Sunday, September 26, 2010
Kälteschock und Sandsturm
Grund dafür ist die Einführung eines neuen Planungssystems, so genannt Bidding-System. Neben automatisierten und erleichterten Abläufen im Planungsbereich bieten solche Bidding-Systeme den Besatzungsmitgliedern vermehrte und flexible Einflussmöglichkeiten bei der Gestaltung der monatlichen Arbeitspläne.
Theoretisch zumindest. In der Praxis laufen die Dinge ähnlich vielfältig, wie der Duden die deutsche Übersetzung des Verbs to bid variiert. Die Bedeutung pendelt zwischen bieten, befehlen, bitten, einladen, mitsteigern und... reizen! Hier öffnen sich endlose Weiten zur Spekulation. Vielleicht haben Flugbesatzungen den Terminus über Jahre hinweg falsch interpretiert. Vielleicht besteht der Hintergrund eines Bidding-Systems vielmehr darin, individuelle Crew-Wünsche vollständig auszuschliessen und Einsätze militärisch strikt zu befehlen. Höchst interessant scheint mir in diesem Zusammenhang die Übersetzung reizen. Wer hier wen reizt, bleibt allerdings offen.
Nun, unser Etihad Bidding System feiert mit der Kreation der gestern veröffentlichten Oktober-Einsätze Premiere. Da werden bei mir doch gleich Erinnerungen an die Einführung eines ähnlichen Systems bei der Swissair selig wach. Das war vor rund zehn Jahren, ebenfalls begleitet von netten Überraschungen für alle Beteiligten.
Hier zumindest haben die neuen Einsatzpläne einen kleinen Sandsturm der Entrüstung ausgelöst. Das online-Pilotenforum läuft zu absoluter Hochform auf, meine Inbox bimmelt im Zehnminutentakt, ich komme kaum nach mit Lesen.
Wer vier Freitage eingegeben hat, erhält zwei, dafür nicht dann, wann gewünscht. Während einige Kurzstreckenkollegen vier Mal im Ausland übernachten, schlafen andere jede Nacht im eigenen Bett (was nicht immer nur auf eitel Freude stösst). Kollegen, die ihren runden Geburtstag feiern (und frei gewünscht haben) werden just an diesem Tag losgeschickt, andere wiederum fliegen drei Mal hintereinander das exakt gleiche Pattern, in der Regel nicht auf der von ihnen bevorzugten Route.
Meine Wenigkeit kann sich da direkt glücklich schätzen. Zwar ist von meinem gewünschten langen Mailand-Nightstop weit und breit nichts zu sehen, dafür hat mir der Computer in meinen beiden Flugwochen (neben dem üblichen Bürodienst) lediglich zwei Nordatlantikflüge zugesprochen. Mit satten fünf Freitagen dazwischen, was letztlich auch nicht zu verachten ist und überdies den SWISS-Kollegen das Wasser in die übermüdeten Augen treibt.
Fortschritt hin oder her; bei der Analyse dieses Einsatz-Chrüsimüsis sind Mann und Frau geneigt, die guten alten Zeiten zurückzuwünschen. Jene Epoche, als wir – die Arme voller Weinflaschen und Zigarettenpackungen, die Jackentasche prall gefüllt mit Schöggeli – regelmässig der lieben Planerin oder dem netten Planer einen Freundschaftsbesuch abstatteten. Heute sind sämtliche korruptiven Mittel wirkungslos; ein sanftes Streicheln der Maus hilft ebensowenig wie ein subtil-drohendes Zuklappen des Laptopdeckels.
Vielleicht Satanismus oder Okkultismus. Oder wie hat doch die neue Miss Schweiz gestern auf die Frage nach dem Glauben geantwortet: „Man muss nur an sich selbst glauben, dann kommt alles gut...“
Auf dass es ein erfolgreiches Missen-Jahr werde!
Monday, September 13, 2010
Palast der Fata Morgana
Vor fünf Stunden erst wurden wir Zeugen eines Sonnenuntergangs, wie ihn das lebendigste Bilderbuch nicht klebriger dokumentieren könnte. Der Kitsch triefte förmlich von den Steinwänden des Hotels Qasr al Sarab. Die orangefarbene Sonnenkugel tauchte träge und schwerfällig, müde von ihrer Tagestour, in die Weite der aufgeheizten Rub al Khali-Wüste. Ihre Farbe änderte im Minutentakt. Das zarte Abendrot am Horizont mischte sich mit dem schwächer werdenden, durchsichtigen Himmelsblau und mit dem sanften Braun der Wüste. Nach wenigen Minuten hatten die Sandmengen die Sonne vollends verschlungen.
