posted by Dide and Tim
Seit die Familie hier in Abu Dhabi lebt komme ich kaum noch zum Schreiben. Die Tage verfliegen förmlich, Sonnenauf- und Sonnenuntergang scheinen verbrüdert, kurze Tage und noch kürzere Nächte halten uns in ihrem Bann. Bei mir persönlich wächst der Wunsch nach einem „normalen“ familiären Alltagsrhythmus. Doch daran ist im Moment nicht zu denken. Für Franziska hat nach der strengen Zeit der „Haushaltsauflösung“ die ebenso anspruchsvolle Phase des „Neuaufbaus“ begonnen. Sie kämpft mit den Macken indischer Haushaltmaschinen ebenso wie mit den ekelhaften Windattacken unserer Klimaanlage. Im Schlafzimmer ist es uns zwar gelungen, dank raffinierter Stellung der einzelnen Blenden zu verhindern, dass wir beinahe aus dem Nachtlager geblasen werden. Allerdings hat diese Massnahme zur Folge, dass – Bernoulli lässt grüssen – die Anlage entsprechend an Dezibeln zugelegt hat und sich in einem Wettbewerb zur Imitation heranbrausender Schnellzüge mit Leichtigkeit in die Medaillenränge hieven würde.
Doch davon will ich heute nicht berichten. Solche Episoden lassen sich weit besser von Angesicht zu Angesicht schildern. In den vergangenen Tagen waren es unsere Kinder, die im Mittelpunkt des Geschehens standen. Das tun sie im Grunde genommen zwar immer, in vielfältiger Weise und aus vielfältigem Anlass. Der erste Schultag in Abu Dhabi jedoch darf mit Sicherheit als ein besonderes Ereignis bezeichnet werden.
Es geht los
Am 4. September war es soweit. Eines darf gesagt sein: unsere drei Sprösslinge sind die ganze Angelegenheit erstaunlich locker und mit positiver Einstellung angegangen. Zumindest gegen aussen. Ohne Hektik und Aufregung. Nach gemeinsamem Frühstück kämpfte sich die ganze Familie im eigenen Wagen durch den Morgenverkehr von Abu Dhabi. Da unser Compound am Rande der Stadt liegt, dauert die Fahrt zur Schule um diese Tageszeit rund 20 Minuten. Vor dem Eingang der Deutschen Schule herrschte reger „Abladeverkehr“. Weil um 0800 Uhr eine Begrüssungsrede des neuen Schulleiters angesagt war, wollten die meisten Eltern ihren Wagen parkieren, was sich in Abetracht der begrenzten Abstellmöglichkeiten als ein anspruchsvolles Unterfangen erwies.
Tim, Linda und Nina waren natürlich gespannt auf ihre Lehrer, ihre Mitschüler und auf die Zusammensetzung ihrer Klassen. Ähnlich dürfte es wohl auch den zahlreichen anderen Kindern und Jugendlichen ergangen sein, von denen viele ebenfalls neu an dieser Schule begannen. Das Geheimnis wurde am Schluss der Ansprache gelüftet, als die SchülerInnen klassenweise nach vorne gerufen wurden, um danach gemeinsam die Turnhalle Richtung Schulzimmer zu verlassen.
Tim ist in einer Klasse von lediglich vier Schülern: Zwei Mädchen und zwei Jungs. Alles deutsche Gymnasiasten, die ebenfalls erst vor wenigen Wochen nach Abu Dhabi gezogen sind. Er bescheibt die Eindrücke dieses ersten Tages wie folgt: Die langen Ferien endeten mit dem ersten Schultag an der Deutschen Schule Abu Dhabi (DSAD). Nach einer Ansprache des neuen Schulleiters in der Sporthalle, begab sich meine kleine Klasse, die mit mir aus vier Schülern besteht, in ihr kleines Klassenzimmer. Es ist sicher eine Qual, immer im Blickfeld des Lehrers zu sein, aber laut der Schule hat so eine kleine Klasse auch Vorteile, z.B., dass man schneller lernt, da man sich mehr am Unterricht beteiligen muss. Meine Klasse ist wie folgt zusammengesetzt: zwei Mädchen und zwei Jungs – dazu muss noch gesagt werden, dass die Mädchen nicht schlecht aussehen. Der Haken dieser Klasse ist aber, dass ich der einzige Schweizer bin und umzingelt von lauter Deutschen ist das auch nicht immer der Hit. Noch kann ich das nicht als Nachteil werten, denn bis jetzt gefällt es mir sehr gut.
