Wednesday, August 16, 2006

Ich gehe fremd

posted by Dide
Liebe Blog-Leser. Für einmal mache ich es mir einfach und gehe fremd - quasi! In der NZZ vom 10. August beschrieb Christian Dettwiler in einem äusserst informativen Artikel die Gegensätze von Dubai und Abu Dhabi.
Sehr lesenswert und deshalb prominent platziert in den "Wüstenspuren". Viel Spass...


Begegnung mit Gegensätzen

Der Extravaganz von Dubai steht in Abu Dhabi vornehme Zurückhaltung gegenüber
Die Widersprüche zwischen Entwicklung und Gesellschaft sind in den Vereinigten Arabischen Emiraten sehr gross. Der teuren Tourismus-Infrastruktur und dem Luxus der Einheimischen stehen Heere von rechtlosen Gastarbeitern, religiöse Traditionen sowie ernste ökologische Probleme gegenüber. Abu Dhabi und Dubai gehen unterschiedliche Wege.


Das Paradox ist unter Vielreisenden und erfahrenen Touristen längst bekannt: Wer nach Dubai reisen will, bucht einen Flug nach Abu Dhabi. Der Zeitverlust durch die Fahrt vom Flughafen der Hauptstadt der Emirate nach Dubai wird nämlich längst wettgemacht durch das notorische Chaos auf dem Flughafen Dubais, der grössten Passagierdrehscheibe im Mittleren Osten. 5 Millionen Touristen zählt Dubai jährlich, Tendenz stark steigend, denn bis in 10 Jahren sollen es 15 Millionen sein, was auch die Neubaupläne für einen - den weltgrössten - Flughafen mehr als rechtfertigt. Aber auch Abu Dhabi kennt solche Pläne, bereits ist der Bau eines neuen Terminals angekündigt. Das ist Sinnbild für die stets latent schwelende Konkurrenz zwischen Dubai, dem Las Vegas des Orients, und Abu Dhabi, dem vornehm zurückhaltenden Genf der arabischen Welt. Hie der ungebremste Boom mit Tausenden von Neubauprojekten, die vor der Vollendung stehen, und da, in Abu Dhabi, die gemässigten, aber dennoch grosszügigen Entwicklungspläne.

Pionier aus Notwendigkeit
Es war zweifellos Dubai, das in dieser ganzen Entwicklung am Persischen Golf zeichensetzend war. In fünf Jahren werden keine Petrodollars mehr in die Staatskasse der Königsfamilie fliessen, und da ist Handlung angesagt: Durch die Schaffung einer offenen Wirtschaft, einer liberalen Kultur und einer gut ausgebauten Infrastruktur wurden zunächst Investoren angelockt, die von grosszügigen Steuergeschenken profitieren, und danach wurde der Tourismus generalstabsmässig gefördert. Noch vor 40 Jahren zählte Dubai knapp 100 000 Einwohner, heute sind es 1,2 Millionen - und Wohnungen für weitere 1,6 Millionen Bewohner und Gäste sind im Bau. Das wiederum ist für Touristen nicht sonderlich attraktiv: Der an der Dubai Marina Beach herrschende Bauboom hat ein solches Ausmass angenommen, dass gut überlegt und recherchiert werden will, wer wo Ferien bucht, sonst liegt man am Strand gleich neben der Baustelle des kommenden, noch luxuriöseren Beach-Resorts.
Sorgen mit dem Bauen hat auch die sich im Besitz der Königsfamilie befindende Bau- und Immobilienunternehmung Nakheel: Ihre beiden ambitioniertesten Projekte, die Dubai vorgelagerten künstlichen Inseln «The Palm» und «The World», sind ins Stocken geraten. Zwar schreiten die Arbeiten an den rund 150 000 bereits verkauften Wohnungen, Villen und 25 Hotels auf «The Palm» weiterhin voran, doch im innern des künstlichen Archipels brodelt es: Die Wasserzirkulation zwischen den Palmblättern ist gestört, dem Wasser mangelt der Sauerstoffzustrom, und da, wo eigentlich in Zukunft die Gäste baden sollen, verfault das Wasser. Den Ingenieuren bleiben noch zwei Jahre, dann nämlich sind die Luxusvillen und Luxusapartments der internationalen Kundschaft bezugsbereit. Zurzeit werden in den umkreisenden Damm des «Palm» Löcher gebohrt in der Hoffnung, dass so eine genügende Durchmischung mit sauerstoffhaltigem Frischwasser erfolgen wird. Dramatischer scheint die Situation auf «The World» zu sein; widersprüchlichen Quellen gemäss sollen da die Bauarbeiten eingestellt sein, bestehen in der Planung doch noch grosse logistische Defizite bezüglich Wasser- und Energieversorgung.