Das im November 2009 eröffnete Qasr al Sarab schmiegt sich malerisch an die mächtigen Dünen des Leeren Viertels. So lautet die deutsche Bezeichnung für die Rub al Khali-Wüste, ihres Zeichens die grösste Sandwüste der Welt, die sich über das südliche Drittel der arabischen Halbinsel bis hinunter in den Jemen erstreckt. Die verlassene Gegend drängt sich nicht unbedingt für den Bau einer solchen Luxusanlage auf. Umso einzigartiger scheint die Tatsache, dass die Gäste von einer Infrastruktur profitieren, der es an Nichts mangelt. Das Hotel Qasr al Sarab, zu Deutsch Palast der Fata Morgana, wird seinem Namen mehr als gerecht. Für die königliche Familie der Al Nayhans wurde ein abgesonderter Gebäudetrakt im gleichen Baustil errichtet. Wir dürfen annehmen, dass deren Zimmer noch eine Spur grösser und luxuriöser dimensioniert wurden.
Mit Vasco da Gama, der 1498 (!) das Kap der Guten Hoffnung umsegelte, kamen die Portugiesen in die Gegend der heutigen Emirate und des Oman. Der Baustil des Qasr al Sarab erinnert an die von ihnen erbauten Forts. Türme und langgezogene Mauern aus hellbraunem Sandstein vermitteln den Eindruck von Sicherheit und Geborgenheit. In Anlehnung an die in Oasen oft verwendeten Falaj-Bewässerungssysteme windet sich ein Netz von Wasserkanälen durch die Anlage. Zwischen den einzelnen Trakten wandeln die Gäste durch ebenfalls in Sandtönen gehaltene lange Gänge, die mit arabischen Bildern und überdimensionierten Vasen dekoriert sind. Sämtliche Zimmer sind nach Westen ausgerichtet, um den Besuchern Abend für Abend den Blick auf die untergehende Sonne zu ermöglichen.
Wir verbringen drei Nächte in diesem Paradies aus 1001 Nacht. Der Ramadan ist soeben zu Ende gegangen, die Muslime zelebrieren Eid al Fitr. Wir wollen noch einmal mit der ganzen Familie einige gemeinsame Stunden in der Wüste verbringen. Tim hat im Verlauf der vergangenen Woche seine letzten Koffer und Taschen gepackt. Am kommenden Mittwoch werde ich mit ihm in die Schweiz fliegen, um die letzten Details vor dem Beginn seines neuen Lebensabschnitts zu regeln. Die Familienstrukturen beginnen zu bröckeln. Der Auszug der Gladiatoren hat begonnen.
Das Qasr al Sarab ist über diese islamischen Feiertage gut belegt. Allerdings sind es in erster Linie Expatfamilien aus Dubai und Abu Dhabi, die sich im Wüstenresort einquartieren. Dazwischen sichten wir nur wenige Emiratis. Der orientalische Zauber zwingt uns dennoch in seinen Bann. Allen voran bin ich es, den die Stimmung zwischen hochstämmigen Palmen, Mauern, Türmen und Dünen in eine morgenländische Trance versetzt. Ich taumle zwischen Tagtraum und Faszination.
Beim Nachtessen, zwischen Hoummus und Umm-Ali, äussere ich die Vermutung, dass ich möglicherweise ein Beduinensohn der mindestens zehnten Generation bin. Die Familie antwortet mit Kopfschütteln und Schmunzeln. Die Zweifel meines Sohnes und meiner Töchter mögen ja berechtigt sein. Zu mehr als einer Ehefrau habe ich es schliesslich nicht gebracht. Und das ist nicht nur für einen Piloten unserer Zeit, sondern auch für einen Araber reichlich kümmerlich.
Etihad's first female captain takes to the skies!
Sophie Blanchard, Etihad Airways´ first female captain sits at the controls before her flight to London yesterday.
ABU DHABI // Etihad Airways celebrated yesterday as the company’s first female captain took to the skies.
Sophie Blanchard, 33, from Lyon, France, took off in her Airbus A330-300 with 225 passengers and crew from Abu Dhabi International Airport at 1.30pm at the controls of Flight EY17, bound for London’s Heathrow. She landed at 6.04pm local time.
