posted by Dide
Bruchrechnen gehört mit Sicherheit nicht zu meinen Stärken. Statt mit Zählern und Nennern beschäftige ich mich seit jeher viel lieber mit Genitiven und Nominativen. Doch mit „Brüchen“ aller Art werden wir im täglichen Leben immer wieder konfrontiert. Auch ausserhalb mathematischer Theorien. Glücklich also, wer über einen guten Riecher für den gemeinsamen Nenner verfügt.
Abbruch
In der Nacht auf vorletzten Freitag war ich in die Schweiz gereist. Aus Platzgründen nicht auf dem direktesten Weg, sondern mit Etihad nach München und dann mit der Deutschen Bundesbahn nach Winterthur. Über das Wochenende war der grosse Umzug angesagt. Nicht der fasnächtliche allerdings, nein, vielmehr galt es, das Haus in Stadel zu räumen. Abbruch der Zelte: Die „Mission Abu Dhabi“ ging in die nächste Phase.
Was den Wohnwechsel zusätzlich erschwerte war die Tatsache, dass unsere für diesen Übergang vorgesehene Ferienwohnung im Berner Oberland aufgrund juristischer Ungereimtheiten und in der Folge verzögerter Umbauarbeiten nicht wie geplant bezugsbereit war. So sahen wir uns gezwungen, sämtliche Kisten und Möbel auf zwei Wohneinheiten zu verteilen. Keine der beiden Unterkünfte – dies sei an dieser Stelle eingeschoben – vermag allerdings den räumlichen Bedürfnissen einer fünfköpfigen Familie zu genügen. Die Kombination indes bietet beinahe ungeahnte Wohndimensionen: Das Pyjama in der einen Wohnung, die Unterwäsche in der anderen. Wenig praktisch. Ärgerlich auch wenn man erst am späten Abend realisiert, dass die Bettlektüre im anderen Etablissement abgelegt worden ist. Langeweile kommt kaum auf. Ein Leben aus Koffern mit hohem Anspruch ans Organisatorische. Ich bewundere dabei die beinahe schon provokative Gelassenheit meiner Frau Franziska und erschrecke gleichzeitig ob meiner manchmal beängstigenden Dünnhäutigkeit. Hängt dies womöglich mit den Östrogenen oder dem Testosteron zusammen? Oder gar mit dem Alter? Die Fragen haben ihre Berechtigung, denn sogar der – in juvenilem Sturm und Drang oftmals ungeduldige und launische – Nachwuchs macht freudig mit, zeigt sich motiviert und greift bisweilen gar zu Hammer oder Pinsel. Einzig spontan auftretende Neidereien sorgen kurzfristig für unangenehme Nebengeräusche.
Aufbruch
Nun sind die Zelte in Stadel abgebrochen. Ein letzter Blick in die leeren Räume mutet komisch an. In diesem Haus haben wir die vergangenen 19 Jahre verbracht. Die drei Kinder halfen mit, die anfänglich marginal besetzten Zimmer zu füllen. An diesem Wochenende nun wurden sämtliche Zeugen einer für uns wichtigen Lebensphase aus dem Haus getragen: jedes Spielzeugauto, jede Puppe, jedes Bild und jedes Möbelstück. Nicht aber die zahlreichen Erinnerungen an viele glückliche und weniger glückliche Momente sowie an vielfältige und bereichernde Begegnungen. Ohne die zahlreichen fleissigen Hände hüben und drüben wäre diese Aktion so nicht machbar gewesen. Tausend Dank – ein Wüstenritt ist euch sicher!
Der Aufbruch in ein neues Land und Leben kommt einem Wandel gleich, wie ich ihn in seiner vollen Dimension heute nicht abschätzen kann. Dies wurde mir allein in meinen ersten drei Abu Dhabi-Monaten klar. Die Pläne und Vorstellungen, geschmiedet an diversen Tischrunden in heimatlichen Gefilden decken sich bei weitem nicht immer mit den Realitäten des neuen Landes. Wunschträume verschmelzen mit Fantasien und Hoffnungen. Erst das unmittelbare Erleben des Alltags jedoch bringt uns der Wirklichkeit ein Stück näher. Einer Wirklichkeit, die sich immer wieder neu zu definieren scheint und die individuell sehr unterschiedlich empfunden wird.
Umbruch
So wird denn der Aufbruch gleichzeitig zum Umbruch. Nur wenig bleibt vom Bekannten übrig. Und immer wieder taucht die Frage nach der Richtigkeit des eigenen Handelns auf. Das Leben als Tauschgeschäft gleichsam; Nebel gegen Sonne, Vertrautes gegen Unbekanntes, Bequemes gegen Unbequemes. „Wer nichts wagt, gewinnt nichts“ spricht der Volksmund. Doch dies sagt sich leicht – am eigenen Herd oder in der behüteten Stube. Wir ehemaligen Swissairler sollten es eigentlich besser wissen: „Brüche“ bieten neue Chancen, eröffnen mitunter ungeahnte Möglichkeiten, die wir ohne äusseren Zwang wohl kaum wahrnehmen würden.
Solche und ähnliche Gedanken wälze ich in meinen ersten Tagen im neuen Haus, das in einem Compound liegt, der in seiner verwinkelten Architektur im ersten Moment an eine Ferienanlage erinnert. Im Wohnzimmer herrscht gähnende Leere und darin geführte Telefongespräche erinnern an Durchsagen aus Lautsprechern in Bahnhofs- oder Abflughallen. In den Schlafzimmern stehen die neuen Betten bereit. In der Küche wurden mittlerweile Kühlschrank und Kochherd installiert. Bis auf weiteres kein Internet und kein TV. Da bleibt viel Zeit zum Lesen – oder zum Studium der Manuals und der Unterlagen im „Skybook“. Zwischendurch reichts gar für eine Partie Tischtennis mit Mohammed, einem der „Security officers“ unseres Compounds. Die Frage nach dem Sieger dürfte sich erübrigen...
Wer ob solcher Gedankenspiele nun aber denkt, in mir regten sich Zweifel über mein/unser Tun, dem sei an dieser Stelle gesagt, dass er oder sie sich täuscht. Selten noch war ich so überzeugt von diesem Entscheid wie heute! Im vollen Bewusstsein, dass sich vieles weiter verändern wird. „For the better or the worse“ – dies zu beantworten, ist zu früh. Aber auch diese Antwort werden wir dereinst bekommen. Ich zweifle nicht daran.
Am 22. August kommt die Familie nach Abu Dhabi. Ein lang ersehnter Moment, auf den ich mich riesig freue.
Sunday, August 13, 2006
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2 comments:
Hoi Dide
Dasch eifach immer wider spannend, wänn en neue Pricht vo Dir uf em Compi isch. Schöö, dass Du üüs e chli a dim neue Läbe i fäärne Lande teilnää loosch. Mer wünsched Dir, Eu allne, e Superziit i de Wüeschti und freued üüs uf de erschti Leifpricht z Bivio.
Mit eme liebe Gruess
Peter + Bea Ehrat
Hej Dide, jetzt gehts los! Ja, ob "for the good or the worse" weiss ich selbst heute noch nicht, 3,5 Jahre nach meiner Abreise nach Dubai.Fazit wird wohl erst gezogen, wenn ich das Dubai Fotoalbum meinen Enkeln zeigen werde..und das geht ja bei unserer Sportlichkeit und Vitalität mindestens noch 45 Jahre! Hoffe, du bist mal auf ein Bier in der gegend? 050 347 01 90. Halüüüüüüüüüüüü! Olli
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