Unendlich viele Augenblicke sind es, die unser Leben prägen. Oftmals belanglose Momente, fortlaufend aneinander gereiht formen sie unsere persönliche Geschichte. Augenblicke sind einzigartig und auch im Zeitalter modernster Technik nicht wirklich reproduzierbar. Sekunden, Minuten und Stunden addieren sich zu individuellen Lebens-Kapiteln. Wie lange dauert ein Augenblick? Wann hört er auf, wann beginnt der nächste?
Der Begriff definiert sich, zumindest ansatzweise selber. Bei einem „Augenblick“ denken wir üblicherweise an einen kurzen Moment“. „Lange Augenblicke“ sind unserem Sprachgebrauch fremd. Augenblicke sind kurz. So kurz vielleicht, wie das Auge braucht, um ein Bild zu erfassen, so kurz wahrscheinlich, wie zwei Menschen benötigen, um sich gegenseitig in die Augen zu blicken.
Doch nicht alle haben anscheinend genügend Zeit für "Augen-Blicke". Nicht allen scheint es wichtig zu sein, den Blick ihres Gegenübers beim Gruss zu erwidern. Mir fällt auf, dass es viele Kulturen gibt, bei denen diese Geste offenbar bedeutungslos ist. Die Araber gehören beispielsweise zu ihnen. Und die Inder, und die Pakistani. Zumindest in der von mir erlebten Mehrheit.
Während sie dir die Hand zum Gruss oder Abschied reichen, schweift ihr Blick völlig teilnahmslos durch die Gegend. Den Kopf zu Boden gesenkt oder eine andere Person fixierend, wird gegrüsst. Mitunter diskutieren Mann (Frauen reichen in der Regel nicht die Hand) munter mit dem Nebenmann und strecken dir gleichzeitig – ohne den Kopf zu wenden – die Hand entgegen. Dies beobachte ich bei Menschen aller Alters-, Bildungs- und Hierarchiestufen. Und ich rätsle immer wieder, ob hier wohl Gleichgültigkeit, Überheblichkeit oder Verlegenheit mit im Spiel sind.
Auch heute noch, knapp zwei Jahre nach unserem Wegzug aus der Schweiz, stört mich solches Verhalten. Und wenn ich mich dann, wie gerade vergangene Woche, einige Tage im Heimatland aufhalte, nehme ich erwiderte „Augen-Blicke“, wie ich sie bei jedem Händedruck erlebe, bewusster wahr.
Sattes Reiseprogramm
Mein Göttibub Dennis wird am 9. März konfirmiert und ich habe deshalb, nachdem mein Wunsch für einige Ferientage von der Einsatzplanung abgelehnt wurde, vier Tage „Frei“ eingegeben. Schliesslich erhalte ich deren drei, dafür unmittelbar vorher einen „Zweinächter Genf“. Na ja – sicher gut gemeint aber nicht wirklich ideal.
Nun düse ich also in der Nacht von Montag auf Dienstag arbeitenderweise in die Rhônestadt, fahre nach einigen Stunden Schlaf mit dem Zug nach Zürich, lasse mich von meinem Bruder abholen und nach Neftenbach chauffieren. In seiner frisch bezogenen (Post-Separations-)Wohnung finde ich für anderthalb Tage bequemen Unterschlupf. In dieser Zeit erledige ich diverse private Angelegenheiten, besuche die AEROPERS-Hochburg, wo ich den neuen Geschäftsführer kennenlerne, führe Telefongespräche auf anderer Leute Rechnung, kaufe ein und geniesse daneben die Schweizer Küche.
Am Donnerstagmorgen Fahrt mit der SBB zurück nach Genf, dann vorschlafen (es bleibt wie immer beim Versuch...), um kurz nach 2200 Uhr Richtung Abu Dhabi zu starten. Nach der Landung am frühen Freitagmorgen husche ich sogleich ins Bett, mit dem Ziel, die missratene Vorschlafepisode, wie auch den eben abgeschlossenen Nachtflug zu kompensieren. Bereits wenige Stunden später, zur Mittagszeit, fahren Franziska, Tim, Linda und ich nach Dubai, wo am Nachmittag und Abend die Halbfinalspiele der „Barclay Dubai Tennis Championships“ angesagt sind. Und während der muntere Ball vor meinen noch etwas müden Augen hin- und herspringt, befinde ich mich mental immer noch in der so oft erlebten „Wo bin ich jetzt eigentlich genau...?“-Phase. Doch ich entspanne mich und geniesse die Stunden in der gemütlichen Tennisanlage, deren vielfältige Lokale auch ausserhalb des Centrecourts Genuss und Unterhaltung versprechen. Zwischen den beiden Halbfinals setzen wir uns in den Garten eines italienischen Lokals, bestellen Pizza, Spaghetti, Piccata und Salat sowie gleichzeitig eine Shisha mit „Grape-Aroma“. Das machen die Araber übrigens oftmals auch so; gleichzeitig essen und rauchen. Und wenn ich mich richtig erinnere, habe ich solch wirres Verhalten auch schon in meinem Heimatland beobachtet.
Zurück in der Schweiz
Die Spiele sind spannend, auch ohne Rogers Zutun. Die Mädchen wollen nach dem zweiten Match unbedingt für Autogramme von Roddick und Djokovic anstehen. Und so harren wir denn beim Spielerausgang hinter der Arena aus; eingeklemmt zwischen Abschrankungen und anderen Fans. Wir sind zwar nicht die einzigen, stehen aber in der ersten Reihe! Und siehe da – zumindest Sieger Roddick (den wir während des ganzen Spiels lautstark angefeuert haben) hat ein Einsehen. „Nole“ Djokovic schafft es gerade bis zu Lindas Programmheft, dann dreht er sich abrupt um und wechselt auf die andere Seite. Pech gehabt, doch so nah werden wir ihm wohl nicht so schnell wieder kommen. Grosszügiger hatte er sich zuvor auf dem Court gegeben: Während die meisten Spieler nach Spielschluss ihre Schweissbänder in die Zuschauerränge schmeissen, so „verschleuderte“ der Serbe gleich sein Racket.
