Monday, August 20, 2007

Die Leiden des „alten Epplers“

Nicht, dass ich unglücklich verliebt wäre. Keine „Lotte“, die mich aufs Verfänglichste in ihren Bann zieht. Vielmehr beschäftigen mich strapaziöse Versuche, mit Franziska (mit der ich mich nach wie vor in harmonischem Ehestand befinde) und meinen beiden Töchtern (deren hormonelle Entwicklungs-Eskapaden mich nach wie vor in Atem halten) eine gemeinsame Ferienwoche zu verbringen. Eine Woche Ferien im August, die ich mir bei unserer Ferienplanung richtig gehend erkämpfen musste. Für eine Woche Artistik und Sägemehl beim Zirkus Monti. Als simpler Betrachter allerdings, ohne die Geschehnisse in der Manege auch nur im Geringsten zu beeinflussen.
Die Freude wird grösser, je näher der Ferienbeginn rückt. Der Start allerdings ist gepflastert mit Hindernissen...

Planungsprobleme
Eigentlich war ursprünglich geplant, am Nachmittag des 17. Augusts via Frankfurt nach Zürich zu fliegen. Da hätte mein ursprünglicher Einsatzplan perfekt gepasst. Doch die Verwendung des Präteritums ist nicht zufällig. Die Ausgangslage ändert nämlich konstant aufgrund ständig wechselnder Einsätze.
Plan eins verkommt bereits nach kurzer Zeit zur Makulatur. Flexibel wie ich bin, fasse ich die Anreise über München ins Auge. Start um 0220 Uhr, in der Nacht auf Samstag.
Am Donnerstag aber stosse ich im Computer auf eine erneute Einsatzänderung, welche die Landung in Abu Dhabi erst um 0145 Uhr vorsieht. Damit würde auch die Bayern-Variante hinfällig. Sogleich rufe ich beim Crew Control an und beklage mich darüber, dass dies meine Ferien tangieren und eine vernünftige Heimreise verunmöglichen würde. Der diensttuende Controller gibt mir Recht und bemerkt nebenbei, dass er gerade von der Schweizer Schokolade esse, die sie erst kürzlich von mir bekommen hätten (mittlerweile habe ich begonnen, eine eigene, mitunter etwas „schlüpfrige“ Taktik zu fahren. Die Schweizer Schokoladeproduzenten hätten ihre helle Freude an mir!). Zwischen zwei Würfeln der braunen Masse tauscht er meinen Einsatz erneut und gibt mir eine „Standby-Duty“ von 0800 – 1800 Uhr. Damit wahre ich mir immerhin eine vernünftige Chance, denke ich und lege mich ins Bett.

Ein Sitz in der „Pearl Business Class“
In der Tat werde ich am nächsten Tag nicht zu einem Flugeinsatz gerufen und kann so in aller Ruhe meine Vorbereitungen treffen. Kurz vor Mitternacht packe ich meinen Koffer in den Wagen und rolle gemächlich aus dem Compound. Problemloses Check-In. Der freundliche Beamte, der mich mit Händedruck begrüsst, garantiert mir sogleich einen Sitz in der jetzt offiziell neu benannten „Pearl Business Class“ (was ich auch so bestellt und bezahlt habe!). Im Flugzeug will ich nur schlafen. Eine Flasche Mineralwasser genügt, feste Nahrung lassen wir für einmal aus. Vor dem Einsteigen treffe ich Clarissa, eine „Cabin Managerin“ aus Berlin, die für vier Tage nach Hause reist.
Kurz nach dem Start fahre ich den Sitz in die Horizontale, und erst 45 Minuten vor der Landung reibe ich mir die verschlafenen Augen. Wir beginnen den Sinkflug. Beim Blick aus dem Fenster erkenne ich bewaldete Bavarische Hügelzüge, dazwischen vereinzelte Nebelschwaden. Landeklappen werden gefahren, wir sinken kontinuierlich weiter ab.
Dann tauchen wir in die neblige Suppe.
Dann röhren die Triebwerke.
Dann hebt sich die Flugzeugnase.
Dann starten wir durch!

