In Abu Dhabi, beziehungsweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist was los. Speziell zu dieser Jahreszeit. Mehr als mann oder frau sich vorstellen können.
Die vergangenen zwei Wochen beispielsweise war Abu Dhabi Austragungsort des 18. "Gulf Cup"! Die „Gulf News“, wie die gesamte übrige lokale Presse, berichtete täglich über dieses Fussballturnier, dass wohl, um in europäischen Werten zu sprechen, Europameisterschafts-Charakter hat. Sämtliche Mannschaften der Golfregion haben in spannenden und vor allem gut besuchten Spielen um die Krone des „Gulf Champions“ gekämpft. Gestern fand das Finalspiel statt, im Sheikh Zayed Stadium vor über 60'000 begeisterten Zuschauern, vorwiegend in weisse „Dishdashs“ gekleidet, die ja hier vielmehr „Kandoora“ genannt werden. Der Scheich höchstpersönlich hatte sich eingefunden und fieberte mit. Ganz im Gegensatz zu mir, der ich leider, trotz arbeitsfreiem Tag, nicht im Stadion weilte. Die Karten waren bereits am Vormittag ausverkauft. Ich hatte die Frist verpasst.
Kleine Notiz am Rande: Für einige Spiele hatte Scheich Khalifa gleich alle Tickets aufgekauft und dann ans Volk verschenkt. Gratiszugang für alle! Eine nachahmenswerte Idee, die zweifellos auch in Europäischen Landen Anklang finden würde.
Das Stadion selber befindet sich lediglich zehn Autominuten von unserem Haus entfernt. Bereits Stunden vor dem Anpfiff herrschte auf den Strassen Chaos. Zur Mittagszeit - das Spiel wurde kurz nach 1700 Uhr angepfiffen - tummelten sich schon mehr als 10000 Fans im Stadion. Ich muss an dieser Stelle vielleicht anfügen, dass die gesamte Strassenszene während der letzten 14 Tage geprägt war von dekorierten Autos mit UAE-Flaggen teilweise an den unmöglichsten Stellen. Beispielsweise wurden Scheibenwischer aufgekippt, an deren wippenden Enden während der Fahrt fröhlich die Fähnchen im Wind tanzten. Fensterscheiben wurden mit transparenten Spruchbändern beklebt und Front- und Heckpartien mit Fahnen in den Landesfarben geschmückt. Und der Zufall wollte es, dass sich das UAE-Team auch gleich noch in den Final spielte und denselbigen gar mit 1:0 gewann! Dieses Siegestor sprengte die letzten Grenzen. Auf den Strassen kam es zu tumultartigen Szenen. Und ich muss sagen, dass die „Locals“ mitunter etwas eigenartige Methoden pflegen, sportliche Siege zu feiern. Nicht selten, werden Autoräder durchgedreht bis die Pneus platzen, und Motoren hochgejagt, bis die Kolben knallen. Vielleicht sind es auch nicht die Kolben, aber knallen tut es auf jeden Fall. Ärger als bei uns am 1. August!
Just an diesem Abend holte ich meine Familie am Flughafen ab. Franziska war mit den Kindern für vier Tage in die Schweiz geflogen, um an der Hochzeit ihres Bruders teilzunehmen. In einem Pulk beflaggter Autos fuhren wir Richtung Stadt. Die Polizei war gut vertreten. Bei vielen Wagen hingen fanatische und jubelnde Fussballfans aus den Fenstern und winkten sich johlend zu. Einmal krachte es unmittelbar hinter uns ganz gewaltig. Blech prallte auf Blech, Details waren keine auszumachen – die anderen feierten fröhlich weiter. Und nicht zuletzt liessen sich auch unsere Kinder vom arabischen Siegesfieber anstecken, verhüllten sich in traditionelle Gewänder, lehnten aus offenen Autofenstern und schwenkten die UAE-Flagge!
Tennis Dubai
Ein sportlicher Höhepunkt jagt den anderen. Mitte Februar beginnen in Dubai die „Dubai Tennis Championships“. Zuerst schlagen sich die Frauen eine Woche die Filzbälle um die Ohren, danach sind die Männer dran. Die Teilnehmertableaus sind hochkarätig und die Namen vergehen wie Schokolade auf der Zunge. Die Schokolade wird allerdings etwas zähflüssiger wenn man – wie beispielsweise der Verfasser dieses Textes – keine Tickets für die entscheidenden Spiele ergattert hat. Sowohl die Halbfinals als auch die Finaltage waren innert weniger Tage ausverkauft. Pech! Dies um so mehr, als dass ich Ende Februar extra einen New York-Flug mit Freitagen zum Finaltermin gewünscht und – wider Erwarten – auch bekommen habe. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Und meine ganz besonders! Gekämpft wird bis zum letzten Ass und ich werde mich nicht scheuen, auch unkonventionelle Wege zu gehen (Bestechung, Betrug und Beischlaf). Ob’s klappt lest ihr später hier.
Formel 1 an der Corniche
Last but not least kommt die Formel 1 nach Abu Dhabi. Zumindest Teile davon. Der Tourismus-Verein der Stadt erweist sich als äusserst aktiv und befasst sich nicht mit Folkloregruppen und Kleintheatern. Nein – da wird mit üppiger Kelle angerichtet. Und der Erfolg lässt nicht auf sich warten, denn am kommenden Samstag gibt sich die Crème de la Crème der obersten "Racerliga" an der Corniche ein Stelldichein. Kein geringerer als der amtierende Weltmeister Fernando Allonso wird über den Asphalt brausen, gejagt von Ralph Schumacher, Kimi Räikonen oder Rubens Baricchello. Aber auch hier werde ich fehlen. Ich arbeite, und unsere Landung ist kurz nach 0700 Uhr geplant. Das wird wohl kaum in die Stadt reichen und wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben. Die Zufahrten werden nämlich frühzeitig geschlossen und so bleibt mir einmal mehr das Nachsehen. Einzig Tim wird sich unseren Deutschen Freunden anschliessen und sein Trommelfell mit dem Staccato heulender Turbinen beglücken. Doch exakt darum beneide ich ihn. Und einmal mehr verfluche ich rigide Einsatzpläne und... aber was soll’s. Der nächste Event kommt ganz bestimmt.