Lopez beim Service
Djokovic verteilt Autogramme
Hungergefühle
Linda, Johann, Nathan und Tim mit Roddick - Warm up vor dem Endspiel
Es ist kurz vor Mitternacht als wir zuhause eintreffen. Die Müdigkeit treibt mich sogleich ins Bett, der Schlaf ist tief und wohltuend. Und er ist bitternötig, denn bereits am nächsten Morgen packe ich wieder meinen Koffer. Meine Maschine nach Frankfurt geht um 1400 Uhr. Die Uniform aber lasse ich dieses Mal zuhause. Ich reise als Passagier – zurück nach Neftenbach – von wo ich eben erst nach Abu Dhabi gereist bin. Denn, ihr erinnert euch, mein Göttibub Dennis wird eben diesen Sonntag konfirmiert. Das will ich nicht verpassen.
In Frankfurt vertreibe ich mir die Wartezeit mit Pils und Bretzel, bevor ich – zwecks Verschiebung nach Zürich – nach langer Zeit wieder einmal einen SWISS-Airbus besteige. Mein Bruder wartet bereits vor der Ankunftshalle. Abholen, nach Neftenbach chauffieren. Déjà-vu.
Der Sonntag beginnt mit Kaffee und Gipfeli, bevor sich die noch etwas verschlafene Schar zur Kirche aufmacht. Die Luft ist kühl, die Kirche bei 19 Konfirmanden bis auf den letzten Platz besetzt. Dennoch erlebe ich die anderthalbstündige Feier als abwechslungsreich und lebendig. Nicht zuletzt dank der aktiven Teilnahme aller Konfirmanden.
Mir fällt auf, dass ich mit zunehmendem Alter Kirchenbesuche bewusster wahrnehme. Während ich früher in erster Linie auf das Schlussspiel der Orgel gewartet habe, geniesse ich heute die Würde und die Stille eines Gottesdienstes. Nicht immer gelingt es mir dabei, den Worten des Predigers zu folgen. Oft ertappe ich mich, wie ich gedankenverloren abschweife und meine eigenen Kreise ziehe. Heute schiesst mir ein völlig banaler Gedanke durch den Kopf: Wenn Pfarrer auch Autogramme verteilen würden, so sinniere ich, müssten wir sicher nicht so lange anstehen wie bei Roddick und Co.
Die Feier nimmt ihren Fortgang, aus den Konfirmanden werden Konfirmierte, beim anschliessenden Apéro wird der Morgenkaffee mit Weisswein angereichert. Dann essen wir Fondue Chinoise, trinken Rotwein, Grappa und zum Schluss wieder Kaffee. Mit dieser Mischung im Verdauungstrakt mache ich mich am späteren Nachmittag wieder auf den Weg nach Genf. Karin fährt mich zum Bahnhof Winterthur und die Eisenbahn zum Aéroport Cointrin, wo ich meinen Schwiegervater treffe, der uns für zwei Wochen besuchen wird. Und noch in derselben Nacht fliegt uns mein Arbeitgeber über so viele unbekannte Städte, Berge und Flüsse zurück nach Abu Dhabi. Der dichte Morgennebel schickt uns für eine Stunde in eine Warteschleife. Kurz bevor sich Kapitän Braunschweiler zu einer Ausweichlandung in Al Ain entscheidet, lichten sich die Nebelschwaden und geben die Landebahn frei.
Ein Kinnhaken vom Götti zur Konf
Irgendwann im Verlaufe des Montags ist auch der Koffer dieser kurzen Reise wieder ausgepackt. Bereits am Mittwoch wird mich mein nächster Arbeitseinsatz in eine völlig andere Ecke dieser Welt bringen. Nach Sydney ins ferne Down Under. Hin und her, auf und ab. Augenblick um Augenblick – wobei ich noch immer über deren Anfang und Ende rätsle.
Monday, March 10, 2008
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7 comments:
Für die Nichtschweizer: Ist der Göttibub das männliche Patenkind?
Genau! Wie heisst das denn auf Hochdeutsch? Etwa "Patenjunge"...? Da bin ich jetzt etwas unsicher.
Patensohn - gebräuchlicher ist allerdings das neutrale "Patenkind"
Wow.. hoffe schwer dass Ihr Wecker mit GPS ausgestattet ist - ich zumindest wuerde sonst echt zeitweise vergessen wo ich gerade bin.. muss schon ein handvoller Konstrast sein innert wenigen Tagen praktisch zwischen Schweiz und AUH zu pendeln..
hoffe es macht trotzdem spass uns alle daran teilhaben zu lassen!
Gruss
Andreas
Spass macht es immer - allein, es mangelt manchmal an der Zeit...
Ab Juni sollte sich dies ändern!
Gruss
Hallo Götti...
habe gerade den Blog durchgelesen.
Ist spannend geschrieben und es hat mich seh gefreut, dass ich auch vorkomme.
Danke nochmal für alles..
Machs gut.. dein Göttikind oder Patenkind:) dennis
Hallo Famielie Eppler
Per zufall bin ich auf Wüstenspuren gelandet, die Berichte sind sehr originel und spannent geschrieben, war schön zu lesen das es euch gut geht, hebed eui sorg. mit fründliche grüessli Yvonne Stadler
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