Saturday, September 30, 2006

Ramadan und hispeed

Am 23. September hat der Ramadan begonnen. Landesweit angekündigt in Radio und Printpresse. Was wiederum verständlich ist, denn der Fastenmonat gehört zu den Hauptfesten des Islam und ist gemäss der Zeitung „Gulf News“ „...a time of giving, patience and tolerance for Muslims“.
Und seit gestern geniessen wir in unserem Haus die Vorzüge eines Hispeed-Internetanschlusses! Lang herbei gesehnt und endlich wahr geworden.
Natürlich haben die beiden Ereignisse wenig bis gar nichts miteinander zu tun. Ausser vielleicht, dass beide unser Leben in Abu Dhabi spürbar beeinflussen. Während der Fastenmonat für Nicht-Muslime den Rhythmus der Stadt merklich verändert, öffnet uns die rasche Internetverbindung neue Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, deren Vorzüge wir schon beinahe vergessen hatten.

Doch zuerst zum Ramadan. Es ist dies der neunte Monat des Islamischen Mondkalenders, der – nach der Skala des für uns geltenden Gregorianischen Kalenders – jedes Jahr elf Tage früher beginnt. Ramadan wird ausgerufen, wenn die Mondsichel nach Neumond, genannt „Hilal“, erstmals wieder mit blossem Auge sichtbar ist. Fasten ist obligatorisch für alle Muslime, die der Pubertät entwachsen, gesund, nicht schwanger und nicht auf langen Reisen sind. Wer nicht fastet, holt dies in einem anderen Monat nach oder kümmert sich um die Armen und Bedürftigen. Das Fasten, auch „sawm“ genannt, wurde im Jahre 624 nach Christus zur Pflicht für Muslime. Fasten heisst aber nicht nur, während des Tages auf Essen und Trinken zu verzichten. Auch dem Rauchen und jeglicher sexueller Aktivität muss entsagt werden.
Für Millionen Gläubige auf der ganzen Welt bedeuten die Riten des Ramadan Hingabe zu Gott und Selbstbesinnung bei der Ausübung der täglichen sechs Gebete.
Ein typischer Fastentag beginnt mit einem frühen Erwachen vor der Morgendämmerung. Es folgt die Einnahme einer letzten Nahrung, genannt „Suhoor“, die vor dem Aufgang der Sonne beendet sein muss. Auf unserem Flug nach Lahore vor wenigen Tagen – der Start in Abu Dhabi erfolgte um 0210 Uhr Lokalzeit – kam die Kabinenchefin, selbst eine Muslimin, immer wieder ins Cockpit um sich zu vergewissern, wann sie denn unseren Passagieren nun „Suhoor“ angekündigen könne. Bei konstant wechselnden Zeitzonen keine einfache Aufgabe, aber mit Hilfe einer phantasievollen Cockpitcrew durchaus machbar. Von unserer zwölfköpfigen Besatzung waren übrigens fünf Mitglieder am Fasten. Arbeit und Nachtflug hin oder her.
Auch der muslimische Installateur, der unsere Vorhänge montierte, unterbrach sein Tun in völliger Selbstverständlichkeit, um in einer stillen Ecke sein Gebet zu sprechen. Die Gebetszeiten werden täglich in der Tagespresse publiziert, beispielsweise „Fajr“ um 04.49 Uhr, „Dhuhur“ um 12.16 Uhr, „Asr“ um 15.41 Uhr, „Maghrib“ um18.11 Uhr und „Isha“ um 19.41Uhr. Diese fünf Gebetszeiten werden während des Fastenmonats um ein zusätzliches Abendgebet, genannt „Taraweeh“ ergänzt, das unmittelbar an "Isha" anschliesst. Die hier genannten Zeiten beziehen sich auf den 28. September und variieren je nach Ort. Das tägliche Fasten endet mit dem Ruf zum Abendgebet – dem "Maghrib" – und der anschliessenden Mahlzeit „Iftar“. Jeden Abend erfreuen sich auch zahlreiche Nicht-Muslime zusammen mit den Gläubigen an einem der in vielen Hotels und Restaurants angebotenen üppigen „Iftar-Buffet“. Auch wir haben uns schon durch die Vielfalt der arabischen Getränke und Speisen "gekämpft", allerdings mit dem Hauch eines schlechten Gewissens. Schliesslich hatten wir den Tag nicht fastend verbracht. Die Zeit unmittelbar vor „Iftar“ gehört statistisch gesehen übrigens zu den gefährlicheren auf der Strasse, kommt es doch immer wieder zu Unfällen, weil unterzuckerte und ausgehungerte Autofahrer im Eiltempo nach Hause rasen, wo sie zusammen mit ihren Familien das Fasten brechen ("break fast").

Auch Touristen und andere Menschen, die nicht fasten, spüren den veränderten Lebensrhythmus markant. Die Arbeitszeiten werden um zwei Stunden gekürzt, öffentliche Dienste und Ämter haben ihre Büros lediglich von 0900 bis 0200 Uhr geöffnet. Beim Einkauf im „Carrefour“ stösst frau in völlig neue Konsum-Dimensionen vor: obwohl es sich beim genannten Geschäft um eine äusserst grosszügig konzipierte Anlage handelt, herrscht jetzt ein fürchterliches Gedränge. Franziska erlebte ein wahres „Ramadan-Einkaufs-Tohuwabohu“ und benötigte anstelle der üblichen zwei Stunden gleich die doppelte Zeit. So paradox es klingt, während der Fastenzeit wird in arabischen Ländern deutlich mehr an Lebensmitteln gekauft und zubereitet als gegessen werden kann. Die Folge ist ein durchschnittlich doppelt so hohes Müllaufkommen. Ausserdem wird auf besonders energiehaltige Speisen und Zutaten wie beispielsweise Datteln und Nüsse Wert gelegt.
„Id al-Fitr“, das Fest des Fastenbrechens, mit dem die 30-tägige Fastenzeit ihren Abschluss findet, wird in den ersten drei Tagen des Folgemonats gefeiert und ist eines der beiden Hauptfeste des Islam.

Derweil also aufs Essen am Tag verzichtet wird, beginnt bei der Familie Eppler eine neue Zeitrechnung anderer Art: Die erfolgreiche Installation eines ADSL-Modems katapultiert uns ebenfalls in neue Dimensionen, allerdings nicht in Sachen Einkaufen sondern viel eher in Kommunikationbelangen. Ich bin beinahe erschrocken, als sich auf dem Bildschirm meines Laptops in rasend rascher Folge die einzelnen Text- und Bildelemente einer Zürcher Tageszeitung zu einem harmonisch blau-weissen Ganzen aufbauten.
Welch Wunder der Technik. Dass es so etwas gibt...!
Sogar Franziska – ansonsten in Sachen Computer eher von zurückhaltender Natur – kam nicht umhin, sogleich einen „Log-in Versuch“ zu starten. So macht das „world wide web“ wieder Spass. Internet at its best! Die letzte Hürde wird die kabellose Erschliessung sämtlicher Hausecken und –winkel sein. Doch dafür haben wir extra einen Experten ins Domizil bestellt. Er wird am Samstag erwartet. Was aber nichts heisst. Könnte gut sein, dass er nicht auftaucht. Auch am Sonntag nicht. Dafür vielleicht am Montag. Eine Woche später versteht sich. Aber das vermag uns nicht (mehr) zu erschüttern. Höchstens ein bisschen. Aber wir werden nicht laut und bleiben anständig. Schliesslich ist Ramadan. Und da gelten halt andere Gesetze....

„Ramadan Kareem!“

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