Denn es ist echt was los, im Wüstenstaate Abu Dhabi....
Wednesday, January 31, 2007
Monday, January 22, 2007
Vom Alltag, Kyrill und Jubeltagen
Wir schreiben das Jahr 2007. Damit bekommt unser Aufenthalt in den Emiraten eine neue Dimension, können wir nun doch sagen, dass unser Umzug nach Abu Dhabi im „vergangenen“ Jahr erfolgte. Vor ziemlich genau acht Monaten habe ich bei Etihad Airways begonnen. Und auch die Familie lebt nun bereits fünf Monate in den Emiraten.
Die Weihnachtsferien sind vorbei. Alle befinden sich wieder im Land, eingenommen von der täglichen Routine, die es bekanntlich auch in Abu Dhabi gibt: Franziska streicht zu früher Stunde belegte Brote, die Kinder werden jeden Morgen um um 07.30 Uhr zur Schule gefahren und ich fliege wie bislang nach New York und zurück.
Der Alltag hat uns wieder
Franziska und ich waren im Vorfeld der Weihnachtsferien gespannt auf die Reaktion der Kinder. Wie würden sie nach dem ersten längeren Aufenthalt in der Schweiz, und nach diversen Treffen mit ehemaligen Klassenkameraden/Innen reagieren? Müssten wir allenfalls gar mit Widerstand bei der Rückkehr nach Abu Dhabi rechnen...?
Weit gefehlt. Unsere Zweifel waren völlig unbegründet. Ja es war sogar so, dass die Jungmannschaft bei Franziskas Vorschlag, statt am 4. erst am 6. Januar zu fliegen, heftig protestierte. Obwohl diese Variante den Vorteil gebracht hätte, zusammen mit mir, der ja wesentlich später in die Schweiz gereist war, – notabene Erzeuger, Vater und kollegialer Erzieher – zwei zusätzliche Tage im Diemtigtal zu verbringen.
Für Nina brachte das neue Jahr eine zusätzliche Herausforderung, hatte sie doch am 7. Januar ihre erste Klavierstunde. Noch vor Weihnachten wuchteten zwei Spediteure unter gütiger Mithilfe von Tim und mir das Klavinova in ihr Zimmer im ersten Stock. Nach langem Suchen war es Franziska endlich gelungen, einen Klavierlehrer anzuheuern. Und nun besucht uns Eddi aus den Philippinen jeden Sonntag, der hier ja eigentlich „Montag“ ist, mit dem hehren Ziel, Ninas Tastenkünste zu verbessern. Musikunterricht am Arabischen Golf in Englisch auf einem japanischen Instrument mit einem Lehrer aus den Philippinen. Wenn das nicht international ist.
Harte Arbeit am Klavinova
Auch Besuch hat uns im neuen Jahr bereits beehrt. Moni und René Rindlisbacher verbrachten eine Ferienwoche in Dubai. Ihr Anruf überraschte uns, doch schliesslich fanden wir – zur grossen Freude unserer Kinder – ein Datum für einen gemeinsamen Abend in Abu Dhabi. So fuhr ich denn mit unserem Prado, dessen Räder mittlerweile bereits über 18000km abgespult haben, nach Dubai, wo ich die beiden auf dem Golfplatz traf. Nach einem kurzen Duschstopp in ihrem Hotel ging’s zurück nach Abu Dhabi, wo wir bei uns zuhause einen gemütlichen Grill- Kartoffel- und Salatabend (nur Blattsalat, kein Edelmais!) verbrachten! Zurück fuhren die Rindlisbachers dann erst am späten Abend, oder vielleicht auch eher am frühen Morgen. Wir bestellten das Taxi von Al Gazal auf 04.00 Uhr...
Dann fand das Grippevirus irgendwie einen Weg in unser Haus. Franziska und Linda klagten tagelang über kratzige Kehlen und einen hartnäckigen Husten. Ähnlich erging es Nina. Schliesslich landete Linda für zwei Tage mit Kopf- und Bauchschmerzen im Bett. Einzig die Männerbastion blieb vor viralen Infekten verschont. Ob dies an der ausgezeichneten körperlichen Verfassung liegt oder ganz einfach der uns Männern eigenen Widerstandskraft (Die Kultur des Mittleren Ostens beginnt langsam, mein Geschlechter spezifisches Denken zu beeinflussen) zu verdanken ist, bleibt indes offen.
Orkan Kyrill und fünf Dekaden
Just einen Tag vor meinem 50sten Geburtstag, sass ich in meinem Hotelzimmer in Frankfurt. Am Abend war mein Rückflug angesagt, doch Orkan „Kyrill“ wollte ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Seit dem frühen Morgen berichtete das Fernsehen in Sondersendungen über die zu erwartenden Sturmwinde und Schäden. Die Bahn hatte den Betrieb eingestellt. Ob wir es schaffen würden, den Flug Richtung Abu Dhabi anzutreten? Die Frage beschäftigte mich den ganzen Tag, schliesslich freute ich mich auf meine Geburstagsfeier im intimen Familienrahmen. Ohne grossen Klimbim, so wie es meinem bescheidenen Wesen entsprechen sollte....
Wir hatten Glück, zumindest was den guten Kyrill betraf. Mit lediglich 45 Minuten Verspätung wurde unser A340-500 vom Standplatz E6 zurückgestossen. Während wir im Pulk der startbereiten Maschinen auf unsere Freigabe warteten, wurde das Flugzeug von den heftigen Böen hin- und hergerüttelt. Der „Tower“ meldete Windspitzen bis 45 Knoten, was rund 80 km/h entspricht.