Nach drei Einführungsstunden mit unserem Klassenlehrer begann dann endlich der richtige Unterricht. Dachten wir. Musik stand auf dem Stundenplan und die Lehrerin war die Frau unseres Klassenlehrers, die ziemlich aufbrausend aber zugleich lustig war. „Schule“ konnte man aber dieser Stunde auch nicht sagen, denn wir mussten die Instrumentenfamilien wiederholen. Danach war Biologie angesagt, auch nicht so mein Lieblingsfach. Doch auch hier wurde nicht richtig gearbeitet. Das einzige, was mir schwer fiel, war ein Gesichtsprofil von mir auf ein Blatt zu zeichnen. Dies ohne jegliche Hilfsmittel ausser einem schwarzen, dicken Stift. Zum Glück konnten wir dieses Problem mittels Hellraumprojektor lösen. Als letzte Stunde an diesem ersten Schultag folgte dann noch Geschichte. Darauf freute ich mich diesen Morgen am meisten – und auf die Mädchen natürlich. Hier überraschte mich, dass die Unterlagen des Faches in der Regel auf Englisch ausgeteilt werden. Auch diese Stunde hatte ein Ende und am Schluss blieben nur eine Menge Hausaufgaben, die ich jetzt noch zu erledigen habe.
Mit einer Überraschung begann der Schultag für Linda, ist sie doch das einzige (!) Mädchen in einer Gruppe von acht Knaben. Eine zweifellos einseitige hormonelle Verteilung. Sie schickte sich nach einem vielsagenden und vielfragenden Blick Richtung Eltern an, umringt von adoleszenten Jünglingen die Sporthalle Richtung Schulzimmer zu verlassen. Wir zweifeln nicht daran, dass Linda ein spannendes und lehrreiches Jahr in dieser Konstellation bevorsteht. Die Frage bleibt, in welchen "Fächern" sie am meisten profitiert. Man darf auf die Fortsetzung dieser Klassensaga gespannt sein.
Bei Nina scheint der Mix zu stimmen. Ihre Klasse zählt 16 Kinder und die Geschlechter scheinen gerechter verteilt. Neu für sie als Primarschülerin ist der Unterricht mit Fachlehrern. Auf ihrem Stundenplan finden sich Fächer wie Ethik, Informatik und – wie auch bei Tim und Linda – Arabisch. A propos Stundenplan: Auch hier hat Linda einen schweren Stand, denn mit 38 Wochenlektionen bleiben auf ihrem Blatt nur wenige Felder leer. Tim bringt es auf 35 Stunden und Nina liegt mit 33 Einheiten ebenfalls klar über der vergleichbaren Zürcher Limite von 29 Wochenlektionen. Die Schule beginnt jeden Vormittag für alle drei um 0800 Uhr und endet entweder um 1315 Uhr oder 1520 Uhr. Selbstverständlich beenden die drei ihren Unterricht nicht jeden Tag zur gleichen Zeit, was für Franziska und mich zusätzlichen Fahraufwand zur Folge haben wird.
Wie dem auch sei - das Eis ist gebrochen. Mit dem Eintritt in die Schule hat auch für unsere Kinder das Alltagsleben in den Emiraten begonnen. Eine weitere Hürde ist gemeistert.
Wednesday, September 06, 2006
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2 comments:
Es ist einfach unglaublich spannend, was da von eurem ersten Schultag berichtet wird. Ihr habt an den Beiträgen der 5. Klasse in unserem Blog sicher gemerkt, dass wir in dieser Woche oft an euch gedacht haben. Viele Fragen wurden gestellt, die Spannung auf euren nächsten Bericht war enorm gross. Heute war die Freude natürlich riesig, als der neuste Text entdeckt wurde. Es ist nun wirklich so, dass wir immer von euch wissen und auch mit unserem Blog in Kontakt mit euch bleiben können. Nächste Woche sind wir im Klassenlager, Berichte folgen dann später.
Markus
Liebe Nina
So wie du hier schreibst
gefällt dir sicher die neue schule.
Hast du auch Spass dort?
Ich freue mich riesig das du mit uns in den National Park kommst
Liebe Grüsse an allen
Delia
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