„Diversion“ nach Frankfurt
Scheinbar endlos lange Minuten warte ich auf eine Information der Besatzung. Später teilt die „Cabin Managerin“ über den Bordlautsprecher mit, dass wir aufgrund der Wettersituation in München nach Frankfurt ausweichen würden. Es dauert weitere 20 Minuten, bis wir auf dem Rhein-Main-Flughafen landen. Die Maschine rollt aus und parkiert auf einem abgelegenen Fracht-Tarmac.
Über das „PA-System“ (Passenger Announcement) erklärt der Captain, dass eine Landung in München vorerst nicht möglich wäre, und dass er in Kürze weiter informieren würde. Clarissa übersetzt ins Deutsche. Ich offeriere den Kollegen im Führerstand ebenfalls meine Hilfe. Kurz darauf sitze ich im Cockpit und telefoniere ein erstes Mal mit der Stationsleiterin in München. Der Captain hat derweil die Einsatzleitung in Abu Dhabi am „Satcom“, dem bordeigenen Satellitentelefon. Alle Beteiligten hoffen auf baldige Wetterbesserung. Unser Airbus ist aufgrund eines technischen Defekts in seiner Landefähigkeit eingeschränkt. Gestern Abend, beim Abflug in Abu Dhabi gab es keinerlei Hinweise, die auf Nebel in München gedeutet hätten. Aufgrund des Systemausfalls benötigen wir nun aber eine Sichtweite von mindestens 550 Metern, München meldet Werte um die 300 Meter. Die Arbeitszeitlimite der Besatzung läuft in einer Stunde aus. Die Passagiere werden unruhig, die Besatzung müde, und ich möchte so schnell wie möglich nach Zürich.

Suche nach den Koffern
Doch so früh will niemand die Hoffnung auf einen baldigen Überflug nach München aufgeben. Immer wieder wird ein endgültiger Entscheid vertagt und auf besseres Wetter gehofft. Ich telefoniere bereits zum vierten Mal mit München. Wie bei einer Ausweichlandung mit Hoffnung auf baldigen Weiterflug üblich, wird vorerst keiner der Passagiere von Bord gelassen. Die Situation zieht sich hin, freuen tut sich niemand so richtig darüber.
Endlich – um 0920 Uhr Lokalzeit wird die Übung abgeblasen. Zwar hat sich die Sichtweite in München etwas verbessert, für uns ist sie jedoch noch immer ungenügend. Ein klarer Trend ist nicht erkennbar. Busse werden bestellt und die Gäste strömen zu den „Flugzeug-Exits“. In der Gepäckhalle angekommen, beginnt die grosse Suche nach dem "Baggage". Keines der Förderbänder ist mit „Etihad 005“ beschriftet. Niemand scheint in der Lage, Auskunft zu geben. Frust macht sich breit. Wo sind unsere Koffer? Schliesslich ruft einer der Passagiere mit lauter Stimme, dass wir in der falschen Halle wären. Er weist alle an, ihm zu folgen und schreitet forschen Schrittes voran. Es folgt eine offzielle Lautsprecherdurchsage, die seine Worte bestätigt. Also raus aus Halle D und rein in Halle E. Letzteres erweist sich jedoch als kein einfaches Unterfangen, da wir – rund 150 gestrandete Passagiere – wie fortpflanzungswillige Lachse gegen den Strom prozessieren. Einzelne Stimmen werden lauter und mittlerweile wird jede Person, die eine Uniform trägt, ziemlich barsch angegangen. Die meisten werden natürlich überrascht, wissen von nichts und sind daher nicht in der Lage, uns weiterzuhelfen. Irgendwie schafft es eine radikale „Splittergruppe“, sich Zugang zur Halle E zu verschaffen. In ihrem Sog folgen ihnen die übrigen Passagiere unseres Fluges.

Zeitnot
Endlich sehe ich meinen Koffer auf dem Karussell. Bei der nächsten grossen Anzeigetafel informiere ich mich über Anschlussflüge nach Zürich. Mittlerweile ist viertel vor elf. Die eine Maschine ist vor fünf Minuten abgeflogen, der nächste Flug startet um 12.05 Uhr. Das dürfte knapp werden, die Distanzen auf dem Rhein-Main-Flughafen sind gross, die Warteschlangen lang. In der riesigen Check-In Halle erschlägt es mich fast ob der wartenden Menschenmenge. Es gibt nur eine Chance: Kühn gehe ich mit meinem „Standby-Ticket“ an einen der „Priority First Class“-Schalter. Der uniformierte Angestellte erbarmt sich meiner und bereits nach wenigen Minuten bin ich mit Bordkarte unterwegs Richtung Gate „B32“. Doch oh weh – vor der „Security“ staut sich der Passagierfluss erneut in erschreckendem Masse. Und wieder fädle ich in der Spur für Erstklasspassagiere ein, überhole die geduldig wartenden Reisenden und lege meine Utensilien auf das Band der „First Class“-Röntgenmaschine. Niemand will meine Einsteigkarte sehen, schelmisch freue ich mich über die geglückte Aktion. Noch bin ich aber nicht am Ziel. Eine Passkontrolle sowie ein weiteres Handgepäck-Screening bremsen mein Vorwärtskommen. Die Zeit wird knapp – zu knapp, wie sich herausstellt: Zehn Minuten vor der Abflugzeit treffe ich am Ausgang ein. Der Bus ist weg, die Dame am Schalter meint lediglich: „Sie sind zu spät. Wir haben Sie bereits mehrfach ausgerufen. Jetzt kann ich nichts mehr für Sie tun.“
Was dann so aber auch nicht stimmt, denn gemeinsam gelingt es uns, einen Sitzplatz auf dem nächsten Flug nach Basel zu blockieren. Abflug in anderthalb Stunden, mit einem Jumbolino „operated by Eurowings“.
Die Zeiten werden immer später, die Flugzeuge immer kleiner. Aber Hauptsache, ich schaffe es, an meinem ersten Ferientag ans Ziel zu kommen und meine Familie zu treffen. Um 14.45 Uhr ist es vollbracht: Touchdown in Basel. Die Leiden haben ein Ende.