Der Start gehörte zu den eindrücklicheren in meiner Karriere. Kaum waren wir in der Luft, wurde der Rumpf wie von Geisterhand gepackt, kräftig durchgerüttelt. Es war, als wenn jemand das Flugzeug gegen eine Wand hämmern würde. Die Schläge waren hart und heftig und die Instrumente tanzten einen wilden Tanz. Doch der Spuk dauerte nur kurz in dieser Intensität, denn kaum hatten wir 7000 Fuss passiert, wurde es wesentlich ruhiger. Dies obwohl die Windgeschwindigkeiten immer noch bei knapp 100 Knoten lagen. Stärkere Turbulenzen hatte ich erst einmal erlebt: Vor etwa 17 Jahren, als Copi auf dem „Jumbo“ bei einem Flug zwischen Bombay und Bangkok. Immer wieder meldete sich damals der Autopilot ab. Die Schläge waren mehr als eindrücklich und es fiel schwer, die Hand jeweils zum gewünschten Knopf oder Hebel zu führen. Schliesslich sahen wir uns im Reiseflug (!) während rund zehn Minuten gezwungen, das Flugzeug von Hand zu pilotieren.
Nicht so auf dem Flug von Frankfurt nach Abu Dhabi. Der Rest war Routine. Bis auf die Gratulationen zu meinem Geburtstag! Während des Reisefluges erschien Talida, die „Cabin Managerin“ aus Rumänien plötzlich mit einem Tablett, auf dem drei Champagnergläser und ein kleiner Kuchen mit einer Kerze standen. Die Gläser füllte sie mit „Sprite“, was foto- und gesetzestechnisch sämtliche Vorgaben erfüllte und so stiessen wir auf 39’000 Fuss im Cockpit auf meinen 50sten an!
Mit Talida im Cockpit
Überraschung, Überraschung
Damit war der Jubeltag eingeläutet. Doch zuerst ging es ganz unspektakulär weiter. Gleich nach der Landung liess ich mich von einem Taxi zum Ice Rink chauffieren. Tim hatte im Rahmen der „Abu Dhabi Falcons House League“ ein Eishockeyspiel und ich war dazu auserkoren, die Matchuhr zu bedienen. Für alle Insider wäre an dieser Stelle anzufügen, dass das hiesige Modell wesentlich einfacher zu bedienen ist als sämtliche von mir früher erprobten Typen im Zürcher Unterland, so dass ich auch nach dieser Freinacht in der Lage war, die Mechanik fehlerfrei zu bedienen.
Ein Buch voller Überraschungen...
Nach einigen wenigen Stunden Schlaf und einer erfrischenden Dusche war ich schliesslich soweit bei Sinnen, dass ich mich für alles Kommende gerüstet fühlte. Geschenke wurden ausgepackt, ein Buch mit fantasievollen und witzigen Glückwünschen von Freunden und Verwandten bestaunt und Franziska schenkte mir meine lang gewünschte Traumuhr aus der Schaffhauser Manufaktur. Über den Verlauf des Abends machte ich mir keine grossen Gedanken, hatte ich doch gewünscht, im familiären Rahmen in einem Restaurant zu essen. Und da mir meine Familie eine entsprechende Tischreservation bestätigt hatte, war ich zufrieden. Doch mir schien, die Kinder wären gar etwas aufgeregt und unruhig, was mich schliesslich in misstrauisches Grübeln versetzte.
Schliesslich fuhren wir kurz nach 1900 Uhr los – Ziel unbekannt. Zumindest für mich. Nach einigen Haken und absichtlich ausgelassenen Abzweigungen standen wir unvermittelt vor dem dem Lembach’schen Anwesen. Ich solle doch mal klingeln, meinte Franziska arglos, derweil die Kinder bereits hüstelnd an den Fotoapparaten und Filmkameras herumnestelten.
Gesagt, getan – die Tür ging auf – und im Halbkreis hatten sie sich malerisch postiert: Die Lembachs und Lachmairs, die Füchse und all deren Kinder und Hunde bis hin zu den ungezähmten Halbwüchsigen. Das Klavier begann zu spielen und dann sangen sie, ein Champagnerglas in der Hand haltend, aus vollen Kehlen (nicht wörtlich zu nehmen...): „Sein Airbus fliegt 3010, schwupps um die Schallmauer ist’s geschehn....“ – “...Das macht Spass, hoch das Glas“. Und sie rekapitulierten in wenigen Strophen die wichtigsten Stationen meiner letzten 50 Jahre: New York-Flüge, Porsche-Verkauf, Vorliebe für Hamburger, Schlange stehende Hostessen (hier allerdings wich der Liedtext leicht von der Realiät ab. Die Hostessen pflegten nicht Schlange zu stehen, vielmehr rannten sie meine Türen ein!) und Vorbereitung Wimbledon für Tennis-Oldies. Dabei hatten sie mich seit Monaten glauben gemacht, sie wären just zu dieser Zeit im Oman auf einer Erlebnisreise. Gefehlt hätte eigentlich nur noch, dass plötzlich auch Toni und Andrea, die ja ferienhalber in der Schweiz weilten, wobei ich mir da plötzlich nicht mehr so sicher war, aus irgend einer Ecke angetanzt gekommen wären. (Tonis Taktik besteht grundsätzlich darin, möglichst früh einen möglichst grossen Anteil seines dreijährigen Ferienkontingents zu beziehen. Man weiss ja nie...)
Und so feierten wir denn in dieser friedlichen Runde, mit schalkhaften Einlagen der Kinder, bis dass uns beinahe der Grappa ausging und der Nachwuchs über seinen Computerspielen einschlief.
Die Überraschung war gelungen! In meiner jugendlichen Naivität – das würde mir heute im reifen Alter von 50 selbstverständlich nicht mehr passieren – war ich der schlitzohrigen Schar auf den Leim gekrochen. Um so mehr freute ich mich über den raffiniert eingefädelten Abend mit italienischen Köstlichkeiten über Vitello Tonato und Tiramisu bis hin zu einem aufwändig zubereiteten Schokoladekuchen! Bedenklich hat mich einzig die Tatsache gestimmt, dass darauf nicht mehr alle Kerzen Platz fanden.
