Friday, February 04, 2011

Im Glashaus mittendrin

Während in Kairo die Unterdrückten und Aufständischen an Mubaraks Palasttüren rütteln, in der Hauptstadt Jemens sich die Strassen und Plätze mit Protestierenden füllen und in weiteren arabischen Ländern kämpferische Parolen im Internet verbreitet werden, geht das Leben in Abu Dhabi seinen gewohnten Weg. Nichts brodelt, nichts kocht, nichts, das auf baldige Aufruhr deuten würde. Dabei sind auch die Emirate Teil eines arabischen Verbunds, der sich vom westlichsten Zipfel Marokkos bis zum Oman erstreckt.

Allerdings mit unterschiedlichen Voraussetzungen; nicht nur, was die Durchmischung der Bevölkerung betrifft, sondern auch im Bezug auf die Staatsform und die Akzeptanz der regierenden Autoritäten.
Wie bereits früher erwähnt, sind lediglich ein Fünftel der Bevölkerung einheimisch. Viele von ihnen haben anständige Schulen besucht und einige Jahre im Ausland studiert. Den Locals geht es in der Regel sehr gut, sie profitieren in zahlreichen Bereichen von einer generösen Unterstützung des Staates. Beispielsweise werden ihnen für Wasser und Strom 86 Prozent der effektiven Kosten erlassen (fairerweise muss ich hier anfügen, dass auch Expats lediglich die Hälfte bezahlen). Wenn ein Emirati eine emiratische Frau ehelicht, erhält das Paar von der Regierung rund 150'000 Euro sowie ein Grundstück mit Haus.
Wohl hält sich die Begeisterung für den aktuellen Präsidenten Sheikh Khalifa bin Zayed al Nahyan in Grenzen, doch sein Vater Zayed, der die Emirate über 30 Jahre geführt hatte, wurde vom Volk geliebt, als wäre er der eigene Vater.

Es wird interessant sein zu erfahren, wie die Arabische Revolution dieser Tage und Wochen den emiratischen Lebensgeist erfasst. Denn unter den Expats befinden sich nicht nur Europäer, Asiaten, Australier, Nord- oder Südamerikaner. Ein Grossteil der arabischen Einwanderer stammen aus dem Maghreb und Ägypten. Die lokale Polizei ist durchsetzt von Marokkanern. Und Ägypter finden sich in diversen Posten und auf unterschiedlichsten Hierarchiestufen; Bankmanager, Piloten, Juristen aber auch Securityangestellte oder Taxifahrer. Die Vorgänge im eigenen Land beschäftigen sie dieser Tage. Sie sorgen sich um Freunde und Familie. Um Hab und Gut. Mit ihren Ängsten verbindet sich die unbändige Hoffnung auf wirtschaftliche und politische Freiheit und Gerechtigkeit. Getrieben von einem Traum, der sich über Jahrzehnte in ihren Seelen gefestigt hat.

Die verzweifelte Selbstverbrennung des tunesischen Gemüsehändlers hat sich längst zu einem arabischen Flächenbrand ausgeweitet. Wir alle werden Zeugen einer Selbstbefreiung, wie sie die Welt seit dem Mauerfall im Jahre 1989 nicht mehr erlebt hat. Und mir scheint, als sässe ich, mit verschwommenem Blick, im Glashaus mittendrin.


3 comments:

Crowi said...

Sehr interessant, ueber die Dinge aus ihrer Sicht zu hoeren. Was sich derzeit abspielt im Arabischen Raum! Anlass zur Hoffnung!

Gut fand ich auch, dass sie diesen tunesischen Gemuesehaendler erwaehnten, dessen verzweifelte Selbstverbrennung. Er hat das Ganze ins rollen gebracht und das Fass zum ueberlaufen, so wie's aussieht.

An historischen Beispielen herrscht kein Mangel: mir faellt das Attentat von Sarajevo ein. Ein Mensch wurde erschossen. Das Resultat ist bekannt: Der Erste Weltkrieg. "Kleine" Ursachen, grosse Wirkungen.

G! said...

Interessanter Blick aus dem Glashaus! Hierzulande finde ich die derzeitigen Beurteilungen leicht "heuchlerisch", denn seit 1981 bis vor wenigen Tagen hat sich nicht ein Einzelner ernsthaft darum gekümmert, wie das Land regiert wird (und sich darüber beschwert), als man dort in den Ferien war...

Dide said...

@Crowi: Die aufkeimende Hoffnung hat sich nach Mubaraks Rede gestern Nacht verflüchtigt und ist Frustration und Wut gewichen. Diese aufgeheizte Stimmung wird und muss sich irgendwie entladen. Den Protestierenden gegenüber formieren sich die Armeepanzer. Bereits diese ungleiche Konstellation lässt wenig Gutes ahnen.

@G!: Das ist wohl so. Grundsätzlich keine neue Erkenntnis aber, wenn man bedenkt wie die Regierungen dieser Welt mit Diktatoren der Neuzeit in Afrika, Südamerika oder Europa umgehen. Auch Ceaucescu wurde jeweils mit Fahnen und Trompeten von westlichen Staatsmännern empfangen...