posted by Dide
Ich sitze im Wartesaal des Bahnhofs Spiez. Der Himmel ist wolkenverhangen, die Stimmung trübe. Nach einem angenehmen Nachtflug mit einigen Stunden Schlaf in der „Pearl-Class“ eines Etihad A330 bin ich kurz nach sieben in Genf gelandet. Die Schweiz hat mich wieder! Zumindest für zwei Tage.
Kurze Rückblende. Bevor ich gestern ins Taxi zum Abu Dhabi Airport stieg, besuchte ich mit Franziska gleich zwei Elternabende an der Deutschen Schule. Es informierten die Klassenlehrerinnen der 5. und der 8. Klasse. Wir waren gespannt, obwohl wir doch mittlerweile geübte ElternabendbesucherInnen sind! Natürlich prägen noch immer Stadler Dimensionen unser Denken. Sicher verständlich, schliesslich hat Franziska die vergangenen acht Jahre als Schulpflegerin sämtliche Vorgänge in der und um die Primarschule aus nächster Nähe mitverfolgt. Alles war vertraut.
Hier fühlen wir uns noch etwas fremd. Schweizer gibt es nur wenige an der DSAD (Deutsche Schule Abu Dhabi), die übrigens – wen’s interessiert – unter http://www.dsad.org/ angeklickt und piktoral betrachtet werden kann. Beim Betreten der kleinen Schulzimmer versuche ich zu erahnen, wie sich unsere Kinder am ersten Schultag gefühlt haben.
Lindas achte Klasse zählt, wie bereits berichtet, bloss neun Schüler. Acht davon sind männlichen Geschlechts. Frau Maluck, die Klassenlehrerin, wirkt äusserst sympathisch, wenn auch ziemlich „tough“. Sie unterrichtet Deutsch und Geschichte. Die Frau weiss was sie will. Und sie fordert was sie kann. Die Klasse wird als Gymnasialklasse geführt. Einzig ein Schüler erfüllt die Vorgaben nicht. Im Fach Deutsch hat bereits eine erste Kurzarbeit stattgefunden. Und wir nehmen beinahe etwas belustigt zur Kenntnis, dass Linda – als Schweizerin wohl gemerkt – mit Note 2 (Deutsches Benotungssystem!) die Klassenbeste war. Es mag darüber spekuliert werden, ob dies am Alemannischen Gymnasialniveau oder an der Kompetenz der Stadler Oberstufe E liegt. A propos Franziska und Schulpflege. Meine Frau hat es doch geschafft, bereits im Verlauf des ersten Elternabends einen Job zu fassen. Sie wurde ehrenvoll als Elternsprecherin der 8. Klasse gewählt. Die Schweizerinnen setzen Akzente in dieser Klasse – zumindest vorderhand...
Im Klassenzimmer von Nina sind die Bänke wesentlich besser besetzt. Kein Wunder, die Gruppe ist mit 17 Kindern beinahe doppelt so gross und homogen durchmischt. Frau Friedrich, die Klassenlehrerin, ist ebenfalls neu an der Schule und kämpft mit ähnlichen Problemen wie viele der neu zugezogenen Familien: Man tafelt am Campingtisch, teilt sich infolge ungenügender Ausstattung Geschirr und Besteck und verbringt die Freizeit zu grossen Teilen in den einschlägigen Möbelhäusern. Diese wiederum kämpfen bei ungestümer Nachfrage neu eingeschleuster „Expats“ – wohl aufgrund knapper Baumressourcen – mit gewaltigen Lieferproblemen. Aber das ist ein anderes Thema.
Auch in Ninas Klasse werden ElternvertreterInnen gesucht und es gelingt mir nur dank raffiniertem taktischen Geschick, ungefragt das Zimmer zu verlassen. Dafür habe ich mich – dies sei hier verraten – beim lokalen Eishockeyclub, den Abu Dhabi Falcons, als „Score Keeper“ gemeldet. Ich bin mir zwar noch nicht ganz sicher, welches Tätigkeitsgebiet diese Charge umfasst, bin jedoch beseelt von der Hoffnung, der Herausforderung gewachsen zu sein. Denn Tim hat sich mittlerweile als neuer Spieler registrieren lassen und bereits sein erstes Eistraining auf „Wüsteneis“ absolviert. Am gleichen Tag übrigens, an dem Linda im Rahmen einer Geburtstagsfeier zum Skifahren nach Dubai eingeladen war. Verkehrte Welt: Wir Schweizer sitzen bei 40 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von annähernd 90 Prozent am Arabischen Golf in der Wüste, zwei unserer Kinder treiben Wintersport, während in Zürich bereits die ersten Herbstboten Einzug halten.
Unseren Kindern gefällt es soweit ausgezeichnet. Das wiederum beruhigt die geplagte Elternseele. Denn die erste Krise ist nur eine Frage der Zeit. Ich kann mich an eine Tierfutterwerbung mit dem Spruch „Geht es der Katze gut, freut sich der Mensch“ (oder so ähnlich) erinnern. Mit dem Nachwuchs verhält es sich analog. Überhaupt ist aus der Forschung bekannt, dass sich die Mechanismen zwischen den Haltern von Haustieren und den Erziehern von Kindern verblüffend ähnlich sind. Auch das ein anderes Kapitel.
Unser Compound füllt sich derweil mit Leben. Das bringt den Sprösslingen entsprechende Vorteile. An den Abenden trifft sich regelmässig eine internationale Mischung aus Amerikanern, Kanadiern, Brasilianern und Einheimischen (sogenannte „Locals“) vor den Häusern auf der Strasse zum Fussballspiel oder am Pool zum Baden. Daneben bevölkern Schweden, Pakistani, Iraner, Ägypter, Jemeniten und Holländer den Compound. Einige Hunde unbestimmer Nationalität hat es übrigens auch. Aber die spielen nicht Fussball. Die hecheln primär und schaffen es bei dieser Hitze gerade einmal, den Häuserblock ohne Chappi-Infusion zu umrunden.
Zurück ins Bahnhofbuffet. Bald kommt mein Zug und bringt mich weiter ins Diemtigtal, wo ich einige Dinge erledigen will. Morgen geht’s in Kloten zum „JAR Medical Check“, in zwei Wochen muss auch das Emiratische „Medical“ erneuert werden. Neu verlangt das U.A.E. Luftamt übrigens eine Kontrolle des „Body Mass Index“. Mit Verlaub, dies ist kein Scherz. Zwei Limiten müssen eingehalten werden. Wird die erste überschritten, bleiben sechs Monate Zeit zum Abspecken. Liegt der Wert über der zweiten, höheren, Limite, gibts ein „Grounding“. Da bleiben mir die so heiss geliebten Datteln förmlich im Halse stecken. Ganz abgesehen davon, dass ich als semiprofessioneller Weisskittel-Hypertoniker solche Übungen sowieso nicht besonders liebe. Ich lebe in ständiger Angst, dass sich irgendwann einmal ein Arzt an einem überstrapazierten und in der Folge geschädigten Quecksilber-Messgerät verletzen könnte. Noch ist allerdings nichts dergleichen passiert. Knock on wood.
Sunday, September 17, 2006
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