Abu Dhabi hat, was Dubai fehlt
Was Dubai an natürlichen Ressourcen nicht hat, nämlich Öl und natürliche Inseln, hat Abu Dhabi im Überfluss. Zurzeit fördert das grösste Land der Emirate täglich rund 2 Millionen Barrel Öl, seine Reserven sind die viertgrössten weltweit. Und entsprechend gross sind die Möglichkeiten für Investitionen. Die Summen sind schwindelerregend. Gesamthaft sollen gemäss «Gulf News» in den fünf kommenden Jahren rund 100 Milliarden Dollar in den Ausbau der Wirtschaft und des Tourismus investiert werden, allein das führende Immobilienunternehmen Aldar will in den nächsten drei Jahren für rund 20 Milliarden Dollar auf natürlichen Inseln, die der Hauptstadt Abu Dhabi vorgelagert sind, Übernachtungs- und Wohnmöglichkeiten für 400 000 Menschen bauen. Bei all diesen Projekten wird aber stets betont, dass in Abu Dhabi nicht die (massen)touristischen Fehler Dubais wiederholt werden sollen: Man setzt ganz explizit auf Abgrenzung: in Dubai der Hype und die Masse, in Abu Dhabi der Luxus und die Exklusivität, konzentriert auf die rund 200 natürlichen Inseln.
Das unterstreicht auch Stephan Kaminsky, der Direktor des «Emirates Palace Hotel» in Abu Dhabi, des exklusivsten Hotels der Golfregion neben dem legendären «Burj al-Arab» in Dubai. Knapp 3 Milliarden Dollar hat das Haus an der Marina Abu Dhabis mit 300 Zimmern und 100 Suiten gekostet, es beschäftigt heute 1100 festangestellte Mitarbeiter, verzeichnet eine Auslastung von 50 Prozent - und ist für die Managementfirma Kempinski selbsttragend (bei Zimmerpreisen zwischen 800 und 25 000 Franken). Kaminsky sieht denn auch das Potenzial in der exklusiveren Klientel Abu Dhabis: Die Inselprojekte wie Al Raha Beach, Al-Reem, Saaydat Island oder El Grum basieren auf natürlichem Terrain und setzen Exklusivität vor Quantität und Masse. El Grum beispielsweise soll ein Resort nach polynesischem Vorbild werden mit einem Hotel (159 Zimmer), 59 Wasservillen und 10 privaten Inseln. Der Verkauf solcher Objekte ist übrigens atemberaubend: Für das Al-Raha- Projekt sollen 366 Wohnungen Ausländern angeboten und innert 45 Minuten verkauft worden sein; für weitere 900 Wohnungen (Kaufpreis zwischen 300 000 und 1,5 Millionen Dollar) lagen dem Vernehmen nach innert zweier Tage 20 000 Offerten auf dem Pult.
Dagegen stehen diejenigen, die diesen Bauboom und die Infrastruktur ermöglichen, mit recht leeren Händen da. 85 Prozent der Einwohner der Emirate sind Zugezogene aus Asien, Afrika und den umliegenden arabischen Ländern. Gegenüber den einheimischen «Nationals» sind sie absolut unterprivilegiert und unterbezahlt; ein Arbeiter auf dem Bau kommt auf knapp 200 Dollar, der «arabische Nomade» aus Somalia, der das Wüstencamp des «Emirates Palace Hotel» betreut, gerade einmal auf 100 Dollar im Monat. Finanzkräftig sind nur die leitenden Angestellten von nationalen wie internationalen Unternehmungen, die sich denn auch über die neugeschaffene Möglichkeit des Liegenschaftskaufs freuen.
Wie grenzenlos die Ideen der Tourismusplaner sind, zeigt auch die Tatsache, dass die Insel Sir Bani Yas rund 250 Kilometer westlich von Abu Dhabi erschlossen werden soll: Diese Insel war vom ehemaligen Scheich und Präsidenten zu einem Natur- und Tierreservat erklärt worden, doch in Zukunft sollen die Vögel, Gazellen, Giraffen und Wüstenhasen Freundschaft mit Touristen schliessen.