Ob ich wohl alt werde...?
Die Weihnachtsferien sind vorbei. Alle befinden sich wieder im Land, eingenommen von der täglichen Routine, die es bekanntlich auch in Abu Dhabi gibt: Franziska streicht zu früher Stunde belegte Brote, die Kinder werden jeden Morgen um um 07.30 Uhr zur Schule gefahren und ich fliege wie bislang nach New York und zurück.
Der Alltag hat uns wieder
Franziska und ich waren im Vorfeld der Weihnachtsferien gespannt auf die Reaktion der Kinder. Wie würden sie nach dem ersten längeren Aufenthalt in der Schweiz, und nach diversen Treffen mit ehemaligen Klassenkameraden/Innen reagieren? Müssten wir allenfalls gar mit Widerstand bei der Rückkehr nach Abu Dhabi rechnen...?
Weit gefehlt. Unsere Zweifel waren völlig unbegründet. Ja es war sogar so, dass die Jungmannschaft bei Franziskas Vorschlag, statt am 4. erst am 6. Januar zu fliegen, heftig protestierte. Obwohl diese Variante den Vorteil gebracht hätte, zusammen mit mir, der ja wesentlich später in die Schweiz gereist war, – notabene Erzeuger, Vater und kollegialer Erzieher – zwei zusätzliche Tage im Diemtigtal zu verbringen.
Für Nina brachte das neue Jahr eine zusätzliche Herausforderung, hatte sie doch am 7. Januar ihre erste Klavierstunde. Noch vor Weihnachten wuchteten zwei Spediteure unter gütiger Mithilfe von Tim und mir das Klavinova in ihr Zimmer im ersten Stock. Nach langem Suchen war es Franziska endlich gelungen, einen Klavierlehrer anzuheuern. Und nun besucht uns Eddi aus den Philippinen jeden Sonntag, der hier ja eigentlich „Montag“ ist, mit dem hehren Ziel, Ninas Tastenkünste zu verbessern. Musikunterricht am Arabischen Golf in Englisch auf einem japanischen Instrument mit einem Lehrer aus den Philippinen. Wenn das nicht international ist.
Harte Arbeit am Klavinova
Auch Besuch hat uns im neuen Jahr bereits beehrt. Moni und René Rindlisbacher verbrachten eine Ferienwoche in Dubai. Ihr Anruf überraschte uns, doch schliesslich fanden wir – zur grossen Freude unserer Kinder – ein Datum für einen gemeinsamen Abend in Abu Dhabi. So fuhr ich denn mit unserem Prado, dessen Räder mittlerweile bereits über 18000km abgespult haben, nach Dubai, wo ich die beiden auf dem Golfplatz traf. Nach einem kurzen Duschstopp in ihrem Hotel ging’s zurück nach Abu Dhabi, wo wir bei uns zuhause einen gemütlichen Grill- Kartoffel- und Salatabend (nur Blattsalat, kein Edelmais!) verbrachten! Zurück fuhren die Rindlisbachers dann erst am späten Abend, oder vielleicht auch eher am frühen Morgen. Wir bestellten das Taxi von Al Gazal auf 04.00 Uhr...
Dann fand das Grippevirus irgendwie einen Weg in unser Haus. Franziska und Linda klagten tagelang über kratzige Kehlen und einen hartnäckigen Husten. Ähnlich erging es Nina. Schliesslich landete Linda für zwei Tage mit Kopf- und Bauchschmerzen im Bett. Einzig die Männerbastion blieb vor viralen Infekten verschont. Ob dies an der ausgezeichneten körperlichen Verfassung liegt oder ganz einfach der uns Männern eigenen Widerstandskraft (Die Kultur des Mittleren Ostens beginnt langsam, mein Geschlechter spezifisches Denken zu beeinflussen) zu verdanken ist, bleibt indes offen.
Orkan Kyrill und fünf Dekaden
Just einen Tag vor meinem 50sten Geburtstag, sass ich in meinem Hotelzimmer in Frankfurt. Am Abend war mein Rückflug angesagt, doch Orkan „Kyrill“ wollte ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Seit dem frühen Morgen berichtete das Fernsehen in Sondersendungen über die zu erwartenden Sturmwinde und Schäden. Die Bahn hatte den Betrieb eingestellt. Ob wir es schaffen würden, den Flug Richtung Abu Dhabi anzutreten? Die Frage beschäftigte mich den ganzen Tag, schliesslich freute ich mich auf meine Geburstagsfeier im intimen Familienrahmen. Ohne grossen Klimbim, so wie es meinem bescheidenen Wesen entsprechen sollte....
Wir hatten Glück, zumindest was den guten Kyrill betraf. Mit lediglich 45 Minuten Verspätung wurde unser A340-500 vom Standplatz E6 zurückgestossen. Während wir im Pulk der startbereiten Maschinen auf unsere Freigabe warteten, wurde das Flugzeug von den heftigen Böen hin- und hergerüttelt. Der „Tower“ meldete Windspitzen bis 45 Knoten, was rund 80 km/h entspricht.
Der Start gehörte zu den eindrücklicheren in meiner Karriere. Kaum waren wir in der Luft, wurde der Rumpf wie von Geisterhand gepackt, kräftig durchgerüttelt. Es war, als wenn jemand das Flugzeug gegen eine Wand hämmern würde. Die Schläge waren hart und heftig und die Instrumente tanzten einen wilden Tanz. Doch der Spuk dauerte nur kurz in dieser Intensität, denn kaum hatten wir 7000 Fuss passiert, wurde es wesentlich ruhiger. Dies obwohl die Windgeschwindigkeiten immer noch bei knapp 100 Knoten lagen. Stärkere Turbulenzen hatte ich erst einmal erlebt: Vor etwa 17 Jahren, als Copi auf dem „Jumbo“ bei einem Flug zwischen Bombay und Bangkok. Immer wieder meldete sich damals der Autopilot ab. Die Schläge waren mehr als eindrücklich und es fiel schwer, die Hand jeweils zum gewünschten Knopf oder Hebel zu führen. Schliesslich sahen wir uns im Reiseflug (!) während rund zehn Minuten gezwungen, das Flugzeug von Hand zu pilotieren.
