tauscht Uniform mit Trainerhosen und T-Shirt. Die Cockpittüre bleibt für einmal – wie vor 20 Jahren – während des ganzen Fluges offen. Die erste Klasse verkommt zum Schlaf- und Kinosaal. Und die 12.30 Stunden bis nach Abu Dhabi vergehen im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug.
Doch noch einmal steigt die Spannung: dann nämlich, als wir zwei Stunden vor der Landung den aktuellen Wetterbericht von Abu Dhabi studieren. Die Sicht ist im Abnehmen begriffen, kurfristig bis gegen 1500 Meter. Die dünne Wolkendecke liegt tief: auf etwas mehr als 30 Metern über Grund. Die Anflugminima in Abu Dhabi sind wesentlich höher als in Europa. Ein Ausweichen nach Al Ain würde eigentlich perfekt zum Verlauf dieser Rotation passen und wohl niemanden erstaunen. Doch an diesem Tag ist das Glück uns hold. Die Landung klappt, ein Traktor zieht uns direkt vor den Hangar. Eine Treppe wird herangefahren.
Aussteigen – zwei Tage frei für alle. Ausser für die Mechaniker, denen 14 lange Stunden bevorstehen.
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