Tradition gegen Innovation
Angesichts dieses enormen Wandels mit Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft stellt sich die Frage: Wie kann das Experiment gelingen, die nach den Prinzipien des Liberalkapitalismus des 19. Jahrhunderts erarbeiteten Entwicklungspläne für die gesamte Region zu realisieren und gleichzeitig der nach wie vor latenten Gefahr fundamental- islamistischer Übergriffe wie etwa in Ägypten zu begegnen?
Ein sicherlich nicht endgültiges Fazit könnte lauten: Sowohl Abu Dhabi als besonders auch Dubai befinden sich auf einem schwierigen Balanceakt. Ihr durchaus berechtigter Anspruch auf einen Platz in der Welt des Luxus-Tourismus mit allen dazugehörenden Konsequenzen muss tagtäglich neu austariert werden mit einer Realität, in welcher es immer noch eine fast sklavenartige Fremdarbeit gibt und eine Kultur, die letztlich die Gepflogenheiten westlicher Touristen nur widerwillig, doch sehr professionell assimiliert. Ein Ende dieses schwierigen Prozesses ist noch nicht absehbar.

Christian Dettwiler
Informationen zu Dubai bei F & W Communications in Ittigen. Telefon 031 924 75 99. Homepage: www.dubaitourism.com. Zu Abu Dhabi: News Plus Communications, 80311 München. Telefon 0049 89 23 66 21 25. E-Mail: abudhabi@mangum.de.



Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: http://www.nzz.ch/2006/08/10/to/articleEAWV2.html


Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG

2 comments:

Anonymous said...

Liebe Epplers
Ich habe mich wieder einmal in den Wüstenspuren verlaufen und alles nachgelesen, was ich während unserer Spanienferien versäumt habe. Ich denke viel an Euch und hoffe, dass der Start für Fränzi und die Kinder gut über die Bühne laufen wird, woran ich aber eigentlich nicht zweifle. Es wird mir langweilig werden, wenn ich niemanden mehr habe, mit dem ich und Timo spazierengehen kann und mit dem ich gerne geplaudert habe über dies und das. Ja, Franziska wird mir sicher in der nächsten Zeit fehlen. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr einmal die Wüstenspuren vor Ort ansehen können.
Bis dahin verbleiben aber noch einige Monate. Ich werde mich zu gegebener Zeit gerne wieder bei Euch melden und verfolge in der Zwischenzeit gerne Eure Spuren in der Wüste.
Ich wünsche Euch alles Liebe aus Stadel.
A big kiss to all
Monique

Anonymous said...

Hallo Zäme
Ich hoffe Ihr seid gut angekommen und warte nun gespannt auf den nächsten Bericht mit Fotos aus Eurem "neuen Leben".
Guten Start wünscht
Dänu