Nicht so auf dem Flug von Frankfurt nach Abu Dhabi. Der Rest war Routine. Bis auf die Gratulationen zu meinem Geburtstag! Während des Reisefluges erschien Talida, die „Cabin Managerin“ aus Rumänien plötzlich mit einem Tablett, auf dem drei Champagnergläser und ein kleiner Kuchen mit einer Kerze standen. Die Gläser füllte sie mit „Sprite“, was foto- und gesetzestechnisch sämtliche Vorgaben erfüllte und so stiessen wir auf 39’000 Fuss im Cockpit auf meinen 50sten an!
Mit Talida im Cockpit
Überraschung, Überraschung
Damit war der Jubeltag eingeläutet. Doch zuerst ging es ganz unspektakulär weiter. Gleich nach der Landung liess ich mich von einem Taxi zum Ice Rink chauffieren. Tim hatte im Rahmen der „Abu Dhabi Falcons House League“ ein Eishockeyspiel und ich war dazu auserkoren, die Matchuhr zu bedienen. Für alle Insider wäre an dieser Stelle anzufügen, dass das hiesige Modell wesentlich einfacher zu bedienen ist als sämtliche von mir früher erprobten Typen im Zürcher Unterland, so dass ich auch nach dieser Freinacht in der Lage war, die Mechanik fehlerfrei zu bedienen.
Ein Buch voller Überraschungen...
Nach einigen wenigen Stunden Schlaf und einer erfrischenden Dusche war ich schliesslich soweit bei Sinnen, dass ich mich für alles Kommende gerüstet fühlte. Geschenke wurden ausgepackt, ein Buch mit fantasievollen und witzigen Glückwünschen von Freunden und Verwandten bestaunt und Franziska schenkte mir meine lang gewünschte Traumuhr aus der Schaffhauser Manufaktur. Über den Verlauf des Abends machte ich mir keine grossen Gedanken, hatte ich doch gewünscht, im familiären Rahmen in einem Restaurant zu essen. Und da mir meine Familie eine entsprechende Tischreservation bestätigt hatte, war ich zufrieden. Doch mir schien, die Kinder wären gar etwas aufgeregt und unruhig, was mich schliesslich in misstrauisches Grübeln versetzte.
Schliesslich fuhren wir kurz nach 1900 Uhr los – Ziel unbekannt. Zumindest für mich. Nach einigen Haken und absichtlich ausgelassenen Abzweigungen standen wir unvermittelt vor dem dem Lembach’schen Anwesen. Ich solle doch mal klingeln, meinte Franziska arglos, derweil die Kinder bereits hüstelnd an den Fotoapparaten und Filmkameras herumnestelten.
Gesagt, getan – die Tür ging auf – und im Halbkreis hatten sie sich malerisch postiert: Die Lembachs und Lachmairs, die Füchse und all deren Kinder und Hunde bis hin zu den ungezähmten Halbwüchsigen. Das Klavier begann zu spielen und dann sangen sie, ein Champagnerglas in der Hand haltend, aus vollen Kehlen (nicht wörtlich zu nehmen...): „Sein Airbus fliegt 3010, schwupps um die Schallmauer ist’s geschehn....“ – “...Das macht Spass, hoch das Glas“. Und sie rekapitulierten in wenigen Strophen die wichtigsten Stationen meiner letzten 50 Jahre: New York-Flüge, Porsche-Verkauf, Vorliebe für Hamburger, Schlange stehende Hostessen (hier allerdings wich der Liedtext leicht von der Realiät ab. Die Hostessen pflegten nicht Schlange zu stehen, vielmehr rannten sie meine Türen ein!) und Vorbereitung Wimbledon für Tennis-Oldies. Dabei hatten sie mich seit Monaten glauben gemacht, sie wären just zu dieser Zeit im Oman auf einer Erlebnisreise. Gefehlt hätte eigentlich nur noch, dass plötzlich auch Toni und Andrea, die ja ferienhalber in der Schweiz weilten, wobei ich mir da plötzlich nicht mehr so sicher war, aus irgend einer Ecke angetanzt gekommen wären. (Tonis Taktik besteht grundsätzlich darin, möglichst früh einen möglichst grossen Anteil seines dreijährigen Ferienkontingents zu beziehen. Man weiss ja nie...)
Und so feierten wir denn in dieser friedlichen Runde, mit schalkhaften Einlagen der Kinder, bis dass uns beinahe der Grappa ausging und der Nachwuchs über seinen Computerspielen einschlief.
Die Überraschung war gelungen! In meiner jugendlichen Naivität – das würde mir heute im reifen Alter von 50 selbstverständlich nicht mehr passieren – war ich der schlitzohrigen Schar auf den Leim gekrochen. Um so mehr freute ich mich über den raffiniert eingefädelten Abend mit italienischen Köstlichkeiten über Vitello Tonato und Tiramisu bis hin zu einem aufwändig zubereiteten Schokoladekuchen! Bedenklich hat mich einzig die Tatsache gestimmt, dass darauf nicht mehr alle Kerzen Platz fanden.
Ob ich wohl alt werde...?
Tuesday, January 02, 2007
Von Dekadensprüngen und -vorsprüngen
„Good evening ladies and gentlemen this is your captain. My name is Dieter Eppler and it is my great pleasure to welcome you tonight on this historical ETIHAD-flight leaving New York on the 31st of December 2006 and arriving in Abu Dhabi on the 1st of January 2007.
It is not the sound barrier that we are going to break though but we will be literally traveling between the years and I certainly do hope that this journey will lead all of us into a prosper and healthy 2007!“
Mit diesen Worten begrüsse ich am Abend des 31. Dezember unsere 39 Passagiere des Fluges EY 504 von JFK nach Abu Dhabi. Eigentlich hätten es 92 sein sollen, doch uns wird gesagt, dass die fehlenden 53 Gäste im silvesterlichen Verkehrschaos von Manhattan stecken würden.