8 comments:

Anonymous said...

Dide, betrachte es von der guten Seite: Es ist doch interessant zu sehen, was unsere PAX/Kunden zT. durchmachen müssen ;-)

Ich wünsche Dir schöne Ferien im Land der rentablen Lufthansa-Tochter ;-)

G!

Dide said...

Interessant ist es schon, lieber Freund, vom aviatisch-wissenschaftlichen Standpunkt her betrachtet. Als reisender Passagier kann ich mich für derartige Übungen nicht so richtig erwärmen. Eines aber ist klar: Das Verständnis für sich beklagende Fluggäste wächst. Und eines wird auch immer deutlicher: Nach der Pensionierung wird nur noch unter Zwang geflogen...
Dide

Anonymous said...

Ja, der Airport Rhein Main ist eine Sache für sich selbst. Endlose Gänge, endlose Schlangen, innert 500 m 2x Security Check, eine endlose Baustelle und man läuft sich die Füsse platt. Mal eben schnell ist nicht und die Airlines welche dort Connections anbieten mit 35 Minuten anbieten gehören gesteinigt, denn unter 1.5 Stunden ist es ohne Gate to Gate oder am besten Plane to Plane Service einfach nicht möglich, denn es sit immer Peaktime überall. Ich empfehle gerade älteren Paxen oder Paxen mit Kids immer vorher bei der Airline den Service zu requesten mit dem Hinweis man habe akute Probleme mit dem Laufen... Traurig aber wahr :-(

Trotzdem einen schönen Urlaub im Zirkus Monti.

Gruss aus der CH

Anonymous said...

Ja, was mann nicht alles für seine Familie tut… aber ohne Leiden kein Verdienst. In dem Sinn schöne Tage im Zirkus.

Gruss Christoph, der sich immer noch nicht so ganz mit klassischer Literatur anfreunden kann.

Dide said...

Aber, aber Christoph, immerhin hast du gewisse (Titel-)Spuren klassischer Literatur erkannt. Das ist doch schon ein erster Erfolg....
Gruss
Dide

Anonymous said...

Ich werde es wiedereinmal versuchen. Damals in meiner Schulzeit, war es mir einfach verleidet, jeden Satz von Faust zweimal lesen zu müssen, sehr schwierige Sprache hat dieser Goethe. Vielleicht klappts mittlerweile besser.

Gruss Christoph

Anonymous said...

Lieber Dieter,
wenn einer eine Reise macht, dann kann er was erzählen,...obgleich man bei Deinen immer wieder interessanten und süffisanten "Leidens"geschichten doch langsam mal den Verdacht hegen sollte, dass da manipulative Kräfte im Spiel sind, damit Dir der Blogger-Stoff nicht ausgeht.

Und ob wir das alles so glauben sollen mit "Keine "Lotte", die mich aufs Verfänglichste in ihren Bann zieht", wenn du kurz danach von Lotte (äh Clarissa), der Cabinmanagerin sprichst. Na ja Freni wird uns sicher Bericht erstatten, wie sich "der alte Eppler" so in seiner alten Heimat geführt hat...
Auf alle Fälle wünschen Dir die "Exil-Asylanten" aus der neuen Lebensabschnittsheimat noch schöne Tage mit der Zirkus-Crew. Kannst Dich ja ein wenig als Dompteur versuchen, "skills", die man im täglichen Leben bei Etihad oder den hormonell-instabilen Töchtern sicher immer gebrauchen kann.

Für Deinen Freund Christoph und all die anderen Blogger-Leser noch ein Hinweis in Sachen Quellenliteratur:
Auf folgender Internetseite gibt es den kostenlosen Download von Goethes Werther!
(Wie Du siehst, auch mich hat es gekitzelt, per Wikipedia und anderer Quellen die (ur-)alten und doch sehr verblassten Erinnerungen aufzufrischen!)
http://www.literaturcafe.de/werther/
Auf ein baldiges Wiedersehen hier in Abu Dhabi
Grüße Peter

Dide said...

Hallo Peter,

zu Pkt 1: alles 1:1 so erlebt, fakten, nichts als fakten.

zu pkt 2: clarissa ist eben nicht lotte...

zu pkt 3: genialer tipp mit wikipedia und entsprechendem link. weltliteratur in komprimierter form. rund um die uhr abrufbar.

bis bald in abu dhabi
dide