Tuesday, June 03, 2008

Coitus Reservatus

Seit gestern Nachmittag bin ich nicht mehr Präsident der Abu Dhabi Falcons. An der „End of the year“-Party kommts zum „Handover“. Das bisherige Führungsteam tritt – mit Ausnahme eines Mitglieds – ab und übergibt das Zepter der neuen Crew. Es war ein intensives Jahr mit vielen Hochs und Tiefs sowie aussergewöhnlichen Begegnungen. Das Umfeld in den Emiraten ist nicht einfach. Der Grund liegt unter anderem in der äusserst limitierten Zahl von Clubs und der damit verbundenen gegenseitigen Abhängigkeit. Da sich ausserdem die Grössen-, und damit die Machtverhältnisse sehr ungleich präsentieren, verstricken sich die Clubverantwortlichen immer wieder in Widersprüche wenn es um Turniere und Regelauslegungen geht,.

Tausendundeine Nacht
So bin ich denn in der Tat nicht unglücklich über meinen Abgang.
Da es mein persönliches Ziel ist, den Saison-Schlussanlass im neu renovierten „Ice Rink“ durchzuführen, verkommen die letzten drei Wochen zur Zitterpartie. Denn die Halle wird seit sechs Wochen totalrenoviert. Würde es den Verantwortlichen gelingen, die Auffrischung des gesamten Innenlebens pünktlich fertigzustellen? Wer die Gegend hier kennt, würde wohl auf „Nein“ tippen. Allein – ich will es wissen und spekuliere, ähnlich wie ein Börsen-Spekulant bis zum letzten Moment. Mit der Alternative eines Bowling-Zentrums im Rücken, ist das Risiko vertretbar. Die beiden Wochen vor der Party bin ich beinahe täglicher Gast im Ice Rink. Dabei schlürfe ich nicht nur regelmässig mit dem sudanesischen Manager Tee in seinem Büro, sondern mache auch Bekanntschaft mit den beiden extra für den „Final Touch“ eingeflogenen kanadischen Eismachern. Absolute Profis, die ansonsten in Diensten der NHL stehen. Die Banden, die Tore und die Netze stammen ebenfalls aus dem Mutterland des Eishockeys. Auf dem Luftweg ins Land geholt. Nichts ist den Orientalen zu teuer oder zu aufwendig.
Der Zeitplan scheint haarscharf aufzugehen. Drei Tage vor dem Anlass soll die Entscheidung fallen. Und sie fällt zu Gunsten der Eishalle, auch wenn die Baustelle nach wie vor gewisse Zweifel an der termingerechten Fertigstellung der Anlage offen lässt. Schliesslich stirbt die Hoffnung zuletzt. Leider stirbt sie in unserem Fall wirklich – und zwar den brutalen und heldenhaften Tod von Tausendundeiner Nacht.

Diplome und Trophäen
Denn wenn der Scheich ins Spiel kommt, sind Hopfen und Malz, oder besser „Gas und Öl“ verloren. Keine 24 Stunden nach unserem Grünlicht klärt mich der Manager der Eishalle auf, dass der zuständige Scheich, seines Zeichens Bruder des regierenden Scheichs Khalifa gewünscht hätte, als erster das neu gefrorene Eis zu testen. Keine andere Kufe soll vor der seinen die jungfräulich glatte Fläche zerkratzen.
Hoffnungsvoll: Sein Besuch ist auf den exakt selben Tag angesagt wie unser Fest. Hoffnungslos: Eine präzise Zeitangabe fehlt. Um ehrlich zu sein, ich hätte auch nicht viel darauf gegeben. Zu gut kenne ich mittlerweile die landesüblichen Gepflogenheiten. So ist denn unser Fest akut gefährdet, das geplante fünfstündige Powerprogramm mit Skateathon und Skill competition auf dem Eis kurz vor dem Schmelzen. Noch will ich nicht aufgeben. Nicht das Kriegsbeil, sondern das Handy grabe ich aus. Ein Anruf jagt den anderen und mir erscheint vor dem geistigen Auge bereits jetzt die entsetzte Miene meiner Frau beim Betrachten meiner monatlichen Handy-Rechnung. Franziska dürfte diesen Monat ihre Augen noch ein bisschen weiter aufreissen, ein wenig länger nach Luft schnappen und mit etwas kräftigerer Stimme den (leider unerreichbaren) Tarif durchgeben. Für einmal gehe ich weder mit der Angetrauten noch mit Cicero einig, der da gesagt haben soll: „Magnum vectigal est parsimonia“. Oder zu gut Deutsch: „Sparen ist eine gute Einnahme“. Die einzig gute Einnahme ist in diesem Moment die Durchsetzung meiner Absicht, und mit Sparen gelange ich nicht zum Ziel. Trotz flatternden Nerven stehe ich (noch) über der Sache. Ein echter Präsident muss leiden oder zahlen können, und da letzteres aufgrund mangelnder Ressourcen (siehe oben) nicht realisierbar ist, optiere ich in diesem kritischen Fall für den ultimativen Opfergang.
Am Tage vor der Stunde X gelingt mir der kommunikative Durchbruch und ich erhalte einen nahen Vertrauten des besagten Scheichs ans Telefon. Seine Aussagen lassen allerdings wenig Hoffnung aufkommen. Ich will nichts unversucht lassen, lobe das Morgen- wie auch das Vaterland, preise alle mir in dieser Stunde in den Sinn kommenden geistigen Ideale – und scheitere schliesslich trotzdem.
So sehen wir uns am nächsten Morgen – drei Stunden vor Beginn der „End of the year“-Party gezwungen, per Mail und SMS alle Eltern und Spieler zu informieren, dass wir das Eis nicht benutzen können. Zu schade – der Ice Rink strahlt in vollem Glanze, und wir stehen lechzend an der Bande.
Das Fest wird dennoch ein Erfolg. Die Spieler erhalten Diplome und Trophäen, die Helfer und Coaches Blumen und Gutscheine und die Eltern stürzen sich auf’s Buffet. Nach drei Stunden ist alles vorbei und ich bin nicht mehr Präsident der Abu Dhabi Falcons.
