Wie auch immer. Es ist 2200 Uhr Lokalzeit in New York. In Abu Dhabi schlafen Mann und Frau wohl bereits, Jahreswechsel hin oder her, denn dort ticken die Uhren mit neun Stunden Vorsprung. Und auch in der Schweiz ist das neue Jahr bereits drei Stunden alt. Wieder einmal gehöre ich zu den sprichwörtlich Letzten, die jedoch gemäss überlieferter Redensart irgendwann hoffentlich die Ersten sein werden. Und ich muss nicht einmal lange darauf warten, denn im Gegensatz zu den Strassen in und um Manhattan sind die Rollwege des John F. Kennedy Airport an diesem Abend völlig ausgestorben. Ähnliche Zustände habe ich in 18 Jahren New York Fliegerei noch nie erlebt: Wir stossen den A340-500 eine Viertelstunde vor der geplanten
Zeit vom Gate zurück und rollen, nachdem wir die vier Triebwerke gestartet haben,
ungehindert Richtung Startbahn 13R los. Zügig liest der jamaikanisch-kanadische Copi John Reid die Checklisten. Auf den beiden Jumpseats hinter uns haben sich Captain Suraj Weerasekera aus Sri Lanka und Copi Julian Jeffery aus Südafrika angeschnallt. Sie werden uns nach rund fünf Stunden Flugzeit, bis kurz vor Einleiten des Sinkflugs ablösen, damit auch wir etwas schlafen können. Denn für Anflug und Landung werden John und ich wieder das Kommando übernehmen. Der gesamte Flug dauert heute „nur“ 11.50 Stunden. Die Rückenwinde sind uns gnädig gesinnt.
Unterschiedliche Weihnachtsfeiern
Meine Familie hat sich am 21. Dezember in die Schweiz abgesetzt, um die Festtage im Diemtigtal zu verbringen. Der Schnee ist zwar weder in Menge noch Konsistenz befriedigend, doch für einige Schlittelpartien und einen Skitag am Wiriehorn reicht es dennoch. Die neu renovierte Ferienwohnung besteht ihre Feuertaufe bestens und erfüllt ihren Zweck. Selbstverständlich reist Franziska mit den Kindern auch für zwei Tage ins Zürcher Unterland, wo sie bei der Familie meines Bruders Unterschlupf findet und zwischendurch einige Freunde und Bekannte besucht.
Derweil der Schreibende artig in Abu Dhabi seiner Arbeit nachgeht und sich dabei diverse Nächte um die Ohren schlägt. Höhepunkt ist wohl die rekordverdächtige „Power-Kombination“ über Weihnachten: Am 21. Dezember nach Kuwait und zurück, quasi als „Warm up“. Am 22. dann nach London und in der darauffolgenden Nacht wieder zurück nach Abu Dhabi. Landung am 24. um 0700 Uhr. Und damit ich nicht in Gefahr laufe, in eine „Weihnacht-allein zu Hause-Depression“ zu fallen, bietet mich das Crew Control bereits eine Viertelstunde nach Mitternacht (!) für eine weitere Nachtmission, diesmal nach Colombo, auf. Die Zeit zwischen den beiden Flügen vertreibe ich mir mit etwas Computer und schlafen, dann mit mehr Computer und weniger schlafen. Ich taumle gleichsam zwischen „Zirkadianem Tief“ und „Kommunikativem Hoch“, habe jedoch, wen wundert’s, am Abend beim Anziehen meiner Uniform das Gefühl, völlig neben den Schuhen zu stehen. Das mag mitunter daran liegen, dass ich den Heiligen Abend mit Kerzenlicht, alten Fotoalben und stimmigen Weihnachtsliedern – allerdings nicht von mir selber gesungen – verbringe. Der Kerzenwachs tropft förmlich aus Radio und Fernsehen, und auch meine verzweifelten Zapp- und Umschaltversuche bringen kein Entrinnen aus dem christnächtlichen Liedertaumel. So bleibt die Stimmung melancholisch bis sentimental, was ich jedoch – und hier mag der oder die LeserIn staunen – bis zu einem gewissen Punkt sogar geniesse. Die Gedanken sind frei, und, in Anbetracht meines Schlafmankos, auch etwas wirr. Angeregt von den alten Familienfotos schweife ich zurück in frühere Jahre und werde mir dabei bewusst – der im Januar anstehende persönliche Dekadensprung trägt wohl das Seinige dazu bei – wie schnell die Zeit verfliegt. Zugegeben, dies ist nun in der Tat keine revolutionäre Erkenntnis, dafür aber eine unmittelbar und hautnah erlebte, welche die eine oder andere psychedelische Kratzspur hinterlässt!
Helvetische Begegnungen
Dennoch überstehe ich den Flug nach Colombo ohne Probleme. Während unseres Anfluges hören wir diverse Maschinen der „Sri Lankan Airlines“, welche auf der gleichen Funkfrequenz um Starterlaubnis (darunter versteht man die Erlaubnis, die Triebwerke zu starten) fragen. Dabei fällt mir vor allem eine Stimme mit unüberhörbar Schweizerischem Akzent auf. Da war doch in der letzten „Rundschau“ ein Bericht eines ehemaligen Swissair-Kollegen, der jetzt in Colombo lebt...
Als wir zu unserem Standplatz rollen rufe ich auf gut Glück seinen Namen in den Äther: „Marcel...?“ Nach kurzem Schweigen erklingt ein erstauntes „Ja...Hallo... wer isch da...?“ Ich nenne meinen Namen und er scheint anfänglich ziemlich verwirrt. Dann wechseln wir auf dem zweiten Funkgerät auf eine andere Frequenz und unterhalten uns in astreinem Schweizerdeutsch. Dabei müssen wir feststellen, dass ein Treffen während meines Aufenthaltes leider nicht möglich sein wird. Ich gebe ihm noch rasch meine Handynummer durch, dann brechen wir das Gespräch ab. Gut zwei Stunden später werden mich in unserem Hotel weitere SchweizerInnen erwarten. Babs und Corinne sind heute morgen aus der Schweiz kommend in Colombo gelandet und wollen 10 Tage Sonne und Strand geniessen. Auf dem Weg zu ihrer Herberge machen sie auf einen oder zwei Kaffee im „Cinnamon Grand“, unserem Crewhotel im Zentrum von Colombo, Halt. Am Abend sendet mir der Kollege vom Vormittag ein SMS. Wir staunen beide, wie klein die Welt doch ist.