She joined Etihad in 2007 as a First Officer, after initially flying for Etihad Crystal Cargo while working for Air Atlanta.
“It is a great privilege to become Etihad’s first female captain and be the first woman to take full command of a commercial flight,” she said before the seven-and-a-half-hour trip. “The company has been very supportive in my aim to become a captain and I look forward to my first flight to London.”
“I started on DC8 cargo planes registered in Liberia, based in Belgium. That African freighter operation lasted for two years, and I travelled all around Africa and the rest of the world, for humanitarian and other cargo shipments.”
Etihad currently has 10 female pilots within its ranks and four female cadet pilots.“We congratulate Sophie on becoming Etihad’s first female captain,” said Capt Richard Hill, Etihad Airways’ chief operations officer. “It’s a great achievement and well deserved as she has shown tremendous dedication to achieve the rank of captain.
“She has the right number of flying hours, right qualifications and training. So much of the job relies on having good people skills; being able to make clear and accurate decisions. Communication skills are paramount.
He said Ms Blanchard’s example would further encourage women to become pilots.
Ms Blanchard’s success echoes that of another Sophie Blanchard, who rose to fame as the first female professional balloonist. Her namesake became an aviation pioneer, together with her husband, Jean-Pierre, at the end of the 18th century and beginning of the 19th century, and even entertained Napoleon Bonaparte, who named her “Aeronaut of the Official Festivals”.
Wednesday, September 08, 2010
Feuer und Rauch
Täglich krachen Autos auf unseren Strassen ineinander. Wir lesen von diesen Unfällen und nehmen sie zur Kenntnis wie Börsenkurse und Sportresultate. Weniger Auto fahren tun wir deswegen nicht.
Flugunfälle werden in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen als Strassenunfälle, was wohl in erster Linie an der Zahl der zu beklagenden Opfer liegt. Wenn ein Flugzeug, im Besonderen ein Verkehrsflugzeug, crasht, drapieren Presseagenturen entsprechende Meldungen mit einer reisserischen Katastrophen-Schleife. In der Regel zieren dergestaltige Titel die Frontseiten vieler Tageszeitungen. Wer will es ihnen, den um Leserquoten kämpfenden Journalen, verübeln.
Selbstverständlich verfolgen Piloten die Berichterstattungen um Abstürze mit aufmerksamem Interesse. Je nachdem, welche Airline, welcher Flugzeugtyp oder welche Region betroffen sind.
Vergangene Woche ist eine UPS Boeing 747-400 in Dubai vom Himmel gefallen. Eine knappe Autostunde von Abu Dhabi entfernt. Offenbar ging die Maschine unmittelbar neben einer Wohnsiedlung nieder, in der zahlreiche Emirates-Piloten hausen. Eine Cockpitbesatzung der Etihad hat den Funkverkehr der UPS-Besatzung live mitverfolgt. Auf dem Rückweg von Kuwait kommunizierten sie zur gleichen Zeit auf der entsprechenden Frequenz von Bahrain-Control. Unsere Flight Safety Abteilung ist im Besitz ihres Berichts. Aufzeichnungen eines Dramas, die unter die Haut gehen und unmittelbare Assoziationen an die vor zwölf Jahren in den Nordatlantik gestürzte Swissair 111 wecken.
Seit dem Absturz der UPS-Maschine zirkulieren in unserer Firma auch Informationen zu einem System, das angeblich auch bei intensiver Rauchentwicklung im Cockpit den Piloten ermöglicht, Instrumente und Anzeigen zu lesen und zu bedienen. EVAS steht für Emergency Vision Assurance System. Das vom FAA zugelassene System besteht aus einer aufblasbaren Sichthilfe, die auf mirakulöse Weise den Blick aufs Instrumentenpanel ermöglicht.
Hokuspokus oder Revolution?
Ich weiss es nicht, allein der kurze Informationsfilm weckt neben Fragen auch Hoffnungen. Denn noch immer sind Feuer und Rauch der Fliegerei gefährlichster Feind. Wer es nicht schafft, innert zehn bis fünfzehn Minuten zu landen, dem bleiben kaum Chancen. Doch für eine auch nur einigermassen erfolgreiche Landung benötigen die Piloten eine minimale Sicht auf die Instrumente. Wer nicht ans Panel sieht, weder Autopilot, Bordcomputer noch Funkgeräte bedienen kann, dem helfen wohl auch zehn Minuten nicht zum Überleben.