Erinnerungen 1: Grillabend mit Jari Kurri














Erinnerungen 2: Tim mit Ayoub und Ricky
















Aktuell: Der renovierte Ice Rink in neuem Glanz

Da fehlt doch was
Beruhigend zu erfahren, dass nicht nur die Wege des Eishockeyclubs mit Hindernissen gepflastert sind. Auch die Deutsche Schule tut sich mitunter schwer in der arabischen Hitze. So zum Beispiel an ihrem Schlussabend vom vergangenen Freitag.
Höhepunkt dieses Anlasses ist traditionsgemäss die Übergabe der Abschlusszeugnisse (Mittlere Reife) an die SchülerInnen der 10. Klasse. Nach üppigem Buffetgenuss und launig geschwungenen Reden steigt die Spannung. Die SchülerInnen haben sich vor dem Rednerpult aufgereiht, derweil Eltern und Gäste gespannt an ihren Tischen sitzen. Das Licht gedimmt, die Musik verstummt. Schulleiter und Klassenlehrer tuscheln mit gerunzelter Stirn hinter dem Mikrofon. Was sie wohl heimlich zu besprechen haben in allerletzter Minute...? Das Geheimnis lüftet sich alsbald: Die Zeugnisse fehlen! Niemand hat daran gedacht, die ach so wichtigen Dokumente mitzubringen. Stumm und unschuldig dämmern sie im Safe des Schulhauses vor sich hin. Und erst die beherzte Fahrt des Schulleiters in die Stadt verhindert letztlich, dass der erklärte Höhepunkt des Abends nicht zum „Coitus reservatus“ verkommt.

2 comments:

Anonymous said...

...da haben sie uns aber eine "glatte" Geschichte präsentiert, lieber Herr Eppler, wie wir Schweizer sagen, wenn wir "lustig" meinen..."e'glatte" - so spricht es jeweils eine schwyzerdüütsch sprechende Welsche Bekannte aus; mit dem entsprechenden accent.

Wäre ihr Bericht datiert gewesen mit dem 01.04.2008 - ich hätte die Story der aus Kanada zwecks Glättung einer in der Wüste liegenden Eisfläche eingeflogenen Glatteis-Spezialisten für einen gelungenen Scherz gehalten. Erst recht, wenn eine gesamte Holiday-On-Ice-Vorführung abgesagt hätte werden müssen, weil die Fläche reserviert gewesen wäre für einen Schlittschuh-Scheich mit dem Recht auf Erstbenutzung. Und dieser erschien nicht, und Holiday On Ice fiel aus. Und ihre Erzählung ist auch nicht auf den 1.April datiert...so muss es sich wohl um eine wahre Begebenheit handeln!

Nun, das ist alles bereits bald wieder Schnee von gestern, und der Skating-Prince dürfte mittlerweile die Reservation aufgehoben haben und das Eis gebrochen und somit der Allgemeinheit zugänglich.

Wie gesagt: ich hätte da eher an Disneyland gedacht und eine Art moderne Bearbeitung von Geschichten aus Tausendundeiner Nacht durch die gängigen Disneystudios. Aber sie waren live dabei!

Ja, und meine Lateinkenntnisse sind nach der vergnüglichen Lektüre auch etwas aufpoliert - und dass der Lehrer mit den Zeugnissen am Ende nicht im Stau steckengeblieben ist, verhalf der ganzen Geschichte zu einem gelungenen Happy End.

Gruss

Anonymous said...

Hallo Herr Eppler,

ich lese nun schon seit mehr als einem Jahr regelmäßig Ihre Berichte, die in der Regel sehr interessant sind!
Einerseits interessiere ich mich für das Leben von Einwanderern in den arabischen Emiraten, andererseits bin ich wegen der Fliegerei auf Ihren Blog gestoßen.
Schon seit längerem plane ich in die professionelle Fliegerei einzusteigen, seit meinem heurigen Maturaabschluss hat die Bewerbungsphase voll und ganz begonnen.
Neben Lufthansa und Swiss, bin ich auch an Ihrer Firma interessiert, die ja vor kurzem ein Cadet Pilot Programm gestartet hat.
Da eine Flugausbildung und Verpflichtung in den Emiraten für einen jungen Menschen eine schwierige Entscheidung ist, würde ich mir vor einer Bewerbung bei Etihad gerne noch zusätzliche Informationen holen.
Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mich kontaktieren könnten.

(nachnamevorname@tele2.at)

lg aus Innsbruck
Michael Meister