Ob solch heimischem Geplapper habe ich doch glatt den Faden etwas verloren. Eigentlich will ich an dieser Stelle ja aufzeigen, wie wenig Schlaf mir über die Weihnachtstage gegönnt war. Zwei Nachtflüge innert vier Tagen, zuerst Richtung West, anschliessend gegen Osten. Nach der Rückkehr nach Abu Dhabi haut es mich denn auch für einen Tag förmlich aus den Socken und während 24 Stunden kämpfe ich mit Durchfall, Übelkeit und Fieber. Dennoch will ich mir die geplanten Trainingseinheiten mit Peter auf dem Tennisplatz nicht entgehen lassen und so stehen wir beide denn die nächsten drei Tage je zwei Stunden auf dem Court. Wolfgang weilt über die Feiertage in Deutschland und kämpft wohl weniger an der Grundline. Sein primäres Interesse dürfte viel eher dem krampfhaften Versuch gelten, Nahrungsaufnahme und Fettverbrennung zu optimieren.
Das Weihnachtswetter präsentiert sich für's Tennis als nahezu ideal. Angenehme 22 Grad und Sonnenschein. Beim ersten Anlauf schlurfe ich allerdings aus oben genannten Gründen noch ziemlich schlapp über den Hartplatz, dies bessert sich erst nach Elkes Einladung zur selber gebackenen Pizza in drei verlockenden Varianten. Peter wird wohl zukünftig seiner Frau etwas Zurückhaltung in solchen Dingen auferlegen, ist er verständlicherweise doch daran interessiert, seine bis anhin "makellose Abu Dhabi Bilanz“ nicht zu gefährden. Denn er weiss, dass der Tag kommen wird, an dem ihn auch sein „Dekadenvorsprung“ nicht mehr zu retten vermag...
die Heimat ruft
Mittlerweile bin ich wieder zurück aus New York und bereits damit beschäftigt, den Koffer neu zu packen. Nur sechs Stunden nach unserer Landung will ich nach Genf fliegen und dann zu meiner Familie ins Diemtigtal fahren. Franziska und die Kinder werden allerdings am 4. oder 6. Januar zurückreisen. Die Schule ruft. Mir indes bleibt noch etwas Zeit in der Schweiz. Die Steuern rufen...
It is not the sound barrier that we are going to break though but we will be literally traveling between the years and I certainly do hope that this journey will lead all of us into a prosper and healthy 2007!“
Mit diesen Worten begrüsse ich am Abend des 31. Dezember unsere 39 Passagiere des Fluges EY 504 von JFK nach Abu Dhabi. Eigentlich hätten es 92 sein sollen, doch uns wird gesagt, dass die fehlenden 53 Gäste im silvesterlichen Verkehrschaos von Manhattan stecken würden.
Wie auch immer. Es ist 2200 Uhr Lokalzeit in New York. In Abu Dhabi schlafen Mann und Frau wohl bereits, Jahreswechsel hin oder her, denn dort ticken die Uhren mit neun Stunden Vorsprung. Und auch in der Schweiz ist das neue Jahr bereits drei Stunden alt. Wieder einmal gehöre ich zu den sprichwörtlich Letzten, die jedoch gemäss überlieferter Redensart irgendwann hoffentlich die Ersten sein werden. Und ich muss nicht einmal lange darauf warten, denn im Gegensatz zu den Strassen in und um Manhattan sind die Rollwege des John F. Kennedy Airport an diesem Abend völlig ausgestorben. Ähnliche Zustände habe ich in 18 Jahren New York Fliegerei noch nie erlebt: Wir stossen den A340-500 eine Viertelstunde vor der geplanten
Zeit vom Gate zurück und rollen, nachdem wir die vier Triebwerke gestartet haben,
ungehindert Richtung Startbahn 13R los. Zügig liest der jamaikanisch-kanadische Copi John Reid die Checklisten. Auf den beiden Jumpseats hinter uns haben sich Captain Suraj Weerasekera aus Sri Lanka und Copi Julian Jeffery aus Südafrika angeschnallt. Sie werden uns nach rund fünf Stunden Flugzeit, bis kurz vor Einleiten des Sinkflugs ablösen, damit auch wir etwas schlafen können. Denn für Anflug und Landung werden John und ich wieder das Kommando übernehmen. Der gesamte Flug dauert heute „nur“ 11.50 Stunden. Die Rückenwinde sind uns gnädig gesinnt.
Unterschiedliche Weihnachtsfeiern
Meine Familie hat sich am 21. Dezember in die Schweiz abgesetzt, um die Festtage im Diemtigtal zu verbringen. Der Schnee ist zwar weder in Menge noch Konsistenz befriedigend, doch für einige Schlittelpartien und einen Skitag am Wiriehorn reicht es dennoch. Die neu renovierte Ferienwohnung besteht ihre Feuertaufe bestens und erfüllt ihren Zweck. Selbstverständlich reist Franziska mit den Kindern auch für zwei Tage ins Zürcher Unterland, wo sie bei der Familie meines Bruders Unterschlupf findet und zwischendurch einige Freunde und Bekannte besucht.
Derweil der Schreibende artig in Abu Dhabi seiner Arbeit nachgeht und sich dabei diverse Nächte um die Ohren schlägt. Höhepunkt ist wohl die rekordverdächtige „Power-Kombination“ über Weihnachten: Am 21. Dezember nach Kuwait und zurück, quasi als „Warm up“. Am 22. dann nach London und in der darauffolgenden Nacht wieder zurück nach Abu Dhabi. Landung am 24. um 0700 Uhr. Und damit ich nicht in Gefahr laufe, in eine „Weihnacht-allein zu Hause-Depression“ zu fallen, bietet mich das Crew Control bereits eine Viertelstunde nach Mitternacht (!) für eine weitere Nachtmission, diesmal nach Colombo, auf. Die Zeit zwischen den beiden Flügen vertreibe ich mir mit etwas Computer und schlafen, dann mit mehr Computer und weniger schlafen. Ich taumle gleichsam zwischen „Zirkadianem Tief“ und „Kommunikativem Hoch“, habe jedoch, wen wundert’s, am Abend beim Anziehen meiner Uniform das Gefühl, völlig neben den Schuhen zu stehen. Das mag mitunter daran liegen, dass ich den Heiligen Abend mit Kerzenlicht, alten Fotoalben und stimmigen Weihnachtsliedern – allerdings nicht von mir selber gesungen – verbringe. Der Kerzenwachs tropft förmlich aus Radio und Fernsehen, und auch meine verzweifelten Zapp- und Umschaltversuche bringen kein Entrinnen aus dem christnächtlichen Liedertaumel. So bleibt die Stimmung melancholisch bis sentimental, was ich jedoch – und hier mag der oder die LeserIn staunen – bis zu einem gewissen Punkt sogar geniesse. Die Gedanken sind frei, und, in Anbetracht meines Schlafmankos, auch etwas wirr. Angeregt von den alten Familienfotos schweife ich zurück in frühere Jahre und werde mir dabei bewusst – der im Januar anstehende persönliche Dekadensprung trägt wohl das Seinige dazu bei – wie schnell die Zeit verfliegt. Zugegeben, dies ist nun in der Tat keine revolutionäre Erkenntnis, dafür aber eine unmittelbar und hautnah erlebte, welche die eine oder andere psychedelische Kratzspur hinterlässt!
Helvetische Begegnungen
Dennoch überstehe ich den Flug nach Colombo ohne Probleme. Während unseres Anfluges hören wir diverse Maschinen der „Sri Lankan Airlines“, welche auf der gleichen Funkfrequenz um Starterlaubnis (darunter versteht man die Erlaubnis, die Triebwerke zu starten) fragen. Dabei fällt mir vor allem eine Stimme mit unüberhörbar Schweizerischem Akzent auf. Da war doch in der letzten „Rundschau“ ein Bericht eines ehemaligen Swissair-Kollegen, der jetzt in Colombo lebt...
Als wir zu unserem Standplatz rollen rufe ich auf gut Glück seinen Namen in den Äther: „Marcel...?“ Nach kurzem Schweigen erklingt ein erstauntes „Ja...Hallo... wer isch da...?“ Ich nenne meinen Namen und er scheint anfänglich ziemlich verwirrt. Dann wechseln wir auf dem zweiten Funkgerät auf eine andere Frequenz und unterhalten uns in astreinem Schweizerdeutsch. Dabei müssen wir feststellen, dass ein Treffen während meines Aufenthaltes leider nicht möglich sein wird. Ich gebe ihm noch rasch meine Handynummer durch, dann brechen wir das Gespräch ab. Gut zwei Stunden später werden mich in unserem Hotel weitere SchweizerInnen erwarten. Babs und Corinne sind heute morgen aus der Schweiz kommend in Colombo gelandet und wollen 10 Tage Sonne und Strand geniessen. Auf dem Weg zu ihrer Herberge machen sie auf einen oder zwei Kaffee im „Cinnamon Grand“, unserem Crewhotel im Zentrum von Colombo, Halt. Am Abend sendet mir der Kollege vom Vormittag ein SMS. Wir staunen beide, wie klein die Welt doch ist.
Ob solch heimischem Geplapper habe ich doch glatt den Faden etwas verloren. Eigentlich will ich an dieser Stelle ja aufzeigen, wie wenig Schlaf mir über die Weihnachtstage gegönnt war. Zwei Nachtflüge innert vier Tagen, zuerst Richtung West, anschliessend gegen Osten. Nach der Rückkehr nach Abu Dhabi haut es mich denn auch für einen Tag förmlich aus den Socken und während 24 Stunden kämpfe ich mit Durchfall, Übelkeit und Fieber. Dennoch will ich mir die geplanten Trainingseinheiten mit Peter auf dem Tennisplatz nicht entgehen lassen und so stehen wir beide denn die nächsten drei Tage je zwei Stunden auf dem Court. Wolfgang weilt über die Feiertage in Deutschland und kämpft wohl weniger an der Grundline. Sein primäres Interesse dürfte viel eher dem krampfhaften Versuch gelten, Nahrungsaufnahme und Fettverbrennung zu optimieren.
Das Weihnachtswetter präsentiert sich für's Tennis als nahezu ideal. Angenehme 22 Grad und Sonnenschein. Beim ersten Anlauf schlurfe ich allerdings aus oben genannten Gründen noch ziemlich schlapp über den Hartplatz, dies bessert sich erst nach Elkes Einladung zur selber gebackenen Pizza in drei verlockenden Varianten. Peter wird wohl zukünftig seiner Frau etwas Zurückhaltung in solchen Dingen auferlegen, ist er verständlicherweise doch daran interessiert, seine bis anhin "makellose Abu Dhabi Bilanz“ nicht zu gefährden. Denn er weiss, dass der Tag kommen wird, an dem ihn auch sein „Dekadenvorsprung“ nicht mehr zu retten vermag...
die Heimat ruft
Mittlerweile bin ich wieder zurück aus New York und bereits damit beschäftigt, den Koffer neu zu packen. Nur sechs Stunden nach unserer Landung will ich nach Genf fliegen und dann zu meiner Familie ins Diemtigtal fahren. Franziska und die Kinder werden allerdings am 4. oder 6. Januar zurückreisen. Die Schule ruft. Mir indes bleibt noch etwas Zeit in der Schweiz. Die Steuern rufen...
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